Die Überlassung eines Einsatzfahrzeugs an den Leiter der Freiwilligen Feuerwehr während seiner --wenn auch "ständigen"-- Bereitschaftszeiten führt nicht zu Arbeitslohn.
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 19
Vorinstanz: FG Köln vom 29.8.2018, 3 K 1205/18 = SIS 18 19 95
I. Streitig ist, ob die Überlassung eines Feuerwehreinsatzfahrzeugs zu steuerbarem Arbeitslohn führt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, die nach Maßgabe des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) vom 17.12.2015 (zuvor: Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung --FSHG-- vom 10.02.1998) eine Freiwillige Feuerwehr unterhält. Eine Berufsfeuerwehr gibt es in der Gemeinde sowie dem Landkreis, in welchem die Gemeinde belegen ist, nicht.
Die Freiwillige Feuerwehr wird von Herrn X, der bei der Klägerin vollzeitig angestellt ist, ehrenamtlich geleitet. Er wurde hierzu gemäß § 11 Abs. 1 BHKG (zuvor: § 11 Abs. 1 FSHG) in ein Ehrenbeamtenverhältnis auf Zeit berufen.
Als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr stellte ihm die Klägerin ein Einsatzfahrzeug ("Kommandowagen") zur Verfügung. Dabei handelte es sich um einen in weiß und rot gehaltenen PKW, an dem über Fahrer- und Beifahrerseite hinweg der Schriftzug "FEUERWEHR" sowie die Notrufnummer 112 angebracht ist. Das Fahrzeug ist mit einem fest verbauten Digitalfunkgerät, einem fest verbauten Navigationsgerät --gekoppelt mit einem Meldeempfänger-- sowie mit einer fest verbauten Sondersignalanlage ausgestattet. Daneben befinden sich in dem PKW die persönliche Schutzausrüstung des X, eine Rolle Flatterband, vier Faltleitkegel, Werkzeuge zur Türöffnung, ein Erste-Hilfe-Rucksack sowie Dokumentenmappen und Feuerwehrpläne für verschiedene Objekte in der Gemeinde.
Das Einsatzfahrzeug stand X im Streitzeitraum (01.01.2013 bis 30.09.2016) rund um die Uhr zur Verfügung, damit er in Notfällen jederzeit und unverzüglich zum jeweiligen Einsatzort gelangen und seinen Aufgaben als Wehrführer nachkommen konnte.
Demgemäß nutzte X das Fahrzeug nicht nur für Einsatzfahrten oder zur Erfüllung anderer Aufgaben als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr (z.B. Beschaffung von persönlicher und sachlicher Ausrüstung, Beratung von in der Gemeinde ansässigen Firmen im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes, Besuch mehrtägiger auswärtiger Seminare) sowie im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für die Klägerin, sondern auch für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ab dem Veranlagungszeitraum 2014 erste Tätigkeitsstätte), für Mittagsheimfahrten (Zwischenheimfahrten) und andere Privatfahrten. War er wegen Urlaubs oder Krankheit an der Leitung der Freiwilligen Feuerwehr gehindert, gab er den PKW an den stellvertretenden Leiter der Freiwilligen Feuerwehr ab.
Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Streitzeitraum durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat die Prüferin die Ansicht, dass die Klägerin durch die dauerhafte Gestellung des Einsatzfahrzeugs X einen geldwerten Vorteil zugewandt habe, der als Arbeitslohn nach der 1 %-Regelung zu versteuern sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte der Auffassung der Prüferin und erließ einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer über insgesamt 2.223,86 €. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2018 zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 32 veröffentlichten Gründen statt. Der Nachforderungsbescheid sei aufzuheben, da die Klägerin ihr Wahlrecht auf Pauschalierung gemäß § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausgeübt habe. Auch der Haftungsbescheid sei aufzuheben, da die dauerhafte Überlassung des Einsatzwagens an X nicht als Arbeitslohn zu beurteilen sei. Denn die Klägerin habe ihm dieses Fahrzeug im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse überlassen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 29.08.2018 - 3 K 1205/18 bezüglich des Haftungsbescheids vom 27.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2018 aufzuheben und die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat den im Revisionsverfahren noch allein streitigen Haftungsbescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führt die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit in aller Regel zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 EStG (z.B. Senatsurteile vom 15.02.2017 - VI R 50/15, Rz 11; vom 20.03.2014 - VI R 35/12, BFHE 245, 192, BStBl II 2014, 643, Rz 10, und vom 13.12.2012 - VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385, Rz 11). Denn der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (z.B. Senatsurteile in BFHE 245, 192, BStBl II 2014, 643, Rz 10, und vom 21.03.2013 - VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700, Rz 11).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Überlassung des Einsatzwagens an X nicht als Arbeitslohn anzusehen.
a) Ausweislich der vom FG getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) stellte die Klägerin X das Einsatzfahrzeug als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr nicht personen-, sondern funktionsbezogen und nur während seiner --wenn auch "ständigen"-- Bereitschaftszeiten zur Verfügung. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich X als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr von seinem aktuellen Aufenthaltsort unverzüglich und entsprechend ausgestattet zum jeweiligen Einsatzort begeben und dort seine Funktion als Einsatzleiter ausüben konnte, statt regelmäßig zeitaufwändig zunächst die Feuerwache aufzusuchen, um dort das Einsatzfahrzeug zu übernehmen. Die (unbeschränkte) Überlassung des Einsatzfahrzeugs an X war damit dem effektiven Brandschutz, d.h. der durchgreifenden Gefahrenabwehr, geschuldet. Denn eine leistungsfähige Feuerwehr bedarf eines ständig einsatzbereiten Wehrführers. Dies gilt insbesondere dann, wenn --wie im Streitfall-- vor Ort keine Berufsfeuerwehr vorhanden ist und der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr jederzeit mit einem Einsatz --vorliegend ca. 160 Einsätze im Jahr-- und dementsprechend allzeit mit einer Einsatzfahrt rechnen muss. Zudem war X die Inanspruchnahme des Wegerechts nach § 38 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung nur mit dem zur Verfügung gestellten, mit einer Sondersignalanlage ausgestatteten Einsatzwagen, regelmäßig aber nicht mit (s)einem privaten Fahrzeug möglich.
b) Angesichts dessen kann im Streitfall keine Rede davon sein, dass die Klägerin das Einsatzfahrzeug X "zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt" hat. Dem steht nicht entgegen, dass X den Einsatzwagen tatsächlich aufgrund der Vorgaben der Klägerin bei privaten Verrichtungen und Wegen mit sich führte. Denn dies stellt --entgegen der Auffassung des FA-- keine private, sondern eine auf der ständigen Einsatzbereitschaft gründende, (feuerwehr-)funktionale Verwendung des Fahrzeugs dar. Weitergehendes, für eine Überlassung des Einsatzfahrzeugs zu privaten Zwecken Sprechendes ist vom FA weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Umstand, dass X den Einsatzwagen während Urlaubs- und Krankheitszeiten an seinen Stellvertreter abgab, zeigt vielmehr, dass X das Einsatzfahrzeug nicht zur privaten Nutzung überlassen wurde.
c) Etwaige Vorteile, die X dadurch entstanden, dass er während seiner Bereitschaftszeiten das Einsatzfahrzeug ausweislich der --vom FG nach § 118 Abs. 2 FGO ebenfalls bindend festgestellten-- Vorgaben der Klägerin als Feuerschutzträgerin bei privaten Verrichtungen und Wegen stets mit sich zu führen hatte, statt hierbei (s)einen privaten PKW zu nutzen, stellen sich damit als bloße Reflexwirkung aus dem Unterhalten einer den örtlichen Verhältnissen entsprechenden leistungsfähigen gemeindlichen Feuerwehr (§ 3 Abs. 1 BHKG, § 1 Abs. 1 FSHG) dar. Sie erweisen sich insbesondere nicht im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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