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BFH: Anspruch auf Akteneinsicht nach bestandskräftiger Veranlagung; Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO

  1. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Einsicht in eine Steuerakte außerhalb eines finanzgerichtlichen Verfahrens be­steht nicht, wenn der Steuerpflichtige für den betroffenen Besteuerungszeit­raum bereits bestandskräftig veranlagt wurde und die Einsichtnahme der Ver­folgung steuerverfahrensfremder Zwecke dienen soll (hier: Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gegen den ehemaligen Steuerberater).
  2. Der Anspruch auf Auskunftserteilung über die Verarbeitung von personen­bezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen, wenn hierdurch auch Daten berührt werden, die dem (ehemaligen) Steuerbe­rater der betroffenen Person zuzuordnen sind, allerdings aus einer Erklärung stammen, die der Steuerberater als deren Vertreter im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 AO übermittelt hat.
  3. Gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften für Steuerakten der Finanzverwal­tung bestehen nicht, sodass ein Auskunftsrecht über darin enthaltene perso­nenbezogene Daten nicht nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO ausgeschlossen ist.

AO § 30 Abs. 2 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2, § 32c Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 Buchst. a, § 80 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1
DSGVO Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4, Art. 23 Abs. 1 Buchst. i
BGB § 242
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
EUGrdRCh Art. 41 Abs. 1 und 2

BFH-Urteil vom 7.5.2024, IX R 21/22 (veröffentlicht am 4.7.2024)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 18.3.2022, 7 K 11127/18 = SIS 22 07 86

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) beanspruchen Einsicht in die beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) geführte Einkommensteuer­akte des Veranlagungszeitraums 2015.

Das FA hatte gegen die Kläger Einkommensteuer für 2015 festgesetzt. Nach Bestandskraft des Bescheids beantragten die Kläger Einsicht in die für sie ge­führte Einkommensteuerakte. Sie führten an, ihr damaliger Steuerberater ha­be sie nicht über den Gang des Veranlagungsverfahrens informiert. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erwogen die Kläger, einen Schadener­satzanspruch gegen den Steuerberater geltend zu machen.

Das FA lehnte den Antrag zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 ab. Die Abgabenordnung (AO) sehe für das Verwaltungsverfahren kein Akten­einsichtsrecht vor. Auch die Voraussetzungen eines übergesetzlichen, im Er­messen der Verwaltung stehenden Einsichtsrechts lägen nicht vor. Die Kläger hätten hierfür kein berechtigtes Interesse dargelegt, zumal sich ein solches nicht aus der Prüfung von Regressansprüchen ergebe. Der Umstand, dass die Akteneinsicht erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids bean­tragt worden sei, führe zudem dazu, dass der Antrag zwingend abzulehnen sei.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage, die beim 7. Senat des Niedersächsischen FG geführt wurde. Während des Klageverfahrens beantragten die Kläger beim FA unter Bezugnahme auf Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 und Abs. 3 der Daten­schutz-Grundverordnung (DSGVO) die Einsichtnahme in die Einkommensteu­erakte. Auch diesen Antrag lehnte das FA ab. Die Kläger erhoben hiergegen ebenfalls Klage, die beim 12. Senat des FG geführt und mit Urteil vom 28.01.2020 ‑ 12 K 213/19 abgewiesen wurde. Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zu­rück. Zur Begründung führte der BFH aus, die (zweite) Klage sei wegen ander­weitiger Rechtshängigkeit unzulässig, könne vom FG aber mit der zuerst an­hängig gemachten Klage, über die seinerzeit noch nicht entschieden war, ver­bunden werden (BFH-Urteil vom 08.06.2021 ‑ II R 15/20).

Nachdem das Präsidium des FG dessen 7. Senat (auch) für das zurückverwie­sene Verfahren für zuständig erklärt hatte, verband jener Senat im zweiten Rechtsgang das zurückverwiesene mit dem ursprünglich anhängig gemachten Verfahren auf Akteneinsicht.

Mit angefochtenem Urteil vom 18.03.2022 ‑ 7 K 11127/18 gab das FG den Klagen statt und verpflichtete das FA, den Klägern "Einsicht in die Einkommensteu­erakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu gewähren und den Auskunftsan­spruch nach Art. 15 DSGVO zu erfüllen".

Zur Begründung seiner Revision trägt das FA vor, das FG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Akteneinsicht sei wegen eines auf null reduzierten Er­messens zu gewähren. Das FA zieht zudem in Zweifel, ob der sachliche An­wendungsbereich von Art. 15 DSGVO eröffnet sei. Selbst wenn dies der Fall sei, stünden der Erfüllung des Auskunftsanspruchs Ausnahmetatbestände des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 AO entgegen.

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die Revision ist begründet, soweit das FG den Klägern ein Einsichtsrecht in die für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zuge­sprochen hat. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die Sa­che spruchreif ist, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanz­gerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die angefochtene Entscheidung verletzt Bundesrecht gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO, da das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, den Klägern stehe infolge einer Ermessensreduzierung auf null ein Anspruch auf Einsichtnahme in die beim FA für sie geführte Einkommensteuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu.

a) Die Abgabenordnung enthält ‑‑anders als zum Beispiel § 29 des Verwal­tungsverfahrensgesetzes‑‑ keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akten­einsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO noch aus § 364 AO abzuleiten. Allerdings steht dem während eines Verwaltungsver­fahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Ver­treter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Fi­nanzbehörde zu, weil diese nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (BFH-Entscheidungen vom 23.02.2010 ‑ VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 11 und vom 05.12.2016 ‑ VI B 37/16, Rz 3). Grundlage dieses Anspruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (BFH-Urteil vom 19.03.2013 ‑ II R 17/11, BFHE 240, 497, BStBl II 2013, 639, Rz 11).

b) Das FG hat bereits rechtsfehlerhaft angenommen, dass den Klägern ein nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen abzuleitender Anspruch auf ermes­sensfehlerfreie Entscheidung zusteht. Die Kläger haben Akteneinsicht nicht während des Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer des Jahres 2015, sondern erst in dessen Nachgang, das heißt, nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung beantragt. Der einer Akteneinsicht innewohnen­de Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird in diesem ‑‑nachgelager­ten‑‑ Stadium grundsätzlich nicht mehr berührt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23.02.2010 ‑ VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 12 sowie BeckOK AO/Kobor, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 91 Rz 30; s.a. Hessisches FG, Urteil vom 16.03.1990 ‑ 1 K 4538/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 503). Hieran ändert nichts, dass der Einkommensteuerbescheid für 2015 mit einem maschinell gesetzten Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO versehen war und unter den Voraussetzungen des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Pflicht besteht, unrichtige oder unvollständige Steu­ererklärungen bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist zu berichtigen. Nachvoll­ziehbare Anhaltspunkte dafür, dass Anlass für die beantragte Akteneinsicht ein solches Verwaltungsverfahren sein soll, haben die Kläger nicht dargelegt.

c) Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergibt sich zudem nicht aus den ‑‑auch im öffentlichen Recht anwendbaren‑‑ Grundsätzen aus Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Der BFH hat bereits ent­schieden, dass insoweit eine rechtliche Sonderverbindung zwischen der Fi­nanzbehörde und dem Steuerpflichtigen bestehen muss, in deren Rahmen der Steuerpflichtige zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Behörde auf die Auskunft (die Akteneinsicht) angewiesen ist (BFH-Urteil vom 23.02.2010 ‑ VII R 19/09, BFHE 228, 139, BStBl II 2010, 729, Rz 13 ff., 18). Hieran fehlt es im Streitfall ersichtlich. Die Kläger können vom FA keine Treuepflicht einfor­dern, sie bei der Verfolgung steuerverfahrensfremder Zwecke ‑‑vorliegend der Prüfung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Steuerberater‑‑ zu unter­stützen (in diesem Sinne auch Roser in Gosch, AO § 91 Rz 30; BeckOK AO/Kobor, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 91 Rz 30). Insofern fehlt ein innerer Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren.

d) Auf die von der Vorinstanz bejahte Frage, ob das Ermessen des FA, Akten­einsicht zu gewähren, auf null reduziert war (hierzu BFH-Urteil vom 23.09.2009 ‑ XI R 56/07, BFH/NV 2010, 12, unter II.1.), kommt es vor die­sem Hintergrund nicht mehr an. Der Senat weist nur vorsorglich darauf hin, dass der hierfür vom FG maßgeblich ins Feld geführte rechtliche Aspekt nicht greift. Das FG hat die Ansicht vertreten, dass dem Steuerpflichtigen ein "grundsätzliches Recht auf Akteneinsicht" zusteht und dies damit begründet, dass sich ein solches neben rechtsstaatlichen und prozessgrundrechtlichen Er­wägungen (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) inzwischen ausdrücklich aus dem in Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) verankerten Recht auf Gehör ergebe. Das FG hat hierbei übersehen, dass Adressat jenes Grundrechts nur Organe, Einrich­tungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (EU) sind (Art. 41 Abs. 1 EUGrdRCh), nicht aber Behörden der Landesfinanzverwaltung in den EU-Mit­gliedstaaten (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ HUNGEOD u.a. vom 26.03.2020 ‑ C‑496/18 und C‑497/18, EU:C:2020:240, Rz 63, m.w.N.).

e) Die Sache ist insoweit spruchreif. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage, die dem Kläger den geltend gemachten Anspruch vermittelt, Einsicht in die Ein­kommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2015 zu nehmen.

2. Frei von Rechtsfehlern hat das FG den Klägern dem Grunde nach ein Aus­kunftsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO zuerkannt. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Norm, die nach Art. 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt, ist eröffnet (dazu unten a). Ausschlussgründe für einen Auskunftsan­spruch liegen nicht vor (unten b). Dass der Auskunftsanspruch der Kläger durch Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeit­raum 2015 zu erfüllen ist, hat die Vorinstanz nicht entschieden und ist nicht Gegenstand der vorliegenden Revision (unten c).

a) Nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 DSGVO hat die betroffene Person (hier die Kläger) das Recht, von dem Verantwortlichen ‑‑dem FA (Art. 4 Nr. 7 DSGVO)‑‑ eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, bestimmt Halbsatz 2 der Vor­schrift, dass die Person Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Da­ten und auf die in Buchst. a bis h genannten Informationen hat.

aa) Dass das FA im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für 2015 die Klä­ger betreffende personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO verarbeitet hat (Art. 4 Nr. 2 DSGVO), bedarf keiner weitergehenden Erörterung (vgl. hierzu Senatsurteile vom 05.09.2023 - IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 18 sowie vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 13).

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Anwendungsbereich der Da­tenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO nicht auf den Bereich der harmonisierten Steuern beschränkt ist (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 21). Der Einwand des FA, es bestünden keine datenschutzrechtlichen Auskunftsrechte in Bezug auf eine ausschließlich die Einkommensteuer betreffende Akte, ist daher unbegründet.

cc) Ebenso wenig steht der Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung entgegen, dass die personenbezogenen Daten der Kläger in einer Akte enthal­ten sind, die vom FA noch in Papierform geführt wurde oder wird. Auch inso­weit nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf sei­ne hierzu ergangene jüngste Rechtsprechung (Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 17).

dd) Schließlich steht dem Auskunftsrecht im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht entgegen, dass die Kläger mit ihrem auf diese Norm gestützten Begehren ersichtlich keine datenschutzrelevanten Gründe verfolgen. Nach der Recht­sprechung des EuGH muss die betroffene Person ihren Antrag nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht begründen, was zugleich bedeutet, dass er auch nicht zu­rückgewiesen werden kann, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt wird als der, von der Verarbeitung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 ‑ C‑307/22, EU:C:2023:811, Rz 38, 43).

b) Das Auskunftsrecht der Kläger ist nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften ausgeschlossen. Dies ergibt sich nicht aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO (dazu unten aa), § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO (dazu un­ten bb) sowie § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a DSGVO (dazu unten cc).

aa) Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO bestimmt, dass unter anderem durch Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten Pflichten und Rechte gemäß Art. 12 bis 22 DSGVO beschränkt werden können, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und entweder den Schutz der betroffenen Person oder die Rechte und Freiheiten anderer Personen sicherstellt. In Ausübung dieser Beschränkungsmöglichkeit hat der nationale Gesetzgeber in § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO bereichsspezifisch für die Steuerverwaltung geregelt, dass ein Auskunftsrecht gegenüber einer Finanz­behörde gemäß Art. 15 DSGVO nicht besteht, soweit die betroffene Person ‑‑vorliegend die Kläger‑‑ nach § 32a Abs. 1 AO oder nach § 32b Abs. 1 oder Abs. 2 AO nicht zu informieren ist.

aaa) Die Voraussetzungen der insoweit einzig in Betracht zu ziehenden Ein­schränkung nach § 32c Abs. 1 Nr. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegen nicht vor. Hiernach besteht keine Informationspflicht und folglich dessen kein Aus­kunftsrecht, wenn unter anderem die Daten nach § 30 AO geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung (am Auskunftsrecht) zurücktreten muss.

bbb) Das Steuergeheimnis wird im Streitfall ‑‑wie vom FG zutreffend ange­führt‑‑ nicht berührt. Zu schützen sind nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO die perso­nenbezogenen Daten "eines anderen", das heißt fremde personenbezogene Daten (statt vieler Drüen in Tipke/Kruse, § 30 AO Rz 11). Die eigenen Daten des Steuerpflichtigen sind konsequenterweise ihm gegenüber nicht durch § 30 AO geschützt. Hierüber ist ihm Auskunft zu erteilen, sofern die Daten nicht zu­gleich die personenbezogenen Daten eines Dritten sind. Zwar können auch die Daten eines steuerlichen Beraters dem Geheimnisschutz des § 30 AO unter­liegen (Drüen in Tipke/Kruse, § 30 AO Rz 14). Dies gilt zur Überzeugung des Senats aber nicht für Daten, die ein Bevollmächtigter im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 AO für den Steuerpflichtigen an die Finanzbehörde übermittelt hat (vgl. Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 30 Rz 47 unter Hinweis auf die vor­liegend angefochtene Entscheidung). Es handelt sich um eigene Daten des be­troffenen Steuerpflichtigen, was sich bereits daraus ergibt, dass die durch ei­nen Bevollmächtigten vorgenommenen Verfahrenshandlungen für und gegen den Beteiligten, in dessen Namen sie vorgenommen werden, wirken (vgl. Mues in Gosch, AO § 80 Rz 26). Dies gilt unbeschadet dessen, ob die Bevoll­mächtigung noch besteht.

ccc) Aus den vorgenannten Erwägungen könnte das FA die Erfüllung des Aus­kunftsanspruchs auch nicht nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO mit dem Einwand ver­weigern, es würden die Rechte anderer Personen beeinträchtigt.

bb) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO vor. Die von den Klägern erwogenen zivilrechtlichen Ansprüche (Schadenersatz) richten sich nicht gegen den Rechtsträger der Finanzbehörde, sondern gegen den damaligen Steuerberater.

cc) Schließlich wird das Auskunftsrecht der Kläger nicht nach § 32c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO ausgeschlossen.

Hiernach besteht kein Auskunftsrecht gemäß Art. 15 DSGVO, soweit die perso­nenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetz­licher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen und die Aus­kunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie ei­ne Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organi­satorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.

aaa) Bereits die Grundvoraussetzung dieses § 34 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesda­tenschutzgesetzes nachgebildeten, hinsichtlich seines sachlichen Anwendungs­bereichs in der Gesetzesbegründung aber nicht näher beleuchteten Aus­schlusstatbestands (vgl. BTDrucks 18/12611, S. 88) liegt nicht vor. Es fehlt an einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht für Steuerakten. Aufbewahrungs­pflichten sind nur zu Lasten des Steuerpflichtigen normiert, vornehmlich in § 147 AO. Deren Pflichten sind nicht auf die Finanzbehörde übertragbar und verpflichten diese deshalb ‑‑trotz dementsprechender praktischer Handha­bung‑‑ nicht, die dazugehörigen Steuerakten bis zum Ablauf der Festsetzungs­frist aufzubewahren. Untergesetzlich ‑‑auf ministerieller Ebene‑‑ geregelte Pflichten für die Finanzverwaltung zur Aufbewahrung von Steuerakten sind nach dem klaren Wortlaut der Norm nicht tatbestandlich. Aus diesem Grund besteht im steuerlichen Schrifttum zu Recht Einvernehmen, dass § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO nach derzeitiger Rechtslage leerläuft (Klein/Maetz, AO, 17. Aufl., § 32c Rz 9; Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 32c Rz 9; BeckOK AO/Rosenke, 28. Ed. [15.04.2024], AO § 32c Rz 75; Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO Rz 17; Schober in Gosch, AO § 32c Rz 13; vgl. auch Krumm, Der Betrieb 2017, 2182, 2195: passt "nicht so richtig in einen verwaltungsrechtli­chen Kontext").

bbb) Ob die Auskunftserteilung, wie von § 32c Abs. 1 Nr. 3 AO zusätzlich vo­rausgesetzt, einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, bedarf so­mit keiner Entscheidung.

c) Aus den vorgenannten Gründen hat das FG zu Recht erkannt, dass das FA den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die Ver­arbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 15 DSGVO "zu erfüllen" hat.

aa) Dass dieser Anspruch ‑‑wie die Kläger begehren‑‑ durch Einsichtnahme in die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2015 zu erfüllen ist, hat das FG ausweislich des Tenors und dessen Begründung allerdings nicht entschieden (sondern vielmehr offengelassen). Diese Frage ist auch nicht Ge­genstand der vorliegenden Revision, da nur das FA die vorinstanzliche Ent­scheidung angefochten und hierbei das Bestehen eines Auskunftsanspruchs dem Grunde nach in Abrede gestellt hat.

bb) Der Senat weist rein vorsorglich auf Folgendes hin:

Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verar­beitung sind, zur Verfügung. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist inzwi­schen geklärt, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO dem Betroffenen kein ande­res Recht als das in Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene gewährt. Der Begriff "Kopie" bezieht sich nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die per­sonenbezogenen Daten, die es enthält und die vollständig sein müssen. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 ‑ C‑307/22, EU:C:2023:811, Rz 72 und Österreichische Daten­schutzbehörde vom 04.05.2023 ‑ C‑487/21, EU:C:2023:369, Rz 32; vgl. auch Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 27).

Nur wenn die Zurverfügungstellung einer Kopie unerlässlich ist, um der betrof­fenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die Datenschutz-Grundver­ordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen (vgl. insoweit Art. 16, 17, 18, 21, 79 ff. DSGVO), besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken zu erhalten (EuGH-Urteile FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 ‑ C‑307/22, EU:C:2023:811, Rz 75 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 ‑ C‑487/21, EU:C:2023:369, Rz 41 und Rz 45; Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 28). Hierfür besteht keine generelle Vermutung. Vielmehr obliegt es der betroffenen Person darzulegen, dass die Kopie der personenbezogenen Daten sowie die Mitteilung der Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO nicht für die Wahrnehmung der ihr durch die Datenschutz-Grundver­ordnung verliehenen Rechte genügt. Begehrt die betroffene Person die Zurver­fügungstellung von Kopien von Dokumenten mit ihren personenbezogenen Da­ten, ist es vielmehr an ihr, zu benennen, welche ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte sie auszuüben gedenkt und ebenso dar­zulegen, aus welchen Gründen die Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 28).

cc) Die vorgenannten Rechtsgrundsätze haben die Kläger zu bedenken, wenn sie an ihrem Begehren festhalten, dass das FA ihren Auskunftsanspruch ge­mäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO ‑‑ausnahmsweise‑‑ in Gestalt einer Akteneinsicht beziehungsweise durch Zurverfügungstellung von Kopien aus der Einkommen­steuerakte des Veranlagungszeitraums 2015 zu erfüllen habe.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die beiden Streitgegenstände (Anspruch auf Akteneinsicht sowie Auskunftsanspruch ge­mäß Art. 15 DSGVO) sind jeweils mit dem sogenannten Auffangstreitwert von 5.000 € (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes) zu berücksichtigen.

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