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BFH: Zuständiges Hauptzollamt nach Verschmelzung

  1. Das zuständige Hauptzollamt für Entlastungsanträge nach den §§ 9a, 9b und 10 des Stromsteuergesetzes sowie nach den §§ 54 und 55 des Energie­steuergesetzes richtet sich grundsätzlich nach dem satzungsmäßigen Sitz des Unternehmens. Dabei ist auf die kleinste rechtlich selbständige Einheit abzu­stellen.
  2. § 26 der Abgabenordnung setzt voraus, dass die bisher zuständige Finanz­behörde mit der Bearbeitung des konkreten Verwaltungsverfahrens bereits be­gonnen hat. Die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit stellt kein solches Tätig­werden dar.
  3. Die nach deutschem Recht bestehende Verpflichtung, strom- und energie­steuerrechtliche Entlastungsanträge bei der zuständigen Behörde zu stellen, verletzt nicht den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
  4. Die Versagung einer Steuerentlastung verletzt nicht den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn mit dem Ablauf der Antragsfrist zugleich Festsetzungsverjährung eintritt.

StromStG § 2 Nr. 3 und Nr. 4, § 9a, § 9b, § 10
EnergieStG §§ 54, 55
StromStV § 1 Satz 1, § 17a Abs. 1, § 17b Abs. 1, § 19 Abs. 1
EnergieStV § 1a Satz 1, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1
AO § 26

BFH-Urteil vom 19.12.2024, VII R 23/22 (veröffentlicht am 22.5.2025)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 18.5.2022, 1 K 1149/20

I. Streitig ist der fristgerechte Eingang von Entlastungsanträgen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Kalenderjahr 2018 (Streitjahr) beim ört­lich zuständigen Hauptzollamt.

Die Klägerin entnimmt Strom und verwendet Energieerzeugnisse als Unterneh­men des Produzierenden Gewerbes, vorrangig für die Entwicklung und Herstel­lung von Kabeln und Leitungen. Dafür stellt sie regelmäßig Steuerentlastungs­anträge nach den §§ 9a, 9b und 10 des Stromsteuergesetzes in der im Streit­jahr geltenden Fassung (StromStG) sowie für im Jahr verwendete Energie­erzeugnisse nach den §§ 54 und 55 des Energiesteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EnergieStG). Für die bisherigen, in C, B und D belegenen Betriebsstätten der Klägerin, die ihren Sitz in C hat, reichte die Klägerin die Entlastungsanträge stets beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) ein.

Seit 2019 ist die Klägerin Rechtsnachfolgerin der E‑GmbH. Mit Verschmelzungsvertrag vom xx.xx.2019 wurde die E‑GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Die Klägerin, bezeichnet als E‑GmbH c/o Rechtsnachfolger …, reichte zunächst per E‑Mail vom 20.12.2019 die fünf streitgegenständlichen Entlas­tungsanträge für ihre neue Betriebsstätte F für das Jahr 2018 beim Hauptzollamt … (Hauptzollamt G) ein. Die Entlastungsanträge enthiel­ten die bisherige Unternehmensnummer der E‑GmbH. In der E‑Mail vom 20.12.2019 führte die Klägerin aus: "(…) für unsere im Betreff genannte Kon­zerngesellschaft, die bisherige E‑GmbH (Rechtsnachfolger …), erhalten Sie beigefügt und vorab Entlastungsanträge für 2018. (…) Bitte beachten Sie, dass die E‑GmbH im Wege der Verschmelzung inzwischen auf die … übertragen wurde (…)." Der E‑Mail vom 20.12.2019 fügte die Klägerin zwei Handelsregisteraus­züge bei, von denen aus einem (Abruf vom xx.xx.2019) die Verschmelzung hervorging. Für die Tätigkeiten der weiteren klägerischen Betriebsstätten in C, B und D reichte die Klägerin die Entlastungs­anträge für das Streitjahr ‑‑wie bisher auch‑‑ beim HZA ein. Postalisch gingen alle Entlastungsanträge der Klägerin jeweils am 31.12.2019 beim Hauptzoll­amt G beziehungsweise beim HZA ein. Auf dem Briefumschlag für die über­sandten Anträge der Betriebsstätte F war die Klägerin als Absen­derin bezeichnet.

Das Hauptzollamt G hielt sich nach der Vorprüfung der klägerischen Anträge für den Standort F aufgrund der Verschmelzung für unzuständig und übermittelte die Anträge dem HZA. Das HZA erhielt die Anträge am 24.01.2020 in postalischer Form. Mit Bescheid vom 19.02.2020 lehnte es die streitgegenständlichen Anträge ab, da diese verspätet bei ihm als zuständigem Hauptzollamt eingetroffen seien. Das Hauptzollamt G sei aufgrund der Ver­schmelzung wegen § 45 der Abgabenordnung (AO) unzuständig gewesen. Die Übermittlung der Anträge an das Hauptzollamt G habe die Festsetzungsverjäh­rung zum 01.01.2020 nicht hemmen können. Die Anträge hätten für eine rechtzeitige Antragstellung zum 31.12.2019 bei ihm, dem HZA, eingehen müs­sen. Es könne die Anträge auch nicht als Korrekturanträge werten, da die An­träge erstmalig für die Betriebsstätte F gestellt worden seien. Ein Neuantrag sei wegen der am 01.01.2020 eingetretenen Festsetzungsverjäh­rung verspätet.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Steuerentlastung sei bei dem Hauptzollamt zu beantragen, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Geschäftssitz habe. Eine örtliche Zuständigkeit meh­rerer Hauptzollämter sei ausgeschlossen. Da es beim strom- und energiesteu­errechtlichen Unternehmensbegriff auf die kleinste formal rechtliche Einheit ankomme, entspreche die Begründung mehrerer örtlicher Zuständigkeiten aufgrund von mehreren Betriebsstätten gemäß § 12 AO nicht dem Zweck der strom- und energiesteuerrechtlichen Vorschriften und sei auf diese nicht über­tragbar. Dass nur ein Hauptzollamt örtlich zuständig sein könne, folge auch daraus, dass die Begünstigung davon abhänge, dass der Antragsteller ein Un­ternehmen des Produzierenden Gewerbes sei; durch eine Verschmelzung kön­ne sich aber der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit verschieben. Bei einer mehrfachen örtlichen Zuständigkeit wäre eine derartige Prüfung durch diverse zuständige Hauptzollämter ohne entsprechenden Informationsaus­tausch zwischen ihnen nicht mehr möglich.

Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit hänge nicht von der Kenntnis der Fi­nanzbehörden ab. Denn § 26 AO finde im Rahmen der Verbrauchsteuern nach § 23 AO, bei denen es auf den Ort der Tatbestandsverwirklichung ankomme, keine Anwendung. Ein Antrag bei einem unzuständigen Hauptzollamt könne die Frist nicht hemmen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Zur Begründung trägt sie vor, das FG gehe zu Unrecht davon aus, dass die örtliche Zuständigkeit nach § 1 Satz 1 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr gel­tenden Fassung (StromStV) bzw. § 1a Satz 1 der Energiesteuer-Durchfüh­rungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (EnergieStV) nur an dem Ort begründet sei, an dem die Geschäftsleitung des Steuerpflichtigen ihren Sitz habe. Die Regelungen seien fast wortgleich zu der grundsätzlichen Regelung für Verbrauchsteuern in § 23 Abs. 2 Satz 1 AO, sodass eine anders­lautende Auslegung einer entsprechenden systematischen oder teleologischen Begründung bedürfe. Dafür seien keine tragfähigen Gründe ersichtlich. Im Rahmen des § 23 Abs. 2 Satz 1 AO werde für die Frage, "wo der Steuerpflich­tige sein Unternehmen betreibt", nicht darauf abgestellt, wo die Geschäftslei­tung ihren Sitz habe, sondern darauf, wo der Steuerpflichtige eine Betriebs­stätte unterhalte. Der Verweis auf das Senatsurteil vom 06.10.2015 ‑ VII R 16/14 gehe insoweit ins Leere, da die örtliche Zuständigkeit im dortigen Fall unstreitig gewesen sei.

Die formale Betrachtungsweise des § 2 Nr. 4 StromStG betreffe die Abgren­zung des Steuerpflichtigen und damit auch des Antragsberechtigten im Falle einer Steuerentlastung. Vorliegend stehe nicht in Frage, dass die Anlagen, be­züglich derer die streitrelevanten Entlastungsanträge gestellt worden seien, durch die Klägerin betrieben würden. Nicht die Betriebsstätte F als betriebsorganisatorische Untereinheit habe die Anträge gestellt, sondern die Klägerin. Der Verweis des FG auf die Definition des Unternehmensbegriffs in § 2 Nr. 4 StromStG gehe daher fehl. Zudem bestehe keine argumentative Grundlage dafür, anhand der Unternehmensdefinition des § 2 Nr. 4 StromStG die Möglichkeit einer Mehrfachzuständigkeit im Sinne des § 25 AO auszuschlie­ßen.

Rechtsfehlerhaft habe das FG zudem nicht § 26 AO auf einen Wechsel der ört­lichen Zuständigkeit angewendet. Zwar sei zutreffend, dass § 26 AO in Fällen des § 23 Abs. 1 AO keine Anwendung finde. Bei den in Frage stehenden Strom- und Energiesteuern gehe es aber um dasselbe zuständigkeitsbegrün­dende Merkmal wie in § 23 Abs. 2 Satz 1 AO. Die grundsätzliche Zuständig­keitsregelung des § 23 AO werde durch § 1 Satz 1 StromStV und § 1a Satz 1 EnergieStV auf die Zuständigkeit des sogenannten Betriebshauptzollamts ent­sprechend § 23 Abs. 2 Satz 1 AO beschränkt.

Auch wende das FG § 26 AO rechtsfehlerhaft an. Nach dem FG stelle § 9b StromStG nicht darauf ab, ob bei der Finanzbehörde ein positives Wissen im Hinblick auf die Verschmelzung vorliege. Daraus folgere es, dass § 26 AO nicht anwendbar sein könne, da diese Vorschrift eben auf die positive Kenntnis der Finanzbehörde abstelle. Jedoch gehe es bei § 26 AO ‑‑anders als bei § 9b StromStG‑‑ nicht um die Voraussetzungen für die Entlastung selbst, sondern um die Voraussetzungen für den Wechsel der Zuständigkeit. Insoweit komme es zwar ebenfalls auf die positive Kenntnis an. Die Frage betreffe insoweit aber nicht die Begründetheit des Antrags, sondern die vorgelagerte Frage der Be­gründung der örtlichen Zuständigkeit. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hät­ten die beteiligten Hauptzollämter im Streitfall noch keine Kenntnis von der Verschmelzung gehabt. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt sei das Hauptzoll­amt G das zuständige Hauptzollamt gewesen. Erst mit positiver Kenntnis än­dere sich die örtliche Zuständigkeit nach § 26 AO.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und das HZA unter Aufhebung des Ab­lehnungsbescheids vom 19.02.2020 in Gestalt der Einspruchsentschei­dung vom 14.10.2020 zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich ihrer Anträge vom 16.12.2019 nach den §§ 9a, 9b, 10 StromStG und den §§ 54, 55 EnergieStG bezüglich ihrer Fabrikationsstätte F im Streitjahr neu zu bescheiden und

 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für not­wendig zu erklären.

Das HZA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Nach Ansicht des HZA hätte die Klägerin ihm die Verschmelzung spätestens in dem Moment bekanntgeben müssen, in dem sie die Entlastungsanträge für ihre neue Betriebsstätte gestellt habe. Allein das HZA sei für die Bearbeitung der Anträge zuständig gewesen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, wann das Hauptzollamt G die klägerischen Unterlagen zur Kenntnis genommen habe. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Verschmelzung durch die Be­hörde komme es nicht an.

Eine andere Zuständigkeit ergebe sich nicht aus der Abgabenordnung. § 21 AO sei nicht anwendbar, da diese Norm die Umsatzsteuer betreffe. Zudem seien die verschiedenen Standorte der Klägerin vorliegend nicht als gleichartig zu betrachten. Mit § 25 AO seien Zuständigkeiten der Finanzbehörde gemeint, deren Notwendigkeit sich aus dem individuellen Einzelfall heraus zwangsläufig ergäben, nicht aber durch das bewusste Handeln des Entlastungsberechtigten steuerbar seien. Ein anderes Verständnis würde im Massengeschäft dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie einem effektiven Verwaltungshandeln bei der Umsetzung der ‑‑im Streitfall noch gültigen‑‑ Richtlinie 2008/118/EG des Ra­tes vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Auf­hebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2009, Nr. L 9, 12) zuwiderlaufen.

Auch § 26 AO greife nicht ein, da diese Norm nur dann gelte, wenn eine Be­hörde bereits mit einem konkreten Verfahren mit dem Ziel des Erlasses eines Verwaltungsakts begonnen habe. Die unaufgeforderte Einreichung der Entlas­tungsanträge für die Betriebsstätte F führe jedoch nicht dazu, dass die adressierte Behörde das Verwaltungsverfahren bereits eröffnet habe.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zuge­stimmt.

II. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des FG ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG-Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das HZA hat die An­träge auf Steuerentlastung für das Streitjahr ‑‑Kalenderjahr 2018‑‑ nach den §§ 9a, 9b und 10 StromStG und nach den §§ 54 und 55 EnergieStG für die in F belegene Betriebsstätte zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragten Entlastungen von der Strom- und Energiesteuer. Die Entlastungsanträge sind nicht innerhalb der Antragsfristen beim zuständi­gen HZA eingegangen und etwaige Entlastungsansprüche infolge des Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschen (§ 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 155 Abs. 5 i.V.m. § 47 AO).

1. Die Klägerin hat innerhalb der Antragsfristen keine Anträge auf Strom- und Energiesteuerentlastung nach den §§ 9a, 9b und 10 StromStG und den §§ 54 und 55 EnergieStG für ihre Betriebsstätte F beim örtlich zuständi­gen Hauptzollamt gestellt.

a) Nach § 17a Abs. 1 Satz 1 StromStV ist der Erlass, die Erstattung oder die Vergütung der Steuer nach § 9a StromStG bei dem für den Antragsteller zu­ständigen Hauptzollamt mit einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck für innerhalb eines Erlass‑, Erstattungs- oder Vergütungsabschnitts entnommenen Strom zu beantragen. Der Erlass, die Erstattung oder die Ver­gütung wird nach § 17a Abs. 1 Satz 3 StromStV nur gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31.12. des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Strom entnommen wurde, beim Hauptzollamt gestellt wird.

Entsprechende Tatbestandsvoraussetzungen enthalten § 17b Abs. 1 und § 19 Abs. 1 StromStV hinsichtlich der Entlastungsanträge nach §§ 9b und 10 StromStG sowie § 100 Abs. 1 und § 101 Abs. 1 EnergieStV für die Anträge auf Steuerentlastung nach §§ 54 und 55 EnergieStG.

b) Das für den Antragsteller zuständige Hauptzollamt wird in § 1 Satz 1 StromStV bzw. § 1a Satz 1 EnergieStV genauer bestimmt. Demzufolge ist das Hauptzollamt örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus die in den einzelnen Vorschriften jeweils bezeichnete Person ihr Unternehmen betreibt. Es kommt somit einerseits darauf an, dass es sich um eines der in den Entlastungsnor­men genannten Unternehmen handelt, sowie andererseits darauf, an welchem Ort das Unternehmen betrieben wird. Wie bereits die Formulierung im Präsens zeigt, ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit das Unternehmen in seiner jetzigen Gestalt ‑‑im Streitfall nach der Verschmelzung‑‑ maßgeblich. Denn der frühere Rechtsträger existiert nicht mehr und kann somit keinen An­trag mehr stellen.

aa) Die Entlastungsansprüche nach §§ 9a, 9b und 10 StromStG und nach §§ 54 und 55 EnergieStG gelten für Unternehmen des Produzierenden Gewer­bes (bei § 9b StromStG und § 54 EnergieStG daneben auch für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft). Auf ein solches Unternehmen ist folglich im Rahmen des § 1 StromStV und § 1a EnergieStV bei der Frage, welches Haupt­zollamt örtlich zuständig ist, abzustellen. Der Begriff "Unternehmen des Produ­zierenden Gewerbes" ist in § 2 Nr. 4 i.V.m. Nr. 3 StromStG legaldefiniert.

(1) Ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes liegt gemäß § 2 Nr. 3 StromStG unter anderem vor, wenn es den enumerativ in dieser Norm aufge­zählten Abschnitten der Klassifikation der Wirtschaftszweige ‑‑durch das Sta­tistische Bundesamt‑‑ zuzuordnen ist. § 2 Nr. 4 i.V.m. Nr. 3 StromStG stellt dabei auf das Unternehmen als die kleinste rechtlich selbständige Einheit ab. Ein Unternehmen ‑‑und damit stromsteuerrechtlich begünstigt‑‑ ist nach § 2 Nr. 4 StromStG die jeweils kleinste rechtlich selbständige Einheit (Senatsurteil vom 24.04.2018 ‑ VII R 21/17, Rz 14).

(2) Diese Legaldefinition hat auch im Zusammenhang mit der Bestimmung des örtlich zuständigen Hauptzollamts Bedeutung. Denn nach § 9a Abs. 1 StromStG wird auf Antrag "die Steuer für nachweislich versteuerten Strom er­lassen, erstattet oder vergütet, den ein Unternehmen des Produzierenden Ge­werbes (…) entnommen hat"; entlastungsberechtigt ist gemäß § 9a Abs. 2 StromStG das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen hat. Somit stellt dieses Unternehmen den Antrag auf Steuerent­lastung. Damit folgt aus dem Zusammenhang von § 2 Nr. 4 StromStG mit § 9a StromStG, dass nur die kleinste rechtlich selbständige Einheit diesen An­trag stellen kann.

Zum Antrag selbst heißt es in § 17a Abs. 1 Satz 1 StromStV, dass der Erlass, die Erstattung oder die Vergütung der Steuer nach § 9a StromStG bei dem für den Antragsteller zuständigen Hauptzollamt zu beantragen ist. Da Antrag­steller die kleinste rechtlich selbständige Einheit ist, muss sich die Bestimmung des zuständigen Hauptzollamts nach dieser Einheit richten. Gemäß § 1 Satz 1 StromStV richtet sich das nach dem Bezirk, von dem aus der Antragsteller sein Unternehmen betreibt.

Entsprechendes gilt für die weiteren hier streitgegenständlichen Entlastungs­tatbestände.

bb) Ein Unternehmen wird im Sinne von § 1 Satz 1 StromStV bzw. § 1a Satz 1 EnergieStV grundsätzlich an seinem satzungsmäßigen Sitz betrieben.

(1) Dafür spricht bereits die Verordnungshistorie. Denn nach der BRDrucks 682/09, S. 295 zu § 1a EnergieStV heißt es: "Ziel dieser Neuregelung ist ins­besondere, dass ein Unternehmen sich künftig nur noch an ein und ggf. nicht an mehrere Hauptzollämter wenden muss." Mithin war Zweck dieser Norm, dass der Entlastungsantrag nicht von jeder Betriebsstätte aus gestellt werden kann (s. auch BRDrucks 682/09, S. 165, Art. 6 Nr. 3).

(2) Zudem dient die Zuständigkeit des HZA am satzungsmäßigen Sitz des Un­ternehmens auch der Durchführung des Entlastungsverfahrens und der Umset­zung der gesetzgeberischen Intention. Der Antragsteller hat unter anderem gemäß § 17a Abs. 4 StromStV einen buchmäßigen Nachweis zu führen, aus dem sich für den Entlastungsabschnitt die Menge und der genaue Verwen­dungszweck des Stroms ergeben müssen. Das Hauptzollamt muss prüfen kön­nen, ob die Voraussetzungen der Entlastungsnormen vorliegen, also beispiels­weise, ob es sich um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes handelt, für welchen Zweck und welche Menge es Strom entnommen oder wofür es ein Energieerzeugnis verwendet hat. Dafür ist es notwendig, auf Unterlagen des Antragstellers wie zum Beispiel Rechnungen oder Buchungsunterlagen zugrei­fen zu können. Diese Dokumente befinden sich regelmäßig am Geschäftssitz eines Unternehmens.

(3) Dementsprechend hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 06.10.2015 ‑ VII R 16/14 (Rz 10) zum Energiesteuerrecht ausgeführt, dass die Steuerentlastung bei dem Hauptzollamt zu beantragen ist, "in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Geschäftssitz hat". Zu derselben Einschätzung kam er im Senatsurteil vom 10.11.2015 ‑ VII R 35, 37/14 (Rz 11 i.V.m. Rz 3), eben­falls zum Energiesteuerrecht. Obwohl die Frage der zuständigen Behörde in den dortigen Revisionsverfahren nicht streitig war, handelte es sich bei den Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde nicht lediglich um obiter dicta. Vielmehr konnten die sich daran anschließenden Rechtsausfüh­rungen nur erfolgen, weil der Senat die finanzgerichtliche Einschätzung der örtlich zuständigen Behörde als zutreffend ansah. Denn der Senat ist gehalten, das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen und insoweit gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO ‑‑im Rahmen des Re­visionsantrags (§ 121 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO)‑‑ an die geltend ge­machten Revisionsgründe nicht gebunden, wenn mit der Revision nicht aus­schließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden (vgl. Urteil des Bundes­finanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22.12.2010 ‑ I R 110/09, BFHE 232, 415, BStBl II 2014, 119, Rz 34, m.w.N.).

Da die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in der Energiesteuer-Durchfüh­rungsverordnung und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung identisch sind, sind die zitierten Senatsurteile ‑‑wie das FG zutreffend entschieden hat‑‑ auf die entsprechenden stromsteuerrechtlichen Entlastungsanträge übertrag­bar.

(4) Soweit die Klägerin auf verschiedene Stimmen in der Literatur zu § 23 Abs. 2 Satz 1 AO, der die örtlich zuständige Finanzbehörde unter anderem für Verbrauchsteuern regelt und das Hauptzollamt für örtlich zuständig erklärt, von dessen Bezirk aus der Steuerpflichtige sein Unternehmen betreibt, ver­weist, können diese zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen.

Nach diesen Literaturmeinungen wird ein Unternehmen am Ort seiner Be­triebsstätte im Sinne des § 23 Abs. 2 Satz 1 AO betrieben (Wackerbeck in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 23 AO Rz 30; Koenig/Pätz, Abgaben­ordnung, 5. Aufl., § 23 Rz 14; BeckOK AO/Steinke, 30. Ed. 01.10.2024, AO § 23 Rz 41). Dies ist jedoch nicht einhellige Meinung (a.A. z.B. Schoenfeld in Gosch, AO § 23 Rz 24, der den Sitz der Geschäftsleitung als maßgeblich an­sieht). Zudem wird diese Auslegung nicht überzeugend begründet, sofern sie überhaupt begründet wird. Nach Wackerbeck ist beim Vorliegen einer Be­triebsstätte jedenfalls ein Unternehmen existent und die Zuständigkeit nach § 23 Abs. 2 AO gegeben (Wackerbeck in HHSp, § 23 AO Rz 30). Da Ver­brauchsteuern regelmäßig am Ort der Betriebsstätte entstehen, weil hier der steuerlich relevante Tatbestand verwirklicht wird, stellte § 23 Abs. 2 Satz 1 AO somit letztlich auf dasselbe Kriterium ab wie § 23 Abs. 1 AO. Nach einer ande­ren Auffassung kann für den Ort des Betriebs eines Unternehmens für den Re­gelfall auf § 21 Abs. 1 Satz 1 AO (örtliche Zuständigkeit bei der Umsatzsteuer) zurückgegriffen werden, allerdings ohne die Einschränkung, dass es darauf an­komme, wo der Unternehmer seinen Betrieb ganz oder vorwiegend betreibe (Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 23 Rz 14). Dies ist jedoch insofern nicht überzeugend, als eine Begründung, wieso diese vom Gesetzgeber be­wusst gewählte Formulierung nur teilweise bei § 23 Abs. 2 Satz 1 AO gelten sollte und aus welchem Grund die Begrifflichkeiten in § 21 Abs. 1 Satz 1 AO und § 23 Abs. 2 Satz 1 AO überhaupt gleich laufen sollten, nicht gegeben wird.

(5) Die Klägerin selbst trägt vor, der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 Satz 1 AO ("ganz oder vorwiegend betreibt") bewusst eine andere For­mulierung als in § 23 Abs. 2 Satz 1 AO ("betreibt") gewählt habe, könne nicht ohne Weiteres durch eine gleichlaufende Auslegung des abweichenden Wort­lautes übergangen werden. Eine gleichlaufende Auslegung wäre jedoch nach der Senatsrechtsprechung nicht gegeben. Denn während § 21 Abs. 1 Satz 1 AO deutlich macht, dass es auf den Ort der hauptsächlichen Willensbildung ankommt, der sich vom Unternehmenssitz unterscheiden kann (vgl. Senatsur­teil vom 19.12.2000 ‑ VII R 86/99, BFH/NV 2001, 742, unter II.1.), ist nach der Senatsrechtsprechung bei § 23 Abs. 2 Satz 1 AO grundsätzlich der Unter­nehmenssitz maßgeblich.

cc) Da demzufolge auf die juristische oder natürliche Person abzustellen ist, besteht für Betriebsstätten (§ 12 AO) nicht nur kein eigenes Antragsrecht (ebenso Pohl/Tervooren, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2008, 89, m.w.N.). Vielmehr bleiben diese ‑‑wie das FG richtig ausführt‑‑ bei der Bestimmung der örtlich zuständigen Finanzbehörde im Rahmen der strom- und energiesteuerrechtlichen Regelungen unberücksichtigt, weil einer Be­triebsstätte die rechtliche Selbständigkeit fehlt. Es handelt sich bei Betriebs­stätten lediglich um unselbständige Betriebsteile (vgl. Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 2 StromStG Rz 67; Jansen in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 2 StromStG Rz 81; Kalker/Khazzoum in StromStG ‑ eKomm, § 2 StromStG Rz 24, Stand: 02.05.2024). Soweit in anderen rechtlichen Regelungen der Un­ternehmensbegriff anders als in § 2 Nr. 4 StromStG definiert wird (z.B. § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes), ist dies nicht auf das Strom- und Energie­steuerrecht übertragbar (Senatsurteil vom 24.04.2018 ‑ VII R 21/17, Rz 15).

dd) Eine weitere örtliche Zuständigkeit aufgrund der §§ 18 AO ff. kann sich neben den spezialgesetzlichen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit nach § 1 Satz 1 StromStV bzw. § 1a Satz 1 EnergieStV nicht ergeben.

(1) Nach § 17 AO sind aufgrund der spezialgesetzlichen Regelungen die Nor­men über die örtliche Zuständigkeit nach den §§ 18 ff. AO im Strom- und Energiesteuerrecht nicht anwendbar (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 17 AO Rz 4; Schoenfeld in Gosch, AO § 23 Rz 10). Damit wird auch § 23 AO durch die Son­derregelungen des § 1 StromStV und § 1a EnergieStV verdrängt (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2019 ‑ 4 K 379/18 VSt, Rz 19; ebenso Drüen in Tipke/Kruse, § 23 AO Rz 5).

Eine mehrfache örtliche Zuständigkeit nach § 25 AO kommt nicht in Betracht, da es bei den spezialgesetzlichen Regelungen des § 1 Satz 1 StromStG bzw. § 1a Satz 1 EnergieStG lediglich einen möglichen Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit gibt. Das ist ‑‑wie gesehen‑‑ der Unternehmenssitz.

Dass es im Rahmen der genannten spezialgesetzlichen Verbrauchsteuerrege­lungen zu keiner Mehrfachzuständigkeit kommen kann, überzeugt, weil die hier streitigen Steuerentlastungen davon abhängen, dass es sich bei dem An­tragsteller um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes handelt, was die Finanzbehörde zu prüfen hat. Durch eine Verschmelzung kann sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit mit der Folge verschieben, dass eine Zuordnung des übernehmenden Rechtsträgers zum Produzierenden Ge­werbe nicht mehr möglich ist. Diese Prüfung in die Hand nur eines örtlich zu­ständigen Hauptzollamts zu geben, ist sinnvoll und effizient (vgl. Senatsurteile vom 22.11.2011 ‑ VII R 22/11, BFHE 235, 95, Rz 11 und vom 07.07.2020 ‑ VII R 6/19, Rz 23; ebenso Drüen in Tipke/Kruse, § 23 AO Rz 5, § 25 AO Rz 2; ferner Schmieszek in Gosch, AO § 25 Rz 5; Schmieszek in AO ‑ eKomm, § 25 AO Rz 1, Stand: 18.09.2024; Koenig/Pätz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 25 Rz 5; Wackerbeck in HHSp, § 25 AO Rz 7; Krömker in Lippross/Seibel, Basis­kommentar Steuerrecht, Stand: 11.2024, § 17 AO Rz 2).

(2) Inwieweit die Subsidiarität nach § 17 AO auch für die weiteren, für alle Steuerarten allgemein geltenden §§ 24 bis 29 AO eingreift, ist bislang höchst­richterlich nicht entschieden worden (offen gelassen in Senatsurteil vom 05.03.1985 ‑ VII R 146/84, BFHE 143, 294, BStBl II 1985, 377, für das Kraft­fahrzeugsteuerrecht; zur Literatur vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 17 AO Rz 4; Klein/Rätke, AO, 18. Aufl., § 17 Rz 2).

(a) Im Streitfall kann allein die Anwendbarkeit des § 26 AO im Falle eines Zu­ständigkeitswechsels in Frage kommen. Maßgeblich ist, ob die Zuständigkeits­regelung an ein unveränderbares und zeitpunktbezogenes Merkmal wie zum Beispiel die Tatbestandsverwirklichung anknüpft oder an ein beim Steuer­pflichtigen vorliegendes Merkmal wie beispielsweise den Unternehmenssitz (Wackerbeck in HHSp, § 26 AO Rz 11). Bei letzterem ist ein Zuständigkeits­wechsel aufgrund von sich ändernden zuständigkeitsbegründenden Umständen möglich, sodass § 26 AO grundsätzlich anwendbar wäre (Drüen in Tipke/Kruse, § 26 AO Rz 1, m.w.N.).

Die hier einschlägigen Zuständigkeitsnormen § 1 Satz 1 StromStV und § 1a Satz 1 EnergieStV stellen auf ein an dem Steuerpflichtigen anknüpfendes Merkmal ab, nämlich auf den Unternehmenssitz. Anders als es das FG einge­ordnet hat, kann sich daher grundsätzlich ein Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO ergeben.

(b) Bei einer Gesamtrechtsnachfolge wie der Verschmelzung von Kapitalgesell­schaften sind für die Frage der örtlichen Zuständigkeit die räumlichen Verhält­nisse des Gesamtrechtsnachfolgers maßgebend. Die örtliche Zuständigkeit be­stimmt sich mithin nach den Verhältnissen des Rechtsnachfolgers, und zwar auch für die Zeiträume, die vor Eintritt der Rechtsnachfolge liegen (vgl. Wackerbeck in HHSp, § 26 AO Rz 58; Schmieszek in AO ‑ eKomm, § 26 AO Rz 3, Stand: 18.09.2024).

(c) § 26 AO regelt den Übergang der örtlichen Zuständigkeit für den Fall, dass sich die die Zuständigkeit begründenden Umstände verändern. Maßgeblich für den Übergang ist nicht der Zeitpunkt der Änderung der objektiven Umstände, sondern die subjektive Kenntnisnahme der betroffenen Behörden von dieser Änderung (Drüen in Tipke/Kruse, § 17 AO Rz 4, § 26 AO Rz 3; Schmieszek in AO ‑ eKomm, § 26 AO Rz 1, Stand: 18.09.2024; Wackerbeck in HHSp, § 17 AO Rz 7).

(d) Die Regelung des § 26 AO greift nur ein, wenn bereits eine inländische Fi­nanzbehörde tätig geworden ist (vgl. FG Münster, Urteil vom 06.02.2020 ‑ 5 K 2531/17 F, Rz 63; Wackerbeck in HHSp, § 26 AO Rz 22; Schmieszek in AO ‑ eKomm, § 26 AO Rz 1, 18.09.2024; Drüen in Tipke/Kruse, § 26 AO Rz 1; Klein/Rätke, AO, 18. Aufl., § 26 Rz 1). In der höchstrichterlichen Rechtspre­chung war diese Rechtsfrage bisher nicht zu klären. Jedoch ist sich die Kom­mentarliteratur diesbezüglich einig. Wechselt die örtliche Zuständigkeit, tritt die nunmehr zuständige Finanzbehörde an die Stelle der bisher zuständigen Finanzbehörde und übernimmt das laufende Verwaltungsverfahren in dem bis zu diesem Zeitpunkt erreichten Verfahrensstand (Schmieszek in Gosch, AO § 26 Rz 9). Das überzeugt, denn solange keine Finanzbehörde tätig geworden ist, besteht kein Bedarf, den Wechsel der Zuständigkeit zu klären. Vielmehr beginnt die dann zuständige Behörde unmittelbar mit der Fallbearbeitung. Dies bestätigt auch § 26 Satz 2 AO, denn die Fortführung eines Verwaltungsverfah­rens nach Abstimmung mit der nunmehr zuständigen Finanzbehörde ist nur dann denkbar, wenn die ehemals zuständige Finanzbehörde bereits tätig ge­worden war.

(e) Begonnen ist ein Verfahren, wenn ‑‑entsprechend § 9 des Verwaltungsver­fahrensgesetzes‑‑ eine erste Maßnahme einer Behörde mit dem Ziel des Erlas­ses eines Verwaltungsakts getroffen worden ist (Wackerbeck in HHSp, § 26 AO Rz 25; Horn in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 26 AO Rz 8). Ein bei einer Be­hörde eingereichter Antrag genügt nicht, damit ein laufendes Verfahren vor­liegt. Wird in dem Antrag deutlich, dass die im Antrag adressierte Behörde ‑‑aufgrund eines in der Vergangenheit liegenden geänderten Umstands‑‑ nicht (mehr) zuständig ist, war sie in dem aktuellen Verfahren noch nicht tätig; die Prüfung ihrer Zuständigkeit geht vielmehr der eigentlichen Bearbeitung vo­raus. Allein dadurch liegt kein laufendes Verfahren vor. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 16.12.2003 ‑ IV B 69/02, BFH/NV 2004, 608) und Literatur (vgl. BeckOK AO/Steinke, 30. Ed. 01.10.2024, AO § 26 Rz 35; Wackerbeck in HHSp, § 26 AO Rz 18) betrafen an­dere Sachverhaltskonstellationen.

c) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die Anträge für die Betriebsstätte F zwar innerhalb der Antragsfrist, aber bei dem örtlich unzuständigen Hauptzollamt eingereicht. Das örtlich zuständige HZA erhielt die Anträge erst nach Ablauf der Antragsfrist.

aa) Das örtlich zuständige Hauptzollamt für die Entlastungsanträge betreffend die Betriebsstätte F war das HZA.

(1) Die nach § 2 Nr. 4 StromStG kleinste rechtlich selbständige Einheit ist die Klägerin selbst. Ihr Sitz liegt in C.

(2) Die weiteren, von der Klägerin angeführten Vorschriften der Abgabenord­nung zur örtlich zuständigen Behörde sind für die streitgegenständlichen Ent­lastungsanträge nicht anwendbar. Eine Mehrfachzuständigkeit kann sich bei § 1 Satz 1 StromStV bzw. § 1a Satz 1 EnergieStV nicht ergeben. § 23 AO gilt gemäß § 17 AO nur subsidiär.

Auch die Vorschrift des § 26 AO zum Zuständigkeitswechsel ist ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ auf den hiesigen Fall nicht anwendbar. Denn das bislang für die ‑‑zuvor selbständige Einheit‑‑ in F zuständige Hauptzollamt G war hinsichtlich der Entlastungsanträge für das Jahr 2018 noch nicht tätig ge­worden. Vielmehr hatte es die Anträge zunächst auf seine Zuständigkeit hin geprüft und nach Erkennen seiner Unzuständigkeit an das HZA weitergeleitet. Damit hatte es sich, wie dargelegt, noch nicht im "laufenden Verfahren" für die streitgegenständlichen Anträge befunden.

bb) Die Antragsfrist für das Streitjahr 2018 begann mit Ablauf des 31.12.2018 und endete mit Ablauf des 31.12.2019. Nach den bindenden Feststellungen des FG sind die Anträge für die Betriebsstätte F bis zum 31.12.2019 beim Hauptzollamt G eingegangen. Beim zuständigen HZA gingen die Anträge für die … weiteren Betriebsstätten am 31.12.2019, die Anträge für die Be­triebsstätte F jedoch erst am 24.01.2020 ein.

(1) Die beim HZA fristgerecht eingegangenen Anträge beziehen sich nicht auf die Betriebsstätte F.

Ein Antrag nach den §§ 9a, 9b und 10 StromStG sowie den §§ 54 und 55 EnergieStG für den Standort F war im Streitfall nicht deshalb ent­behrlich, weil die Klägerin bereits solche Anträge für andere Standorte gestellt hatte. Denn in ihnen war die Menge des entnommenen Stroms beziehungswei­se der verwendeten Energieerzeugnisse für die Betriebsstätte F nicht enthalten.

(2) Die am 24.01.2020 beim HZA eingegangenen Anträge für die Betriebsstät­te F können auch nicht als Korrektur der anderen, beim HZA inner­halb der Antragsfrist eingegangenen Anträge angesehen werden. Es ist nicht möglich, die Mengen für die Betriebsstätte F in die anderen Anträge hineinzulesen oder diese nachträglich zu ergänzen.

Nach dem Wortlaut der Entlastungsnormen wird nicht das antragstellende Un­ternehmen als Ganzes entlastet, sondern die Entlastung wird für bestimmte Verwendungen gewährt, die der Antragsteller nachzuweisen hat. Daher reicht es nicht aus, dass für das Unternehmen als solches ein Entlastungsantrag "auf Vorrat" ohne konkrete Angaben über die Art und Menge sowie den Verwen­dungszweck des entnommenen Stroms beziehungsweise der eingesetzten Energieerzeugnisse und über die Verwendungsorte gestellt wird. Vielmehr ist erforderlich, in den Entlastungsanträgen die geforderten Angaben zu machen, die den Finanzbehörden eine Prüfung der Entlastungsvoraussetzungen ermög­lichen. Folglich ist in den Anträgen nach §§ 9a, 9b und 10 StromStG sowie §§ 54 und 55 EnergieStG regelmäßig neben der entnommenen Strommenge beziehungsweise der Art und der Menge der eingesetzten Energieerzeugnisse sowohl der Entlastungszeitraum als auch ein bestimmter Ort anzugeben, auf den sich die beantragte Entlastung bezieht. Daher kann ein Antrag, der für ei­nen bestimmten Standort unter Angabe der an diesem Standort eingesetzten Art und Menge an Energieerzeugnissen beziehungsweise des entnommenen Stroms gestellt worden ist, nach Ablauf der Antragsfrist nicht nachträglich um eine weitere Anlage an einem anderen Standort ergänzt werden (vgl. Senats­urteil vom 06.10.2015 ‑ VII R 16/14, Rz 17; a.A. Peterka, ZfZ 2023, 110).

(3) Der Eingang bei einer unzuständigen Behörde kann nur dann als unschäd­lich behandelt werden, wenn diese den Antrag innerhalb der Frist an die zur Entscheidung berufene Stelle weiterleitet (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2020 ‑ VI R 37/17, BFHE 268, 234, BStBl II 2021, 856, Rz 24). Dies war im Streitfall nicht erfolgt.

d) Der die Anträge ablehnende Bescheid des HZA vom 19.02.2020 verletzt nicht den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

aa) Nach dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. Ur­teile des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 ‑ C‑110/98 bis C‑147/98, EU:C:2000:145, Rz 54 und Collée vom 27.09.2007 ‑ C‑146/05, EU:C:2007:549, Rz 26; EuGH-Beschluss Transport Service vom 03.03.2004 ‑ C‑395/02, EU:C:2004:118, Rz 29). So verstößt es nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 ‑ C‑68/18, EU:C:2019:933 und Turbogás vom 27.06.2018 ‑ C‑90/17, EU:C:2018:498, Rz 43 f.) gegen Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch sanktioniert wird, dass eine obli­gatorische Steuerbegünstigung nach der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABlEU 2003, Nr. L 283, 51) ‑‑Energiesteuerrichtlinie‑‑ verweigert wird. Denn damit gingen die nationalen Regelungen über das hinaus, was erforderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und ‑vermeidung oder Missbrauch zu verhindern (EuGH-Urteil Polihim‑SS vom 02.06.2016 ‑ C‑355/14, EU:C:2016:403, Rz 62).

bb) Die nach nationalem Recht bestehende Notwendigkeit, Entlastungsanträge bei der zuständigen Behörde einzureichen, geht nicht über das hinaus, was er­forderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Entlastungen sicherzustellen. Denn nur das zuständige Hauptzollamt ist in der Lage, alle notwendigen Prüfungen ‑‑gegebenenfalls auch vor Ort‑‑ vorzunehmen. Es handelt sich bei der Frage nach der örtlichen Zuständigkeit zwar um ein for­melles Erfordernis, das aber nicht eine bloße Formalität im Verfahrensrecht darstellt, sondern die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsverfahrens bezweckt.

cc) Eine Verletzung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt auch nicht darin, dass das HZA die Entlastungsanträge wegen Versäu­mung der Antragsfrist abgelehnt hat.

Zwar zählt der EuGH die Verweigerung einer Entlastung wegen Verletzung der formellen Anforderung, innerhalb der Antragsfrist die Entlastung zu beantra­gen, zu den Sanktionen, die über das genannte erforderliche Maß hinausge­hen.

Jedoch war im Streitfall mit Ablauf der Antragsfrist gleichzeitig die Festset­zungsverjährung eingetreten. Damit sind die Entlastungsansprüche gemäß § 47 AO erloschen (vgl. Senatsurteil vom 07.07.2020 ‑ VII R 6/19, Rz 14).

(1) Unabhängig davon, ob es sich bei den beantragten Steuerentlastungen um Steuervergütungen, Steuererstattungen oder um einen Steuererlass handelt, finden auf die Festsetzung einer Steuerentlastung ‑‑bei Steuervergütungen über § 155 Abs. 5 AO‑‑ die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften (sinngemäße) Anwendung (zur Steuervergütung Senatsurteil vom 07.07.2020 ‑ VII R 6/19, Rz 15).

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhe­bung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelau­fen ist. Diese beträgt für Verbrauchsteuern und deren Vergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die einjährige Festsetzungsfrist beginnt ge­mäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Steuer entstanden ist. Im Streitfall ist die Festsetzungsfrist mithin am 31.12.2019 abgelaufen.

Die Festsetzungsverjährung wird zwar gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt, wenn der Antrag auf Steuerentlastung vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt wird. Voraussetzung der Hemmung ist aber, dass der Entlastungsantrag bei der zuständigen Behörde gestellt wird (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2020 ‑ VI R 37/17, BFHE 268, 234, BStBl II 2021, 856, Rz 22; Paetsch in Gosch, AO § 171 Rz 34). Dies ist ‑‑wie gesehen‑‑ nicht der Fall.

(2) Anders als die Antragsfrist handelt es sich bei der Festsetzungsfrist nicht um eine formelle Anforderung des nationalen Rechts.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030, Rz 31 ff. den Unterschied zwischen der Antrags­frist und der Festsetzungsfrist betont. Unter Anerkennung der Festsetzungs­frist führt er aus, dass nicht ersichtlich sei, dass die Zulassung eines Antrags auf Steuerbefreiung oder ‑ermäßigung, der nach Ablauf der Frist für die Stel­lung eines solchen Antrags, aber innerhalb der Frist für die Festsetzung der fraglichen Steuer gestellt wurde, mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit un­vereinbar wäre (EuGH-Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030, Rz 34).

Aus der genannten Entscheidung darf mithin nicht geschlossen werden, der EuGH sehe jedwedes Antragserfordernis mit der Folge als formelle Vorausset­zung an, dass fehlende Anträge der Anwendung von Begünstigungen nicht entgegenstehen könnten. Denn Anträge und Antragsfristen sind dem Unions­recht nicht fremd, grundsätzlich auch nicht Ausschlussfristen, das heißt Fris­ten, deren Nichteinhaltung zum Erlöschen eines Entlastungsanspruchs führt. Da auch der EuGH in mehreren Entscheidungen die Existenz von Ausschluss­fristen für eine rechtzeitige Antragstellung anerkannt und deren Rechtmäßig­keit festgestellt hat (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile INEOS vom 22.02.2018 ‑ C‑572/16, EU:C:2018:100, Rz 46, 53, m.w.N.; Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124, Rz 52 und Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030, Rz 26, m.w.N.), kann das Fehlen eines rechtzeitigen Entlastungsantrags auch nach Ansicht des EuGH der Anwendung einer Begünstigung entgegenstehen.

e) Auch der nationale Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in Bezug auf die Festsetzungsfrist der Entlastungsansprüche von einem Jahr gewahrt.

Eine staatliche Maßnahme ist verhältnismäßig, wenn sie im Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Proportionali­tät setzt voraus, dass Beeinträchtigungen nicht außer Verhältnis zum verfolg­ten Zweck stehen, dass sie bei einer Gesamtbewertung angemessen und des­halb für den Betroffenen zumutbar sind. Ausgehend von dem Zweck der An­tragsfrist, Rechtsfrieden zu schaffen und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu gewährleisten, ist nicht ersichtlich, dass eine einjährige Antragsfrist im en­geren Sinne unzumutbar ist. Im Gegenteil spricht für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dass die Versteuerung der Energieerzeugnisse innerhalb dieses Zeitraums durchgeführt sein dürfte und die Verwendung der Energieer­zeugnisse ebenfalls abgeschlossen ist (Senatsurteil vom 29.08.2023 ‑ VII R 1/23 (VII R 44/19), BFHE 282, 332, Rz 52, m.w.N.).

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO kommt nicht in Betracht.

a) Einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine ge­setzliche Frist einzuhalten, ist gemäß § 110 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

aa) Unter § 110 AO fallen nur ‑‑verfahrensrechtliche und materielle‑‑ Fristen, die "einzuhalten" sind, das heißt solche, die dem Steuerpflichtigen ein Verhal­ten innerhalb eines bestimmten Zeitraums gegenüber der Finanzverwaltung gebieten (Handlungs- oder Erklärungsfristen).

Von der Vorschrift nicht erfasst werden dagegen die von den Finanzbehörden als Verfahrensträgern im Verwaltungsverfahren zu beachtenden gesetzlichen Fristen wie die Festsetzungsfrist. Diese können nicht von dem Steuerpflichti­gen eingehalten und daher auch nicht ohne Verschulden versäumt werden. Die Festsetzungsfrist ist somit keine wiedereinsetzungsfähige Frist (vgl. BFH-Urteil vom 21.10.1996 ‑ VI R 4/94, BFH/NV 1997, 330, unter 2. der Entscheidungs­gründe, m.w.N.).

bb) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung kommt folglich eine Wiedereinset­zung in den vorigen Stand in eine abgelaufene Festsetzungsfrist nicht in Be­tracht, weil der Entlastungsanspruch gemäß § 47 AO erloschen ist (vgl. Se­natsurteile vom 12.05.2009 ‑ VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602, unter 2.a der Entscheidungsgründe, m.w.N. und vom 29.08.2023 ‑ VII R 1/23 (VII R 44/19), BFHE 282, 332, Rz 34). Der Ablauf der Festsetzungsfrist und das damit verbundene Erlöschen eines etwaigen Anspruchs sind nicht disponi­bel (Senatsurteil vom 07.07.2020 ‑ VII R 6/19, Rz 17).

cc) Dieses Ergebnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Normierung einer nicht wiedereinsetzungsfähigen Festsetzungsfrist der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient. Sie dient dabei sowohl dem In­teresse des Steuerpflichtigen als auch den Belangen der Finanzverwaltung (Senatsurteil vom 12.05.2009 ‑ VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602, unter 3. der Entscheidungsgründe, m.w.N.; ferner Falkenberg, ZfZ 2020, 322, m.w.N.).

b) Im Übrigen besteht bei dem gegebenen Geschehensablauf kein Hinweis da­rauf, dass die Klägerin schuldlos die Frist versäumt haben könnte.

aa) Ob der Beteiligte die Frist schuldlos versäumt hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH schließt jedes Verschulden ‑‑auch einfache Fahrlässigkeit‑‑ die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (z.B. BFH-Beschluss vom 30.05.2022 ‑ II R 8/21, Rz 7; Senatsbeschluss vom 13.12.2023 ‑ VII B 188/22, Rz 12, m.w.N.).

Beantragt ein Steuerpflichtiger die Steuerentlastung bei einem unzuständigen Hauptzollamt, so trägt der Antragsteller grundsätzlich das Risiko der rechtzei­tigen Weiterleitung. Allerdings kommt bei einer wiedereinsetzbaren Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn sich eine offensicht­liche Pflichtverletzung der Behörde, die eine Übermittlung von Unterlagen zu veranlassen hat, feststellen lässt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts (BVerfG) dürfen die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften nicht überspannt werden. So besteht für Behörden grundsätzlich die Verpflichtung, leicht und einwand­frei als fehlgeleitet und fristwahrend erkennbare Schriftstücke im Zuge des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständi­ge Behörde weiterzuleiten. Im Falle willkürlichen, offenkundig nachlässigen und nachgewiesenen Fehlverhaltens der Behörde kommt dann Wiedereinset­zung in den vorigen Stand in Betracht (BVerfG-Beschluss vom 02.09.2002 ‑ 1 BvR 476/01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 74, BStBl II 2002, 835, unter II.1.b).

bb) Danach hätte sich die Klägerin auch bei einer wiedereinsetzbaren Frist nicht auf eine schnellere Bearbeitung berufen können. Denn der 20.12.2019, an dem die E‑Mail beim Hauptzollamt G einging, war ein Freitag. Weitere Ar­beitstage bis zum 31.12.2019 waren Montag, 23.12.2019, Freitag, 27.12.2019, und Montag, 30.12.2019, also drei volle Arbeitstage (vgl. z.B. § 6 der Arbeitszeitverordnung). Zudem handelt es sich bei der Weihnachtswoche um die Haupturlaubszeit, im Jahr 2019 mit einer idealen Lage der Feiertage, bei der zahlreiche Mitarbeiter nicht anwesend gewesen sein werden. Dem Antrag war die Unzuständigkeit auch nicht ‑‑ohne weitere Prüfung der Sach­lage‑‑ auf die Stirn geschrieben. Schließlich traf der Stichtag 31.12.2019 alle Unternehmen, die Entlastungsanträge für 2018 abgeben wollten, sodass von einem erhöhten Aufkommen solcher Anträge zum Jahresende auszugehen ist. Aus diesen Umständen herzuleiten, dass das Hauptzollamt G den Antrag der Betriebsstätte F willkürlich nicht bis zum Jahresende an das HZA weitergeleitet hat, wäre für den Senat selbst bei Vorliegen einer wiederein­setzbaren Frist fernliegend und wurde von der Klägerin im Übrigen auch nicht vorgetragen, obwohl sich das HZA in der Einspruchsentscheidung vom 14.10.2020 mit dieser Frage befasst hatte.

3. Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

5. Der Antrag der Klägerin, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Für die Entscheidung des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ist das FG als Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 03.07.2024 ‑ I R 4/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 33, m.w.N.).

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