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BFH: Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der schriftlichen Steuerberaterprüfung

  1. § 18 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften (DVStB) ist mit höherrangigem (Verfassungs‑)Recht vereinbar. Insbesondere gebietet der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit unter beson­derer Berücksichtigung des Verbots geschlechtsspezifischer Diskriminierung aus verfassungsrechtlichen Gründen kein anonymisiertes Kennzahlensystem für die Durchführung der schriftlichen Steuerberaterprüfung (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 08.05.2014 ‑ VII B 41/13 = SIS 14 19 22).
  2. Das in § 29 DVStB vorgesehene Überdenkungsverfahren erfordert eine ei­genständige und unabhängige Überprüfung durch die hierfür zuständigen Prü­fer. Eine gemeinsam abgestimmte Überdenkung von Klausuren durch eine Prüfermehrheit ist ‑‑anders als eine "offene" Überdenkung‑‑ unzulässig. Eine Abstimmung und Beratung über die zu vergebende Note ist allenfalls im Nach­gang zu einer schriftlichen Fixierung des Ergebnisses des jeweiligen Überden­kens zulässig (Anschluss an Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 09.10.2012 ‑ 6 B 39.12; BVerwG-Urteil vom 10.04.2019 ‑ 6 C 19.18).

GG Art. 3, Art. 12 Abs. 1
StBerG § 37b, § 158 Nr. 1 Buchst. b
DVStB § 18 Abs. 1 Satz 4, § 29

BFH-Urteil vom 11.7.2023, VII R 10/20

Vorinstanz: FG Hamburg vom 24.10.2018, 1 K 24/16 = SIS 20 05 79

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) nahm ‑‑nach zwei vorhergehen­den erfolglosen Versuchen‑‑ an der von der Steuerberaterkammer … als Vertreterin der Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagte) durchgeführ­ten Steuerberaterprüfung 2015 teil. Die Bearbeitung der schriftlichen Auf­sichtsarbeiten erfolgte handschriftlich, in der Aufsichtsarbeit war der Name des Prüflings anzugeben und die Aufsichtsarbeit war vom Prüfling zu unterzeich­nen. Im Ergebnis wurde die Klägerin wegen nicht ausreichender schriftlicher Prüfungsleistungen ("Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete" Note 5,00; "Steuern vom Einkommen und Ertrag" Note 4,50; "Buchführung und Bilanzwesen" Note 5,00; Gesamtnote 4,83) mit schriftlichem Bescheid vom 16.12.2015 nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen.

In dem dagegen gerichteten Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) be­gehrte die Klägerin eine Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten "Verfahrens­recht und andere Steuerrechtsgebiete" sowie "Steuern vom Einkommen und Ertrag" durch andere Prüfer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge­richts sowie unter Wahrung ihrer Anonymität, hilfsweise eine Neubewertung dieser Aufsichtsarbeiten. Bezogen auf die Aufsichtsarbeit "Buchführung und Bilanzwesen" beantragte die Klägerin ‑‑wegen einer ihrer Meinung nach irre­führenden Aufgabenstellung‑‑ eine Wiederholung der Aufsichtsarbeit, hilfswei­se eine Neubewertung dieser Aufsichtsarbeit durch andere Prüfer unter Beach­tung der Rechtsauffassung des Gerichts sowie unter Wahrung ihrer Anonymi­tät, äußerst hilfsweise eine Neubewertung dieser Aufsichtsarbeit.

Parallel zum Klageverfahren, das deswegen zwischenzeitlich ruhte, wurde auf Antrag der Klägerin das sogenannte verwaltungsinterne Überdenkungsverfah­ren nach § 29 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuer­berater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften in der für die streitgegenständlichen Zeiträume geltenden Fassung (DVStB) durchge­führt.

Die entsprechenden Prüfer der von ihnen bewerteten Klausur "Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete" gaben im Zuge dieses Verfahrens eine ge­meinsame Stellungnahme zu den gegen die Benotung erhobenen Einwendun­gen der Klägerin ab, in deren Zuge sich der Zweitprüfer teilweise den Ausfüh­rungen der Erstprüferin anschloss, zum Teil aber auch eigene Ausführungen machte. Die Ausführungen der Erstprüferin und die Ausführungen des Zweit­prüfers zu jeder der Einwendungen der Klägerin waren jeweils als solche ge­kennzeichnet. Das von beiden Prüfern getragene Gesamtergebnis ihrer Über­denkung lautete, dass die Kandidatin nur wenige Probleme der Klausur er­kannt und gelöst habe. In der Mehrzahl der Fälle erkenne sie die Probleme der Arbeit nicht, löse diese unvollständig oder falsch. Große Teilbereiche seien gar nicht angesprochen oder bearbeitet worden und die Prüfung der Sachverhalte sei ausgesprochen unsystematisch und durcheinander erfolgt. Nach dem Ge­samtbild der Verhältnisse sei die Arbeit lediglich als mangelhaft zu bewerten, da sie weder erkennen lasse, dass die Kandidatin über ausreichende Grundla­genkenntnisse verfüge, noch, dass sie diese auch anwenden könne.

Zur Bewertung der Klausur "Steuern vom Einkommen und Ertrag" verfasste der Erstkorrektor eine Stellungnahme zu den einzelnen Einwendungen der Klägerin, in der er eingangs feststellte "Ich nehme in Abstimmung mit dem Zweitkorrektor … wie folgt Stellung …". Das Ergebnis der Überdenkung lautete zusammengefasst, dass der einkommensteuerrechtliche Teil der Arbeit zwar gute Ansätze enthalte, der körperschaftsteuerrechtliche Teil jedoch faktisch nicht beziehungsweise ungenügend gelöst worden sei, sodass angesichts grundlegender Defizite in der Summe nicht mehr als die Note 4,50 vergeben werden könne. Dies gelte sowohl vor dem Hintergrund des amtlichen Punkte­schemas als auch als Ergebnis einer wertenden Gesamtschau. Es liege keine Leistung vor, die durchschnittlichen Anforderungen entspreche. Der Zweitkor­rektor erklärte hierzu am Ende der Stellungnahme schriftlich: "Ich habe die Stellungnahme des Erstkorrektor mit diesem abgestimmt und stimme der da­rin enthaltenen Bewertung vollinhaltlich zu."

Zur Klausur "Buchführung und Bilanzwesen" gaben der Erst- und der Zweitkor­rektor jeweils eigene Stellungnahmen ab. Der Erstkorrektor gelangte nach Ab­handlung der einzelnen Argumente der Klägerin zu der Zusammenfassung, dass er zwar 4,5 Wertungspunkte zusätzlich vergeben könne, im Gegenzug indes einen zuvor zur Aufwertung vergebenen Zusatzpunkt kürzen müsse. Mit insgesamt 33,5 Wertungspunkten sei die Klausur weiterhin mangelhaft (Note 5,00). Diese Benotung entspreche auch seinem Gesamteindruck, dass die Kandidatin, die nur wenige Probleme der Klausur erkannt und gelöst habe, über nicht ausreichende Grundlagenkenntnisse im geprüften Bereich verfüge. Der Zweitkorrektor zeigte nach einer Auseinandersetzung mit den einzelnen Einwänden der Klägerin die Bereitschaft, zwei Wertungspunkte zusätzlich zu vergeben, was an der Benotung im Ergebnis aber nichts ändern würde. Auch nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die Arbeit als mangelhaft zu bewer­ten, da sie weder ausreichende Grundlagenkenntnisse noch die Fähigkeit, sol­che anzuwenden, erkennen lasse. Große Teilbereiche seien nicht angesprochen oder bearbeitet worden. In der Mehrzahl der Fälle erkenne die Kandidatin die Probleme der Aufgabe nicht oder löse sie falsch.

Das Überdenkungsverfahren führte dementsprechend ‑‑gemäß Bescheid vom 19.04.2016‑‑ im Ergebnis nicht zu einer Änderung der Bewertung oder der Gewährung einer Wiederholungsprüfung, weil die Prüfer an ihrer Benotung festhielten. Sie taten dies auch in ihren Stellungnahmen zum Klageverfahren, die die Beklagte als Bestandteil ihrer Klageerwiderung beim FG einreichte.

Das FG wies die Klage mit veröffentlichtem Urteil vom 24.10.2018 ‑ 1 K 24/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 938) ab.

Unter Berücksichtigung der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsmög­lichkeit von Prüfungsentscheidungen sei die Bewertung der Aufsichtsarbeiten im Streitfall nicht rechtsfehlerhaft. Anders als die Klägerin meine, sei es insbe­sondere auch nicht zu beanstanden, dass die Aufsichtsarbeiten ‑‑wie in § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB ausdrücklich ermöglicht‑‑ mit dem Namen der Prüflinge versehen worden seien. Keinen durchgreifenden Bedenken begegne es zudem, wenn sich die Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens abstimmten oder wenn sich bei Abgabe einer Stellungnahme der Erstprüfer einer Äußerung des Zweitprüfers anschließe. Die Durchführung des Überdenkungsverfahrens gemäß § 29 DVStB habe nicht unter Anwendung der Verfahrensvorschriften für die Bewertung der Aufsichtsarbeiten gemäß § 24 DVStB zu erfolgen. Ent­gegen der Auffassung der Klägerin sei die Aufgabenstellung zum Teil I der Aufsichtsarbeit "Buchführung und Bilanzwesen" nicht unpräzise und wider­sprüchlich gewesen.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das Urteil des FG aus den nachfolgend ‑‑im Kern zusammengefasst‑‑ dargestellten Gründen Bundesrecht verletze.

Das seitens der Steuerberaterkammer im Streitfall auf Grundlage von § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB gewählte Verfahren, dass die Arbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers zu versehen seien, verletze den verfas­sungsrechtlichen Anonymitätsgrundsatz.

Die namentliche Nennung der Kandidaten im Prüfungs- und Überdenkungsver­fahren sei mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit sowie das Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts mit Art. 12 des Grundgesetzes (GG) und Art. 3 GG nicht vereinbar. Die einfachge­setzliche Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB rechtfertige einen solchen Ein­griff angesichts der Möglichkeit einer anonymen Kennziffernvergabe nicht. Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm reduziere das Ermessen der Steu­erberaterkammer vielmehr dahingehend, dass sie lediglich von dieser Möglich­keit Gebrauch machen dürfe. Der Anonymitätsgrundsatz (vgl. Urteil des Bun­desverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 09.07.1982 ‑ 7 C 51.79, Deutsches Verwaltungsblatt 1983, 90) sei eine Ausprägung des Gebots der Chancen­gleichheit in einer Berufszugangsprüfung. Für Steuerberaterprüfungen gelte dies insbesondere deshalb, weil die Prüfer sich im Verhältnis zu den Prüflingen in einer unmittelbaren Konkurrenzsituation befänden. Der Beruf des Steuerbe­raters sei in der allgemeinen Wahrnehmung männlich geprägt. Männern werde ohne sachlichen Grund ein höheres Verständnis für wirtschaftliche Sachverhal­te zugetraut. Von diesem zu Unrecht noch vorherrschenden Rollenverständnis und der (unterbewussten) Differenzierung zwischen Männern und Frauen seien auch Prüfer im Rahmen der Bewertung von Aufsichtsarbeiten ‑‑im gegen­ständlichen Verfahren seien fünf der sechs Prüfer männlich‑‑ nicht auszuneh­men.

Die Beklagtenseite habe zudem im Streitfall das Überdenkungsverfahren ver­fahrensfehlerhaft durchgeführt, was im Ergebnis zu einer Rechtswidrigkeit der Bewertungen führe.

Entgegen der Auffassung des FG habe das Überdenkungsverfahren unter An­wendung der Verfahrensvorschriften für die Bewertung der Aufsichtsarbeiten zu erfolgen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei es Aufgabe und Pflicht des Gesetzgebers, die konkrete Ausgestaltung eines Überdenkungsver­fahrens von Prüfungsentscheidungen als Teil des Prüfungsverfahrens zu schaf­fen (BVerwG-Urteil vom 24.02.1993 ‑ 6 C 35.92, BVerwGE 92, 132). Die Überdenkungsvoten seien letztlich Teil der Bewertung. § 29 Abs. 1 Satz 1 DVStB gebe dem Überdenkungsverfahren zwar eine normative Grundlage, re­gele indes das konkrete Verfahren nicht weitergehend. In § 24 DVStB seien demgegenüber detaillierte Vorgaben für die Bewertung von Prüfungsleistungen geregelt worden. Verfahrensrechtlich sei insbesondere geboten, dass sämtliche mit einer Bewertung betrauten Prüfer ihre Beurteilung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig voneinander vornähmen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 16.01.1995 ‑ 1 BvR 1505/94, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ‑‑NVwZ‑‑ 1995, 469). Dieser Grundsatz sei vorliegend durch gemeinsame Überdenkungen von Erst- und Zweitprüfer verletzt worden.

Die Prüfer hätten zudem die seitens der Klägerin erhobenen Einwände im Rahmen der Überdenkung nicht hinreichend geprüft und gewürdigt; insbeson­dere auch deshalb, weil sie zum Teil einen möglichen Einfluss auf das Gesamt­ergebnis verneinten.

Das FG gehe zu Unrecht davon aus, dass sich die Prüfer im Rahmen des Über­denkungsverfahrens ‑‑so wie vorliegend zum Teil der Fall‑‑ nicht festlegen müssten, ob die vorgebrachten Einwendungen begründet seien und dass dies nicht entscheidungserheblich sei. Nach der Rechtsprechung des BVerwG müs­se der Prüfer im Überdenkungsverfahren vielmehr entscheiden, ob er an sei­nen Wertungen trotz der Einwendungen des Prüflings festhalte, und dies be­gründen. Ändere er eine Einzelwertung, weil er den Einwendungen Rechnung trage, müsse er weiter bestimmen, ob dies Auswirkungen auf die Benotung habe (vgl. BVerwG-Beschluss vom 19.05.2016 ‑ 6 B 1.16).

Im Rahmen der Überdenkung sei vorliegend zudem das Verschlechterungsver­bot nicht beachtet worden.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürften die Prüfer aufgrund des prüfungsrechtlichen Gebots der Chancengleichheit aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen des Überdenkungsverfahrens ihren Bewertungsmaßstab nicht ändern, es gelte ‑‑ausnahmsweise‑‑ ein prüfungsrechtliches Verschlech­terungsverbot (grundlegend BVerwG-Urteil vom 24.02.1993 ‑ 6 C 38.92, NVwZ 1993, 686). Hiergegen sei vorliegend im Rahmen der Überdenkung ausweislich der Stellungnahmen der Prüfer zum Teil verstoßen worden, indem zusätzliche Punkte vergeben, bereits vergebene Punkte indes wieder abgezo­gen worden seien.

Die Prüfer und dem folgend das FG hätten zudem das sogenannte Folgefehler­prinzip, wonach ihr bestimmte Punkte für folgerichtige Antworten zustünden, verkannt und vielmehr Folgefehler erneut negativ in die Bewertung einbezogen beziehungsweise dies bestätigt, was sie, die Klägerin, im Überdenkungs- und Klageverfahren ausdrücklich gerügt habe.

Das FG hätte ferner ihren Zeitverlust aufgrund der unklaren Aufgabenstellung und der daraus resultierenden, im Ergebnis nicht gewerteten Ausführungen zum Handelsrecht in der Aufsichtsarbeit "Buchführung und Bilanzwesen" be­rücksichtigen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ (vgl. Urteil vom 21.05.1999 ‑ VII R 34/98, BFHE 188, 502, BStBl II 1999, 573) sei es "ein (ungeschriebener Rechts‑)Grundsatz des Prüfungsrechts‚ dass Prüfungsaufgaben so gestellt werden müssen, dass der Prüfling ohne weiteres erkennen kann, was von ihm verlangt wird". Mehrdeutigkeiten dürften nicht zu Lasten des Kandidaten gehen. Die Aufgabenstellung für den vorliegenden Teil I der fraglichen Klausur sei mangels präziser Fallfrage entgegen der Auffassung des FG weder eindeutig noch widerspruchsfrei gewesen. Die Aufgabenstellung ‑‑"Beurteilen Sie die nachfolgenden Einzelsachverhalte 1 bis 4 aus steuerrechtlicher Sicht unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des Handels- und Steuerrechts sowie die Verwaltungsanweisungen."‑‑ lasse es vollkommen unklar, welche Steuerarten zu beurteilen und welche Schwer­punkte bei der Beurteilung zu setzen seien. Soweit zum Schluss der Schilde­rung des allgemeinen Sachverhalts noch gefordert worden sei, den Jahresab­schluss für das Jahr 2014 zu erstellen, was eine handelsrechtliche Begutach­tung einschließe, sei die Aufgabenstellung insofern widersprüchlich, als die an­schließende Aufgabenstellung nur steuerrechtliche Beurteilungen beinhalte. Dieser Prüfungsteil sei mit einer rechtskonformen Aufgabenstellung zu wieder­holen.

Das FG bestätige in seiner Beurteilung der prüfungsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Bewertungen der Steuerberaterprüfung zudem in Verkennung geltenden Rechts die Verwendung einer amtlichen Musterlösung in Form einer vom Votanten auszufüllenden Tabelle, die durch ihre Vorgaben den Grundsätzen einer freien Bewertung der Aufsichtsarbeiten nach § 15 Abs. 1, § 24 DVStB und den verfassungsmäßigen Grundsätzen zur Bewertung von berufszugangs­regelnden Prüfungen widerspreche. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass es bei Prüfungsverfahren einen vom Prüfer auszuübenden Beurteilungsspiel­raum gebe. Die Prüfer seien durch diese Verkürzung ihres Beurteilungsspiel­raumes nicht mehr in der Lage gewesen, von der amtlichen Lösungsskizze ab­weichende Bearbeitungen nachzuvollziehen und diese positiv zu berücksich­tigen. Das FG habe vorliegend die Rechtmäßigkeit des Bewertungsvorgangs anhand der Musterlösung als Beurteilungsmaßstab zu Unrecht nicht in Frage gestellt.

Das angefochtene Urteil könne ferner einer Überprüfung auch deshalb nicht standhalten, weil das FG eine eigene Klausurbewertung vorgenommen habe. Es habe im Rahmen seines Urteils die Grenzen der eigenen Kontrolldichte bei Prüfungsentscheidungen verkannt. Zu allen Aufsichtsarbeiten führe das FG aus, dass sich aus den gegen die Aufsichtsarbeiten vorgebrachten Einwendun­gen keine Änderung der gegebenen Note ergeben könne. Es befasse sich im Rahmen der Urteilsgründe folglich mit der Frage, ob eine andere Bewertung der Klausur geboten sei, und nehme eine eigene Wertung vor, statt die Voten nur auf Bewertungsfehler zu untersuchen. Die konkrete Bewertung einer Prü­fungsleistung in einem Notensystem durch die Prüfer sei der Überprüfung durch die Gerichte allerdings entzogen. Eine gerichtliche Korrektur von Prü­fungsnoten komme nicht in Frage. Bei einer prüfungsrechtlichen Verpflich­tungsklage‚ die als Versagungsgegenklage einen gestaltenden Anfechtungsteil enthalte, habe das Gericht lediglich zu prüfen, ob das Prüfungsverfahren rechtmäßig stattgefunden und der Prüfer bei der Bewertung der Prüfungsleis­tung die Grenzen seines Bewertungsspielraumes beachtet habe. In den Be­reich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürften die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen (BVerwG-Beschluss vom 13.05.2004 ‑ 6 B 25.04).

Das FG habe zudem im Rubrum den falschen Beklagten genannt. Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei die Klage gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen, angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe. Die seitens des Gerichts benannte A sei keine Behörde, sondern als Rechtsträgerin eine Gebietskörperschaft öffentli­chen Rechts.

Schließlich liege dem Urteil eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör zugrunde, da das FG ihre Stellungnahme bei der Urteilsfin­dung nicht hinreichend gewürdigt habe. Das FG habe weite Teile ihres Vor­trags zu den einzelnen prüfungsrechtlichen Beanstandungen nicht in seine Entscheidung einbezogen.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung und die Bescheide vom 16.12.2015 und vom 19.04.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,

  1. die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bezüglich der Aufsichtsarbeiten "Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete" sowie "Steuern vom Einkommen und Ertrag" durch andere Prüfer unter Wahrung der Anonymität der Klägerin zu bewerten;
  2. hilfsweise zum Antrag zu 1. die Aufsichtsarbeiten neu zu bewerten;
  3. die Klägerin die Aufsichtsarbeit "Buchführung und Bilanzwesen" neu anfertigen zu lassen;
  4. hilfsweise zum Antrag zu 3. die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts diese Aufsichtsarbeit durch andere Prüfer unter Wahrung der Anonymität der Klägerin neu zu bewerten;
  5. hilfsweise zum Antrag zu 3. und 4. diese Aufsichtsarbeit neu zu bewerten.

Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es sei nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu be­anstanden, dass die Aufsichtsarbeiten nicht anonym, sondern mit Namensnen­nung der Prüflinge geschrieben und bewertet worden seien (s. Senatsbe­schluss vom 08.05.2014 ‑ VII B 41/13). Die Prüfer verfügten über die im Be­rufsleben erforderliche Sozialkompetenz und seien durchaus in der Lage, ihre Entscheidungen allein auf Grundlage einer objektiven Bewertung der Prüfungs­leistungen der Prüflinge vorzunehmen. Die Forderung anonymisierter Prüfun­gen sei nicht sachgerecht und gehe an der Lebensrealität vorbei. So stünden die Prüflinge den Prüfern in den mündlichen Prüfungen sogar in Person gegen­über, während ihnen in der schriftlichen Prüfung nur deren Name bekannt sei. Auch würden die Namen der Prüfungskandidatinnen und ‑kandidaten den Prü­fungsausschüssen im Vorfeld der Prüfung ohnehin bekannt gegeben, um im Interesse der unabhängigen und objektiven Beurteilung etwa bestehende Be­fangenheiten abzufragen. Schlussendlich belegten die statistischen Daten, dass im streitgegenständlichen Zuständigkeitsbereich prozentual mehr weibli­che als männliche Teilnehmer die Steuerberaterprüfung bestünden.

Das Überdenkungsverfahren unterliege nicht den Anforderungen des § 24 DVStB. Es handele sich nicht um eine vollständige Neubewertung der Prü­fungsleistung, sondern die Überdenkung erfordere lediglich eine ‑‑vorliegend gegebene‑‑ hinreichende Würdigung der nachvollziehbaren und substantiierten Einwendungen des Prüflings. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe es den Prüfern dabei frei, sich im Rahmen des Überdenkungsverfahrens hinsicht­lich der Vergabe einzelner Punkte nicht abschließend zu entscheiden, sofern sich daraus nach ihrer Würdigung keine bessere Note ergäbe. Dies sei Ausfluss des anerkannten Grundsatzes, dass die Prüfer sich sowohl über die prüfungs­spezifische Bewertung der einzelnen Bearbeitungsschritte als auch über die Prüfungsleistung im Ganzen ein Urteil zu bilden hätten (Senatsbeschluss vom 08.07.2014 ‑ VII B 158/13). Ein Verstoß gegen das prüfungsrechtliche Ver­schlechterungsverbot sei im vorliegenden Fall mangels Vergabe einer schlech­teren Note ebenfalls nicht ersichtlich. Eine wertende Gesamtbeurteilung erlau­be bis zu dieser Grenze durchaus die Saldierung neu zu gewährender und ab­zuziehender Bewertungspunkte im Rahmen der Überdenkung. Auch die Aus­gabe der Musterlösung mit Bewertungsschema berühre die Rechtmäßigkeit der Prüfung vorliegend nicht. Es entspreche der höchstrichterlichen Rechtspre­chung, dass derartige Bewertungsschemata die Freiheit des Prüfers, sich ein eigenes Urteil über die prüfungsspezifische Bewertung der einzelnen Bearbei­tungsschritte und die Prüfungsleistung im Ganzen zu bilden, nicht einschränk­ten (Senatsbeschluss vom 08.07.2014 ‑ VII B 158/13, m.w.N.). Das FG habe keinesfalls eine unzulässige eigene Bewertung der Prüfungsleistung vorge­nommen, sondern ausdrücklich festgestellt, dass Einwendungen der Klägerin, die den Bereich des gerichtlich nicht überprüfbaren Bewertungsspielraumes der Prüfer beträfen, nicht zu einer Beanstandung der Bewertung im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung führen könnten (…).

II. 1. Die Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Inso­fern ist sie begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und des ange­fochtenen Bescheids über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2015 vom 16.12.2015 sowie zur Verpflichtung der Beklagten, die von der Klägerin angefertigte Aufsichtsarbeit "Steuern vom Einkommen und Ertrag" unter Be­achtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch andere Prüfer neu bewerten zu lassen und unter Berücksichtigung der Neubewertung einen neuen Bescheid über das Ergebnis der schriftlichen Steuerberaterprüfung 2015 zu erlassen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 101 Satz 2 FGO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Weder haben die übri­gen Haupt- noch die Hilfsanträge der Klägerin Erfolg. Insoweit hat das FG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat konnte diese Entscheidung gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 2 FGO trotz des angekündigten Ausbleibens der Beklagten treffen. Denn die Beklagtenseite ist in der nach § 91 Abs. 1 FGO rechtzeitig zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß § 91 Abs. 2 FGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

a) Prüfungsentscheidungen können ‑‑wovon das FG in dem angefochtenen Ur­teil zutreffend ausgegangen ist und was auch den Maßstab für die vorliegende Revisionskontrolle bildet‑‑ gerichtlich nur beschränkt überprüft werden. Prüfe­rische Bewertungen sind von den Erfahrungen und Wertvorstellungen des ein­zelnen Prüfers abhängig und damit unvertretbare höchstpersönliche Urteile. Das Gericht kann daher nur prüfen, ob die Prüfungsentscheidung an fachlichen Beurteilungsmängeln leidet, ob die Prüfer den prüferischen Bewertungsspiel­raum überschritten haben und ob die für die Prüfung maßgebenden Verfah­rensbestimmungen eingehalten worden sind (Senatsurteil vom 03.02.2004 ‑ VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842, m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung).

b) Gemessen an diesen Anforderungen ist die angefochtene Prüfungsentschei­dung rechtlich in Teilen zu beanstanden.

aa) Der Einwand der Klägerin, im Streitfall liege ein Verfahrensfehler unter dem Gesichtspunkt vor, dass es gemeinsame beziehungsweise zwischen Erst- und Zweitprüfer abgestimmte Überdenkungen gegeben habe, führt im Ergeb­nis zur Begründetheit ihrer Revision, soweit sie eine Neubewertung der von ihr angefertigten Aufsichtsarbeit "Steuern vom Einkommen und Ertrag" beantragt.

(1) Eine gemeinsam abgestimmte Überdenkung von Klausuren durch Erst- und Zweitprüfer ist aus den nachfolgend dargestellten Gründen unzulässig. Das in § 29 DVStB vorgesehene Überdenkungsverfahren im Steuerberaterexamen gibt dem Prüfling die Möglichkeit, eine erneute Überprüfung seiner Examens­ergebnisse durch die jeweiligen Prüfer zu beantragen, falls er Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung hat und sich dagegen wehren möchte. Nach der Rechtsprechung des BVerwG bildet das grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geforderte Überdenken der Prüfungsbewertungen im Rahmen eines verwal­tungsinternen Kontrollverfahrens der Sache nach eine Verfahrensgewährleis­tung. Ebenso wie der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Anspruch des Prüflings auf gerichtliche Kontrolle der Prüfungsbewertung dient das Über­denkungsverfahren der effektiven Durchsetzung seines materiell-rechtlichen, auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gestützten Anspruchs auf eine rechtmäßige Prü­fungsbewertung. Als verfahrensrechtliches Instrument der Fehlerkontrolle kommt ihm im Hinblick auf den nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle un­terliegenden Beurteilungsspielraum des Prüfers hinsichtlich prüfungsspezifi­scher Wertungen im Rahmen des grundrechtlichen Schutzsystems eine unter­stützende Funktion zu (BVerwG-Beschluss vom 18.01.2022 ‑ 6 B 21.21, Rz 15). Die rechtliche Grundlage für das Überdenkungsverfahren im Steuerbe­raterexamen bildet § 29 Abs. 1 Satz 1 DVStB, wonach die Prüfer verpflichtet sind, ihre Bewertung der Prüfungsleistungen zu überdenken, wenn dies von einem Bewerber, der die Prüfung nicht bestanden hat, mit begründeten Ein­wendungen bei der zuständigen Steuerberaterkammer schriftlich beantragt wird und die Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung noch nicht be­standskräftig ist. Zwar enthält § 29 DVStB keine weiteren Regelungen zur Ausgestaltung des Überdenkungsverfahrens. Das BVerwG hat insofern ‑‑indes in Zusammenhang mit der Juristenausbildung‑‑ zutreffend entschieden, dass das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unab­hängigen Urteilsbildung der Prüfer durch eine Verfahrensgestaltung verletzt wird, die es den Prüfern im Rahmen des Überdenkungsverfahrens ermöglicht, eine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwänden des Prüflings auf Grundla­ge eines entsprechenden, vom Erstprüfer gefertigten Entwurfs und einer nach­folgenden Beratung zwischen ihnen abzugeben, die stattfindet, ohne dass die Prüfer zuvor das Ergebnis ihres Überdenkens schriftlich niedergelegt haben (BVerwG-Beschluss vom 09.10.2012 ‑ 6 B 39.12, Rz 8). Eine Abstimmung und Beratung über die zu vergebende Note ist allenfalls im Nachgang hierzu zuläs­sig. Den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG wird nur dann genügt, wenn Prüfungsleistungen, deren Bewertung intensiv in die Freiheit der Berufswahl eingreift, einer Bewertung durch zwei oder mehr Prüfer zugeführt werden. Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit würde aber durch Zulassung gemeinsamer Beurteilungen zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht (BVerwG-Beschluss vom 09.10.2012 ‑ 6 B 39.12, Rz 7, m.w.N.). Jeder Prüfer muss seine Bewertungen vielmehr eigenständig überdenken (BVerwG-Urteil vom 10.04.2019 ‑ 6 C 19.18, BVerwGE 165, 202, Rz 26, m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung). Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des Senats ebenso für die Überdenkung im Rahmen des Steuerberaterexamens, da es sich desgleichen um eine berufsbezogene Ab­schlussprüfung handelt.

(2) Die eigenständige Überdenkung der Prüfungsleistung durch die Prüfer in Kenntnis des vom anderen Prüfer gefundenen Ergebnisses ‑‑gewissermaßen eine "offene" Überdenkung‑‑ ist mit dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chan­cengleichheit und dem Gebot der fairen Gestaltung des Prüfungsverfahrens hingegen vereinbar. Eine unabhängige Beurteilung wird durch solche Vor­kenntnis nicht in Frage gestellt (BVerwG-Beschluss vom 19.05.2016 ‑ 6 B 1.16, Rz 12 ff.). Dementsprechend gestattet § 24 Abs. 2 Satz 2 DVStB es auch, dass dem Zweitprüfer die Bewertung der betreffenden Aufsichtsarbeit durch den Erstprüfer mitgeteilt wird. Für das Überdenkungsverfahren, das letztlich als inhaltlich beschränkte Nachbewertung noch Teil des Bewertungs­verfahrens ist, kann an dieser Stelle nichts anderes gelten.

Gemessen an diesen Anforderungen sind die vorliegend streitgegenständlichen Überdenkungen der Klausuren "Buchführung und Bilanzwesen" sowie "Verfah­rensrecht und andere Steuerrechtsgebiete" nicht verfahrensfehlerbehaftet. Für die Stellungnahmen zur Klausur "Buchführung und Bilanzwesen" steht dies schon deshalb außer Frage, weil der Erst- und der Zweitkorrektor jeweils eige­ne Stellungnahmen abgegeben haben ohne ersichtliche Abstimmung unterei­nander. Die Stellungnahme der Prüfer zur Klausur "Verfahrensrecht und ande­re Steuerrechtsgebiete" war inhaltlich ebenfalls keine unzulässige gemeinsame Stellungnahme. Beide Prüfer haben darin zu den Einwendungen jeweils eigene und als solche gekennzeichnete Ausführungen gemacht. Dies verdeutlicht, dass sie ihre Bewertung jeweils eigenständig und eigenverantwortlich über­dacht haben.

(3) Zu der Klausur "Steuern vom Einkommen und Ertrag" haben die Prüfer indes nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellun­gen des FG, das eine solche Abstimmung in den Entscheidungsgründen ange­nommen und die Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren im Tatbestand des angefochtenen Urteils wegen der Einzelheiten zulässigerweise in Bezug genommen hat, eine untereinander abgestimmte Stellungnahme abgegeben. Ein Zweitprüfer muss sein Bewertungsergebnis zwar nicht eigenständig be­gründen, wenn er mit der Erstbewertung voll inhaltlich übereinstimmt (BVerwG-Beschluss vom 18.12.1997 ‑ 6 B 69.97, Rz 6). Dem Anspruch auf eigenständiges Überdenken wird allerdings dann nicht mehr genügt, wenn sich der Zweitkorrektor ‑‑wie er im Streitfall erklärt hat‑‑ darauf beschränkt, die Stellungnahme des Erstkorrektors mit diesem abzustimmen anstatt die von ihm vorgenommenen Bewertungen autonom einer Überprüfung zu unterzie­hen. Auch der Erstkorrektor hat vorliegend erklärt, seine Überdenkung mit dem Zweitkorrektor abgestimmt zu haben. Eine solche zwischen Erst- und Zweitkorrektor abgestimmte Stellungnahme steht ‑‑anders als eine "offene" Überdenkung‑‑ nicht mehr in Einklang mit der oben zitierten einschlägigen Rechtsprechung des BVerwG, der sich der Senat im Ergebnis seiner Beratung als zutreffend anschließt.

Aus diesem Verfahrensfehler im Überdenkungsverfahren folgt im Streitfall die Rechtswidrigkeit der Bewertung der betreffenden Aufsichtsarbeit "Steuern vom Einkommen und Ertrag", was einen Anspruch der Klägerin auf Neubewertung durch noch nicht damit befasste Prüfer begründet.

(a) Ist auf Antrag des Prüflings ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren ab­schließend durchgeführt worden, ist die zu seinen Gunsten bestehende Verfah­rensgewährleistung zwar zunächst erfüllt, selbst wenn den Prüfern beim Über­denken ihrer Prüfungsbewertung Korrekturfehler unterlaufen sein sollten. Eine Ergebnisrichtigkeit des Kontrollverfahrens garantiert die Rechtsordnung dem Prüfling nämlich nicht. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet dem Prüfling gerichtlichen Rechtsschutz aber etwa dann, wenn die Prüfungsbehörde sich weigert, überhaupt ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen. Andernfalls liefe die aus Art. 12 Abs. 1 GG fließende Verfahrensgewährleistung leer. Gleiches muss gelten, wenn die Prüfungsbehörde bei der Ausgestaltung des internen Kontrollverfahrens grundlegende Anforderungen missachtet, die die Annahme rechtfertigen, dass dessen Zweck nicht erreicht wird (BVerwG-Beschluss vom 18.01.2022 ‑ 6 B 21.21, Rz 15). Ein Verfahrensfehler im Kon­trollverfahren führt in solchen Fällen zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich ist und somit ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 24.02.2023 ‑ 1 B 235/22, m.w.N.). Da der Anspruch des Prüflings auf "Überdenken" der Prüfungsentscheidung einen Ausgleich für die nur einge­schränkt mögliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Gerichte darstellt, ist ein relevanter Fehler in diesem Sinne im Falle eines nicht eigen­ständigen Überdenkens der Prüfungsleistung durch die eigentlich dazu berufe­nen Prüfer zu bejahen. Es wäre wohl nicht auszuschließen, dass die betreffen­de Arbeit bei einem ordnungsgemäßen Überdenken hätte besser bewertet werden können. Dies führt zur Rechtswidrigkeit der Bewertung der betreffen­den Aufsichtsarbeit, was einen Anspruch auf Neubewertung durch noch nicht damit befasste Prüfer begründet. Denn sofern sich ein Prüfer als befangen ge­zeigt hat, etwa durch die Festlegung im Überdenkungsverfahren, dass eine Änderung der Note nicht in Betracht komme, ist ein neutrales Überdenken durch diesen Prüfer nicht mehr möglich. Im Ergebnis besteht ein Anspruch auf eine umfassende erneute Korrektur der betroffenen Aufsichtsarbeit durch hier­zu neu zu bestellende Ersatzprüfer (vgl. zu einem fehlerhaften Überdenkungs­verfahren in der juristischen Staatsprüfung Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 06.09.2022 ‑ 7 K 1636/20, Rz 41). Dementsprechend war das angefochtene FG-Urteil und der Bescheid der Beklagten über das Nichtbeste­hen der Steuerberaterprüfung 2015 vom 16.12.2015 unter Ausspruch einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten aufzuheben.

(b) Eine zusätzliche Aufhebung der Mitteilung vom 19.04.2016 über das Er­gebnis des Überdenkungsverfahrens war in diesem Zusammenhang nicht ge­boten. Das verwaltungsinterne Nachprüfungsverfahren ergänzt die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidungen und endet gemäß § 29 Abs. 2 DVStB mit einer schriftlichen Mitteilung über das Ergebnis des Über­denkens. Das Ergebnis des Überdenkungsverfahrens und dessen Durchführung sind zwar als Tatsache im Rahmen der Überprüfung der Prüfungsentscheidung zu berücksichtigen. Das Überdenkungsverfahren steht jedoch als rein verwal­tungsinternes Kontrollverfahren ‑‑wie auch die Regelung in § 29 Abs. 1 Satz 2 DVStB zeigt‑‑ eigenständig neben dem finanzgerichtlichen Rechtsweg. Weder seine (letztlich für den Prüfling optionale) Durchführung noch das Ergebnis selbst sind für eine etwaige Bestandskraft der Prüfungsentscheidung von Be­lang. Es handelt sich nicht um ein Einspruchsverfahren (vgl. auch § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung). Da es jedoch Einfluss auf die Bewertung haben kann, ist eine Anfechtungsklage gegen die Prüfungsentscheidung auf Grundlage von § 74 FGO bis zum Abschluss des Überdenkungsverfahrens auszusetzen (s. näher Jatzke, Deutsches Steuerrecht 2016, 497). Eine materielle Kontrolle der Mitteilung auf Ergebnisrichtigkeit und damit eine Korrektur durch das Gericht findet indes nicht statt. Da das Klagebegehren der Klägerin im Streitfall aber ersichtlich auf eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung selbst gerichtet war, ist die vorsorgliche Einbeziehung auch der Mitteilung des Resultats des Über­denkungsverfahrens in ihren Klageantrag vor dem Hintergrund der Regelung in § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach der Senat an das Kla­gebegehren, nicht aber an die Fassung der Anträge gebunden ist, im Ergebnis unbeachtlich.

bb) Die auf eine Verletzung des Anonymitätsgrundsatzes gestützte Argumen­tation der Klägerin verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das von der Beklag­ten gewählte Verfahren, die Aufsichtsarbeiten namentlich zu kennzeichnen an­statt vor den Prüfern anonymisierte Kennzahlen zu verwenden, ist ‑‑wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 08.05.2014 ‑ VII B 41/13 entschieden hat‑‑ zulässig und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB sieht die Möglichkeit einer nicht anonymisierten Klausur­korrektur ausdrücklich vor. Danach bestimmt die zuständige Steuerberater­kammer, ob die Aufsichtsarbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers oder mit einer zugeteilten Kennzahl zu versehen sind. Diese zuläs­sigerweise auf Grundlage der § 158 Nr. 1 Buchst. b und § 37b des Steuerbera­tungsgesetzes in einer Rechtsverordnung getroffene Regelung ist mit höher­rangigem Recht vereinbar. Es fehlt schon eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung einer Person, sodass es auf eine Rechtfertigung zur Wahrung des Gleichheitssatzes in Art. 3 GG nicht ankommt.

Über eine ‑‑im Streitfall unstreitig nicht gegebene‑‑ unmittelbare Benachteili­gung einer Person aufgrund ihres Geschlechts hinaus, bietet der Gleichheits­satz in Art. 3 GG auch Schutz vor mittelbarer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts. So steht das Grundgesetz auch solchen Regelungen entge­gen, die zwar neutral formuliert und auch nicht verdeckt auf Benachteiligung ausgerichtet sind, jedoch ganz überwiegend ein Geschlecht benachteiligen. Art. 3 Abs. 2 GG bietet Schutz gerade vor faktischen Benachteiligungen. Mit dem Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse von Männern und Frauen haben deshalb nicht nur unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht an­knüpfende Regelungen für den Gleichheitssatz Bedeutung, sondern auch fak­tisch unterschiedliche Auswirkungen einer Regelung auf Männer und Frauen. Regelungen, die weit mehr Frauen als Männer nachteilig betreffen, stellen fak­tische Benachteiligungen dar, die nur bei Vorliegen hinreichend gewichtiger Gründe gerechtfertigt werden können (BVerfG-Urteil vom 26.05.2020 ‑ 1 BvL 5/18, BVerfGE 153, 358, Rz 68 ff.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 14.04.2010 ‑ 1 BvL 8/08, BVerfGE 126, 29, Rz 65). Verfahrensrechtlich ver­langt das Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, dem Vorliegen einer Benachteiligung nachzugehen, wenn dies als jedenfalls über­wiegend wahrscheinlich anzusehen ist (BVerfG-Beschluss vom 16.11.1993 ‑ 1 BvR 258/86, BVerfGE 89, 276, unter C.I.2.e).

Eine solche Verletzung des Gleichheitsrechts nach Art. 3 Abs. 2 bzw. 3 GG we­gen des Geschlechts vermochte der Senat in der von der Steuerberaterkam­mer auf Grundlage von § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB gewählten Gestaltung der schriftlichen Steuerberaterprüfung nicht zu erkennen. Ausgeführt hat der Se­nat insoweit bereits, dass der aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete prüfungsrecht­liche Grundsatz der Chancengleichheit ein Kennzahlensystem für Prüfungsar­beiten nicht zwingend gebietet (Senatsbeschluss vom 08.05.2014 ‑ VII B 41/13, Rz 7). Zwar garantiert Anonymität grundsätzlich die größtmögli­che Objektivität bei der Korrektur von Aufsichtsarbeiten (zutreffend Neufang, Der Steuerberater 2012, 315). Daraus ist jedoch keine (verfassungs)rechtliche Verpflichtung abzuleiten, das Prüfungsverfahren weitestmöglich anonym zu gestalten. Einschlägige Studien, welche die Annahme der Klägerin stützen könnten, dass die Verwendung des Namens in der Steuerberaterprüfung zu einer Benachteiligung des jeweiligen Prüflings wegen des Geschlechts führt, liegen nicht vor; vielmehr sprechen die von Beklagtenseite vorgelegten Statis­tiken über die Ergebnisse der Steuerberaterprüfung, denen eine geschlechts­spezifische Diskriminierung nicht entnommen werden kann, gegen die klägeri­sche These und allenfalls für das Vorliegen einer nur theoretischen Gefahr. Für den Prüfungserfolg in der Steuerberaterprüfung ist das Geschlecht statistisch gesehen unerheblich (vgl. auch Mansmann, NWB Karriereführer 2013, S. 19). Aufgrund der folglich nur geringen Gefahr einer Verletzung der Chancengleich­heit ist mithin selbst in Fällen, in denen für Prüfungsarbeiten Kennzahlen ver­geben werden könnten, dies gleichwohl von Verfassungs wegen nicht geboten. Solange ‑‑wie auch im vorliegenden Streitfall geschehen‑‑ von der entspre­chenden Prüfungsstelle entweder das anonymisierte oder das nicht anonymi­sierte Prüfungsverfahren bei allen Prüflingen einheitlich durchgeführt wird, ist die Chancengleichheit nicht beeinträchtigt (Senatsbeschluss vom 08.05.2014 ‑ VII B 41/13, Rz 7; in diesem Sinne auch BVerwG-Beschluss vom 14.03.1979 ‑ 7 B 16.79, Die öffentliche Verwaltung 1979, 752; BVerwG-Beschluss vom 26.05.1999 ‑ 6 B 65.98, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ‑ Rechtspre­chungs-Report 1999, 745; BVerwG-Beschluss vom 25.07.2000 ‑ 6 B 38.00, Sächsische Verwaltungsblätter 2000, 263; BVerwG-Urteil vom 21.03.2012 ‑ 6 C 19.11, NVwZ 2012, 1188).

Verfassungsrechtlich unbedenklich ist insofern auch, dass das Prüfungsverfah­ren in den einzelnen Bundesländern ‑‑trotz bundeseinheitlicher Prüfung‑‑ un­terschiedlich ausgestaltet ist, weil zahlreiche Steuerberaterkammern sich auf Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 4 DVStB für eine Anonymisierung entschieden haben. Denn nach den verfassungsrechtlichen Grundlagen sind unterschiedlich behandelte Personengruppen nicht vergleichbar, wenn sie nicht derselben Rechtssetzungsgewalt unterfallen, also bei unterschiedlichen Regelungen durch Landesrecht; im Bereich der Länderzuständigkeit müssen länderüber­greifend keine identischen Regelungen bestehen.

Da eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts durch eine fehlende Ano­nymisierung des Prüfungsverfahrens mithin nicht festgestellt werden konnte oder auch nur wahrscheinlich wäre, fehlt es an einer mittelbaren Benachteili­gung im Sinne von Art. 3 GG.

cc) Soweit die Klägerin vorträgt, ihre Einwände seien im Rahmen der Über­denkung schon deshalb nicht hinreichend geprüft und gewürdigt worden, weil die Prüfer ihnen einen möglichen Einfluss auf das Gesamtergebnis abgespro­chen hätten, führt dies ebenfalls nicht zu einer (weitergehenden) Begründet­heit ihrer Revision. Im Rahmen der Überdenkung haben die Prüfer sich zwar mit den seitens des Prüflings erhobenen Einwendungen und den beanstande­ten Einzelwertungen auseinanderzusetzen. Dies erfordert eine begründete Ent­scheidung, ob an den betreffenden Wertungen festgehalten wird. Im Falle der Änderung einer Einzelwertung ist ferner zu entscheiden, ob dies Auswirkungen auf die Benotung hat (BVerwG-Urteil vom 10.04.2019 ‑ 6 C 19.18, BVerwGE 165, 202, Rz 26, m.w.N.). Einem Einwand bereits deshalb nicht Rechnung zu tragen, weil ein möglicher Einfluss auf das Gesamtergebnis von vornherein verneint wird, verletzt diese Maßstäbe indes nicht, weil sich die potentielle Rechtsverletzung allenfalls aus einer unzutreffenden Gesamtbewertung erge­ben kann. Insofern liegt in einer dergestalt durchgeführten Überdenkung we­der ein Verfahrensfehler noch ein prüfungsrechtlich relevanter materieller Be­wertungsfehler.

dd) Auch die Argumentation, die Prüfer hätten im Rahmen der Überdenkung zum Teil das in einem solchen Verfahren geltende Verschlechterungsverbot missachtet, indem sie zunächst vergebene Punkte durch Verrechnung mit im Rahmen der Überprüfung erstmalig zugestandenen Punkten wieder abgezogen hätten, verfängt im Ergebnis nicht. Denn die aus dem Verschlechterungsverbot folgenden Limitationen für die nachträgliche Bemängelung von im ersten Kor­rekturdurchgang übersehenen Fehlern des Prüflings sind im vorliegenden Fall nicht betroffen, da die seitens der Klägerin reklamierten Prüfungsbewertungen nicht zu einer Abwertung der Gesamtprüfungsnote geführt haben. Eine Saldie­rung zusätzlicher Punkte mit aus Sicht der Prüfer zu Unrecht vergebenen Punkten, welche ihnen im Rahmen des Überdenkungsverfahrens auffallen, ist bis zur Grenze einer Gesamtverschlechterung rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 27.01.2005 ‑ 2 K 1010/01, Rz 57). Das Ver­schlechterungsverbot schützt nur vor einer Verschlechterung der Prüfungsge­samtnote, solange nicht das Bewertungssystem an sich geändert wird (BVerwG-Urteil vom 14.07.1999 ‑ 6 C 20.98, BVerwGE 109, 211, Rz 19 ff.), wofür vorliegend belastbare Feststellungen fehlen.

ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin erweist sich die angegriffene Prü­fungsentscheidung auch nicht wegen Nichtberücksichtigung des Folgefehler­prinzips als rechtswidrig. Die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin, ihr hätten bestimmte Punkte für folgerichtige Antworten gegeben werden müssen, verfangen nicht. Sie greift hier vielmehr die in den Beurteilungsspielraum der Prüfer fallende Einschätzung an, wie die konkrete Punktevergabe und die dabei vorzunehmende Gewichtung vorzunehmen ist.

ff) Der Senat folgt ferner nicht der Beanstandung der Klägerin, dass die be­nannte Aufgabenstellung in der Klausur "Buchführung und Bilanzwesen" derart unpräzise gewesen sei, dass dieser Prüfungsteil zu wiederholen wäre.

(1) Unklare oder missverständliche Aufgabenstellungen dürfen sich zwar nicht zu Lasten des Prüflings auswirken. Es ist ein ungeschriebener, aber selbstver­ständlicher Grundsatz des Prüfungsrechts, dass Prüfungsaufgaben so gestellt werden müssen, dass der Prüfling ohne weiteres erkennen kann, was von ihm verlangt wird (Senatsurteil vom 21.05.1999 ‑ VII R 34/98, BFHE 188, 502, BStBl II 1999, 573, unter 3. der Entscheidungsgründe, m.w.N.).

(2) Jedoch ist die vorliegende Aufgabenstellung ‑‑wie das FG rechtsfehlerfrei festgestellt hat‑‑ nicht unklar beziehungsweise missverständlich oder gar irre­führend formuliert. Dass die Klägerin umfangreiche Ausführungen zur han­delsbilanziellen Behandlung gemacht hat, beruht möglicherweise auf einem Missverständnis ihrerseits, aber nicht auf einer zu beanstandenden Abfassung der Prüfungsfragen: Generell verlangt ist in der benannten Klausuraufgabe die Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2014 mit dem Ziel eines mög­lichst niedrigen steuerlichen Gewinns, wobei lediglich ein vorläufiges Ergebnis der Buchführung nach Steuerrecht mitgeteilt wird. Die darauffolgende Aufga­benstellung spezifiziert, dass die Einzelsachverhalte 1 bis 4 aus steuerrechtli­cher Perspektive beurteilt werden sollen, unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des Handels- und Steuerrechts sowie die Verwaltungsanwei­sungen. Eine vollständige Bearbeitung der Einzelsachverhalte im Rahmen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist hierfür eindeutig nicht notwendig, stattdessen sollen die aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes relevanten handelsrechtlichen Regelungen lediglich im Rahmen der steuerrechtlichen Be­arbeitung genannt werden. Die Aufgabenstellung zielt erkennbar auf die Er­stellung des Jahresabschlusses und damit auf die Gewinnermittlung ab, nicht jedoch auf die weitere Prüfung des Gewinns innerhalb bestimmter Steuerar­ten. Daher ist es nicht erforderlich, dass die Aufgabenstellung Informationen darüber enthält, welche Steuerarten zu beurteilen sind. Die zu lösende Aufga­be ist in der vorliegenden Form hinreichend klar formuliert.

gg) Die Rüge, das FG habe die Rechtmäßigkeit des Bewertungsvorgangs an­hand der Musterlösung als Beurteilungsmaßstab zu Unrecht nicht in Frage ge­stellt, ist unbegründet. Die Tatsache, dass die Korrektoren eine Musterlösung erhalten und diese bei der Bewertung der Prüfungsleistung berücksichtigen, ist aus Sicht der Anforderungen an eine eigenständige Beurteilungsleistung der Korrektoren nicht zu beanstanden. Einerseits haben weder die Musterlösung noch die Punktetabelle eine rechtsverbindliche Wirkung, andererseits sind sie lediglich dazu bestimmt, dem Prüfer eine erleichterte Gewichtung der einzel­nen Teile der Prüfungsleistung zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 08.02.2000 ‑ VII R 52/99, BFH/NV 2000, 755, unter II.2.e; Senatsbeschluss vom 08.07.2014 ‑ VII B 158/13, Rz 8). Es gibt im Streitfall ‑‑wie das FG rechtsfehlerfrei festgestellt hat‑‑ keine konkreten Hinweise darauf, dass die eigenständige Beurteilung der Klausurleistungen durch die Korrektoren vorliegend durch die Ausführungen in der Musterlösung in einer Weise unterbunden werden sollte, die als Bewertungsdefizit interpretiert werden könnte.

hh) Mit ihrer Argumentation, die Revision sei unter dem Gesichtspunkt be­gründet, dass das FG in dem angegriffenen Urteil eigene Bewertungen vorge­nommen habe, statt die Voten rein auf Bewertungsfehler zu untersuchen, dringt die Klägerin im Ergebnis ebenfalls nicht durch.

(1) Im Falle prüfungsrechtlicher Streitigkeiten, in denen Mängel der Bewertung geltend gemacht werden, ist es dem Gericht ‑‑wie die Klägerin zutreffend vor­bringt‑‑ nicht gestattet, die streitigen Prüfungsleistungen selbst zu bewerten. Denn den Prüfern verbleibt bei prüfungsspezifischen Wertungen ein gewisser Spielraum, insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der Qualität der Prü­fungsleistung und der Zuordnung zu einer bestimmten Note. Dieser Spielraum kann nicht durch Dritte ersetzt werden. Nur dann, wenn die Prüfungsbehörden wesentliche Verfahrensfehler begehen, das anzuwendende Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungs­maßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder die Prüfungsentscheidung auf Willkür beruht, ist eine gerichtliche Korrektur gebo­ten. Nach diesem Maßstab muss eine Prüfungsentscheidung im Rahmen der Willkürkontrolle aufgehoben werden, wenn sie so außerhalb des Rahmens liegt, dass sie einem Fachkundigen als unhaltbar erscheint und sich daher als krasser Missgriff des Prüfers darstellt (Senatsbeschluss vom 17.12.2007 ‑ VII B 67/07, BFH/NV 2008, 995). Daher kann das Gericht nur in begrenzten Fällen in die Bewertung von Prüfungsleistungen eingreifen, da der Bewer­tungsspielraum der Prüfer zu respektieren ist und nur in Fällen von offensicht­lichen Fehlern oder Verstößen gegen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe korrigiert werden kann. So liegt es etwa auf der Hand und entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass in der Steuerberaterprüfung Richti­ges nicht als falsch bewertet werden darf (Senatsbeschluss vom 12.01.2016 ‑ VII B 79/15, Rz 8).

(2) An die vorgenannten Maßstäbe, die das FG in der angefochtenen Entschei­dung ausdrücklich benennt (…), hat es sich gehalten. Es hat die konkreten Bewertungen der Aufsichtsarbeiten grundsätzlich im Be­reich des gerichtlich nicht überprüfbaren, vom Gericht zu respektierenden Be­wertungsspielraumes der Prüfer verortet (…). Im Kontext der gerichtlichen Kontrolle von Prüfungs­entscheidungen fällt es nach den oben genannten Kriterien allerdings in den Verantwortungsbereich des Gerichts zu entscheiden, ob zutreffende Antworten bei der Bewertung von Prüfungsleistungen ausreichend berücksichtigt wurden oder nicht. Dies gilt insbesondere für die Feststellung, dass keine Nichtberück­sichtigung zutreffender Antworten stattgefunden hat, wie das FG beispielswei­se … ausführt.

ii) Das Vorbringen, das FG habe im Rubrum die falsche Beklagte genannt, vermag der Revision nicht zur Begründetheit zu verhelfen. Zwar liegt ein die Aufhebung des Urteils bedingender Verstoß gegen die Grundordnung des Ver­fahrens vor, wenn das FG verkennt, wer Beteiligter ist (BFH-Urteil vom 03.08.2022 ‑ IV R 16/19, Rz 22). Das FG hat vorliegend im Rubrum indes die korrekte Beklagte bezeichnet, nämlich A ‑‑vertreten durch die Steuerberaterkammer …‑‑, die vorliegend gemäß § 25 Abs. 3 DVStB für die Erteilung des Ergebnisses der schriftlichen Steuerberaterprüfung zuständig und gegen die die Klage gemäß § 63 Abs. 1 FGO zutreffend gerichtet war.

jj) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass das Urteil unter Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör zustande ge­kommen ist.

(1) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO verpflichtet das Gericht unter anderem, die Aus­führungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzu­setzen (Beachtenspflicht). Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der tatsächlichen Würdigung oder der Rechtsansicht eines Beteiligten zu fol­gen. Die Gewährung rechtlichen Gehörs zwingt das Gericht auch nicht, sich mit Ausführungen der Beteiligten auseinanderzusetzen, auf die es für die Ent­scheidung nicht ankommt. Das Gericht ist ferner nicht gehalten, sich mit je­dem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst verletzt, wenn das Gericht Sachverhalt und Sachvortrag, auf den es ankommen kann, nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet, sondern bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung ge­zogen hat (BFH-Beschlüsse vom 26.02.2019 ‑ VIII B 133/18, Rz 4 und vom 20.07.2022 ‑ IX B 9/21, Rz 13, jeweils m.w.N. aus der ständigen Rechtspre­chung).

(2) Das FG hat das Vorbringen der Klägerin, gemessen an diesen Maßstäben, bei seiner Entscheidungsfindung hinreichend berücksichtigt. Dass es die ein­zelnen prüfungsrechtlichen Beanstandungen, insbesondere jene zur konkreten Punktevergabe durch die Prüfer, in der Urteilsbegründung nicht eingehender behandelt hat, verstößt nicht gegen die Beachtenspflicht, sondern ist dem Um­stand geschuldet, dass diese Einwendungen ‑‑im Hinblick auf die nur be­schränkt mögliche gerichtliche Nachprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen‑‑ nicht erheblich waren. Eine gerichtliche Kontrolle ist aufgrund der sachgesetz­lichen Eigentümlichkeiten der Prüfungsentscheidung bei Fragen der richtigen Bewertung ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ nur in engen Grenzen möglich (BFH-Urteil vom 21.01.1999 ‑ VII R 35/98, BFHE 187, 373, BStBl II 1999, 242, unter II.1.a). Zu der seitens der Klägerin angestrebten Nachprüfung oder Nachbesserung der Notengebung im Einzelnen, die auf eine "Nachkorrektur" der Aufsichtsarbeiten hinausgelaufen wäre, war das FG nicht berufen.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 135 Abs. 1 und 2 FGO.
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