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BFH: Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt bei einem in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Kind

  1. Eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt genügt für den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes auch dann, wenn es nach § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB) in einem psychiatrischen Kranken­haus untergebracht ist (Abgrenzung zum Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014 = SIS 14 16 43).
  2. Die Entscheidung, ob eine erhebliche Mitursächlichkeit vorliegt, hat das Fi­nanzgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfal­les zu treffen, die vom BFH nur eingeschränkt überprüfbar ist.
  3. Indizien für eine fortwirkende erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt können sich aus dem Straf- bezie­hungsweise Sicherungsverfahren ergeben. Zu berücksichtigen sein kann na­mentlich, dass eine seelische Erkrankung des Kindes, welche zugleich die vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Behinderung darstellt, dazu geführt hat, dass dem Kind wegen der von ihm begangenen rechtswidrigen Taten kein Schuldvorwurf gemacht werden kann (§ 20 StGB).

EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
StGB § 20, § 63
StPO § 126a, §§ 413 ff.

BFH-Urteil vom 30.1.2024, III R 42/22 (veröffentlicht am 2.5.2024)

Vorinstanz: FG Hamburg vom 26.10.2022, 5 K 181/19 (EFG 2023 S. 190 = SIS 23 00 54)

I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein behindertes Kind, das aufgrund seiner Behinderung rechtswidrige Taten ohne Schuld begangen hat und des­wegen zunächst einstweilig und im Anschluss aufgrund eines Gerichtsurteils in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, wegen seiner Behinde­rung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des am XX.07.1999 geborenen Sohnes C. Dieser leidet seit etwa seinem 14. Lebens­jahr an einer hebephrenen Schizophrenie (F 20.1). Dies äußerte sich bei C durch expansiv-aggressives Verhalten mit Weglauftendenzen, Grenzüber­schreitung, Sexualisierung, manische Zustände mit Selbstüber­schätzung, Abwertung anderer, körperliche Übergriffe und zudem eigenge­fährdende Handlungen. Die Schule besuchte C seit Herbst 2014 nicht mehr. In den Jah­ren 2014 bis Frühjahr 2016 befand sich C mehrfach in stationärer Be­handlung, wohnte aber in den Zeiten zwischen den stationären Aufenthalten noch im Elternhaus. Medikamentöse Behandlungen und stationäre Aufenthalte verbes­serten seinen Zustand nicht nachhaltig.

Nachdem C Anfang 2016 gegenüber seiner fünf Jahre jüngeren Schwester (damals 12 Jahre alt) sexuell übergriffig geworden war, wurde die Suche nach einer geeigneten Wohnform für C intensiviert. Sie blieb aber erfolglos ‑ auch, weil C bei einem "Probewohnen" in der Wohneinrichtung "B" (eine Jugendwoh­nung für psychisch erkrankte Jugendliche) bei einem Spaziergang eine Mitar­beiterin der Wohneinrichtung zunächst an die Brust gefasst und sie schließlich (kurze Zeit) mit einem Schal gewürgt hatte.

C befand sich von Mai 2016 bis Oktober 2016 aufgrund familiengerichtlicher einstweiliger Anordnungen in stationärer Behandlung in der Kinder- und Ju­gendpsychiatrie des Klinikums X. Mit Bescheid vom XX.XX.2016 stellte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration fest, dass wegen der psychischen Erkrankung Cs Grad der Behinderung 80 beträgt und er außerdem die Voraussetzung für das gesundheitliche Merkmal "H" für Hilflosigkeit erfüllt. Vom XX.11.2016 bis XX.02.2017 war C im Rahmen einer jugendhilferechtli­chen Einzelfallmaßnahme in einer Jugendeinrichtung untergebracht. Während des Aufenthaltes im Klinikum X und in der Jugendeinrich­tung beging C rechts­widrige Körperverletzungen, die sich jeweils gegen das Pflegepersonal im Klini­kum X beziehungsweise in der Jugendeinrichtung richteten.

Wegen dieser Gewaltausbrüche wurde C aufgrund einstweiligen Unterbrin­gungsbefehls des Amtsgerichts (AG) Hamburg vom XX.03.2017 zunächst vom XX.03.2017 bis zum XX.10.2017 in der Klinik F, VI. psychiatri­sche Station, untergebracht. Durch Beschluss vom XX.10.2017 wurde C vom Vollzug der einstweiligen Unterbringung verschont und befand sich vom XX.10.2017 bis XX.11.2017 in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung der Klinik H und im Anschluss in der Klinik F, (Akutstation). Am XX.01.2018 wurde der Unter­bringungsbefehl wieder in Vollzug gesetzt. C befand sich ab dem XX.01.2018 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 26.10.2022 in der Klinik F (Forensik). Einkünfte erzielte C nicht.

Bei den rechtswidrigen Körperverletzungen handelte C nach der Überzeugung des AG Hamburg (Urteil vom XX.04.2018 ‑ XX Ls XX/XX), jeweils ohne Schuld, weil seine Steuerungsfähigkeit infolge der schizophrenen Erkrankung aufge­hoben war. Das Gericht ordnete gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB) die Unterbringung des C in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Urteil hatte auch vor dem Landgericht (LG) Bestand (Urteil des LG Hamburg vom XX.06.2019 ‑ XXX Ns XX/XX).

Mit Bescheid vom XX.08.2017 hatte die Beklagte und Revisionsklägerin (Fami­lienkasse) Kindergeld für C ab August 2017 festgesetzt. Sie nahm an, er sei wegen seiner Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Nach vorheriger Anhörung hob die Familienkasse mit Bescheid vom XX.07.2019 die Kindergeldfestsetzung für C für den Zeitraum April 2017 bis einschließlich September 2017 sowie ab Februar 2018 auf und forderte den gezahlten Betrag zurück. Hiergegen legte die Klägerin am XX.08.2019 Ein­spruch ein. Zum einen habe C erst am XX.07.2017 das 18. Lebensjahr vollen­det, so dass jedenfalls insoweit die Aufhebung rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt gegeben. Mit Bescheid vom XX.08.2019 änderte die Familienkasse den Be­scheid vom XX.07.2019 dahingehend ab, dass Kindergeld für C für den Zeit­raum April 2017 bis einschließlich Juli 2017 festgesetzt wurde.

Mit Einspruchsentscheidung vom XX.09.2019 wies die Familienkasse den Ein­spruch hinsichtlich der Aufhebung der Festsetzung für den Zeitraum August 2017 bis September 2017 und ab Februar 2018 sowie hinsichtlich der Rückfor­derung für den Zeitraum August 2017 bis September 2017 und Februar 2018 bis April 2019 als unbegründet zurück. C sei wegen seiner Unterbringung in der forensischen Psychiatrie und der dadurch bedingten Freiheitsbeschränkung nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, nicht aber wegen sei­ner Behinderung.

Mit der anschließend erhobenen Klage vertrat die Klägerin die Ansicht, im Streitfall sei die Ursächlichkeit der Behinderung des C für seine fehlende Fä­higkeit zum Selbstunterhalt gegeben. Insbesondere liege ‑‑anders als in den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen‑‑ kein Fall der überho­lenden Kausalität vor, denn die Behinderung sei ursächlich für die Unterbrin­gung.

Das FG gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2023, 190 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision rügt die Familienkasse die unzutreffende Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit die Ver­letzung von Bundesrecht.

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des FG Hamburg vom 26.10.2022 ‑ 5 K 181/19 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Die Vorinstanz ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass C auch während der Zeit, in der die vom AG Hamburg an­geordnete (einstweilige) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen wurde, als behindertes Kind gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist.

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Le­bensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Weitere Vorausset­zung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetre­ten ist.

a) Für den am XX.07.1999 geborenen Sohn der Klägerin wurde ‑‑was zwi­schen den Beteiligten unstreitig ist‑‑ durch Bescheid vom XX.06.2016 ein Grad der Behinderung von 80 und das Merkmal "H" für Hilflosigkeit festgestellt.

b) Das Tatbestandsmerkmal "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten" ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bun­desfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Se­natsurteil vom 15.12.2021 ‑ III R 48/20, BFHE 275, 169, BStBl II 2022, 444, Rz 14). Auch das Vorliegen dieser Voraussetzung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

c) § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfordert zudem, dass das Kind "wegen" sei­ner Behinderung außerstande sein muss, sich selbst zu unterhalten. Die Be­hinderung muss somit nach den Gesamtumständen des Einzelfalles für die feh­lende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein (Senatsurteil vom 15.03.2012 ‑ III R 29/09, BFHE 237, 68, BStBl II 2012, 892, Rz 11; BFH-Urteil vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014, Rz 28, m.w.N.; Droege in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz C 37).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für behinderte Kinder, die sich in Strafhaft befinden, kein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG (vgl. dazu BFH-Urteile vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014, Rz 31; vom 23.01.2013 ‑ XI R 50/10, BFHE 240, 300, BStBl II 2013, 916, Rz 19; BFH-Beschluss vom 08.11.2012 ‑ VI B 86/12, BFH/NV 2013, 371). Gleiches gilt für behinderte Kinder, die wegen einer Straf­tat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in einem psychiatrischen Kranken­haus untergebracht sind (Senatsbeschluss vom 25.02.2009 ‑ III B 47/08, BFH/NV 2009, 929). Begründet wird dies mit der dann insoweit fehlenden Kausalität zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt. Soweit andere, die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt in­soweit überholende Ursachen ‑‑wie beispielsweise die Inhaftierung oder die Unterbringung im Maßregelvollzug‑‑ hinzutreten, sei Kindergeld selbst dann zu versagen, wenn die Begehung der zur Inhaftierung führenden Straftat behin­derungsbedingt ist (vgl. dazu auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.01.2010 ‑ 6 K 2465/08, EFG 2010, 658; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 28.11.2012 ‑ 2 K 240/12, EFG 2013, 787; Hessisches FG, Urteil vom 14.09.2022 ‑ 6 K 351/22, juris, Rz 15). Während der Haft sei ein Kind unab­hängig davon, ob es behindert ist oder nicht, grundsätzlich außerstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; in diesen Fällen stehe nicht die Behinderung eines Kindes der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung des Lebens­unterhalts entgegen, sondern die Inhaftierung (BFH-Urteil vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014, Rz 32). Die Inhaftierung be­gründe ebenso wie eine allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt oder ande­re Umstände, wie zum Beispiel mangelnde Mitwirkung bei der Arbeitsvermitt­lung oder Ablehnung von Stellenangeboten, die zur Arbeitslosigkeit des behin­derten Kindes und damit zu dessen Unfähigkeit zum Selbstunterhalt führen (vgl. dazu z.B. Senatsurteile vom 19.11.2008 ‑ III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.b; vom 15.03.2012 ‑ III R 29/09, BFHE 237, 68, BStBl II 2012, 892, Rz 13), keine Berücksichtigung als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13, BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014, Rz 33). Die Literatur folgt diesen Grundsätzen (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommen­tierung, § 32 EStG Rz 121; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 119, m.w.N.; vgl. Bauhaus in Korn, § 32 EStG Rz 77; Brandis/Heuermann/Selder, § 32 EStG Rz 120).

bb) Die Rechtsprechungsgrundsätze zur Kausalität der Behinderung für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt sind für die Fälle, in denen ein Strafgericht die Unterbringung des Kindes in einem psychiatrischen Kran­kenhaus angeordnet hat, fortzuentwickeln und zu präzisieren.

(1) Im Zusammenhang mit einem arbeitslosen behinderten Kind hat der Senat bereits entschieden, dass nicht jede einfache Mitursächlichkeit ausreicht, son­dern vielmehr die Mitursächlichkeit der Behinderung für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt erheblich sein muss (vgl. Senatsurteile vom 19.11.2008 ‑ III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.1.c; vom 15.03.2012 ‑ III R 29/09, BFHE 237, 68, BStBl II 2012, 892, Rz 11, 13). Auf diese Rechtsprechung hat der XI. Senat in seinem Urteil vom 30.04.2014 ‑ XI R 24/13 (BFHE 245, 66, BStBl II 2014, 1014) unter Rz 33 ausdrücklich hin­gewiesen. Ob eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfä­higkeit zum Selbstunterhalt gegeben ist, hat das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 14.12.2001 ‑ VI B 178/01, BFHE 197, 472, BStBl II 2002, 486, unter 2.; Se­natsurteil vom 15.03.2012 ‑ III R 29/09, BFHE 237, 68, BStBl II 2012, 892, Rz 11; BFH-Urteile vom 28.01.2004 ‑ VIII R 10/03, BFH/NV 2004, 784, unter 2.; vom 26.08.2003 ‑ VIII R 58/99, BFH/NV 2004, 326, unter 3.; Brandis/Heuermann/Selder, § 32 EStG Rz 120). Eine abstrakte Betrachtungs­weise ist nicht zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2001 ‑ VI B 178/01, BFHE 197, 472, BStBl II 2002, 486, unter 2.).

Diese Grundsätze sind auch in Fällen anzuwenden, in denen ein behindertes Kind wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen rechtswidri­gen Tat nicht verurteilt werden konnte und nach § 63 StGB in einem psychia­trischen Krankenhaus untergebracht worden ist. Entsprechendes gilt für die Zeiträume, in denen das Kind nach § 126a der Strafprozessordnung (StPO) einstweilen in einer solchen Einrichtung untergebracht ist.

(2) Die erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt muss daher nicht zwangsläufig entfallen, wenn das Kind auf­grund seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einer be­darfsdeckenden Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann. Zwar ist das Kind dann letztlich wegen der freiheitsentziehenden Maßnahme nicht mehr in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Die erhebliche Mitursächlichkeit der Behinde­rung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt kann aber weiterhin fortbeste­hen. Ob die Behinderung eine wesentliche Mitursache für die fehlende Fähig­keit zum Selbstunterhalt bleibt oder ob die zwangsweise Unterbringung in ei­nem Krankenhaus oder einer Justizvollzugsanstalt diese Ursache so überlagert, dass die Behinderung im Vergleich dazu nicht mehr als wesentliche Bedingung angesehen werden kann, kann nur anhand der jeweiligen Situation des behin­derten Kindes nach den Gesamtumständen des Einzelfalles bewertet werden.

(3) Der Freiheitsentzug selbst ist dabei lediglich eines von mehreren Indizien, die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Daneben sind aber auch die Umstände festzustellen und zu gewichten, die zu der freiheits­entziehenden Maßnahme geführt haben. Dabei können die Ergebnisse des Strafverfahrens beziehungsweise Sicherungsverfahrens (§§ 413 ff. StPO) her­angezogen werden. Ergibt sich daraus, dass das Kind an einer seelischen Er­krankung leidet, welche zugleich die vor dem 25. Lebensjahr eingetretene Be­hinderung darstellt, und deswegen eine oder mehrere rechtswidrige Taten be­gangen hat, für die ihm kein Schuldvorwurf gemacht (§ 20 StGB) und wegen der es daher nicht verurteilt werden kann, so liegt darin ein gewichtiges Indiz für eine fortwirkende erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung. Die frei­heitsentziehende Maßnahme nach § 63 StGB kann nur deshalb angeordnet werden, weil eine länger andauernde Beeinträchtigung der geistigen oder see­lischen Gesundheit vorliegt, diese kausal für die Tat war und darüber hinaus die Gefahr besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Strafta­ten von erheblicher Bedeutung begehen wird (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.05.2017 ‑ 1 StR 658/16, Neue Zeitschrift für Strafrecht ‑ Rechtspre­chungs-Report Strafrecht 2017, 272). Der Freiheitsentzug erfolgt nicht zur Ahndung eines vorwerfbaren Verhaltens, sondern aufgrund der krankheitsbe­dingten Gefährlichkeit des Kindes zum Schutze der Allgemeinheit. In einem solchen Fall stellt die Unterbringung im Maßregelvollzug keinen Fall der über­holenden Kausalität dar, der die Behinderung als für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt unbeachtlich erscheinen ließe.

(4) Etwas anderes kann gelten, wenn die Unterbringung nach § 63 StGB ne­ben einer Verurteilung ausgesprochen wird. Denn eine Freiheitsstrafe dient der Ahndung einer (trotz der Behinderung) vorwerfbar begangenen Tat und hin­dert das behinderte Kind unabhängig von seinem Handicap (wie ein nicht be­hindertes Kind) an der Erwerbstätigkeit. Dies gilt auch im Falle einer im Zu­stand der verminderten Schuldfähigkeit begangenen Tat. Die Verurteilung auf­grund der vorwerfbaren Tat stellt eine Zäsur dar. Zwar wird der Ursachenzu­sammenhang zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunter­halt in diesem Fall nicht vollständig beseitigt. Dies schließt es aber nicht aus, die aufgrund des vorwerfbaren Verhaltens angeordnete freiheitsentziehende Maßnahme im Rahmen der Prüfung der Mitursächlichkeit als die rechtlich allein wesentliche Bedingung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zu werten.

2. Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Grundsätzen.

a) Die rechtliche Würdigung des FG, die Unterbringung des C in einem psychi­atrischen Krankenhaus aufgrund des Unterbringungsbefehls vom XX.03.2017 und des Urteils des AG Hamburg vom XX.04.2018 ‑ XX Ls XX/XX gemäß § 63 StGB i.V.m. § 7 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes stelle keine die be­hinde­rungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt überholende Ursache dar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist (jedenfalls) möglich und ver­stößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie ist daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 05.05.2011 ‑ IV R 34/08, BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787 und vom 13.01.2011 ‑ V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.).

b) Das FG hat im Rahmen der Gesamtwürdigung darauf abgestellt, dass C be­reits vor der (einstweiligen) Unterbringung wegen seiner schweren seelischen Behinderung außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Zu Recht hat das FG außerdem dem Umstand besondere Bedeutung zugemessen, dass C nicht im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB), sondern ohne Schuld gehandelt hat (§ 20 StGB), da seine Steuerungsfähigkeit aufgrund der seeli­schen Erkrankung, die zugleich die Behinderung begründet, bei der Begehung der Taten aufgehoben war.

Die Unterbringung des Kindes in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB stellt jedenfalls in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation kein überlagerndes Ereignis in dem Sinne dar, dass die Behinderung im Ver­gleich zur Freiheitsbeschränkung nicht mehr als eine wesentliche Ursache für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt bewertet werden kann. Die krankhafte seelische Störung wirkte bei den rechtswidrigen Taten fort, begründete die Gefährlichkeit des C für die Allgemeinheit und war wesentliche Ursache für die Anordnung der Unterbringung. Die aus der gerichtlichen Anordnung folgende Beschränkung der persönlichen Freiheit kann daher nicht als eine von der Be­hinderung unabhängige Ursache angesehen werden, die zu einer Überlagerung der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt durch die Frei­heitsbeschränkung führt. Vielmehr blieb die Behinderung auch nach der Unter­bringung erheblich mitursächlich dafür, dass C am Selbstunterhalt durch Teil­nahme am Erwerbsleben gehindert war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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