BMF: Steuerliche Gewinnermittlung; Bilanzsteuerrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen

Bundesministerium der Finanzen 24. Juni 2011, IV C 6 - S 2137/0-03 (DOK 2011/0501861); SIS 11 20 05

Zur Anwendung der bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1 Verpflichtungen können entweder im Wege einer Schuldübernahme nach den §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder durch Übernahme der mit der Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldfreistellung) übernommen werden.
  1. Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB
2 Eine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§§ 414 ff. BGB). Verpflichtungen können einzeln, im Rahmen einer entgeltlichen Betriebsübertragung nach § 613a BGB oder durch Ankauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (sog. Asset Deal) übertragen werden.
3 Der Erwerber eines Betriebes hat die übernommenen Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 1 Nummer 7 EStG mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln. Das gilt auch für übernommene Verpflichtungen. In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz des Erwerbers kommt der handelsrechtliche Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen jedoch nur insoweit zur Anwendung, als keine steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bestehen; die Regelungen in § 5 Absatz 2a bis 4b, Absatz 5 Satz 1 Nummer 2, § 6 Absatz 1 Nummer 3, 3a und § 6a EStG sind zu beachten.
4 In der ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz nach Übernahme von Verpflichtungen führt die Anwendung der in Randnummer 3 genannten Vorschriften regelmäßig zu Gewinnen. Das handelsrechtliche Realisationsprinzip gemäß § 252 Absatz 1 Nummer 4 zweiter Teilsatz HGB kommt wegen der bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte nicht zur Anwendung (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 27.1.2010, BStBl 2010 II S. 478 = SIS 10 05 08, wonach das einen Gewinn verursachende Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG nicht zu beanstanden ist).
5 Beispiel 1
  A veräußert seinen Betrieb mit allen Vermögensgegenständen, Schulden und Verträgen an B. Die steuerliche Abschlussbilanz stellt sich wie folgt dar:
 
Steuerbilanz A
Aktiva Passiva
Grundstück 200 000 € Darlehen 40 000 €
    Kapital 160 000 €
Die stillen Reserven des unbebauten betrieblichen Grundstücks betragen 100 000 €. Das betriebliche Darlehen mit einem Nennwert von 50 000 € ist unverzinslich und wurde zutreffend mit dem abgezinsten Wert von 40 000 € passiviert (§ 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG). Nicht ausgewiesen wurde wegen § 5 Absatz 4a EStG der drohende Verlust aus einem für den Betrieb nutzlosen Mietvertrag in Höhe der noch zu zahlenden Mieten (100 000 €).
B hat den Mietvertrag mit Zustimmung des Vermieters übernommen. Da in dem Mietverhältnis eine Belastung zu sehen ist, weil der künftigen Zahlungsverpflichtung kein entsprechender künftiger Vorteil gegenübersteht und daher insoweit ein Verlust droht, haben A und B die Mietzahlungsverpflichtung wie die übernommene Darlehensverbindlichkeit kaufpreismindernd berücksichtigt.
Der Veräußerungspreis, den B mit privaten Mitteln bezahlt, wurde zutreffend wie folgt ermittelt:
 
Grundstück (Buchwert + stille Reserven): 300 000 €
abzgl. übernommene Schuld (Darlehen): - 50 000 €
abzgl. Drohverlust (noch zu zahlende Mieten): - 100 000 €
Veräußerungspreis (Zahlung B an A): 150 000 €
Für B ergibt sich folgende handels- und steuerrechtliche Eröffnungsbilanz (Ansatz der Anschaffungskosten):
 
Eröffnungsbilanz B
Aktiva Passiva
Grundstück 300 000 € drohender Verlust 100.000 €
    (Mietzahlungen)  
    Darlehen 50.000 €
    Kapital (Einlage) 150.000 €
In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz sind jedoch die steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte zu beachten.
Die übernommene Mietzahlungsverpflichtung des B gegenüber dem Vermieter ist keine (gewisse) Verbindlichkeit, da die künftigen Mieten am Bilanzstichtag noch nicht entstanden sind. Auch scheidet die Bildung einer Rückstellung aus, da es sich um ein (übernommenes) schwebendes Geschäft handelt und somit keine Rückstellung passiviert werden kann (ein Erfüllungsrückstand liegt nicht vor). Aufgrund des schwebenden Geschäftes kommt handelsrechtlich nur - wie beim Veräußerer A - eine Drohverlustrückstellung in Betracht. Ein solcher Ansatz scheidet jedoch steuerlich aus (§ 5 Absatz 4a EStG). Auch andere steuerliche Bilanzposten sind nicht zulässig. Folglich ist die in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Drohverlustrückstellung wegen der Mietzahlungsverpflichtung (gewinnerhöhend) aufzulösen. Das unverzinsliche Darlehen ist - wie bei A - gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG mit dem abgezinsten Wert anzusetzen. Das Grundstück ist mit den Anschaffungskosten zu aktivieren.
Die steuerliche Schlussbilanz des B stellt sich wie folgt dar (auf die Berücksichtigung der verkürzten Restlaufzeit des Darlehens bei der Abzinsung wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet):
 
Steuerbilanz B
Aktiva Passiva
Grundstück   300 000 € Darlehen   40 000 €
      Kapital    
      Anfangsbestand 0 €  
      + Einlage 150 000 €  
      + Gewinn Auflösung Drohverlust 100 000 €  
      + Gewinn Abzinsung 10 000 € 260 000 €
Der Veräußerungsverlust i. S. d. § 16 EStG des A ermittelt sich wie folgt:
 
Veräußerungspreis (Zahlung B): 150 000 €
abzgl. Buchwert Grundstück: - 200 000 €
züzgl. Passivposten übertragenes Darlehen: + 40 000 €
  - 10 000 €
Bei einer Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung werden im Ergebnis die stillen Reserven besteuert (hier: 100 000 € des Grundstücks). Abzuziehen sind die "negativen" stillen Reserven (hier: 10 000 € Abzinsung Darlehen und 100 000 € Drohverlust).Wären das Darlehen mit dem Nennwert und der drohende Verlust passiviert worden, bestünden insoweit keine stillen Lasten, die den Gewinn aus den veräußerten Aktiva mindern könnten. Der Veräußerungsgewinn würde dann 100 000 € betragen.
2. Übernahme der mit einer Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldfreistellung)
6 Wird im Rahmen eines Übertragungsvorgangs eine Verpflichtung nicht übertragen, d. h. das bisherige Vertragsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Gläubiger der Verpflichtung besteht unverändert fort, und verpflichtet sich der Übernehmer, den Veräußerer von den künftigen Leistungspflichten freizustellen, begründet dieser Vorgang ein neues Schuldverhältnis, das in der Bilanz des Freistellungsverpflichteten als gewisse oder ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 16.12.2009, BStBl 2011 II S. ... = SIS 10 02 46). Der Freistellungsberechtigte hat eine entsprechende Forderung zu aktivieren.
7 Werden die Lasten aus Versorgungsverpflichtungen im Sinne von § 6a EStG übernommen, sind die Regelungen des BMF-Schreibens vom 16.12.2005 (BStBl 2005 I S. 1052 = SIS 06 03 90) zum sog. Schuldbeitritt entsprechend anzuwenden.
8 Beispiel 2
  Wie Beispiel 1, jedoch wird der Mietvertrag nicht übertragen, sondern B verpflichtet sich, A von der gegenüber dem Vermieter weiter bestehenden Zahlungsverpflichtung freizustellen (Erstattung der Mieten).
B müsste an A für die übernommenen Wirtschaftsgüter abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Schulden 300 000 € - 50 000 € = 250 000 € zahlen, da der Mietvertrag nicht übernommen wurde. Die Vertragsparteien haben jedoch die Freistellung des A von den Mietzahlungen vereinbart (B erstattet dem A die künftigen Mieten in Höhe von 100 000 €). B zahlt daher an A lediglich einen Kaufpreis in Höhe von 150 000 €. Die Freistellungsverpflichtung ist bilanziell auszuweisen. Zu passivieren ist eine (gewisse) Verbindlichkeit, da die zu übernehmenden Mietzahlungen feststehen.
A hat den Freistellungsanspruch gewinnerhöhend zu aktivieren. Nach der Übertragung des Grundstücks und des Darlehens ergibt sich folgende Steuerbilanz (der Verkaufserlös wurde dem betrieblichen Bankkonto gutgeschrieben):
 
Steuerbilanz A
Aktiva Passiva
Bank   150 000 € Kapital    
Freistellungsanspruch   100 000 € Anfangsbestand 160 000 €  
      + Gewinn Grundstücksverkauf 100 000 €  
      - Verlust Abzinsung 10 000 € 250 000 €
In den Folgejahren ist der Freistellungsanspruch ratierlich in Höhe der von B erstatteten Mieten gewinnmindernd aufzulösen; die Erstattungen sind gleichzeitig Betriebseinnahmen (im Ergebnis somit keine Gewinnauswirkungen). Die von A weiterhin an den Vermieter gezahlten Mieten sind Betriebsausgaben, wodurch sich der (nicht passivierte) drohende Verlust entsprechend vermindert.
Für B ergibt sich im Übertragungsjahr folgende Steuerbilanz (auf die Abzinsung der Freistellungsverbindlichkeit und die Berücksichtigung der verkürzten Restlaufzeit bei der Abzinsung des Darlehens wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet):
 
Steuerbilanz B
Aktiva Passiva
Grundstück   300 000 € Freistellungsverbindlichkeit 100 000 €
      Darlehen 40 000 €
      Kapital  
      Anfangsbestand 0 €  
      + Einlage 150 000 €  
      + Gewinn Abzinsung 10 000 € 160 000 €
Die Freistellungsverbindlichkeit ist in den Folgejahren in Höhe der an A gezahlten Mieten gewinnneutral aufzulösen.
9 Die Randnummern 1 bis 8 sind in allen offenen Fällen anzuwenden und gelten unabhängig davon, in welchem Zusammenhang eine Übertragung erfolgt. So ist es bilanzsteuerrechtlich unerheblich, ob eine Verpflichtung einzeln, im Rahmen eines entgeltlichen Betriebsübergangs nach § 613a BGB, bei einem Aufkauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (sog. Asset Deal) oder bei einer Übertragung nach § 123 Umwandlungsgesetz (UmwG) erfolgt. In allen Fällen bleiben die bilanzsteuerrechtlichen Ansatz und Bewertungsvorbehalte weiter maßgebend.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik Steuern - Veröffentlichungen zu Steuerarten - Einkommensteuer - zur Ansicht und zum Abruf bereit.

Anm. d. Red.: Aufgehoben durch das BMF-Schreiben vom 30.11.2017 (BStBl 2017 I S. 1619 = SIS 17 21 62)

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