BFH: Keine Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom

Die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern de­zentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.

UStG § 3 Abs. 1
MwStSystRL Art. 14 Abs. 2
KWKG 2009 § 4 Abs. 3a

BFH-Urteil vom 29.11.2022, XI R 18/21 (veröffentlicht am 13.4.2023)

Vorinstanz: FG Köln vom 16.6.2021, 9 K 1260/19 = SIS 21 13 83

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bündelte sämtliche Aufgaben ... in den Bereichen Strom‑, ... und Wassernetze in der Stadt A, in der Städteregion von A sowie in Teilen der Kreise B und C. An die von ihr betriebenen Stromnetze waren von Anlagenbetreibern betriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) angeschlossen. Hierbei handelte es sich nicht nur um solche Anlagen, die den Strom in das Netz der Klägerin einspeisten, sondern auch um solche, deren Betreiber den produzierten Strom nicht einspeisten, sondern (nahezu) ausschließlich selbst, d.h. dezentral, verbrauchten. Gemäß § 4 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG) i.d.F. vom 25.10.2008 (BGBl I 2008, 2101) ‑‑KWKG 2009‑‑ war die Klägerin gegenüber jedem KWK-Anlagenbetreiber verpflichtet, den Strom, der von den an ihr Verteilernetz angeschlossenen Anlagen produziert wurde, abzunehmen und nach den jeweiligen Verrechnungssätzen zu vergüten. Für den aufgenommenen Strom waren der Preis, der zwischen den Beteiligten vereinbart wurde, sowie ein Zuschlag zu entrichten. Dieser Zuschlag war nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 auch für den Strom zu bezahlen, der aufgrund des dezentralen Verbrauchs tat­sächlich nicht in ein Netz für den allgemeinen Gebrauch eingespeist wurde.

Im Rahmen der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der R‑GmbH, für die Jahre 2009 bis 2012 vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass die R‑GmbH gegenüber KWK-Anlagenbetreibern, die den produzierten Strom zu einem großen Teil bzw. nahezu ausschließlich selbst nutzten, neben Gutschriften über den KWK-Zuschlag keine Abrechnungen erstellt hatte. Nach Abschn. 2.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) sei dies erforder­lich gewesen, da hiernach fingiert werde, dass der gesamte von der KWK-An­lage erzeugte Strom zunächst in das öffentliche Stromnetz eingespeist und dann der vom Anlagenbetreiber selbst verbrauchte Strom durch den Strom­netzbetreiber wieder zurück geliefert werde.

Zu den betroffenen Anlagenbetreibern gehörte seit dem Kalenderjahr 2010 (Streitjahr) u.a. der Wasserverband V. Als Körperschaft des öffent­lichen Rechts nutzte dieser die KWK-Anlage, die an sein eigenes Stromnetz (sog. Kundenanlage) angeschlossen war, im Rahmen seiner hoheitlichen Tätig­keit und war nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Auf ihn entfiel als Bemes­sungsgrundlage im Streitjahr ein Betrag in Höhe von … €, was zu einer Umsatzsteuer in Höhe von … € führte.

Während der Außenprüfung fakturierte die Klägerin im Dezember 2014 die Rechnungen und Gutschriften "nachträglich" gegenüber V (Rechnungen über Rücklieferungen an Anlagenbetreiber V vom 22.12. sowie 29.12.2014 und Gutschriften über Lieferung an Netzbetreiber vom 23.12. sowie 29.12.2014).

Im Ergebnis ermittelte die Außenprüfung in den Jahren 2009 bis 2012 (Net­to‑)Umsätze, für die bislang ‑‑nach Auffassung der Außenprüfung zu Unrecht‑‑ sowohl eine Abrechnung im Hinblick auf dezentral verbrauchten Strom als auch die Abführung der darauf entfallenden Umsatzsteuer unterblieben sei. Das für die Rechtsvorgängerin der Klägerin zuständige Finanzamt X folgte der Auffassung der Außenprüfung und erließ unter dem 18.01.2017 entsprechende Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2012. Dagegen wurde Einspruch eingelegt. Mit Einspruchsentschei­dung vom 16.04.2019 wies der inzwischen zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbe­scheid 2010 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanz­gerichte 2021, 1943 veröffentlichten Urteil statt. Das FA sei zu Unrecht hin­sichtlich des dezentral von V verbrauchten Stroms von einer Lieferung oder sonstigen Leistung der Klägerin gegenüber V ausgegangen. Es fehle bereits an der Lieferung von Strom an die Klägerin, so dass auch die Voraussetzungen ei­ner Rücklieferung der Klägerin an V nicht gegeben seien. Neben einer physika­lischen Einspeisung komme auch eine Lieferfiktion im Sinne einer Vertragsein­speisung nicht in Betracht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG lege § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu eng aus, indem es sich vor­nehmlich auf die wörtliche Auslegung des Begriffs der Verschaffung der Verfü­gungsmacht konzentriere. Zwar werde der vom Anlagenbetreiber produzierte Strom dem Netzbetreiber nicht zur Verfügung gestellt; aber der Anlagenbetrei­ber messe den anlagenproduzierten Strom standardmäßig und stelle diese Zahlen dem Netzbetreiber monatlich zur Verfügung. Dieser sei aufgrund der gemeldeten Zahlen zur Entrichtung des Zuschlags nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 verpflichtet. Fraglich sei daher, ob auch diese Konstellation zu einer ‑‑ggf. fiktiven‑‑ Lieferung i.S. des § 3 UStG führe. Der Rechtsgedanke des § 8 Abs. 2 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien i.d.F. vom 25.10.2008 (BGBl I 2008, 2074) ‑‑EEG 2009‑‑ zur kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe könne auch auf den Direktverbrauch übertragen werden. Der Ein­wand der Klägerin sei irrelevant, dass die kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe vertraglich ausgeschlossen worden sei. Auch sei unerheblich, ob der Anlagen­betreiber zum Vorsteuerabzug berechtigt sei oder nicht.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuwei­sen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend den de­zentral von V verbrauchten Strom nicht als Gegenstand einer Lieferung oder sonstigen Leistung der Klägerin gegenüber V angesehen.

1. Die steuerbare Lieferung erfordert, dass der Unternehmer die Verfügungs­macht an einem Gegenstand gegen Entgelt verschafft.

a) Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Liefe­rungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unionsrechtlich beruht diese Vor­schrift auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuer­pflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats tätigt oder erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

Dabei entfällt die Steuerbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausge­führt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt. Unionsrechtli­che Grundlage hierfür ist Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL. Danach gilt als Lieferung von Gegenständen auch die Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand gegen Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.

b) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unterneh­mer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Grundlage für § 3 Abs. 1 UStG ist Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL. Als Lieferung von Gegenständen gilt danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Ge­genstand zu verfügen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bezieht sich der Begriff "Lieferung von Gegenständen" nicht auf die Ei­gentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgese­henen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegen­stands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegen­stand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu ver­fügen, verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert und/oder physisch von ihr empfangen wird (EuGH-Urteil Enteco Baltic vom 20.06.2018 ‑ C‑108/17, EU:C:2018:473, Rz 86 f.). Im Übrigen be­inhaltet die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen kör­perlichen Gegenstand zu verfügen, dass die Partei, auf die diese Befähigung übertragen wird, die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken, etwa die Entscheidung, den Gegenstand zu verkaufen (EuGH-Urteil Herst vom 23.04.2020 ‑ C‑401/18, EU:C:2020:295, Rz 40).

Der Bundesfinanzhof (BFH) umschreibt den Begriff der Lieferung in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne dass sich hieraus eine Abweichung von der EuGH-Rechtsprechung ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11.03.2020 ‑ XI R 18/18, BFHE 268, 364, Rz 32).

2. Der sog. Direktverbrauch bei zuschlagsberechtigten KWK-Anlagen führt nicht zu einer Lieferung an den Betreiber des Stromnetzes (Netzbetreiber).

a) Zwar kann auch elektrischer Strom Gegenstand einer Lieferung sein (Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL; BFH-Urteile vom 21.12.1988 ‑ V R 24/87, BFHE 156, 273, BStBl II 1989, 430; vom 31.05.2017 ‑ XI R 2/14, BFHE 258, 191, BStBl II 2017, 1024, Rz 32). Im Streitfall wurde aber der Klägerin nicht die Verfügungsmacht an dem von V erzeugten Strom übertragen. Denn es wurde kein Strom in das Netz der R‑GmbH eingespeist und von ihr wieder zurück­übertragen, so dass weder Substanz, Wert oder Ertrag von V auf die R‑GmbH und dann von ihr wieder zurück an V übergegangen sind. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

b) Entgegen der Ansicht des FA kann eine Stromlieferung von der Klägerin an V auch nicht fingiert werden.

aa) Gesetzliche Lieferfiktionen des nationalen Rechts und des Unions­rechts wie sie in § 3 Abs. 3 UStG und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL vorgesehen sind, greifen im Streitfall nicht ein. Insbesondere liefert der Netzbe­treiber den Strom nicht für Rechnung des Anlagenbetreibers an den Anlagen­betreiber. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Dementspre­chend ist auch die Rechtsprechung zum Dreifachumsatz (BFH-Urteile vom 06.10.2005 ‑ V R 20/04, BFHE 212, 146, BStBl II 2006, 931; vom 30.03.2006 ‑ V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II 2006, 933; vom 23.07.2009 ‑ V R 27/07, BFHE 226, 421, BStBl II 2010, 859) für den Streitfall ohne Bedeu­tung.

bb) Eine Hin- und Rücklieferung ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3a KWKG 2009. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um eine Regelung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG (vgl. auch Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL), wonach ein Umsatz nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt.

(1) Nach § 4 Abs. 3a Satz 1 KWKG 2009 war ein Zuschlag auch für KWK-Strom zu entrichten, der nicht in ein Netz für die allgemeine Versorgung ein­gespeist wurde. Die Verpflichtung zur Zahlung des Zuschlags traf den Betrei­ber eines Netzes für die allgemeine Versorgung, mit dessen Netz die in § 4 Abs. 3a Satz 1 KWKG 2009 genannte KWK-Anlage unmittelbar oder mittelbar verbunden war (§ 4 Abs. 3a Satz 2 KWKG 2009). Der Anlagenbetreiber erhielt somit für den nicht eingespeisten Strom lediglich eine finanzielle Förderung, die der Stromnetzbetreiber zu zahlen hatte, der wiederum die Kosten des Zu­schlags letztlich auf die Letztverbraucher umlegte (vgl. § 9 Abs. 7 KWKG 2009).

(2) Bereits der auf die Begründung einer Zahlungspflicht für eine Nichteinspei­sung beschränkte Wortlaut der Regelung spricht gleichermaßen gegen die An­nahme einer Lieferung an den Netzbetreiber wie auch gegen eine Rückliefe­rung durch diesen an den Anlagenbetreiber. Aus einer bloßen Vergütungsrege­lung folgt nicht, dass der Zahlende Empfänger einer Leistung ist (vgl. BFH-Be­schluss vom 11.10.2022 ‑ XI R 12/20, BFH/NV 2023, 274, Rz 25).

(3) Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3a KWKG 2009. Die Regelung bezweckte, dass die Betreiber von KWK-Anlagen auch in­soweit Zuschläge erhalten, als der von ihnen erzeugte KWK-Strom im Rahmen der im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz als dem für die allgemeine Versorgung eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wurde. Der Netzbetreiber sollte vor dem Hintergrund der Versorgungssicher­heit sowie des Ressourcen- und Klimaschutzes als gewichtigen Gemeinwohlzie­len lediglich den Zuschlag für den KWK-Eigenversorgungsstrom zahlen (BTDrucks 16/8305, S. 16 f.).

(4) Die Annahme einer Hin- und Rücklieferung des dezentral verbrauchten Stroms widerspricht auch anderen Regelungen des KWKG 2009. Während § 4 Abs. 3a KWKG 2009 den Netzbetreiber nur verpflichtete, den Zuschlag an den Anlagenbetreiber zu entrichten, hatte der Netzbetreiber im Fall des § 4 Abs. 3 Satz 1 KWKG 2009 für den "aufgenommenen" Strom sowohl einen Preis, den der Betreiber der KWK-Anlage und der Netzbetreiber vereinbarten, als auch einen Zuschlag zu entrichten. Der Netzbetreiber konnte im Übrigen nach § 4 Abs. 2 KWKG 2009 auch nur den "aufgenommenen" KWK-Strom verkaufen oder zur Deckung des eigenen Strombedarfs verwenden. Diese Regelung be­stand seit Inkrafttreten des KWKG 2002 i.d.F. vom 19.03.2002 (BGBl I 2002, 1092) ‑‑KWKG 2002‑‑ und betraf seinerzeit nur den Strom, den die Betreiber von KWK-Anlagen in die Netze der Strombetreiber einspeisten (§ 3 Abs. 10 KWKG 2002). Soweit § 3 Abs. 10 KWKG 2009 den Begriff des Betreibers von KWK-Anlagen auf diejenigen erweiterte, die den Strom für die Eigenversor­gung bereitstellen, erfolgte dies lediglich, um auch solche KWK-Anlagen zu fördern, damit der Anteil von Strom aus KWK an der jährlichen Gesamtstrom­erzeugung bis 2020 auf 25 % verdoppelt werde (BTDrucks 16/9469, S. 14). Eine Änderung dahingehend, dass der "aufgenommene" KWK-Strom nunmehr auch den nicht in ein Netz für die allgemeine Versorgung eingespeis­ten Strom umfassen sollte, war damit nicht verbunden. Der Wert des KWK-Ei­genversorgungsstroms verblieb bei dem Anlagenbetreiber.

(5) Schließlich spricht der Zweck des § 4 Abs. 3a KWKG 2009 gegen eine Lie­ferung des vom Anlagenbetreiber dezentral verbrauchten Stroms an den Netz­betreiber und wieder zurück. Die Einführung von § 4 Abs. 3a KWKG erfolgte allein aus energiepolitischen Zwecken zur Förderung der Betreiber von KWK-Anlagen, die Strom zur Eigenversorgung erzeugten. Mit der Einführung des Absatzes 3a sollten auch die Betreiber von KWK-Anlagen Zuschläge nach dem Gesetz erhalten, soweit der von ihnen erzeugte KWK-Strom nicht in das Netz für die allgemeine Versorgung, sondern im Rahmen der im EnWG geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wird (BTDrucks 16/8305, S. 16). Dieser energiepolitische Zweck beeinflusste nicht die Frage, ob dem Stromnetzbetrei­ber der dezentral verbrauchte Strom vom Anlagenbetreiber i.S. des § 3 Abs. 1 UStG geliefert wird. Hierüber ist vielmehr unter Berücksichtigung der wirt­schaftlichen und geschäftlichen Realität (EuGH-Urteil ITH Comercial Timișoara vom 12.11.2020 ‑ C‑734/19, EU:C:2020:919, Rz 48) zu entscheiden. Insoweit übertrug der Anlagenbetreiber im Fall des § 4 Abs. 3a KWKG 2009 dem Stromnetzbetreiber gerade nicht Substanz, Ertrag oder Wert des dezentral verbrauchten Stroms, da dieser Strom nicht in das Netz des Stromnetzbetrei­bers eingespeist wurde und der Stromnetzbetreiber über diesen Strom auch nicht anderweitig ‑‑den Anlagenbetreiber ausschließend‑‑ verfügen konnte.

cc) Abweichendes ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus § 8 EEG 2009.

(1) Nach § 8 Abs. 1 EEG 2009 waren Netzbetreiber vorbehaltlich des § 11 EEG 2009 verpflichtet, den gesamten angebotenen Strom insbesondere aus erneu­erbaren Energien unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Nach § 8 Abs. 2 EEG 2009 bestanden diese Verpflichtungen nach Absatz 1 auch, wenn die Anlage an das Netz der Anlagenbetreiberin, des Anla­genbetreibers oder einer dritten Person, die nicht Netzbetreiber i.S. von § 3 Nr. 8 EEG 2009 war, angeschlossen war und der Strom mittels kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe durch dieses Netz in ein Netz für die allgemeine Versor­gung nach § 3 Nr. 7 EEG 2009 angeboten wurde.

(2) Die bei der sog. kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung in ein Netz angebo­tene und vergütete Elektrizität sieht die Finanzverwaltung auch dann als vom EEG-Anlagenbetreiber an den vergütungspflichtigen Netzbetreiber geliefert an, wenn der Verbrauch tatsächlich innerhalb eines Netzes erfolgt, das kein Netz für die allgemeine Versorgung ist und das vom Anlagenbetreiber selbst oder einem Dritten, der kein Netzbetreiber ist, betrieben wird (Abschn. 2.5 Abs. 2 UStAE).

(3) Zwar leitet das FA aus der vorstehenden Verwaltungsauffassung ab, dass auch im Streitfall eine Lieferung vorliege. Dem ist aber nicht zu folgen. Denn die vorstehende Verneinung der Lieferung im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3a KWKG 2009 spricht dafür, dass es auch im Rahmen der sog. kaufmän­nisch-bilanziellen Einspeisung nicht zu einer Lieferung kommt. Hierüber ist in­des nicht abschließend zu entscheiden, da es vorliegend an einer kaufmän­nisch-bilanziellen Einspeisung fehlt. Denn der Anlagenbetreiber V "lieferte" den selbst erzeugten Strom in seinem eigenen Stromnetz (sog. Kundenanlage), ohne bilanziell eine Stromeinspeisung in das Elektrizitätsversorgungsnetz und eine Stromentnahme aus dem Elektrizitätsversorgungsnetz vorzunehmen.

dd) Abweichendes ist entgegen der Auffassung des FA auch nicht aus dem EuGH-Urteil Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom 20.06.2013 ‑ C‑219/12 (EU:C:2013:413) abzuleiten. Denn anders als im Streitfall wurde dort der durch die Anlage des Anlagenbetreibers erzeugte Strom mangels Speicher­möglichkeit in vollem Umfang tatsächlich in das Netz des Netzbetreibers einge­speist und vergütet sowie der Bedarf des Anlagenbetreibers zum selben Preis wie der gelieferte Strom vom Netzbetreiber zurückgekauft (vgl. auch Sterzinger, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2013, 620, 625, und Wäger, UR 2014, 81, 88).

Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH keine Lieferfiktion, die auf den Streitfall zu übertragen wäre. Soweit nach der BFH-Rechtsprechung in der Zahlung eines KWK-Bonus durch den Netzbetreiber an den Anlagenbetrei­ber ein zusätzliches Entgelt für vom Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber gelieferten Strom zu sehen ist (vgl. zu Blockheizkraftwerken BFH-Urteile vom 18.12.2008 ‑ V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292; vom 12.12.2012 ‑ XI R 3/10, BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809), wird dadurch keine Lieferung fingiert, sondern der KWK-Bonus als Entgelt für vom Anlagen­betreiber tatsächlich gelieferten Strom betrachtet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 258, 191, BStBl II 2017, 1024, Rz 35).

ee) Schließlich vermag Abschn. 2.5 Abs. 17 Sätze 2 bis 4 UStAE als lediglich norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die Gerichte nicht bindet (vgl. allgemein z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 ‑ GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz 107; BFH-Urteile vom 21.02.2013 ‑ V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, Rz 42; vom 10.11.2020 ‑ IX R 31/19, BFHE 271, 212, BStBl II 2021, 474, Rz 28), keine Lieferfiktion in Abweichung zum materiellen Recht zu begründen.

3. Auf dieser Grundlage kommt auch die Annahme einer sonstigen Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG nicht in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, worin eine derartige Leistung bestehen sollte. Denn der Anlagenbetreiber erhält hin­sichtlich seines selbst dezentral verbrauchten Stroms keinen verbrauchfähigen Vorteil (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 23.09.2020 ‑ XI R 35/18, BFHE 271, 243, BStBl II 2022, 344, Rz 43; vom 30.06.2022 ‑ V R 36/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Deutsches Steuerrecht 2022, 2369, Rz 23) von der Klägerin zurück, sondern hat ihn behalten. Auch die vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Einspeisung von Strom durch den Anlagenbetreiber an die Klä­gerin ‑‑auf die das FA in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat‑‑ än­dert daran nichts. Einen Vorteil hat der Anlagenbetreiber allein aufgrund dieser Möglichkeit insoweit nicht erhalten. Der Zuschlag nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 dient lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse und soll nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungs­empfängers an den Zahlenden sein (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 18.12.2019 ‑ XI R 31/17, BFH/NV 2020, 565, Rz 14, und BFH-Urteil vom 18.11.2021 ‑ V R 17/20, BFHE 275, 276, Rz 22).

4. Im Übrigen ergibt sich im Streitjahr keine Umsatzsteuerpflicht aus den im Rahmen der Außenprüfung erteilten Rechnungen und Gutschriften an V und andere Netzbetreiber. Denn eine sich hieraus ergebende Steuerschuld nach § 14c UStG ist erst mit der Rechnungserteilung und damit nicht im Streitjahr zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 08.09.2011 ‑ V R 5/10, BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 25; vom 13.12.2018 ‑ V R 4/18, BFHE 263, 535 Rz 35).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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