Newsletter des Niedersächsischen Finanzgerichts 10/2025 vom 17.9.2025
Niedersächsisches Finanzgericht, Newsletter 10/2025 vom 17. September 2025
Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts
2 K 78/24 - Urteil vom 7. November 2024
Änderungsbefugnis nach § 175b Abs. 1 AO bei zutreffender Berücksichtigung der ursprünglich übermittelten Daten
Mit Urteil vom 7. November 2024 hat der 2. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zu der Frage Stellung genommen, ob bei zutreffender Berücksichtigung der ursprünglich übermittelten Daten eine Änderungsbefugnis nach § 175b Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) besteht.
Die Klägerin wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte in den Streitjahren 2017 und 2018 Renteneinkünfte nach § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei der jeweiligen Veranlagung übernahm der Beklagte die Daten entsprechend den elektronischen Rentenbezugsmitteilungen, so dass die Leibrente mit einem Ertragsanteil von 7 % der Besteuerung unterworfen wurde. Für die Streitjahre übermittelte die dazu verpflichtete Stelle nachträglich korrigierte elektronische Rentenbezugsmitteilungen. Die Korrektur betraf nur die Rechtsgrundlage und Rentenart. Der Rentenbetrag blieb der Höhe nach unverändert.
Das beklagte Finanzamt sah die Änderungsvorschrift des § 175b Abs. 1 AO im Streitfall als einschlägig an und änderte die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 entsprechend. Die Leibrente wurde nunmehr jeweils mit einem Besteuerungsanteil von 66 % angesetzt.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Überzeugung des 2. Senats habe der Beklagte die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide zu Recht nach § 175b Abs. 1 AO geändert. Bei der Rechtsgrundlage und Rentenart in der Rentenbezugsmitteilung handele es sich um Daten i.S.d. § 175b Abs. 1 AO. Dass der Rentenbetrag der Höhe nach unverändert geblieben ist, sei unschädlich. § 175b Abs. 1 AO sei dahingehend auszulegen, dass eine Änderung eines materiell fehlerhaften Bescheides auch möglich ist, wenn die ursprünglich übermittelten Daten zutreffend in der Steuerfestsetzung berücksichtigt und nachträglich korrigierte Daten seitens des dazu verpflichteten Dritten übermittelt worden sind.
Der 2. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, das Az. des BFH lautet X R 31/24.
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Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Az. 4 K 1/24 - Urteil vom 25. März 2024Zur Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung und Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegenüber einem Ehegatten im Falle einer gewählten Einzelveranlagung
Revision eingelegt; BFH-AZ: VIII B 32/24
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Az. 4 K 48/24 - Urteil vom 4. September 2024
Erste Tätigkeitsstätte eines Hafenarbeiters
Gebäude auf dem Hafengelände als erste Tätigkeitsstätte eines Hafenarbeiters
rechtskräftig
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Die Volltexte der genannten Entscheidung sowie weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts ab dem 1. Januar 2000 können Sie über das Niedersächsische Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS) abrufen.
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Gut zu wissen
Güterichterverfahren im finanzgerichtlichen Verfahren
Hört man im Rahmen eines Zivilprozesses häufiger vom Güterichterverfahren, wird dies (leider) noch nicht allzu häufig mit einem finanzgerichtlichen Verfahren in Zusammenhang gebracht.
Dabei sieht die Finanzgerichtsordnung in § 155 FGO ausdrücklich eine entsprechende Anwendung des § 278a Zivilprozessordnung (ZPO) und damit die Möglichkeit einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vor.
Seit 2013 sind daher auch am Niedersächsischen Finanzgericht Güterichter/innen bestellt. Derzeit sind vier Richterinnen und Richter mit dieser Aufgabe betraut.
Güterichter/innen haben im Gegensatz zu dem/der für den Streitfall zuständigen Richter/in bzw. Senat keine Entscheidungsbefugnis; § 155 FGO i.V.m. § 278 Abs. 5 ZPO. Außerdem können sie sich aller Methoden der Konfliktbeilegung bedienen, wobei sie nicht an die Verfahrensvorschriften der FGO gebunden sind. Demnach ist es auch möglich über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus Lösungen eines Konflikts mit den Beteiligten zu erarbeiten. Anders als die für das Klageverfahren zuständigen Richter/in entscheidet der Güterichter/die Güterichterin demnach nicht über die Streitfrage, sondern unterstützt die Beteiligten bei der Entwicklung einer Lösung ihres Interessenkonflikts.
Das Güterichterverfahren unterliegt der Vertraulichkeit. Entsprechend werden Informationen, die die Güterichter im Rahmen des jeweiligen Güterichterverfahrens erlangen, nicht an den für das Klageverfahren zuständigen Senat weitergegeben.
Gegen den Willen eines Beteiligten kann ein Güterichterverfahren nicht durchgeführt werden. Erforderlich ist vielmehr die Zustimmung aller Beteiligten. Solange das Verfahren an den Güterichter/die Güterichterin verwiesen wird, ruht das Klageverfahren. Wird im Rahmen des Güterichterverfahrens von den Beteiligten eine Einigung erarbeitet, kann das Klageverfahren auf dieser Basis beendet werden. Erfolgt keine Einigung wird das reguläre Klageverfahren fortgeführt.
Zusätzliche Gerichtsgebühren werden durch das Güterichterverfahren nicht ausgelöst.
Weitere Informationen finden Sie hier auf der Internetseite des Nds. Finanzgerichts.