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BFH: Anforderungen an einen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO bei Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung

  1. Ordnet das Insolvenzgericht nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Nachtragsverteilung durch den früheren Insolvenzverwalter an, tritt für den im Beschluss genannten Gegenstand der Nachtragsverteilung wieder Insolvenzbeschlag ein mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim früheren Insolvenzverwalter liegt.
  2. Die durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingetretene Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens wird spätestens durch das Fortsetzungsbegehren des früheren Insolvenzverwalters beendet.
  3. Stellt ein Steuerpflichtiger, der zur Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist, vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei dem für ihn zuständigen FA einen Antrag, kommt diesem die Rechtswirkung des § 171 Abs. 3 AO nur dann zu, wenn sich das von ihm verfolgte Begehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem Antrag selbst ergibt; Angaben zur betragsmäßigen Auswirkung sind für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend.
  4. Soweit dem Steuerpflichtigen wegen fehlender Unterlagen genaue Angaben (noch) nicht möglich sind, muss er zur Konkretisierung seines Antrags auf Schätzung eines Gesamtbetrags der Einkünfte in einer bestimmten Höhe gegenüber dem FA eine substantiierte eigene Schätzung anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen vornehmen.

AO § 162, § 171 Abs. 3, Abs. 13, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
InsO § 203
ZPO § 240
FGO § 65
EStG § 10d Abs. 1 Satz 4

BFH-Urteil vom 23.9.2020, XI R 1/19 (veröffentlicht am 28.1.2021)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 27.11.2018, 1 K 488/17 = SIS 19 03 21

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellter Antrag, die Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 auf 0 € festzusetzen und von einem Verlust in Höhe von 1 Mio. € auszugehen, gemäß § 171 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) zu einer Ablaufhemmung führt.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ...  GmbH (GmbH).

Für das Jahr 2007 reichte die GmbH am 13.11.2008 eine Körperschaftsteuererklärung ein. Mit bestandskräftigem Körperschaftsteuerbescheid vom 12.03.2009 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Körperschaftsteuer für das Jahr 2007, ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte und einem zu versteuernden Einkommen von 9.xxx €, auf 2.xxx € fest.

Für das Jahr 2008 reichte die GmbH keine Steuererklärung ein.

Am 01.04.2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA erließ weder einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2008 noch meldete es im Insolvenzverfahren Körperschaftsteuer 2008 zur Insolvenztabelle an.

Unter dem 18.12.2015 richtete die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Schreiben an das FA, das auszugsweise wie folgt lautet:

"Antrag auf Berichtigung der Steuerfestsetzungen für 2008 …

Der Insolvenzverwalter hat uns beauftragt, die Steuererklärungen einschl. Jahresabschlüsse für die zurückliegenden Jahre zu erstellen, soweit diese noch nicht beim Finanzamt eingereicht wurden.

Da ggf. zum 31.12.2015 der Ablauf der Festsetzungsfrist droht und uns nicht alle Geschäftsunterlagen des Insolvenzschuldners vorliegen, werden fristwahrend folgende Anträge gestellt:

Die festzusetzende Umsatzsteuer für das Jahr 2008 beträgt 0,00 EUR.

Der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes soll jeweils betragen:
zum 31.12.2008 -1.000.000,00 EUR

Der Gesamtbetrag der Einkünfte soll betragen:
zum 31.12.2008 -1.000.000,00 EUR

Die festzusetzende Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 beträgt 0,00 EUR.

Die Bearbeitung dieser Anträge können Sie bis auf weiteres zurückstellen, da unsere Prüfungen noch andauern. Wir kommen in dieser Angelegenheit unaufgefordert auf Sie zu."

Am 07.11.2016 reichte der Kläger u.a. den unterschriebenen Jahresabschluss zum 31.12.2008 sowie die nicht unterschriebene Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 ein. Darin wurde ein Gesamtbetrag der Einkünfte sowie ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von -3xx.xxx € erklärt. Im Anschreiben heißt es außerdem:

"Zum 31.12.2008 ergibt sich ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer. Dieser soll i.H.v. 9.xxx,- EUR in das Jahr 2007 zurückgetragen werden."

Mit Bescheiden vom 24.11.2016 lehnte das FA sowohl den Antrag auf Festsetzung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 als auch den beantragten Verlustrücktrag in das Jahr 2007 ab, da für die Körperschaftsteuer 2008 zum 31.12.2015 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Antrag vom 18.12.2015 habe keine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO bewirkt. Allerdings erließ das FA am 13.12.2016 unter Ansatz eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von -3xx.xxx € einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, den es an den Kläger als Insolvenzverwalter bekanntgab. Der Gewerbesteuermessbescheid änderte den Bescheid vom 30.04.2010.

Der Kläger erhob nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen beide Ablehnungsbescheide vom 24.11.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2017 Klage. Er beantragte, die Ablehnungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die "festgesetzte" Körperschaftsteuer 2007 und 2008 betrage jeweils 0 €.

Im Laufe des Klageverfahrens stellte der Kläger auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) klar, dass sich die Klage "lediglich gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2008 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008" richte. Die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 sei "nicht erforderlich", da für den begehrten Verlustrücktrag in das Jahr 2007 die Festsetzungsfrist des Jahres 2008 relevant sei (§ 10d Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragte der Kläger,

  • die Ablehnungsbescheide vom 24.11.2016 aufzuheben und
  • das FA zu verpflichten, die Körperschaftsteuerveranlagung entsprechend der eingereichten Steuererklärung vom 07.11.2016 durchzuführen,
  • die Körperschaftsteuer 2008 auf 0 € festzusetzen und
  • einen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2008 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags in Höhe von 12.xxx € in das Jahr 2007 zu erlassen sowie
  • die Körperschaftsteuerveranlagung für das Jahr 2007 dahin gehend zu ändern, dass ein Verlustrücktrag aus 2008 in Höhe von 12.xxx € berücksichtigt wird.

Das FG gab der Klage mit Urteil vom 27.11.2018 - 1 K 488/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2019, 664) statt. Die angegriffenen Verwaltungsakte und die Einspruchsentscheidung seien aufzuheben und das FA zu verpflichten, eine Körperschaftsteuerveranlagung 2008 entsprechend der eingereichten Steuererklärung durchzuführen, einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2007 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus 2008 in Höhe von 9.xxx € zu erlassen und den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 festzustellen. Die Festsetzungsfrist für die Körperschaftsteuer des Jahres 2008 sei nicht abgelaufen, weil der Antrag vom 18.12.2015 deren Ablauf gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt habe.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht durch einen Antrag i.S. von § 171 Abs. 3 AO gehemmt worden; denn in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sei zu fordern, dass in dem Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO das verfolgte Änderungsbegehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen genannt werden müsse. Davon gehe auch das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 14.12.2007 - 7 K 256/04 (EFG 2008, 756) aus. Im Antrag müsse der zu berücksichtigende Lebenssachverhalt so konkret dargelegt werden, dass für die Behörde erkennbar werde, worauf der Steuerpflichtige seinen Antrag stütze. Bloße Angaben zu betragsmäßigen Auswirkungen seien nicht ausreichend. Ein Antrag auf Schätzung eines bestimmten Verlusts ohne weitere sachverhaltsbezogene Darlegungen (z.B. Einreichung eines Jahresabschlusses) sei kein wirksamer Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO. Das FA müsse durch den Antrag in die Lage versetzt werden, über ihn dem Grunde nach entscheiden zu können, woran es vorliegend fehle. Sollte man einen isolierten Antrag, einen Verlust in einer bestimmten Höhe zu berücksichtigen, für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO ausreichen lassen, würde eine vollständige Steuererklärung schlechter gestellt als der Antrag des Klägers.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er bringt vor, der Senat sei gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Auslegung des Antrags durch das FG gebunden. Die Rechtsprechung zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sei auf § 171 Abs. 3 AO nicht übertragbar. Der Zweck der Vorschriften sei nicht identisch. Die Auffassung des FA, es sei ein Jahresabschluss erforderlich gewesen, gehe fehl, weil dann auch die Steuererklärung eingereicht werden könne. Das vom FA angeführte Urteil des FG Baden-Württemberg betreffe einen anderen Sachverhalt. Soweit der BFH mit seiner Rechtsprechung pflichtwidrig handelnde Bürger nicht besser stellen wolle, sei der Kläger kein pflichtwidrig handelnder Bürger.

Im Revisionsverfahren wurde das Insolvenzverfahren zunächst durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28.05.2019 (ohne Vorbehalt der Nachtragsverteilung) aufgehoben, dann aber durch Beschluss vom 13.06.2019 die Nachtragsverteilung angeordnet. Die Durchführung der Nachtragsverteilung wurde dem Kläger übertragen. Der Kläger hat mit Schreiben vom 23.07.2019 mitgeteilt, dass das Verfahren fortzusetzen ist. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger am 24.09.2020 noch einen Schriftsatz eingereicht.

II.

Das Verfahren ist antragsgemäß mit dem Kläger als Revisionsbeklagten fortzusetzen; er ist für den Streitgegenstand weiterhin prozessführungsbefugt.

1. Zwar entfällt mit Beendigung des Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters zugleich seine Prozessführungsbefugnis, und zwar auch dann, wenn er Adressat der angefochtenen Bescheide war, die Gegenstand des Verfahrens sind; wird jedoch eine Nachtragsverteilung (§ 203 der Insolvenzordnung --InsO--) angeordnet, bleibt der Insolvenzverwalter u.a. ausnahmsweise befugt, anhängige Prozesse fortzusetzen, mit denen die der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen (vgl. BFH-Urteile vom 06.07.2011 - II R 34/10, BFH/NV 2012, 10, Rz 10 f.; vom 26.02.2014 - I R 12/14, BFH/NV 2014, 1544, Rz 14; vom 20.09.2016 - VII R 10/15, BFH/NV 2017, 442, Rz 15 f.; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 - I R 59/12, BFHE 246, 27, BStBl II 2014, 1016, Rz 9).

2. So liegt es hier.

a) Zwar war durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28.05.2019, der keinen Vorbehalt der Nachtragsverteilung enthielt, die Prozessführungsbefugnis des Klägers zunächst entfallen. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ging außerdem zunächst die Unterbrechung des Revisionsverfahrens einher (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 10, Rz 16).

b) Mit der Anordnung der Nachtragsverteilung durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.06.2019 trat allerdings eine erneute Insolvenzbeschlagnahme für den darin genannten Gegenstand der Nachtragsverteilung ein mit der Folge, dass insoweit nunmehr die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (wieder) beim Kläger als (früherem) Insolvenzverwalter liegt (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 28.02.2012 - VII R 36/11, BFHE 236, 202, BStBl II 2012, 451, Rz 12; BFH-Beschluss vom 04.09.2008 - VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6, unter II.1., Rz 8).

c) Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.06.2019, der als Gegenstand der Nachtragsverteilung "mögliche Ansprüche bzgl. der Ablehnung der Veranlagung 2008 (Verlustrücktrag 2007), FG Nürnberg, Az.: 1 K 488/17" nennt, ist dahin auszulegen, dass er auch das --damals bereits anhängige-- Revisionsverfahren XI R 1/19 umfasst. Ausgehend von dieser Auslegung ist der Beschluss hinreichend bestimmt (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Beschlusses BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 442, Rz 22 ff.). Insbesondere bestehen aufgrund der Angabe des Aktenzeichens des FG keine Unsicherheiten bei der Identifizierung der von der Nachtragsverteilung erfassten (möglichen) Ansprüche.

d) Die Unterbrechung des Revisionsverfahrens ist spätestens durch das Fortsetzungsbegehren des Klägers im Schreiben vom 23.07.2019 beendet worden. Ob die Beendigung bereits durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.06.2019 eingetreten ist, bedarf keiner Entscheidung.

III.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Rechtsprechung des BFH zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf § 171 Abs. 3 AO nicht übertragbar sei. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Da eine Ablaufhemmung aufgrund anderer Vorschriften nicht ersichtlich ist, ist die Sache spruchreif.

1. Zu Recht besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass die Festsetzungsfrist für die Körperschaftsteuer 2008 regulär am 31.12.2015 abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

2. Entgegen der Auffassung des FG ist der Ablauf dieser Frist durch das Schreiben des Klägers vom 18.12.2015 allerdings nicht gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt worden.

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO gestellt, so läuft gemäß § 171 Abs. 3 AO i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601) die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Seit dieser Gesetzesänderung regelt Abs. 3 nur noch --inhaltlich unverändert (BRDrucks 475/99, S. 92 f.)-- die Ablaufhemmung für Anträge des Steuerpflichtigen außerhalb des Einspruchs- oder Klageverfahrens.

aa) Die Regelung dient dem Schutz des Steuerpflichtigen: Sie stellt sicher, dass der Erfolg eines einmal gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängt; eine antragsgemäße Entscheidung soll nicht allein daran scheitern, dass die Behörde die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach anderen Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist abschließt (vgl. BFH-Urteile vom 24.05.2006 - I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019, und I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76; vom 27.11.2013 - II R 57/11, BFHE 243, 313, BStBl II 2016, 506, Rz 17).

bb) Zugleich soll die Vorschrift sicherstellen, dass u.a. Anträge auf Steuerfestsetzung nicht durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist gegenstandslos werden, sondern unabhängig von der Dauer der Bearbeitungszeit einer Sachentscheidung durch die Verwaltung zugänglich bleiben (BFH-Urteil vom 23.03.1993 - VII R 38/92, BFHE 171, 10, BStBl II 1993, 581, unter II.a, Rz 33; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 171 AO Rz 24).

b) Bei der Auslegung des § 171 Abs. 3 AO ist die Gesetzessystematik der §§ 169 ff. AO zu beachten. Muss der Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben, sieht das Gesetz keine Ablaufhemmung, wohl aber eine Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) vor. Der Steuerpflichtige handelt, indem er eine Steuer- oder Feststellungserklärung abgibt; wer dies innerhalb der Frist unterlässt, muss an sich den damit verbundenen Nachteil, dass ggf. kein Bescheid mehr ergeht, tragen (vgl. BFH-Urteil vom 22.01.2013 - IX R 1/12, BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663, Rz 12). Dann bietet die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO dem Steuerpflichtigen Schutz gegen den Ablauf der Festsetzungsfrist: Dazu muss er (ggf. mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen) innerhalb der Frist eine Steuererklärung einreichen und danach, wenn seiner Steuererklärung vom FA nicht gefolgt wird, ggf. einen (Untätigkeits-)Einspruch einlegen (vgl. BFH-Urteile vom 29.06.2011 - IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963, Rz 24; in BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663, Rz 14).

c) Aufgrund dieser Erwägungen verlangt die Rechtsprechung des BFH für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO zunächst, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei der für ihn zuständigen Behörde (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2020 - VI R 37/17, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Deutsches Steuerrecht 2020, 1434, Rz 23) einen Antrag gestellt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 313, BStBl II 2016, 506, Rz 18), aus dem sich zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine Steuerfestsetzung begehrt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 18.08.2015 - VII R 5/14, BFH/NV 2016, 74, Rz 18). Eine ggf. vorgeschriebene Form ist einzuhalten (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2008 - VII R 37/07, BFH/NV 2008, 2062, unter II.2., Rz 11, 14).

aa) Zur weiteren Konkretisierung des Antragserfordernisses ist der BFH zunächst einhellig davon ausgegangen, dass als "Antrag" i.S. des § 171 Abs. 3 AO a.F. nur solche Willensbekundungen zu verstehen sind, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen (vgl. BFH-Urteile vom 18.06.1991 - VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124, unter 1., Rz 14; vom 11.05.1995 - V R 136/93, BFH/NV 1996, 1, unter II.1.b, Rz 14). Auch wenn sich in dieser Hinsicht --nun zu § 171 Abs. 3 AO n.F.-- die Rechtsprechung fortentwickelt haben könnte (s. einerseits BFH-Urteile in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76, unter II.4.c bb aaa, Rz 33; vom 24.06.2008 - IX R 64/06, BFH/NV 2008, 1676, unter II.2.c bb, Rz 30; andererseits BFH-Urteile vom 28.08.2014 - V R 8/14, BFHE 247, 21, BStBl II 2015, 3, Rz 10; vom 12.08.2015 - I R 63/14, BFH/NV 2016, 161, Rz 24; vom 20.01.2016 - VI R 14/15, BFHE 252, 396, BStBl II 2016, 380, Rz 15; vom 30.03.2017 - VI R 43/15, BFHE 257, 333, BStBl II 2017, 1046, Rz 27), hat der BFH aber daran festgehalten, dass eine Steuererklärung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124; in BFH/NV 2006, 2019, unter II.2.e c bbb cccc, Rz 38; in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76, unter II.4.c bb ccc, Rz 35; ebenso der Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 171 AO Tz. 2) oder eine Feststellungserklärung (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.2008 - IX R 90/07, BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816, unter II.2.b, Rz 14) grundsätzlich keine Anträge i.S. des § 171 Abs. 3 AO sind, und zwar auch dann nicht, wenn sie zur Auszahlung eines Überschusses (Steuervergütung, "Erstattung") führen sollen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 1, unter II.1.b aa, Rz 14; vom 18.02.2009 - V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.4.b bb, Rz 43; in BFHE 247, 21, BStBl II 2015, 3, Rz 10). Anders ist es nur dort, wo --abweichend vom Streitfall-- eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht besteht und ihr daher ein doppelter Zweck zukommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 252, 396, BStBl II 2016, 380, Rz 15, 17, bei Antragsveranlagung; in BFHE 257, 333, BStBl II 2017, 1046, Rz 31; s. zur Abgrenzung auch Teller, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2017, 611, 615).

bb) Ziel dieser einschränkenden Auslegung des Begriffs "Antrag" i.S. des § 171 Abs. 3 AO ist die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, die eine Steuer- oder Feststellungserklärung innerhalb der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist abgeben, mit den Steuerpflichtigen, die dies unterlassen haben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124, unter 1., Rz 15; in BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663, Rz 16).

cc) Ist innerhalb der Festsetzungsfrist kein Antrag eingegangen, ist der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2008 - VII R 3/07, BFHE 220, 214, BStBl II 2008, 462, unter II.2.b, Rz 15). Dasselbe gilt, wenn sich das Ziel des Steuerpflichtigen nicht durch Auslegung des eingereichten Schreibens ermitteln lässt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 74, Rz 18, unter Verweis auf das --zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ergangene-- Senatsurteil vom 27.10.1993 - XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439).

dd) Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, hat das FG im Wege der Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) als Tatsacheninstanz zu ermitteln (z.B. BFH-Urteil vom 15.05.2013 - IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143, Rz 22, m.w.N.).

d) Diese Rechtsprechung entwickelt der erkennende Senat dahin gehend fort, dass sich auch in Fällen des § 171 Abs. 3 AO, in denen der Steuerpflichtige zur Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist, das von ihm verfolgte Begehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag selbst ergeben muss, so dass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung auf die Steuerfestsetzung für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend sind.

aa) Im Bereich der "schlichten Änderung" (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) versteht der BFH das dort geltende Antragserfordernis dahin gehend, dass sich auch das vom Steuerpflichtigen verfolgte Änderungsbegehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag auf "schlichte" Änderung selbst ergeben muss, so dass Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend sind (grundlegend BFH-Urteil vom 20.12.2006 - X R 30/05, BFHE 216, 31, BStBl II 2007, 503, unter II.3., Rz 13, 14 ff., 23 ff.; s.a. BFH-Urteile vom 25.09.2013 - VIII R 46/11, juris = SIS 13 35 15, Rz 26; vom 18.09.2014 - VI R 80/13, BFHE 247, 111, BStBl II 2015, 115, Rz 22; BFH-Beschluss vom 22.05.2019 - XI R 17/18, BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647, Rz 26 f.).

(1) Der BFH hat diese Auffassung damit begründet, dass eine dem § 367 Abs. 2 Satz 1 AO vergleichbare Vorschrift für das Verfahren bei einem Antrag auf "schlichte" Änderung fehle und dieser nur eine punktuelle Korrektur ermögliche (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2004 - XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911, unter II.3.c, Rz 20; vom 04.05.2011 - I R 67/10, BFH/NV 2012, 6, Rz 27). Die Finanzbehörde habe zu prüfen, ob sie dem Begehren des Antragstellers "der Sache nach" entsprechen kann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, müsse für die Behörde erkennbar sein, auf welche sachverhaltsbezogenen Korrekturpunkte der Antrag ziele. Die bloß betragsmäßige Benennung eines Änderungsrahmens ohne Angabe eines gegenüber den bisherigen Besteuerungsgrundlagen abweichenden Lebenssachverhalts ermögliche der Behörde dies gerade nicht.

(2) An die Konkretisierung des Antrags auf "schlichte" Änderung sind allerdings keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens in Schätzungsfällen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647, Rz 37).

(3) Die Prüfung, ob der Antrag in diesem Sinne hinreichend konkretisiert ist, obliegt dem FG; der BFH ist an dessen tatsächliche Würdigung gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und aufgrund der festgestellten Tatsachen möglich ist, die Grundsätze der Auslegung von Willenserklärungen beachtet sowie weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 264, 399, BStBl II 2019, 647, Rz 28, m.w.N.).

bb) Die Frage, ob diese Rechtsprechung auf den Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO übertragbar ist, ist bisher umstritten.

(1) Während die Vorentscheidung in Rz 63 f. (juris) diese Frage verneint hat, haben das FG Baden-Württemberg (Urteil in EFG 2008, 756, Rz 27, rkr.), das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.05.2007 - 13 K 1095/02, EFG 2009, 964, Rz 34) und das FG Hamburg (Urteil vom 12.02.2010 - 4 K 243/08 = SIS 10 14 23, juris, Rz 52, rkr.) abweichend entschieden. Das Niedersächsische FG (Urteil vom 13.09.2012 - 15 K 249/11, EFG 2012, 2290, Rz 18, rkr.) und das FG Nürnberg (Urteil vom 08.07.2015 - 3 K 1339/14 = SIS 15 25 15, juris, Rz 36, rkr.) haben es für einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für erforderlich gehalten, dass im Antrag das/die Kind(er) anzugeben ist/sind, für das/die Kindergeld beantragt wird. Auch ihnen genügt damit eine betragsmäßige Angabe nicht.

(2) In der Literatur wird teilweise eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung angenommen (so ausdrücklich Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 24; Drüen in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 13; Witt/Kersten, AO-eKommentar, § 171 Rz 6; wohl auch Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 28, 32; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 171 Rz 12; offen Günther, Der AO-Steuerberater 2020, 61, 62) und der Vorentscheidung widersprochen (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 13; Wackerbeck in EFG 2019, 664, 668; BeckOK AO/Fink, 13. Ed. [01.07.2020] AO § 171 Rz 79a). Geltend gemacht wird, dass ansonsten ein Steuerpflichtiger, der trotz bestehender Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung innerhalb der Festsetzungsfrist zunächst lediglich einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO stelle, besser gestellt werde.

cc) Der Senat folgt der zuletzt angeführten Auffassung. Will ein zur Einreichung einer Steuererklärung verpflichteter Steuerpflichtiger einen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO stellen, muss er daher Angaben machen, deren Erklärungswert über die Ankündigung einer Steuererklärung mit einem bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte hinausgeht.

(1) Eine Übertragung der Grundsätze des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auf § 171 Abs. 3 AO ist grundsätzlich möglich; dies folgt schon daraus, dass bereits der VII. Senat des BFH im Zusammenhang mit der Auslegung eines solchen Antrags in Rz 18 des BFH-Urteils in BFH/NV 2016, 74 auf die Rechtsprechung zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (d.h. das Senatsurteil in BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439) zurückgegriffen hat, um das Ziel des Antrags des Steuerpflichtigen zu ermitteln.

(2) Für eine Übertragung der Rechtsprechung in der hier zu beurteilenden Frage spricht zunächst, dass auch einem vor Abgabe der Steuererklärung eingereichten Schreiben --ebenso wie einem Begleitschreiben zu einer Steuererklärung (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143)-- grundsätzlich kein über die (noch abzugebende) Erklärung hinausgehender Erklärungswert zukommt, wenn der Steuerpflichtige mit dem Schreiben im Ergebnis lediglich ankündigt, dass er beabsichtigt, zukünftig eine Steuererklärung mit einem bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte abgeben zu wollen. Es besteht kein Grund, ein solches Schreiben, das eine Steuerfestsetzung oder Verlustfeststellung zwar formal beantragt, aber lediglich mitteilt, wie hoch die festzusetzende Steuer und der Gesamtbetrag der Einkünfte seien, gegenüber einem Begleitschreiben zu einer eingereichten Steuererklärung mit denselben Angaben zu privilegieren.

(3) Diese Beurteilung führt zu einer (nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gebotenen) Gleichbehandlung der zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteten Steuerpflichtigen: Ein Steuerpflichtiger, der innerhalb der Festsetzungsfrist zunächst lediglich einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO stellt, dessen Erklärungswert nicht über den der noch einzureichenden Steuererklärung hinausgeht, wird dadurch nicht besser gestellt als ein Steuerpflichtiger, der zusammen mit seinem Antrag nach § 171 Abs. 3 AO seine Steuererklärung abgibt.

(4) Andererseits ist der Senat nicht der Auffassung, dass bei zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichteten Steuerpflichtigen ein Antrag nach § 171 Abs. 3 AO von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. ebenso für Anträge nach Einreichung der Steuererklärung BFH-Urteil in BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663, Rz 19; a.A. insoweit Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 28; Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 26). Auch bei ihnen darf --entsprechend dem Gesetzeszweck des § 171 Abs. 3 AO-- der Erfolg eines einmal gestellten Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängen und eine antragsgemäße Entscheidung nicht allein daran scheitern, dass die Behörde die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach anderen Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist abschließt. Der Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO bietet für eine derart einschränkende Auslegung einer zum Schutz der Steuerpflichtigen geschaffenen Vorschrift keine hinreichende Stütze.

(5) Allerdings greift der unter III.2.a aa und soeben unter III.2.d cc (4) genannte Grundsatz, dass der Erfolg oder Misserfolg des Antrags des Steuerpflichtigen nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde abhängen darf, nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächliche Angaben macht, die die Behörde überhaupt in die Lage versetzen, das Begehren der Sache nach zu bearbeiten. Unterlässt er dies, hängt der Erfolg oder Misserfolg seines Antrags nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde ab, sondern ist durch seine fehlenden Angaben veranlasst.

Dieser Gedanke kommt in der zu § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO ergangenen Rechtsprechung ebenfalls zum Ausdruck (s. unter III.2.d aa (1)): Ein bezifferter Antrag des Steuerpflichtigen --im Streitfall ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von -1 Mio. € die Körperschaftsteuer auf 0 € festzusetzen und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 1 Mio. € festzustellen-- kann vom FA nur dann in der Sache bearbeitet werden, wenn der Steuerpflichtige tatsächliche Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen macht. Dies gilt bei § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (der beim Gewerbesteuermessbetrag 2008 vom FA herangezogen wurde) und bei § 171 Abs. 3 AO in gleicher Weise.

(6) Zugleich entspricht der bei § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO vom BFH gewählte Ansatz, vom Steuerpflichtigen zur Substantiierung seines Antrags vor Abgabe der Steuererklärung Angaben zu verlangen, die in Schätzungsfällen zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens notwendig sind (s. unter III.2.d aa (2)), dem wirtschaftlichen Gehalt des Antrags i.S. des § 171 Abs. 3 AO, mit dem ein zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteter Steuerpflichtiger eine bestimmte Steuerfestsetzung beantragt, ohne die Steuererklärung gleichzeitig beim FA einzureichen oder zuvor beim FA eingereicht zu haben: Im Ergebnis beantragt er damit beim FA, es möge aufgrund der Nichtabgabe der Steuererklärung die Steuer gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AO mit den vom Steuerpflichtigen geschätzten Besteuerungsgrundlagen festsetzen. Soweit dem Steuerpflichtigen --wie im Streitfall-- wegen fehlender Unterlagen genaue Angaben (noch) nicht möglich sind, muss er nach Auffassung des Senats zur Konkretisierung seines Antrags gegenüber dem FA eine substantiierte eigene Schätzung anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen vornehmen (vgl. zu diesem Erfordernis in Schätzungsfällen gegenüber dem Gericht die BFH-Beschlüsse vom 31.07.2007 - VIII B 41/05, BFH/NV 2007, 2304, unter a, Rz 6; vom 14.08.2013 - III B 13/13, BFH/NV 2013, 1795, Rz 11; vom 22.09.2015 - I B 61/15, BFH/NV 2016, 414, Rz 8; vom 23.06.2017 - X B 11/17, BFH/NV 2017, 1440, Rz 14), und zwar gemäß § 171 Abs. 3 AO vor Ablauf der Festsetzungsfrist. Der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen wird dadurch --wie bei § 65 FGO-- nicht unzumutbar eingeschränkt, da sich der Umfang seiner Substantiierungspflicht nach den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen richtet. Dies gilt auch im Streitfall, in dem sich der Kläger als Insolvenzverwalter die zur Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen nach seinen Angaben erst bei Dritten beschaffen musste; Maßstab für das an seinen Antrag zu richtende Erfordernis zur Substantiierung sind die ihm am Tag des Antrags zugänglichen Erkenntnisquellen.

(7) Diese Beurteilung stellt außerdem Fälle, in denen ein zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteter Steuerpflichtiger eine bestimmte Steuerfestsetzung beantragt, ohne die Steuererklärung beim FA einzureichen bzw. eingereicht zu haben, im Ergebnis weitgehend mit den Fällen gleich, in denen ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Steuererklärung mit ganz oder teilweise geschätzten Besteuerungsgrundlagen beim FA einreicht und anschließend einen (ggf. Untätigkeits-)Einspruch einlegt, falls das FA seiner Erklärung (ggf. i.S. des § 367 Abs. 1 Satz 2 AO ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist) nicht folgt (s. dazu auch oben unter III.2.b). Dies trägt daher ebenfalls zur weitgehenden Gleichbehandlung aller zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteten Steuerpflichtigen bei, auch wenn der Umfang der Ablaufhemmung nach den § 171 Abs. 3 und Abs. 3a AO nicht identisch ist.

e) Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat das FG zu Unrecht angenommen, dass der Antrag des Klägers vom 18.12.2015 nach § 171 Abs. 3 AO zu einer Ablaufhemmung geführt hat; die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

aa) Da das FG im Rahmen der --nach den Ausführungen unter III.2.c dd ihm obliegenden-- Prüfung und Auslegung des Schreibens vom 18.12.2015 von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist der Senat an die Würdigung des FG, das Schreiben enthalte einen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO, nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

bb) Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen jedoch aus, um die erforderliche Prüfung durch den erkennenden Senat selbst vorzunehmen. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO ist nicht eingetreten. Das Schreiben vom 18.12.2015 enthält keinen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO; denn der Kläger hat dem FA in seinem Schreiben lediglich mehrere Steuer-, Verlust- und Einkünftebeträge mitgeteilt, aber nicht den sachlichen Gehalt seines Begehrens in groben Zügen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger zu den von ihm genannten Zahlen durch eine substantiierte eigene Schätzung anhand der ihm damals zugänglichen Erkenntnisquellen gelangt ist.

3. Zutreffend gehen beide Beteiligte und das FG übereinstimmend davon aus, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 13 AO gehemmt ist.

a) Danach läuft zwar die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab, soweit vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet wird. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde auch erst am 28.05.2019 beendet. Außerdem wurde die Körperschaftsteuer 2008 vom FA nicht festgesetzt.

b) Allerdings hat das FG festgestellt, dass das FA eine Körperschaftsteuer 2008 nicht zur Tabelle angemeldet hat. Fehlt es insoweit an einer Forderungsanmeldung des FA, greift § 171 Abs. 13 AO nicht ein.

4. Die Sache ist zum Streitjahr 2008 spruchreif im Sinne der Abweisung der Klage. Da der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach den § 171 Abs. 3 oder 13 AO gehemmt war und eine sonstige Ablaufhemmung nicht ersichtlich ist, war die Festsetzungsfrist am 07.11.2016 bereits abgelaufen. Der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung für das Jahr 2008 sind daher rechtmäßig.

5. Die Revision wegen des Streitjahres 2007 ist folglich ebenfalls begründet; die Vorentscheidung ist auch insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

a) Dabei pflichtet der Senat dem FG zunächst darin bei, dass die Klageschrift vom 13.04.2007 dahin gehend auszulegen ist, dass auch die Körperschaftsteuer 2007 Streitgegenstand ist.

aa) Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats schon daraus, dass der Kläger --wie sich aus S. 2 der Klageschrift ("wegen … 2. …") ergibt-- gegen den Bescheid vom 24.11.2016, mit dem das FA den Rücktrag des Verlusts nach 2007 abgelehnt hat, Klage erhoben und dabei --gemäß der Sollvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 4 FGO-- eine Abschrift (auch) dieses Bescheids (zusammen mit der Einspruchsentscheidung vom 13.03.2017, mit der das FA den Einspruch des Klägers auch insoweit als unbegründet zurückgewiesen hat), übersandt hat.

bb) Auch hat der Kläger die Klage wegen Körperschaftsteuer 2007 nicht zurückgenommen. Ein solcher Erklärungswille kann dem Schreiben vom 04.07.2017 nicht beigemessen werden.

b) Allerdings ist die Revision des FA auch insoweit begründet. Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Zwar ist auch der Antrag auf Durchführung eines Verlustrücktrags ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1676, unter II.2.c bb, Rz 30). Jedoch ist nach den Ausführungen unter III.1. bis 4. die Festsetzungsfrist für das Jahr 2008 am 31.12.2015 abgelaufen. Daher war auch der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Körperschaftsteuer 2007 nicht, wie das FG angenommen hat, nach § 10d Abs. 1 Satz 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes über den 31.12.2015 hinaus gehemmt. Die Festsetzungsfrist für das Jahr 2007 war am 07.11.2016 ebenfalls abgelaufen. Der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind daher auch für das Jahr 2007 rechtmäßig; die Klage wegen Körperschaftsteuer 2007 ist --unter Aufhebung der Vorentscheidung-- abzuweisen.

6. Die Darlegungen und Rechtsausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 24.09.2020 bieten keinen Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO wiederzueröffnen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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