ErbStG § 14 Abs. 1, § 13a
Vorinstanz: Hessisches FG vom 22.3.2016, 1 K 2014/14 (EFG 2016 S. 1277 = SIS 16 15 72)
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ersteigerte durch Zuschlagbeschluss vom 30.10.2006 von einem Dritten ein Grundstück, auf dem ein Reiterhof betrieben wurde, für einen Betrag in Höhe von 420.000 €. Für diesen Zweck hatte er u.a. von seiner Mutter 205.000 € erhalten.
Am 15.9.2010 übertrug die Mutter dem Kläger ein anderes Grundstück nebst Hof- und Gebäudefläche. Der Grundbesitzwert für dieses Grundstück wurde durch Feststellungsbescheid des zuständigen Finanzamts vom 25.3.2011 in Höhe von 424.222 € festgestellt.
Die vorherige Geldzuwendung zum Erwerb des Reiterhofs werteten sowohl der Kläger als auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als mittelbare Betriebsschenkung. Mit Bescheid vom 7.10.2011 stellte das örtlich zuständige Finanzamt für das Grundstück, auf dem der Reiterhof betrieben wurde, den Grundbesitzwert in Höhe von 434.000 € fest. Der Bescheid enthält zugleich die Feststellung, dass das Grundstück im Besteuerungszeitpunkt als Betriebsgrundstück zu dem Gewerbebetrieb des bisherigen Eigentümers gehörte, sowie die - unzutreffende - Feststellung, dass der Grundbesitz bislang der Mutter des Klägers zuzurechnen war.
Mit Bescheid vom 15.6.2011 setzte das FA die Schenkungsteuer für diesen Erwerb (Vorerwerb) in Höhe von 0 € fest. Es vertrat die Auffassung, die Zuwendung in Höhe von 205.000 € im Zusammenhang mit dem Erwerb des Reiterhofs sei nach § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der damals gültigen Fassung vom 29.12.2003 - ErbStG vor 2009 - (BGBl I 2003, 3076) begünstigt.
Für die schenkweise Übertragung der Hof- und Gebäudefläche vom 15.9.2010 (Letzterwerb) setzte das FA mit Bescheid vom 23.6.2011 Schenkungsteuer in Höhe von 994 € fest. Dabei berücksichtigte es einen Grundbesitzwert in Höhe von 414.222 € statt des für dieses Grundstück festgestellten Werts in Höhe von 424.222 € und den Vorerwerb vom 30.10.2006 mit einem Erinnerungswert von 1 €. Dieser Steuerbescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 12.6.2014 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid und setzte die Schenkungsteuer für den Letzterwerb auf 25.212 € fest. Den Wert des Grundvermögens korrigierte es auf 424.222 €. Die Zuwendung vom 30.10.2006 berücksichtigte das FA als Vorerwerb in Höhe von 205.000 €, ohne die Begünstigung nach § 13a ErbStG zu gewähren.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) hat das FA bei der Festsetzung der Schenkungsteuer den Vorerwerb vom 30.10.2006 in zutreffender Höhe berücksichtigt. Der Freibetrag für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG sei nicht zu gewähren. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1277 veröffentlicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid vom 12.6.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.9.2014 dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer auf 1.694 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA den Vorerwerb des Klägers bei der Festsetzung der Schenkungsteuer im angefochtenen Bescheid in materiell zutreffender Höhe berücksichtigen durfte. Dabei ist die Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen nicht zu gewähren.
1. Der Vorerwerb vom 30.10.2006 war bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die Schenkung vom 15.9.2010 hinzuzurechnen.
a) Gemäß § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass mehrere Teilerwerbe durch Kumulation von Freibeträgen (§ 16 Abs. 1 ErbStG) und/oder Vermeidung der Progression (§ 19 Abs. 1 ErbStG) gegenüber einem einheitlichen Erwerb steuerlich begünstigt werden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.8.1988 - II B 17/88, BFH/NV 1990, 53; BFH-Urteil vom 22.8.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448, Rz 26).
b) Aus § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt sich nicht, dass die verschiedenen Erwerbsvorgänge "wie ein Erwerb zu behandeln" sind. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (vgl. BFH-Urteile vom 31.5.1989 - II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733; vom 17.4.1991 - II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522, und in BFHE 262, 448, Rz 27).
c) Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen (BFH-Urteil vom 12.7.2017 - II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120, Rz 19, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein materiell-rechtlich unzutreffender Wert berücksichtigt wurde (BFH-Urteil in BFHE 262, 448, Rz 29). Beruht der unzutreffende Wert darauf, dass eine sachliche Steuerbefreiung gewährt wurde, die materiell-rechtlich nicht hätte gewährt werden dürfen, kann und muss dies ebenfalls im Rahmen der Berücksichtigung des Vorerwerbs korrigiert werden. Eine fehlerhafte Steuerfestsetzung kann erst für den Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen.
d) Ausgehend davon musste das FA nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Vorerwerb vom 30.10.2006 in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die Schenkung vom 15.9.2010 hinzurechnen. Dem steht der Bescheid vom 15.6.2011 über die Festsetzung der Schenkungsteuer auf 0 € für den Vorerwerb nicht entgegen, selbst wenn in diesem Bescheid die Zuwendung eines Geldbetrags von 205.000 € für den Erwerb des Reiterhofs als steuerbegünstigt i.S. von § 13a ErbStG vor 2009 behandelt wurde und sich deshalb schon aus diesem Grund keine steuerpflichtige Bereicherung des Klägers ergeben hat.
2. Bei der Besteuerung des Letzterwerbs und der hierzu erfolgten Hinzurechnung des Vorerwerbs im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG hat das FA den Freibetrag für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 zutreffend nicht berücksichtigt. Die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Steuervergünstigung lagen nicht vor. Die Zuwendung von Geld zum Erwerb eines Betriebs ist nicht begünstigt.
a) Der Freibetrag und der verminderte Wertansatz des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG vor 2009 gelten für inländisches Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG vor 2009) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009).
b) Die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG sind nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen sowohl auf Seiten des Erblassers oder Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers Vermögen i.S. des Abs. 4 Nr. 1 oder 2 der Vorschrift ist (zu der im Wesentlichen gleichen Vorläufervorschrift BFH-Urteil vom 14.2.2007 - II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b; BFH-Beschluss vom 18.2.2008 - II B 109/06, BFH/NV 2008, 1163). Dies ergibt sich für die Erwerberseite bereits aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5 der Vorschrift und für die Seite des Erblassers oder Schenkers aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - (BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b).
Die Bevorzugung des Betriebsvermögens gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedarf im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie sie der Gesetzgeber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22.6.1995 - 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b bb) entnommen hat (BRDrucks 390/96, 67 f.). Das BVerfG hat aber die Milderung des Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber beschränkt, die den Betrieb "weiterführen", "aufrechterhalten" und "fortführen". Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG den Betrieb des Erblassers oder Schenkers im Blick hatte (BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b).
c) An dieser zu § 13a ErbStG i.d.F. vor der Änderung durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften - Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 - StÄndG 2001 - (BGBl I 2001, 3794) ergangenen Rechtsprechung hält der Senat auch für den Streitfall fest. Zwar wurde durch das StÄndG 2001 der Wortlaut des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG insoweit geändert, als die Formulierung "beim Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" ersetzt wurde durch "beim Erwerb durch Schenkungen unter Lebenden". Gleichwohl dient § 13a ErbStG auch in der geänderten Fassung dazu, bestehende Betriebe aufgrund ihrer verminderten Leistungsfähigkeit durch gebundenes Vermögen zu begünstigen.
Zweck der Vorschrift ist es, mittels Begünstigung des Erwerbs bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer einen bestehenden Betrieb des Erblassers oder Schenkers und dessen Arbeitsplätze zu erhalten. Diese sollen davor geschützt werden, dass der Erwerber zur Begleichung seiner persönlichen Erbschaft- oder Schenkungsteuerschuld auf die Vermögenswerte des Betriebs zurückgreifen muss. Die Vorschrift dient dagegen nicht allgemein dazu, die Gründung oder den Erwerb eines Betriebs durch den Erwerber mit finanziellen Mitteln des Zuwendenden zu begünstigen. Letzteres wäre mit der Begründung des verminderten Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen aufgrund der "Weiterführung", der "Aufrechterhaltung" und "Fortführung" des Betriebs des Erblassers oder Schenkers (vgl. BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443, unter II.2.b) nicht vereinbar.
d) Diese Rechtsauffassung steht im Einklang mit der zu § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG vor 2009 ergangenen Rechtsprechung. Danach kommt es - ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift - darauf an, dass der Erblasser oder Schenker am Nennkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt ist (BFH-Urteil vom 16.2.2005 - II R 6/02, BFHE 208, 444, BStBl II 2005, 411).
e) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass im Streitfall der Vorerwerb im Rahmen des § 14 Abs. 1 ErbStG ohne Abzug des Freibetrags für den Erwerb von Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG vor 2009 zu berücksichtigen ist.
Der Vorerwerb ist auch mit 205.000 € in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe angesetzt worden. Das gilt auch dann, wenn man im Streitfall nicht von einer reinen Geldschenkung, sondern - wie das FG im Rahmen einer im Revisionsverfahren nicht zu beanstandenden Gesamtwürdigung der Tatsachen - von einer mittelbaren Schenkung eines Betriebsgrundstücks ausgeht. Das für die Wertfeststellung zuständige Finanzamt hat den Wert des Grundstücks in Höhe von 434.000 € gesondert festgestellt. Da der Kläger für den Erwerb einen Betrag von 205.000 € u.a. von seiner Mutter erhalten hat, ist der Ansatz von 205.000 € im Ergebnis nicht zu beanstanden.
An die - unzutreffende - Feststellung, dass es sich bei dem Grundstück um ein Betriebsgrundstück handele, das ursprünglich dem Gewerbebetrieb der Mutter des Klägers zuzurechnen gewesen sei, ist das FA nicht gebunden. Die Feststellung über die Zurechnung des Betriebsgrundstücks entfaltet keine Bindungswirkung für die Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer und die dabei zu treffende Entscheidung über die Gewährung der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG vor 2009 (vgl. BFH-Urteile vom 29.11.2006 - II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, unter II.2.a, und vom 18.5.2011 - II R 10/10, BFH/NV 2011, 2063, Rz 16).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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