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BFH: Gemeinnützigkeit nach §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) und Verfassungsschutzbericht

Die Anwendung der Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erfordert die Feststellung, dass gerade die Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnüt­zigkeit versagt werden soll, als selbständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) in einem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extre­mistisch bezeichnet wird und nicht ein hiervon verschiedenes selbständiges Steuersubjekt.

AO § 51 Abs. 3 Satz 2, § 51 Abs. 1 Satz 2

BFH-Urteil vom 5.9.2024, V R 36/21 (veröffentlicht am 28.11.2024)

Vorinstanz: FG München vom 27.9.2021, 7 K 3347/18 = SIS 21 19 86

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener Verein, war in den Jahren 2009 bis 2015 (Streitjahre) als Landesorganisation Teil einer ‑‑eben­falls als eingetragener Verein verfassten‑‑ Bundesorganisation. Die Beschlüsse der Bundesorganisation waren nach der Satzung des Klägers für ihn bindend. Ein Teil des Namens des Klägers war wortgleich in dem Namen der Bundesor­ganisation enthalten. Der Name der Bundesorganisation enthielt darüber hi­naus unter anderem eine Abkürzung. Weiter war der Kläger auf Kreisebene untergliedert. Nach seiner Satzung verfolgte der Kläger in den Streitjahren Zwecke, die in § 52 der Abgabenordnung (AO) aufgeführt waren.

Die Verfassungsschutzberichte des Landes A sämtlicher Streitjahre führten in der Überschrift einer Textziffer allein den wortgleichen Namensteil sowie die Abkürzung aus dem Namen der Bundesorganisation auf. Die Verfassungs­schutzberichte 2009 bis 2013 enthielten nach der Überschrift der Textziffer jeweils eine Tabelle, in der in einer Spalte mit dem Namen "Deutschland" ne­ben der Anzahl der Mitglieder weitere Daten angegeben wurden, während in einer Spalte für das Land A in den entsprechenden Zeilen nur die Anzahl der Mitglieder ausgefüllt war. Eine in den Verfassungsschutzberichten 2014 und 2015 nach der Überschrift der Textziffer jeweils aufgeführte Tabelle enthielt nur Daten für das Land A, wobei die angegebene Anzahl der Mitglieder der An­zahl der Mitglieder für das Land A der Vorjahre entsprach und die übrigen an­gegebenen Daten identisch mit den jeweiligen Daten der Spalte "Deutschland" aus den Vorjahren waren. Sodann wurde in den Texten zur jeweiligen Textzif­fer zur Bezeichnung der in der Überschrift erwähnten Organisation eine Abkür­zung verwendet. Zur Landesorganisation wurde erwähnt, auch sie sei durch eine andere im Verfassungsschutzbericht aufgeführte Organisation beeinflusst. Weiter führten die Verfassungsschutzberichte 2009 und 2010 in einer Über­sicht über erwähnenswerte extremistische und extremistisch beeinflusste Or­ganisationen den wortgleichen Namensteil nebst der Abkürzung und ‑‑nicht konkretisierten‑‑ Landesorganisationen auf, wobei noch zwei Daten der Bun­desorganisation genannt wurden, und wiesen sodann in einer Spalte für das Land A und einer Spalte mit dem Namen "Deutschland" jeweils die Anzahl der Mitglieder aus. Die Verfassungsschutzberichte 2013 bis 2015 bezeichneten die Organisation im Anhang in einer Übersicht zu extremistischen Organisationen und Gruppierungen allein mit dem wortgleichen Namensteil sowie der Abkür­zung. In diesen Übersichten der Jahre 2013 bis 2015 waren ‑‑nach der hierzu in den Verfassungsschutzberichten enthaltenen Erläuterung‑‑ die im Bericht genannten Organisationen und Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vor­liegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt hätten, dass die Organisation/Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolge, es sich mithin um eine verfassungsfeindliche Organisation/Gruppie­rung handele.

Die vor dem zuständigen Verwaltungsgericht (VG) gegen die Eintragungen in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2010 bis 2013 erhobene Klage des Klägers wurde abgewiesen. Die Verfassungsschutzberichte, welche die Öffent­lichkeit über tatsächliche Anhaltspunkte zu Bestrebungen und Tätigkeiten un­terrichteten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, führten nach Auffassung des VG die tatsächlichen Anhaltspunkte zutref­fend auf, welche die in den Berichten zu der ‑‑unter der Abkürzung bezeichne­ten‑‑ Organisation getroffenen Wertungen trügen. Den gegen dieses Urteil ge­richteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnte die Berufungs­instanz ab. Insbesondere soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs rüge und ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG im Hinblick auf ihm zugerechnete Äußerungen auf Bundesebene tätiger, hochrangiger Ver­bandsmitglieder vorbringe, sei die Berufung nicht zuzulassen. Das VG habe das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen. Auch wenn ausschließlich der Kläger als Landesorganisation als Beobachtungs- und Berichtsobjekt in die Zuständigkeit des Landesverfassungsschutzes falle, schließe dies im konkreten Fall nicht aus, zur Begründung einzelner, auf den Kläger bezogener Aussagen im Bericht Äußerungen und Aktivitäten von Funktionären anderer Landesver­bände oder des Bundesverbandes heranzuziehen und dem Kläger zuzurech­nen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ im Dezember 2011 Körperschaftsteuerbescheide für 2009 und 2010, in denen er dem Kläger wegen dessen Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Landes A die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) im Hinblick auf § 51 Abs. 3 Satz 2 AO versagte und Körperschaftsteuer fest­setzte. Nachdem der Kläger im Jahr 2017 Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2011 bis 2015 eingereicht hatte, erließ das FA für diese Jahre noch im Jahr 2017 Körperschaftsteuerbescheide, in denen es ebenfalls die Steuer­befreiung versagte und Körperschaftsteuer festsetzte, da der Kläger in den Verfassungsschutzberichten des Landes A auch für diese Jahre erwähnt sei. Auf die gegen die Körperschaftsteuerbescheide der Streitjahre gerichteten Ein­sprüche erließ das FA eine Einspruchsentscheidung, in der es die Körperschaft­steuer 2011 bis 2014 aus zwischen den Beteiligten nicht streitigen Gründen niedriger festsetzte und die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück­wies.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Ent­scheidungen der Finanzgerichte 2022, 5 veröffentlichten Urteil ab. Das FG ging unter Bezugnahme auf die Verfassungsschutzberichte des Landes A der Streit­jahre davon aus, der Kläger sei im Sinne von § 51 Abs. 3 Satz 2 AO als extre­mistische Organisation aufgeführt. In verfassungskonformer Weise sei der in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verwendete Begriff "extremistisch" als "verfassungs­feindlich" in dem Sinne auszulegen, dass die Körperschaft entgegen § 51 Abs. 3 Satz 1 AO Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungs­schutzgesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (BVerfSchG) för­dere. Für die Streitjahre 2009 bis 2012 bezog sich das FG auf die im Text der Verfassungsschutzberichte enthaltenen Ausführungen, wonach der Kläger nicht nur beiläufig erwähnt werde und dem Text die Wertung entnommen wer­den könne, die Berichterstattung erfolge nicht als bloßer Verdachtsfall. Für die Streitjahre 2013 bis 2015 nahm das FG an, der Kläger sei bereits deshalb im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt, weil er im jeweiligen Anhang in der dort enthaltenen Übersicht erwähnt sei. Der Kläger müsse nicht wortwört­lich als extremistisch bezeichnet werden. Die Ausführungen zu dem Kläger er­schöpften sich ‑‑wie auch für die Streitjahre 2009 bis 2012‑‑ nicht allein in der Aussage, er sei extremistisch beeinflusst. Vielmehr seien auch die übrigen Um­stände zu berücksichtigen, welche die Annahme trügen, der Kläger sei als ex­tremistische Organisation im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt. Die danach anzuwendende Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO habe der Kläger nicht widerlegt. Hierzu genüge es nicht, dass andere Verfassungsschutzberich­te den Kläger nicht erwähnten oder dass die Gemeinnützigkeit anderer Lan­desorganisationen oder der Bundesorganisation nicht aberkannt oder wieder zuerkannt worden sei. Die Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten beträfen nicht ausschließlich die Bundesorganisation. Es sei davon auszuge­hen, dass sich der Landesverfassungsschutz nur hinsichtlich der Landesorgani­sation ‑‑mithin zum Kläger‑‑ äußere und Aussagen zu "Nicht-Landes-Organisa­tionen" eher als Argumentationshilfen heranziehe. Des Weiteren habe der Klä­ger die Aussagen der Verfassungsschutzberichte nicht substantiiert bestritten. Mangels Widerlegung der Vermutungsregelung sei das Gericht an die Erkennt­nisse in den Verfassungsschutzberichten im Hinblick auf den verfahrensverein­fachenden Zweck des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO jedenfalls dann gebunden, wenn die Eintragungen ‑‑wie im Streitfall für die Jahre 2010 bis 2013‑‑ verwaltungs­gerichtlich überprüft und keine darüber hinausgehenden Tatsachen vorgetra­gen worden seien. Im Übrigen genügten die Ausführungen in den Verfassungs­schutzberichten auch, um die Steuervergünstigung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 AO zu versagen. Unter Würdigung der Gesamtumstände der dortigen Ausfüh­rungen sei die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers in den Streitjahren auf eine Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausgerichtet. Weiter stelle § 51 Abs. 3 Satz 2 AO nur auf die Erwähnung der Organisation in einem Verfassungsschutzbericht und nach der Rechtsprechung auf die Einstufung als extremistisch in einem solchen Bericht ab, um die Vermutung zu begründen. Welche Überlegungen des Verfassungsschutzes dahinterstünden oder ob die Erwähnung zu Recht erfolgt sei, sei von den Verwaltungsgerichten zu prüfen, nicht jedoch von der Finanzverwaltung oder den Finanzgerichten. Diesen blei­be es sodann überlassen zu entscheiden, ob die Körperschaft die Vermutung widerlegt habe.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung ma­teriellen Rechts und Verfahrensmängel rügt. Die Vermutungsregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO gelte nur für Organisationen, die selbst extremistisch seien oder ausdrücklich als extremistisch bezeichnet würden. Die Verfassungs­schutzberichte bezögen sich indes ausweislich der hier in Rede stehenden Aus­führungen ausschließlich auf die Bundesorganisation. Der Kläger als Landesor­ganisation sei dort ‑‑wenn überhaupt‑‑ allenfalls als extremistisch beeinflusst bezeichnet, was höchstens einen Verdacht begründen könne, der aber nicht ausreiche, um die Organisation selbst als im Sinne von § 51 Abs. 3 Satz 2 AO extremistisch aufgeführt anzusehen. Auch in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Klägers seien nur Verdachtsmomente bestätigt worden, zumal nach dem einschlägigen Landesverfassungsschutzgesetz ‑‑anders als nach dem in den Streitjahren geltenden Bundesverfassungsschutzgesetz‑‑ eine Ver­dachtsberichterstattung habe erfolgen dürfen. Dass das VG der Landesorgani­sation Äußerungen bestimmter Personen zugerechnet habe, sei im Hinblick auf die hier zu prüfende steuerrechtliche Begünstigung des Klägers als selbständi­ge Körperschaft unbeachtlich. Soweit das FG aus den Ausführungen zur jewei­ligen Textziffer in den Verfassungsschutzberichten für die Streitjahre 2009 bis 2012 folgere, die Vermutungsregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO sei auf ihn, den Kläger, anzuwenden, obwohl eine ausdrückliche Bezeichnung als extre­mistisch fehle, wende es Satz 1 des § 51 Abs. 3 AO an, auf den sich das FA aber nicht berufen habe und für den Feststellungen des FG fehlten. Weiter ge­nüge zur Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO für die Streitjahre 2013 bis 2015 die Erwähnung in der Übersicht im Anhang nicht, da der Begriff "extre­mistisch" nicht dasselbe sei wie der Begriff "verfassungsfeindlich", tatsächliche Anhaltspunkte allenfalls einen Verdacht auf eine angebliche Verfassungsfeind­lichkeit begründen könnten und die Zusammenschau mit dem übrigen Text höchstens bestätige, dass er, der Kläger, möglicherweise extremistisch beein­flusst sei. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO sei zudem verfassungswidrig, da der Begriff "extremistisch" im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge­richts (BVerfG) gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Soweit das FG in sei­nem Urteil ergänzend darauf abstelle, die Versagung der Gemeinnützigkeit könne auch auf § 51 Abs. 3 Satz 1 AO gestützt werden, treffe die Feststel­lungslast aber das FA und habe er, der Kläger, alle ‑‑bloß pauschalen und nicht begründeten‑‑ Behauptungen in den Verfassungsschutzberichten bestrit­ten. Weiter verstießen negative Konsequenzen, die an eine Weltanschauung anknüpften, gegen Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) so­wie gegen Art. 21 und Art. 52 Abs. 4 der Charta der Grundrechte der Euro­päischen Union.

Verfahrensrechtlich habe das FG seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) verletzt. Es habe insbesondere ver­säumt zu ermitteln, weshalb der Kläger oder die Bundesorganisation weder im Verfassungsschutzbericht des Bundes noch in den Verfassungsschutzberichten aller anderen Länder als extremistisch gekennzeichnet werde. Das FG hätte die von dem für die Bundesorganisation zuständigen Finanzamt geführten Ak­ten beiziehen müssen, um zu ermitteln, aus welchen Gründen das für die Bun­desorganisation zuständige Finanzamt die Gemeinnützigkeit der Bundesorgani­sation infolge der Erwähnung in den hier in Rede stehenden Verfassungs­schutzberichten zunächst aberkannt, später aber wieder zuerkannt habe. Das FG hätte zudem nicht auf die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen abstel­len dürfen, sondern der Bundesorganisation, deren notwendige Beiladung die Verwaltungsgerichte unterlassen hätten, rechtliches Gehör gewähren müssen, damit diese die Einschätzungen des Landesverfassungsschutzamtes, die sich auf die Bundesorganisation bezögen, hätte widerlegen können. Das FG habe ferner versäumt darauf hinzuweisen, dass die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO dessen Auffassung nach greife, damit er, der Kläger, diese Vermu­tung ‑‑wie etwa mit seiner der Revisionsbegründung beigefügten Stellungnah­me und den nachfolgend eingereichten, aber vor Erlass des angefochtenen Urteils erstellten eidesstattlichen Versicherungen eines Vorstandsmitglieds so­wie der Ehrenpräsidentin der Bundesorganisation‑‑ hätte widerlegen können.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010 vom XX.XX.2011 sowie die Körperschaftsteuerbescheide 2011 bis 2015 vom XX.XX.2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentschei­dung vom XX.XX.2018, mit der Maßgabe zu ändern, dass der Kläger nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit ist.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es stützt die Ausführungen des FG. Im Übrigen habe eine notwendige Beila­dung der Bundesorganisation nicht erfolgen müssen, da dem Kläger lediglich Äußerungen von Funktionären der Bundesorganisation zugerechnet worden seien.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO rechtsfehlerhaft be­jaht. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind von der Körperschaftsteuer Körperschaf­ten, Personenvereinigungen und Vermögensmassen befreit, die nach der Sat­zung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tat­sächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO).

Unter Körperschaften sind nach § 51 Abs. 1 Satz 2 AO die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaft­steuergesetzes zu verstehen, wenn das Gesetz eine Steuervergünstigung ge­währt, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgt. Funk­tionale Untergliederungen (Abteilungen) von Körperschaften gelten nicht als selbstständige Steuersubjekte (§ 51 Abs. 1 Satz 3 AO).

Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließli­che und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzun­gen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätig­keit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Die Steuervergünstigung setzt gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 AO zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Ge­schäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körper­schaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 AO widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erfüllt sind.

2. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO setzt lediglich voraus, dass die Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht "als extremistische Organisation aufgeführt" ist. Dies ist der Fall, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber, wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 20 und vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 28). Der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO ist dabei jedenfalls dann erfüllt, wenn die Körperschaft ausdrücklich im Anhang des Verfassungsschutzberichts des Bundes erwähnt ist, in dem Gruppierungen aufgeführt sind, bei denen tatsächliche Anhalts­punkte dafür vorliegen, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, so dass es sich um eine extremistische Gruppierung handelt (BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 30; vgl. zur Verdachtsberichterstattung BVerfG-Beschluss vom 24.05.2005 ‑ 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, 63, Rz 68 und 78).

Begründet die Nennung der Körperschaft in den Verfassungsschutzberichten nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass sie extremistische Bestrebungen fördert oder dem Gedanken der Völkerverständi­gung zuwidergehandelt hat, hat die Körperschaft den vollen Beweis des Ge­genteils zu erbringen (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 33). Hierfür ist zumindest erforderlich, dass sie den vollen Beweis des Gegenteils im Hinblick auf die in den Verfassungs­schutzberichten genannten Tatsachen führt, die für eine Förderung verfas­sungsfeindlicher Bestrebungen sprechen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 36 bis 38). Der in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verwendete Begriff "extremistisch" verstößt im Übrigen auch unter Berücksichtigung des von dem Kläger angeführten Be­schlusses des BVerfG vom 08.12.2010 ‑ 1 BvR 1106/08 (Zeitschrift für das gesamte Medienrecht 2011, 43) nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Hierge­gen spricht bereits eine Auslegung dieser Vorschrift unter Berücksichtigung ih­rer Entstehungsgeschichte (BRDrucks 545/08, S. 48 und 125; BTDrucks 16/11108, S. 8 und 45) und der Inbezugnahme von § 4 BVerfSchG.

3. Das FG hat zur Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO festzustellen, dass gerade die Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt wer­den soll, als selbständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) in ei­nem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird und nicht ein hiervon verschiedenes selbständiges Steuersubjekt. Dies hat das FG verkannt.

a) Das FG hat in seinem Urteil (S. 23 unter II.1.e dd) angenommen, die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten betreffe den Kläger in ei­ner eigenen Textziffer. Die dortige tabellarische Übersicht unterscheide in den Jahren 2009 bis 2013 offen zwischen dem Kläger und der Bundesorganisation. In den Jahren 2014 und 2015 seien die Angaben zum Kläger und zur Bundes­organisation zwar vermischt, doch könne weder hieraus noch aus übrigen Hin­weisen zur Bundesorganisation im Umkehrschluss gefolgert werden, dass es sich bei den darüber hinausgehenden Textpassagen ebenfalls nur um die Bun­desorganisation handeln solle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Lan­desverfassungsschutz sich nur zum Kläger als Landesorganisation äußere. Dies habe auch die Berufungsinstanz in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Klägers angenommen, da in der Zuständigkeit des Landesverfassungs­schutzes ausschließlich der Kläger als Landesorganisation Beobachtungs- und demzufolge auch Berichtsobjekt sei. Sofern Aussagen zu "Nicht-Landes-Orga­nisationen" getroffen würden, sei eher davon auszugehen, dass diese als Ar­gumentationshilfen herangezogen worden seien. Zudem sei zur Landesorga­nisation erwähnt, sie sei durch eine andere im Verfassungsschutzbericht auf­geführte Organisation beeinflusst und nehme der Bericht 2013 auf Aktionen Bezug, die in dem Land stattgefunden hätten.

b) Dies genügt nicht für eine ausdrückliche Bezeichnung des Klägers als extre­mistisch. Denn unter Berücksichtigung der weiteren Umstände in den vom FG in Bezug genommenen Verfassungsschutzberichten ist nicht hinreichend er­kennbar, ob der Kläger als nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO selbständiges Steuer­subjekt in einem Verfassungsschutzbericht im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO als extremistische Organisation aufgeführt ist.

Das FG hat außer Betracht gelassen, dass die Verfassungsschutzberichte die Bezeichnung der Organisation in der Überschrift der jeweiligen Textziffer der Verfassungsschutzberichte auf den wortgleichen Namensteil und die Abkür­zung der Bundesorganisation beschränken und die Texte zur jeweiligen Text­ziffer zur Bezeichnung der Organisation die Abkürzung enthalten. Ebenso sind in den Übersichten der Verfassungsschutzberichte 2009 und 2010 über erwäh­nenswerte extremistische und extremistisch beeinflusste Organisationen nur der wortgleiche Namensteil und die Abkürzung der Bundesorganisation neben nicht weiter konkretisierten Landesorganisationen aufgeführt, wobei noch Da­ten der Bundesorganisation genannt werden. Auch die Verfassungsschutzbe­richte 2013 bis 2015 bezeichnen die Organisation im jeweiligen Anhang in der Übersicht zu extremistischen Organisationen und Gruppierungen allein mit dem wortgleichen Namensteil sowie der Abkürzung. Soweit sich die Berichte zur Landesorganisation dahingehend äußern, sie sei durch eine weitere Orga­nisation beeinflusst, hat das FG nicht hinreichend gewürdigt, dass mit einer Berichterstattung über Organisationen, die von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflusst werden, ein anderer Sachverhalt als die Verfolgung verfassungs­feindlicher Bestrebungen beschrieben wird (vgl. Urteil des Bundesverwaltungs­gerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 26.06.2013 ‑ 6 C 4.12, Neue Zeitschrift für Verwal­tungsrecht 2014, 233, juris, Rz 23; vgl. demgegenüber zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG BVerwG-Beschluss vom 24.03.2016 ‑ 6 B 4.16, Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 29, juris, Rz 10).

Dem Urteil des FG lässt sich auch nicht entnehmen, ob die in den Berichten genannten Umstände dem Kläger zugerechnet werden können oder ob sie al­lein auf die Bundesorganisation bezogen sind. Hierfür hätte das FG seiner Ent­scheidung jedenfalls die für die Zurechnung von Äußerungen und Verhaltens­weisen geltenden Grundsätze zugrunde legen müssen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des BFH ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 27.09.2001 ‑ V R 17/99, BFHE 197, 314, BStBl II 2002, 169, unter II.2.e; vom 10.01.2019 ‑ V R 60/17, BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 36 und vom 29.08.1984 ‑ I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106, unter 5.b).

c) Aus den den Kläger betreffenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu den Verfassungsschutzberichten des Landes A der Jahre 2010 bis 2013 lässt sich nichts für die hier zu entscheidende Frage entnehmen, ob der Kläger als selbständiges Steuersubjekt in den Verfassungsschutzberichten der Streit­jahre im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO als extremistische Organisation auf­geführt ist. Das VG hat in seinem klageabweisenden Urteil lediglich festge­stellt, dass die in den Verfassungsschutzberichten 2010 bis 2013 aufgeführten tatsächlichen Anhaltspunkte sachlich zutreffend sind und die in den Berichten zu der ‑‑unter der Abkürzung bezeichneten‑‑ Organisation getroffenen Wer­tungen tragen, ohne sich mit der vorliegend maßgeblichen Frage der Zurech­nung dieser Anhaltspunkte zum Kläger als selbständiges Steuersubjekt zu äu­ßern. Soweit das verwaltungsgerichtliche Berufungsurteil davon ausgeht, aus­schließlich der Kläger sei Beobachtungs- und Berichtsobjekt im Verfassungs­schutzbericht, enthebt dies das FG nicht der Prüfung, ob der Kläger als selb­ständiges Steuersubjekt in dem Verfassungsschutzbericht als extremistische Organisation im Sinne von § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt ist. Eine Bin­dungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen besteht ‑‑jedenfalls‑‑ insoweit nicht. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob der Kläger im Hinblick da­rauf, dass das VG die tatsächlichen Feststellungen der Verfassungsschutzbe­richte für sachlich zutreffend und für die darauf beruhenden Wertungen als tragend erachtet, hiergegen im finanzgerichtlichen Verfahren substantiiert vor­zutragen und entsprechende Beweisanträge zu stellen hat, wollte er diese Feststellungen angreifen (vgl. zur Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen BFH-Beschluss vom 05.04.2023 ‑ V R 5/22, BFH/NV 2023, 816, Rz 11).

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Die dem FG obliegende Prüfung und Würdi­gung der Tatsachen, ob eine bestimmte Körperschaft als selbständiges Steuer­subjekt in den Verfassungsschutzberichten im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt ist, kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.

Soweit das FG die Klageabweisung weiter damit begründet hat, dass die Aus­führungen in den Verfassungsschutzberichten genügten, um dem Kläger die Steuervergünstigung auch nach § 51 Abs. 3 Satz 1 AO zu versagen, da unter Würdigung der Gesamtumstände die tatsächliche Geschäftsführung des Klä­gers in den Streitjahren auf eine Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebun­gen ausgerichtet sei, trägt auch diese Begründung nicht. Das FG bezieht sich insoweit auf eine Gesamtschau der Ausführungen der jeweiligen Verfassungs­schutzberichte, ohne sich aber damit zu befassen, ob der Kläger als selbstän­diges Steuersubjekt in den Verfassungsschutzberichten aufgeführt ist.

5. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Ob eine Körperschaft nach ihrer Satzung oder bei ihrer tatsächlichen Ge­schäftsführung Bestrebungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt, ist eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Ab­wägung zu prüfen, so dass keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Aner­kennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzuneh­men ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 39 bis 43).

Bestehen Anhaltspunkte, die für die Förderung verfassungsfeindlicher Bestre­bungen sprechen, sind diese zunächst ‑‑unabhängig von der Verteilung der objektiven Feststellungslast‑‑ einzeln und in ihrer Gesamtschau (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 31.05.2022 ‑ 1 BvR 564/19, Neue Juristische Wochen­schrift 2022, 3629, Rz 19; BVerwG-Urteil vom 21.07.2010 ‑ 6 C 22.09, BVerwGE 137, 275, Rz 30) unter Berücksichtigung der Ziele und Methoden ei­ner Körperschaft sowie etwaiger organisatorischer, personeller, strategischer und ideologischer Verbindungen zu anderen Gruppierungen, die verfassungs­feindliche Bestrebungen fördern, zu würdigen. Demgemäß muss sich das FG mit allen Umständen auseinandersetzen, die für die Förderung verfassungs­feindlicher Bestrebungen sprechen, und im Rahmen seiner Würdigung Tätigkei­ten außer Betracht lassen, die das Gemeinwohl fördern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 25 und vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 36 bis 38). Insoweit können die Verfassungsschutzberichte der jeweiligen Jahre für die Beurteilung der Aktivitäten des Klägers im jeweiligen Streitjahr ausgewer­tet und auch zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 18 und 22).

Zudem ist weiter zu prüfen, ob eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, dass eine Zurechnung der Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch durch die Ziele und die Billigung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Rahmen vereinseigener Aktivitäten erfolgen kann. Schließlich wäre zu prüfen, ob Verhaltensweisen von Personen, die auf Kreisebene des Klägers tätig sind, dem Kläger zurechenbar sind.

b) Im Übrigen wird der Kläger ‑‑entgegen seinem Vortrag‑‑ durch eine Ableh­nung der Gemeinnützigkeit nicht im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG in seiner Weltanschauung oder seiner politischen Überzeugung beeinträchtigt. Die Glau­bens- und Bekenntnisfreiheit gewährleistet weder Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen noch auf Teilhabe an bestimmten steuerlichen Privilegien wie der Steuerfreiheit und des Spendenabzugs (BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 47). Weiter liegt keine ver­fassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG vor, da die Einschränkung der Gemeinnützigkeit für extremistische Organisationen in § 51 Abs. 3 AO geregelt ist und gleichermaßen für alle Körperschaften gilt, die steu­erbegünstigte Zwecke verfolgen (BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 48).

6. Da die Revision bereits aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr an.

7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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