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BFH: Nachträgliche Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten

  1. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 8 der Abgabenordnung (AO) wird auch dann beendet, wenn der Vorläufigkeitsvermerk vom Finanzamt aufgehoben wird. Auf den Wegfall der Ungewissheit und die Kenntnis des Finanzamts von den Tatsachen, wegen derer die Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig erging, kommt es dann für die Beendigung der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nicht mehr an.
  2. Vor der Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks dem Grunde nach entstan­dene Nachlassverbindlichkeiten, die erst danach beziffert und konkretisiert werden, führen nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das gilt auch dann, wenn das Finanzamt erst nach Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks Kenntnis von den Nachlassverbindlich­keiten erlangt.

AO § 165 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1

BFH-Urteil vom 26.7.2023, II R 5/21 (veröffentlicht am 2.11.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 4.2.2021, 3 K 1941/16 Erb = SIS 21 04 30

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres 2005 ver­storbenen Großvaters (Erblasser). Sie gab am 31.05.2007 eine Erbschaftsteu­ererklärung ab.

Der Erblasser hatte zu seinen Lebzeiten eine Liechtensteiner Stiftung errichtet und dieser Vermögen übertragen. In einem Reglement betreffend die Begüns­tigungen aus dem Stiftungsvermögen wurde unter anderem festgelegt, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten Erstbegünstigter bezüglich des gesamten Stiftungsvermögens und ‑einkommens sein sollte, was insbesondere das freie Verfügungsrecht über das ganze Vermögen und jegliche Einkünfte der Stiftung umfasste. In Bezug auf den Betrag sowie den Zeitpunkt jeglicher Zahlung oder Zuweisung von Stiftungsvermögen hatte der Stiftungsrat ausschließlich gemäß den Weisungen des Erblassers zu handeln.

Der Erblasser hatte testamentarisch seinen Sohn, den Vater der Klägerin, zum alleinigen Vorerben eingesetzt und die Klägerin zur alleinigen Nacherbin. Der Vater der Klägerin schlug die Erbschaft aus. Im Hinblick auf die Vermögens­ausstattung der Liechtensteiner Stiftung machte er gegenüber der Stiftung Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2329 des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend. In einem nachfolgenden Rechtsstreit durch sämtliche Liechtensteiner Gerichtsinstanzen wurde die Stiftung vom Liechtensteiner Fürstlichen Obersten Gerichtshof am 05.07.2013 verurteilt, einen Betrag in Höhe von X € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2006 an den Vater der Klägerin zu zahlen sowie über die Instanzen hinweg entstandene Verfahrenskosten zu erstatten. Ein un­mittelbar nach­fol­gendes im Jahr 2013 abgeschlossenes Beschwerdeverfahren der Stiftung vor dem Liechtensteiner Staatsgerichtshof hatte keinen Erfolg. Es erfolgte im Nachgang eine Zwangsvollstreckung in das bei einer Schweizer Bank befind­liche Konto der Stiftung. Der Vater der Klägerin erhielt hieraus rund Y €. Die­ser Betrag entsprach dem verbliebenen Stiftungsvermö­gen.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte mit Bescheid vom 05.11.2010 Erbschaftsteuer gegen die Klägerin fest. Dabei erfasste das FA die Liechtensteiner Stiftung als sonstigen Vermögens­wert des Nachlasses und den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Vaters der Klägerin als Erbfallschuld. Der Bescheid ließ einen bereits durch einen früheren Bescheid angeordneten Vor­läufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 der Abgaben­ordnung (AO) wegen der Höhe des Pflichtteilsanspruchs bestehen.

Mit Schreiben vom 16.05.2014 fragte das FA bei der Klägerin nach, ob sich unter anderem die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Vaters geän­dert habe. Da von Seiten der Klägerin keine Reaktion auf diese Nachfrage er­folgte, erklärte das FA mit Bescheid vom 04.08.2014 den Erbschaftsteuerbe­scheid vom 05.11.2010 für endgültig.

Mit Schreiben vom 29.07.2015 informierte die Klägerin das FA über die Been­digung der Rechtsstreitigkeiten in Liechtenstein bezüglich des Pflichtteilsergän­zungsanspruchs des Vaters und beantragte eine Korrektur des Erbschaftsteu­erbescheids dahingehend, den von den Liechtensteiner Gerichten dem Vater der Klägerin zuerkannten Betrag und die Prozesskosten in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 09.11.2015 lehnte das FA einen Antrag auf Änderung des Erbschaftsteuerbescheids mit der Begründung ab, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegrün­det zurück.

Die nachfolgende Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zu dem Ergebnis, dass das FA zwar nicht verpflichtet sei, eine Änderung der Erb­schaftsteuerfestsetzung im Hinblick auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Vaters der Klägerin vorzunehmen, weil die Festsetzungsfrist insoweit im Zeitpunkt der Beantragung der Änderung bereits abgelaufen gewesen sei. Et­was anderes gelte jedoch für die Prozesszinsen und Gerichtskosten, die bei den Rechtsstreitigkeiten der Stiftung mit dem Vater der Klägerin angefallen seien, da insoweit ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliege. Die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks stehe dem nicht entgegen. Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanz­gerichte 2021, 775.

Dagegen richtet sich die Revision des FA. Seiner Ansicht nach stellt die Ver­pflichtung zur Zahlung der Prozesszinsen und der Gerichtskosten kein rückwir­kendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Zum Zeit­punkt der Endgültigkeitserklärung der Erbschaftsteuerfestsetzung durch Be­scheid vom 04.08.2014 sei die Zahlungsverpflichtung bereits entstanden ge­wesen.

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach hat das FG zutreffend entschieden, dass die nach der Steu­erfestsetzung entstandenen Prozess- und Gerichtskosten als rückwirkendes Er­eignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bei der Festsetzung der Erbschaft­steuer zu berücksichtigen seien. Maßgeblich für die Frage, ob ein rückwirken­des Ereignis vorliege, sei der Zeitpunkt des Erlasses des Erbschaftsteuerbe­scheids und nicht der des Bescheids über die Aufhebung des Vorläufigkeitsver­merks.

II. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsord­nung ‑‑FGO‑‑). Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Kosten der Liechtensteiner Gerichtsverfahren und Zinsen um Nachlassver­bindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) handelt, auch wenn die Gerichtskosten und Zinsen nicht unmittelbar von der Klägerin, sondern von der Stiftung getra­gen worden sind. Die Kosten konnten jedoch bei der Festsetzung der Erb­schaftsteuer nicht mehr berücksichtigt werden, weil aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ausgeschlossen war und die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt waren.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb durch Erbanfall als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als steuer­pflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuer­frei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gilt in den Fällen des § 3 ErbStG unbeschadet § 10 Abs. 10 ErbStG als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Ge­setz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassver­bindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden.

a) § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sieht vor, dass von dem Erwerb unter an­derem die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Er­werber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses ein­schließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zu­kommenden Güter zu setzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 13, m.w.N.). Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spä­tere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 15, m.w.N.).

b) Kosten von Gerichtsverfahren oder behördlichen Verfahren können Nach­lassrege­lungskosten sein, wenn sie dazu dienen, das Bestehen wirklich oder vermeint­lich zum Nachlass gehörender Verbindlichkeiten des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder Ansprüche Dritter abzu­weh­ren. Herrscht hingegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nach­lasses einschließlich des Umfangs der Verbindlichkeiten, endet der sach­liche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Tilgung der Verbindlichkeiten entstehen, sind ihrerseits keine Nachlassverbindlichkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 20).

c) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Prozessführung in Liechtenstein (Kosten und Zinsen) um berücksichtigungsfähige Nachlassregelungskosten der Klägerin im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Sie sind unmittelbar im Zusam­menhang mit der Regelung des Nachlasses entstanden. Das FG hat die Stif­tung zutreffend als transparente Stiftung behandelt, deren Vermögen erb­schaftsteuerrechtlich unmittelbar dem Nachlass zuzuordnen ist. Danach sind die von der Stiftung getragenen Aufwendungen für die Prozessführung wegen der Pflichtteilsergänzungsansprüche des Vaters grundsätzlich als Nachlassver­bindlichkeiten der Klägerin als Erbin zuzurechnen.

2. Der Berücksichtigung dieser von der Klägerin mit Schreiben vom 29.07.2015 geltend gemachten höheren Aufwendungen durch eine Korrektur der Festsetzung der Erbschafsteuer nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO steht jedoch die Festsetzungsverjährung entgegen.

a) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abge­laufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Erbschaft- und Schenkungsteu­er nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO grundsätzlich vier Jahre und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO in dem Kalenderjahr, in dem die Steuer entstanden ist, oder nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder Anzeige eingereicht wird, jedoch nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalender­jahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat. Die Klägerin hat die Erbschaftsteuererklärung am 31.05.2007 abgegeben. Damit endete die Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuererklärung regulär mit Ablauf des 31.12.2011.

b) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war jedoch zunächst nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO gehemmt, da die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 05.11.2010, das heißt vor Ablauf der Frist, in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Vaters der Klägerin weiterhin vorläufig festgesetzt worden ist. Ist die Fest­setzung einer Steuer nach § 165 AO vorläufig festgesetzt, endet die Festset­zungsfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kennt­nis erhalten hat.

c) Die Ablaufhemmung wird jedoch auch dann beendet, wenn der Vorläufig­keitsvermerk vom FA aufgehoben wird (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz 81a; Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 139). Unabhängig von der Frage, ob in der Endgültigkeitserklärung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO ein Steuerbescheid (§ 155 AO) zu sehen ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 165 AO Rz 44; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 165 AO Rz 147; a.A. Oellerich in Gosch, AO § 165 Rz 158), handelt es sich bei der Aufhebung des Vorläufig­keitsvermerks jedenfalls um einen Verwaltungsakt, dem eine nochmalige Prü­fung der Steuerfestsetzung durch das FA zugrunde liegt. Auf den Wegfall der Ungewissheit und die Kenntnis des FA von den Tatsachen, wegen derer die Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig erging, kommt es in diesem Fall für die Beendigung der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nicht an.

d) Das FA hat im vorliegenden Fall den Vorläufigkeitsvermerk in Bezug auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche des Vaters der Klägerin mit Bescheid vom 04.08.2014 aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist abge­laufen und somit die Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Streitfall unter­scheidet sich daher von dem Fall, in dem die Bestandskraft der Steuerfestset­zung durch Ablauf der Frist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO eintritt.

e) Eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 29.07.2015 war danach aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht möglich. Es kann somit dahinstehen, ob im Streitfall die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO für eine Korrektur des Steuerbescheids aufgrund nach­träglich bekannt gewordener Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer füh­ren, überhaupt vorlagen.

3. Auch die Voraussetzungen einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind nicht erfüllt. Die Höhe der aufgrund der Geltendmachung der Pflicht­teilsergänzungsansprüche durch den Vater der Klägerin verursachten Nach­lassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG stand be­reits mit der Beendigung der Liechtensteiner Prozesse im Jahr 2013 fest, somit vor der endgültigen Festsetzung der Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 04.08.2014, sodass kein rückwirkendes Ereignis vorliegt.

a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, auf­zuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt. Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle recht­lich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steu­errechtlich ‑‑ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen‑‑ in der Weise Rück­wirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirk­lichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ein nachträgliches Ereignis mit steuerrechtlicher Rückwirkung muss demgemäß zu einer Ände­rung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestset­zung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten (rechtlichen) Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. BFH-Urteil vom 22.07.2020 ‑ II R 15/18, BFHE 270, 262, BStBl II 2021, 165, Rz 11, m.w.N.).

b) Ob einer nachträglichen Änderung eines Sachverhalts rückwirkende steuer­rechtliche Bedeutung zukommt, ob mithin eine solche Änderung dazu führt, dass bereits eingetretene steuerrechtliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Nach diesem ist zu beurtei­len, ob eine Änderung des ursprünglich gegebenen Sachverhalts den Steuer­tatbestand überhaupt betrifft und ob darüber hinaus der nach § 38 AO bereits entstandene materielle Steueranspruch mit steuerrechtlicher Rückwirkung noch geändert werden oder entfallen kann (vgl. BFH-Urteil vom 22.07.2020 ‑ II R 15/18, BFHE 270, 262, BStBl II 2021, 165, Rz 13, m.w.N.).

c) Aus der sprachlichen Bedeutung des Begriffs "eintritt" und aus dem Bedeu­tungszusammenhang mit § 173 Abs. 1 AO folgt, dass sich der Vorgang ereig­nen muss, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und bei Änderung ei­nes Steuerbescheids, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die Vo­raussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen dagegen nicht vor, wenn das Finanzamt ‑‑wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO‑‑ lediglich nachträglich Kenntnis von einem im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung des zu ändernden Be­scheids bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 ‑ GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.a).

d) Die Voraussetzungen einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO la­gen danach nicht vor. Das FA erlangte zwar erst nachträglich Kenntnis von der Höhe der Verfahrenskosten und Prozesszinsen, die bei den Rechtsstreitigkeiten der Stiftung mit dem Vater der Klägerin angefallen waren. Diese waren aber nicht nachträglich eingetreten. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist ‑‑entgegen der Ansicht des FG‑‑ nicht der Erlass des in Bezug auf den Pflichtteilsergän­zungsanspruch für vorläufig erklärten Erbschaftsteuerbescheids vom 05.11.2010, sondern die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks im Bescheid vom 04.08.2014. Zu diesem Zeitpunkt waren die Zinsen und Kosten des im Jahr 2013 beendeten Rechtsstreits bereits entstanden, sodass kein rückwir­kendes Ereignis vorliegt, das nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Änderung des Bescheids vom 04.08.2014 führen kann.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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