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BFH: Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten bei Zahlung aus einer Sterbegeldversicherung

Hat der Erblasser Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung zu Lebzeiten an ein Bestattungsunternehmen abgetreten, erhöht sich der Nachlass um einen Sachleistungsanspruch der Erben gegen das Bestattungsunternehmen. Die Kosten der Bestattung sind im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten steuermindernd zu berücksichtigen.

ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3

BFH-Urteil vom 10.7.2024, II R 31/21 (veröffentlicht am 14.11.2024)

Vorinstanz: FG Münster vom 19.8.2021, 3 K 1551/20 Erb = SIS 21 15 67

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Schwester sind Erben ihrer im Jahr 2019 verstorbenen Tante (Erblasserin).

Die Erblasserin hatte eine sogenannte Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht für die Versicherungssumme zu Lebzeiten an ein Bestat­tungsunternehmen zur Deckung der Kosten ihrer Bestattung abgetreten. Das Bestattungsunternehmen stellte nach dem Tod der Erblasserin für seine Leis­tungen insgesamt einen Betrag in Höhe von 11.653,96 € in Rechnung. Davon bezahlte die Sterbegeldversicherung 6.864,82 €.

Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 01.08.2019 setzte der Beklagte und Revisi­onsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) Erbschaftsteuer gegen den Kläger für den Er­werb nach dem Tod der Erblasserin in Höhe von 10.125 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erging am 26.03.2020 ein geänderter Erbschaftsteuerbescheid, mit dem die Erbschaftsteuer aufgrund geänderter Grundbesitzwerte auf 10.980 € festge­setzt wurde. Den Wert des Erwerbs berechnete das FA mit 93.222 € aus­ge­hend von insge­samt 198.085 €, einschließlich eines Sachleistungsanspruchs auf Bestattungs­leistungen in Höhe von 6.864 €, abzüglich der Schulden der Erblasserin in Hö­he von 1.340 € und abzüglich der Pauschale für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer­ge­setzes (ErbStG) in Höhe von 10.300 € und entsprechend der Erbquote von 1/2.

Der Kläger wandte sich im Einspruchsverfahren zunächst gegen die Einbezie­hung des Anspruchs auf Bestattungsleistungen in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer. Hilfsweise, also für den Fall, dass der Betrag den Nach­lasswert erhöhe, seien die vollständigen, den Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG übersteigenden Erbfallkosten zu berücksichtigen. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der abgetretene Betrag von 6.864 € aus der Sterbegeldversicherung sei als Sachleistungsanspruch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs anzusetzen. Die Erben könnten nur den verbliebenen, tatsächlich als Bestattungskosten noch gezahlten Betrag geltend machen.

Dagegen richtete sich die Klage. Im Klageverfahren hielt der Kläger sein ur­sprüngliches Vorbringen, dass der mit 6.864 € bezifferte Sachleistungsan­spruch nicht als Nachlassgegenstand zu erfassen sei, nicht mehr aufrecht. Er vertrat aber weiterhin die Auffassung, die Erbfallkosten seien in voller Höhe in Abzug zu bringen, da sie den in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG geregelten Pauschbetrag in Höhe von 10.300 € übersteigen würden. Im Einzelnen seien Bestattungskosten in Höhe von 13.709,58 € und weitere Erbfallkosten in Höhe von 1.518,05 € anstelle des Pauschbetrags von 10.300 € zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück (Entscheidun­gen der Finanzgerichte 2021, 1840). Seiner Ansicht nach hatte das FA die Erb­fallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG für den gesamten Erb­fall zutreffend lediglich mit dem Pauschbetrag (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) in Höhe von 10.300 € berück­sichtigt. Dem Kläger seien keine höheren Nachlassverbindlichkeiten entstan­den. Von den im Klageverfahren geltend ge­machten Erbfallkosten in Höhe von 15.227,63 € seien jedenfalls die von der Sterbegeldversicherung an das Be­stattungsunternehmen gezahlten 6.864,82 € nicht als Bestattungskosten zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Seiner Ansicht nach verstößt die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Kosten gegen das in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG normierte Bereicherungsprinzip. Wenn die Sterbegeldversiche­rung als Sachleistungsanspruch gegen das Bestattungsunternehmen dem Nachlass hinzuzurechnen sei, seien zwingend auch die entstandenen Nachlass­verbindlichkeiten wertmindernd zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 26.03.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 dahinge­hend zu ändern, dass nachlassmindernde Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG in Höhe von insgesamt 15.227,63 € zur Hälfte berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung sind die Erben in Höhe der Leistung der Sterbegeld­versicherung bereichert, weil sie bei Nichterfüllung durch das Bestattungsun­ternehmen einen Anspruch auf Auszahlung des abgetretenen Betrags gehabt hätten. Den Erben seien in Höhe des von der Sterbeversicherung ausgezahlten Betrags keine Aufwendungen entstanden, sodass sie in dieser Höhe keine Nachlassverbindlichkeiten geltend machen könnten. Das Nettoprinzip sei dadurch nicht verletzt.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zwar ist ‑‑wie vom FG zutreffend entschieden‑‑ aufgrund der von der Erblas­serin abgeschlossenen Sterbegeldversicherung ein Sachleistungsanspruch auf den Kläger als Erben übergegangen, der in Höhe der Versicherungsleistung den Nachlass erhöht. Die Bestattungskosten sind jedoch ‑‑anders als vom FG angenommen‑‑ nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG im vollen Umfang als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlich­keiten abschließend zu bestimmen.

1. Der von der Sterbegeldversicherung an das Bestattungsunternehmen aus­gezahlte Betrag in Höhe von 6.894 € zählt zum steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, da er zu einer Bereicherung der Erben geführt hat und nicht steuerfrei ist.

a) Hat der Erblasser eine sogenannte Sterbegeldversicherung abgeschlossen und den beim Tod entstehenden Anspruch auf Auszahlung der Versicherungs­leistung unmittelbar an ein Bestattungsunternehmen abgetreten, gehört der Zahlungsanspruch selbst nicht zur Erbmasse. Gleichwohl geht in diesen Fällen ein Sachleistungsanspruch des Erblassers gegenüber dem Bestattungsunter­nehmen nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger über. Dieser Anspruch beruht auf dem zwischen dem Erblasser und dem Bestattungsunternehmen geschlossenen Schuldverhältnis (sogenanntes Valutaverhältnis), das der Abtretung der Versicherungsleistung zugrunde liegt. Dabei kann dahinstehen, welchen Rechtscharakter dieser zwi­schen dem Erblasser und dem Bestattungsunternehmen geschlossene Vertrag hat (vgl. Grüneberg/Retzlaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 83. Aufl., Einführung vor § 631 Rz 22, Bestattungsvertrag: gemischter, überwiegender Werkver­trag). In jedem Fall be­ruht die Abtretung der Versicherungsleistung auf einem vertraglichen Schuld­verhältnis, das ‑‑im weiteren Sinne‑‑ einen Anspruch auf Durchführung der Bestattung und den damit zusammenhängenden Rechts­grund für die Abtre­tung der Versicherungsleistung begründet. Ansprüche aus diesem Schuldver­hältnis gehen auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger über. Für den Fall, dass das Bestattungsunternehmen die Leistungen nicht erbringt, stünde den Erben ein entsprechender Anspruch auf Rückzahlung des Betrags in Höhe der abgetretenen Versicherungsleistung zu.

b) Dieser der Abtretung der Versicherungsleistung zugrunde liegende An­spruch auf Durchführung der Bestattung fällt in den Nachlass. Er ist mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 12 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 des Bewertungs­gesetzes; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rz 202) und erhöht entsprechend den Wert des Erwerbs von Todes wegen. Der gemei­ne Wert stimmt üblicherweise mit dem abgetretenen Versicherungsanspruch überein.

c) Danach hat sich der Nachlass um den von der Sterbegeldversicherung aus­gezahlten Betrag in Höhe von 6.894 € erhöht.

2. Entgegen der Auffassung des FG sind von dem um die Zahlung der Sterbe­geldversicherung als Sachleistung erhöhten Nachlass die Bestattungskosten als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG in vollem Umfang abzuziehen.

a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwick­lung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen als Nachlassverbindlichkeiten von dem Erwerb abzugsfähig, soweit sich nicht aus den Abs. 6 bis 9 etwas anderes ergibt. Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen und umfasst unter anderem die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nach­lasses, sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 01.02.2023 ‑ II R 3/20, BFHE 279, 222, BStBl II 2023, 717, Rz 12, m.w.N.).

b) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG wird für die in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG genannten Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 € ohne Nachweis abgezogen. Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, namentlich für mehrere Miterben nur einmal (BFH-Urteil vom 01.02.2023 ‑ II R 3/20, BFHE 279, 222, BStBl II 2023, 717, Rz 14, m.w.N.). Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten ist durch diesen Pauschbetrag jedoch nicht be­grenzt. Sind nachweislich höhere Kosten entstanden, die dem Grunde nach unter § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG fallen, können die Erben sie erwerbs­mindernd geltend machen. Voraussetzung ist, dass die Erben sie auch tatsäch­lich getragen haben.

c) Dies ist auch dann der Fall, wenn das Bestattungsunternehmen Leistungen erbringt, die durch die Leistung der Sterbegeldversicherung abgedeckt sind (a.A. z.B. Curdt in Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG, Rz 109; Konrad in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl., § 10 Rz 202). Die Erben sind auch in diesem Fall wirtschaftlich belastet, denn insoweit erlischt der zuvor dem Erb­lasser und nach dessen Tod den Erben zustehende Sachleistungsanspruch (vgl. § 362 Abs. 1 BGB). Im Gegensatz zu anderen Ansprüchen aus Verträgen, die der Erblasser zu Lebzeiten geschlossen hat und gemäß denen der Sachleis­tungsanspruch nach dem Tod gegenüber den Erben erfüllt wird (zum Beispiel aufgrund von Kaufverträgen, die der Erblasser vor dem Tod geschlossen hat), sind Bestattungskosten ausdrücklich nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

d) Unerheblich ist, dass in diesen Fällen bereits der Erblasser ‑‑teilweise‑‑ das Entgelt für die Bestattungsleistungen im Vorgriff durch Zahlungen in die Ster­begeldversicherung und nachfolgend durch Abtretung des Versicherungsan­spruchs an das Bestattungsunternehmen geleistet hatte. Ist insoweit ‑‑wie dargelegt‑‑ ein den Wert des Nachlasses erhöhender Anspruch entstanden und auf die Erben übergegangen, führt das Erbringen der Bestattungsleistungen zum Erlöschen dieses Anspruchs. Das Erlöschen mindert insoweit zwar nicht das eigene Vermögen der Erben, wohl aber den Wert des Nachlasses, der die­sen Anspruch zuvor (werterhöhend) mit erfasst hatte.

e) Der Fall ist insoweit nicht anders zu behandeln, als hätte den Erben ein unmittelbarer Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistungen aus der Sterbegeldversicherung zugestanden oder der Erblasser zu Lebzeiten bereits eine Anzahlung an das Bestattungsunternehmen für die zu erwartenden Be­stattungskosten geleistet. In beiden Fällen wäre der Nachlass um die Leistung der Sterbegeldversicherung beziehungsweise den Anspruch gegen das Bestat­tungsunternehmen zu erhöhen und in Höhe der tatsächlich entstandenen Be­stattungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zu mindern.

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass der Sachleistungsanspruch des Erb­lassers auf die Erben übergegangen ist und den Wert des Nachlasses nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG erhöht hat. Es ist jedoch zu Unrecht davon ausge­gangen, dass die Erben durch die Bestattungskosten in Höhe der abgetretenen Versicherungsleistung nicht gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG wirtschaft­lich belastet waren. Tatsächlich wurde durch das Erlöschen des zum Nachlass gehörenden Anspruchs auf Erbringung der Bestattungsleistungen der Nachlass ‑‑insoweit‑‑ gemindert.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Höhe der insgesamt zu berücksichtigenden Nachlassverbindlichkeiten zu bestimmen.

Die Erben haben zwar Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht, die ‑‑be­rücksichtigt man nur die unstreitigen Aufwendungen‑‑ über dem für den Erb­fall nur einmal zu gewährenden Pauschbetrag des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Höhe von 10.300 € liegen dürften. In welcher konkreten Höhe sie den Freibetrag jedoch übersteigen, lässt sich im Revisionsverfahren nicht ab­schließend beurteilen. Das FG hat von seiner Auffassung ausgehend zu Recht nicht geprüft, ob die von dem Kläger im Zusammenhang mit dem Erbfall gel­tend gemachten Kosten überhaupt zu den Nachlassregelungskosten gehören.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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