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BFH zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL

Die Tätigkeit eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers ist kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

UStG § 4 Nr. 21
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j

BFH-Urteil vom 15.12.2021, XI R 3/20 (veröffentlicht am 14.7.2022)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 14.8.2019, 7 K 7342/16 (EFG 2020 S. 1101 = SIS 20 08 08)

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) im Rahmen seiner Tä­tigkeit als Präventions- und Persönlichkeitstrainer im Streitjahr (2010) steuer­freie Umsätze ausgeführt hat.

Der Kläger ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer und Mitglied des Vereins B. Der Kläger beschrieb seine Tätigkeit auf seiner Homepage wie folgt: "..." Zum Organisationsablauf der Kurse an Schulen hieß es auf der Homepage: "..."

Außerdem lässt ein Ausdruck der Homepage erkennen, dass der Kläger als "Teamleiter" auftrat, und es wurden neun weitere, in seinem Team tätige Kursleiter für verschiedene Kursarten (Kinderbewegungsprogramm neben wei­teren Sport- und Bewegungsangeboten eines Kooperationspartners, Präventi­onstrainings im Kindergarten, in der Grundschule und in weiterführenden Schulen, Persönlichkeitstrainings für Frauen und für ältere Leute, Erziehungs­seminare für Eltern) vorgestellt. Die Kursgebühren wurden mit ... € pro Teil­nehmer für die verschiedenen jeweils insgesamt sechs Stunden umfassenden Kursangebote angegeben. Der Steuerberater des Klägers erklärte gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑), der Kläger werde wohl von den jeweiligen interessierten Eltern beauftragt. Die Rechnungen er­stelle der Kläger dann wohl gegenüber den jeweiligen Eltern, die ihn dann be­zahlen würden. Er selbst erklärte gegenüber dem FA, dass die Abrechnung ggf. direkt mit den Eltern erfolge, ansonsten über die Schule. Sofern die Eltern die "Gebühr" beglichen, erfolge dies gegen einen Zahlungsbeleg bzw. per Überweisung.

Der Kläger reichte für das Streitjahr am 04.01.2011 eine Umsatzsteuererklä­rung ein. Darin erklärte er Leistungen zu 19 % in Höhe von ... € und zu 7 % in Höhe von ... € sowie Vorsteuern in Höhe von ... €, so dass ... € an Umsatzsteuer 2010 erklärt wurden.

Am 09.12.2014 beantragte der Kläger u.a., die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2010 zu ändern. Seine Umsätze für Konfliktpräventionskurse an Schulen seien nach § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.03.2016 ab.

Dagegen legte der Kläger zunächst Einspruch ein. Am 24.12.2016 erhob er Klage. Im Klageverfahren erließ das FA am 26.07.2017 die Einspruchsent­scheidung gegen den Ablehnungsbescheid. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage durch Urteil vom 14.08.2019 ‑ 7 K 7342/16 (Ent­scheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2020, 1101) ab. Die Klage sei zwar als sog. Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsord­nung (FGO) zulässig, aber unbegründet. Das Gericht könne nicht feststellen, dass die vom Kläger erklärten Umsätze steuerfrei seien.

Die Leistungen des Klägers seien nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuer­frei, denn es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger selbst i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG als Ersatzschule geneh­migt oder erlaubt oder ihm eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehör­de i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erteilt worden wäre. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG sei nicht erfüllt, da die Befreiung nur für erbrachte Unterrichtsleistungen von selbständigen Lehrern und nicht durch von diesen beauftragten selbständigen Dozenten gelte. Ebenso könne sich der Kläger nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) beru­fen. Es fehle bereits an der Qualifizierung als Schul- und Hochschulunterricht im Sinne dieser Vorschrift. Dies gelte auch für die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

Außerdem schulde der Kläger die Umsatzsteuer für den weit überwiegenden Teil seiner Umsätze gemäß § 14c Abs. 1 UStG.

Mit Beschluss vom 05.02.2020 ‑ XI B 94/19, der neben dem Streitjahr auch die hier nicht streitgegenständlichen Besteuerungszeiträume 2011 bis 2013 betraf, hat der Senat die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2013 als unbegründet zurückge­wiesen. Er hat dabei u.a. ausgeführt, der Kläger könne die Zulassung der Re­vision nicht erreichen, soweit nach den Feststellungen des FG die Steuerforde­rungen auf Rechnungen i.S. des § 14c UStG beruhen.

Mit seiner ‑‑durch o.g. Beschluss zugelassenen‑‑ Revision betreffend das Jahr 2010 wendet sich der Kläger (nur) gegen die Besteuerung der verbleibenden Umsätze in Höhe von ... €. Er rügt die Verletzung von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG. Überdies ergebe sich die Steuerbefreiung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG lägen vor, da er, der Kläger, als selbständiger Privatlehrer Unterricht in Zusammenarbeit mit dem jeweili­gen Bildungsträger in den Räumlichkeiten der Schule oder Vorschule durchfüh­re. Das Klassentraining erfolge in Grund- und Förderschulen während der re­gulären Unterrichtszeit in den Räumen der Schule unter Einbeziehung der Klassenlehrer/innen oder Fachlehrer/innen, sowie in Kleingruppen durch Ein­zelanmeldung über die Eltern. Es bestehe auch ein hohes Gemeinwohlinteres­se an der Lehrtätigkeit des Klägers. Dies ergebe sich auch aus den Schulpro­grammen und Lehrplänen. Die Vergütung erfolge zum Teil durch die beauftra­genden Schulen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung wegen Umsatzsteuer 2010 sowie der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2017 wegen Umsatzsteuer 2010 das FA zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 04.01.2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2010 um ... € herabge­setzt wird.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Umsatzsteuer 2010 und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klage (als Verpflichtungsklage, vgl. allgemein Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19.05.2008 ‑ V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, Rz 36; BFH-Urteil vom 15.05.2012 ‑ XI R 28/10, BFHE 237, 537, BStBl II 2015, 966) zulässig ist. Dies steht zwi­schen den Beteiligten nicht in Streit.

2. Ebenfalls zutreffend hat das FG angenommen, dass die Umsätze des Klä­gers nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a oder b UStG steuerfrei sind.

a) Die Umsätze sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei, weil der Kläger selbst weder als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt wurde noch eine gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG entspre­chende Bescheinigung vorgelegt hat.

b) Eine Befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG kommt nicht in Betracht, da die streitigen Leistungen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen.

aa) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer u.a. an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen steuerfrei. Das Tatbe­standsmerkmal "unmittelbar" bezieht sich nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen, d.h. es dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken (vgl. BFH-Urteile vom 03.05.1989 ‑ V R 83/84, BFHE 157, 458, BStBl II 1989, 815, unter II.1.a; vom 21.03.2007 ‑ V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.a; vom 23.08.2007 ‑ V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.2.c bb; Bunjes/ Heidner, UStG, 20. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 23). Daher werden von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG nur die von selbständigen Lehrern persönlich ‑‑und nicht durch von diesen beauftragte selbständige Dozenten‑‑ erbrachten Unterrichtsleistungen an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen von dieser Vorschrift erfasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 332, unter II.2.c bb).

bb) Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da der Kläger im Streitfall ‑‑wie das FG festgestellt hat‑‑ für die hier noch im Streit befindlichen Leistungen Subun­ternehmer mit der Unterrichtsleistung beauftragt hat.

3. Das FG hat außerdem zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Schul- oder Hochschulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erteilt hat.

a) Steuerfrei ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑‑Richtlinie 77/388/EWG‑‑) u.a. der Schul- und Hoch­schulunterricht. Ein Steuerpflichtiger kann sich auf diese Vorschrift unmittelbar berufen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c, und vom 28.05.2013 ‑ XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 33, m.w.N. zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG; Bunjes/ Heidner, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 24; Alvermann/Esteves Gomes in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 13).

b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) stellen die in der Regelung enthaltenen Begriffe autonome unionsrechtliche Begriffe dar, da eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche An­wendung der Mehrwertsteuerregelung verhindert werden soll (vgl. EuGH-Ur­teile The English Bridge Union vom 26.10.2017 ‑ C‑90/16, EU:C:2017:814, Rz 17 und die dort angeführte Rechtsprechung; A & G Fahrschul-Akademie vom 14.03.2019 ‑ C‑449/17, EU:C:2019:202, Rz 18; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics vom 21.10.2021 ‑ C‑373/19, EU:C:2021:873, Rz 21; EuGH-Be­schluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst vom 07.10.2019 ‑ C‑47/19, EU:C:2019:840, Rz 22). Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen des Art. 132 MwStSystRL umschrieben sind, sind eng auszulegen, da sie Ausnah­men von dem allgemeinen, sich aus Art. 2 MwStSystRL ergebenden Grundsatz darstellen, dass jede Leistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Dabei dürfen die zur Definition der Steuerbe­freiungen des Art. 132 MwStSystRL verwendeten Begriffe allerdings nicht in einer Weise ausgelegt werden, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile Brockenhurst College vom 04.05.2017 ‑ C‑699/15, EU:C:2017:344, Rz 23 und die dort angeführte Rechtsprechung; A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 19; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 22; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 23).

c) Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL enthält keine Definition des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" (vgl. EuGH-Urteile A & G Fahrschul-Akade­mie, EU:C:2019:202, Rz 20; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 23; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 24).

aa) Der EuGH hat insoweit klargestellt, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vom Unterrichtenden an die Studierenden ein besonders wich­tiger Bestandteil der Unterrichtstätigkeit ist (vgl. EuGH-Urteile Horizon College vom 14.06.2007 ‑ C‑434/05, EU:C:2007:343, Rz 18; A & G Fahrschul-Akade­mie, EU:C:2019:202, Rz 21; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 24; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 25), und dass sich der Begriff nicht auf Unterricht be­schränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern andere Tätigkeiten einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteile Eulitz vom 28.01.2010 ‑ C‑473/08, EU:C:2010:47, Rz 29 und die dort angeführte Recht­sprechung; A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 22; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 24; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 26). Der Unionsgesetzge­ber wollte auf einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem abstellen, der allen Mitgliedstaaten ‑‑unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten der na­tionalen Bildungssysteme‑‑ gemeinsam ist (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile A & G Fahrschul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 25; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 26; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 29).

bb) Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" verweist daher allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Ver­tiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den ver­schiedenen dieses System bildenden Stufen (vgl. EuGH-Urteile A & G Fahr­schul-Akademie, EU:C:2019:202, Rz 26; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 28; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 30). Ein spezialisierter, punktuell erteilter Un­terricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt, ist nicht angesprochen (vgl. EuGH-Urteile A & G Fahrschul-Aka­demie, EU:C:2019:202, Rz 29; Dubrovin & Tröger ‑ Aquatics, EU:C:2021:873, Rz 31; EuGH-Beschluss Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, EU:C:2019:840, Rz 33; vgl. auch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.09.2021 ‑ 9 B 8/21, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2021, 1218).

d) Nach diesen Grundsätzen sind die hier streitigen Präventionskurse als spe­zialisierter und punktuell erteilter Unterricht kein Schul- oder Hochschulunter­richt i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL.

4. Das FG hat es jedoch unterlassen zu prüfen, ob sich eine Steuerbefreiung der Leistungen des Klägers aus anderen Gründen ergeben könnte.

a) Das FG ist nicht der Frage nachgegangen, ob eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i Richtlinie 77/388/EWG) in Betracht kommt, weil die Präventionskurse des Klä­gers als "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" im Sinne dieser Bestim­mung anzusehen sind.

aa) Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind auch die Erziehung von Kindern und Jugendlichen und damit eng verbundene Dienstleistungen steuer­befreit, wenn sie durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden. Die Mitgliedstaaten stellen dabei die Regeln auf, nach denen den betreffenden Ein­richtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann (vgl. EuGH-Urteil MDDP vom 28.11.2013 ‑ C‑319/12, EU:C:2013:778, Rz 37).

bb) Zwar enthält Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL keine Definition, was unter dem autonomen unionsrechtlichen Begriff "Erziehung von Kindern und Jugendlichen" zu verstehen ist; auch ist die Regelung nach den o.a. Grundsät­zen (vgl. dazu die Ausführungen unter II.3.b) eng auszulegen. Immerhin könnte einzubeziehen sein, dass nach der das nationale Recht betreffenden Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 Nr. 23 UStG i.d.F. des Jahressteuerge­setzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) der Begriff der Erziehung von Kindern und Jugendlichen die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung umfasst; dazu gehören insbesondere eine altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung sowie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Werten (BTDrucks 19/13436, S. 148; s. zur Auffassung der Finanzverwaltung auch Abschn. 4.23.1 Abs. 4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Nach der früheren Rechtsprechung des BFH (zu § 4 Nr. 13 UStG a.F. vor der unions­rechtlichen Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts) gehörte nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch die Willens- und die Charakterbildung dazu (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.1960 ‑ V 282/57 U, BFHE 71, 393, BStBl III 1960, 396).

cc) Sollte das FG ohne unionsrechtliche Zweifel den Anwendungsbereich als erfüllt ansehen, wären weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob der Kläger die personellen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfüllt, was bislang offen geblieben ist (vgl. unter II.2.c bb der Vorentschei­dung).

b) Das FG hat auch nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbe­freiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG) erfüllt sind.

aa) Nach der deutschen Sprachfassung der Regelung ist zwar (nur) "von Pri­vatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht" umsatzsteuerfrei. Dies scheint nahe zu legen, dass der Privatlehrer Schul- und Hochschulunterricht erteilen muss, und eine Steuerbefreiung ausscheidet, wenn sein Unterricht spezialisiert ist.

bb) Es ist jedoch zu beachten, dass sich die deutsche Sprachfassung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL vom Wortlaut aller anderen Sprachfas­sungen insoweit unterscheidet, als in den anderen Sprachfassungen die in die­ser Bestimmung genannte Befreiung nicht unmittelbar auf den "Schul- und Hochschulunterricht", sondern auf einen damit zusammenhängenden Begriff abstellt, der z.B. im Französischen mit den Worten "leçons ... portant sur" (Unterrichtseinheiten, die sich auf ... beziehen) ausgedrückt ist (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 21).

cc) Die Bestimmung ist daher unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass steuerfrei die Unterrichtseinheiten sind, die sich auf Schul- und Hoch­schulunterricht beziehen (EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 21 ff.). Die Steuerbefreiung umfasst Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 29, unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil Haderer vom 14.06.2007 ‑ C‑445/05, EU:C:2007:344, Rz 26). Dass die einzelne Unterrichtseinheit des jeweiligen Privatlehrers der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen im Sinne der Aus­führungen unter II.3.c bb gleichkommen müsste, scheint deshalb nicht erfor­derlich zu sein; es dürfte deshalb vielmehr ausreichen, dass sich seine Unter­richtseinheit auf einen Schul- oder Hochschulunterricht im Sinne der Ausfüh­rungen unter II.3.c bb "bezieht".

Davon könnte im Streitfall möglicherweise auszugehen sein, da die Leistungen des Klägers nicht mit Bezug zu seinem spezialisierten Unterricht (in einer Fahr‑, Segel- oder Schwimmschule o.ä.) erbracht werden, sondern sich u.a. auf den Unterricht in Grundschulen und an weiterführenden Schulen beziehen. Zumindest der Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen ist Teil eines integrierten Systems der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkei­ten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen; er dient auch der Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler (je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf der jeweili­gen Stufe).

dd) Der Kläger könnte außerdem nach den bisherigen tatsächlichen Feststel­lungen des FG ein Privatlehrer im Sinne der Vorschrift sein.

Der Unterricht wird von einem Privatlehrer erteilt, wenn er "privat" erteilt wird (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 18.11.2015 ‑ XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rz 21 f., m.w.N.), dabei durchaus auch gegenüber einer Einzelperson. Erfor­derlich ist aber, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, Rz 52 ff.). Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, Rz 30). Ob dies voraussetzt, dass der Unternehmer eigene Vertragsbeziehun­gen zu dem Unterrichteten unterhalten muss, ist streitig. Schädlich ist aber eine Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2017 ‑ XI R 6/16, BFHE 257, 471, m.w.N.). Dies kann nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilt werden.

5. Die Sache ist nicht spruchreif. Ausgehend von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht abschließend beurteilt werden, ob aufgrund der zu II.4.a oder II.4.b genannten Erwägungen die Umsätze des Klägers steuerfrei sein könnten. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das FG nachzuholen. Es ist u.a. festzustellen, welchen genauen Inhalt die Präventi­onskurse des Klägers hatten. Ggf. hat das FG auch festzustellen, in welchem Umfang die Umsätze des Klägers auf einer Einschaltung Dritter beruhen. Ver­bleibende Zweifel gehen zu Lasten des Klägers, der sich auf das Vorliegen ei­ner Steuerbefreiung beruft.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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