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BFH: Akteneinsicht und Auskunft über den Inhalt einer anonymen Anzeige

  1. Das Interesse eines Steuerpflichtigen auf Kenntnisnahme einer gegen ihn gerichteten, in den Steuerakten der Finanzbehörde befindlichen anonymen Anzeige ist im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung über den An­trag auf Akteneinsicht gegen die kollidierenden Geheimhaltungsinteressen des Anzeigeerstatters und der Finanzbehörde abzuwägen.
  2. Beinhaltet eine anonyme Anzeige Informationen, die einen Steuerpflichtigen persönlich betreffen, liegen für ihn insoweit personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vor, die grund­sätzlich vom Tatbestand des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs ge­mäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO erfasst sind.
  3. Der auf Art. 23 Abs. 1 DSGVO beruhende Ausschluss des Auskunftsan­spruchs nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ist mit Unionsrecht vereinbar.
  4. Eine Finanzbehörde muss über den Inhalt einer ihr vorliegenden anonymen Anzeige gegenüber dem betroffenen Steuerpflichtigen keine Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO erteilen, wenn das Geheimhaltungsinteresse der Behör­de zum Zwecke der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie der aus § 30 AO herrüh­rende Identitätsschutz des Anzeigeerstatters im Einzelfall höher wiegen als das Informationsinteresse des Steuerpflichtigen.

AO § 6 Abs. 2, § 30, § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2, § 32c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1
DSGVO Art. 4 Nr. 2, Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 23 Abs. 1 Buchst. e und i und Abs. 2

BFH-Urteil vom 15.7.2025, IX R 25/24 (veröffentlicht am 25.9.2025)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 25.9.2024, 16 K 16096/23 = SIS 25 03 80

I. Streitig ist, ob eine Finanzbehörde Auskunft über eine anonyme Anzeige ertei­len oder deren Inhalt zur Verfügung stellen muss.

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.), eine Personenhan­delsgesellschaft, führte einen gastronomischen Betrieb. Die Klägerin und Revi­sionsklägerin zu 2. sowie der Kläger und Revisionskläger zu 3. (Klägerin zu 2. und Kläger zu 3.) sind deren Gesellschafter. Sie sind zudem gemeinsam als Prozessbevollmächtigte nach § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) tätig und vertreten die rechtlichen Interessen der Klägerin zu 1.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) führte in der Folge einer anonymen Anzeige bei der Klägerin zu 1. im Juni 2023 eine Kassen-Nachschau durch. Steuerstrafrechtli­che oder ordnungsrechtliche Vorwürfe erwuchsen hieraus ebenso wenig wie steuerliche Nachforderungen.

Die Klägerin zu 1. beantragte im Nachgang zur Kassen-Nachschau am 20.06.2023 Einsicht in die für sie beim FA geführten Verwaltungsvorgänge, um auf diese Weise Kenntnis vom Inhalt der anonymen Anzeige zu erhalten. Die­sen Antrag lehnte das FA am 27.06.2023 und auf wiederholten Antrag vom 06.07.2023 erneut am 24.07.2023 ab.

Mit weiterem Schreiben vom 06.07.2023 beantragten sämtliche Kläger beim FA Auskunft, ob und falls ja, welche personenbezogenen Daten über sie verar­beitet würden (Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Par­laments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG ‑‑Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)‑‑). Mit Bescheid vom 12.07.2023 erteilte das FA Auskunft. Die von den Klägern insbesondere begehrte Auskunft über den Anzeigeerstatter und die wortgetreue Wiedergabe der Anzeige lehnte es dagegen ab.

Am 05.08.2023 erhoben die Klägerinnen zu 1. und 2. gegen den Bescheid vom 12.07.2023 Klage zum Finanzgericht (FG). Sie begehrten nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung die Übersendung einer Kopie der anonymen Anzeige, hilfsweise die Mitteilung deren Inhalts.

Die von der Klägerin zu 1. eingelegten Einsprüche gegen die Ablehnung der Akteneinsicht (Schreiben vom 06.07.2023 und 24.07.2023) wurden vom FA nicht beschieden.

Nach einem richterlichen Hinweis, dass über den geltend gemachten prozessu­alen Anspruch unter allen rechtlich denkbaren Gesichtspunkten zu entscheiden sei, erklärten die Klägerinnen zu 1. und 2. mit Schreiben vom 24.08.2023, sie wollten auch die beiden ablehnenden Entscheidungen des FA zur Akteneinsicht zum Gegenstand des Klageverfahrens machen.

Auf Anregung der Klägerinnen zu 1. und 2. stimmte das FA am 11.09.2023 einer Klageerweiterung und einer Sprungklage in Bezug auf die Ablehnung der Akteneinsicht zu.

Mit Schreiben vom 20.09.2023 beantragte der Kläger zu 3., ihn "als weiteren Kläger aufzunehmen".

Nach einer Erörterung des Sach- und Streitstands hob das FA sämtliche ange­fochtenen Bescheide auf. Im Nachgang hierzu lehnte es sowohl den Antrag auf Akteneinsicht als auch den Antrag auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige nach Art. 15 DSGVO erneut ab (verbundener Bescheid vom 08.03.2024).

Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2025, 529 veröffentlichtem Urteil vom 25.09.2024 ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung von Bundesrecht und Verfahrensfehler geltend machen.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 25.09.2024 ‑ 16 K 16096/23 aufzu­heben und das FA unter Aufhebung des Bescheids vom 08.03.2024 zu ver­pflichten, Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige zu erteilen, und zwar durch Übersendung einer Kopie, hilfsweise durch Mitteilung des Inhalts.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision, die sowohl die Ablehnung des datenschutzrechtlichen Auskunfts­anspruchs nach Art. 15 DSGVO als auch die Ablehnung eines Akteneinsichts­rechts zum Gegenstand hat (dazu unter 1.), ist als unbegründet zurückzuwei­sen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dies gilt für die Revi­sion des Klägers zu 3. bereits deshalb, da für dessen Klage die Sachurteils­voraussetzungen in Gänze nicht vorgelegen haben und das FG die Klage daher als unzulässig hätte abweisen müssen (dazu unter 2.). Soweit sich die Klägerin zu 2. gegen die Ablehnung der Akteneinsicht wendet, ist die Revision aus pro­zessualen ‑‑das erstinstanzliche Verfahren betreffenden‑‑ Erwägungen unbe­gründet (dazu unter 3.). Die Revision der Klägerin zu 1. ist unbegründet, da das FG bei der abgelehnten Akteneinsicht zutreffend keine Ermessensfehler des FA erkannt (dazu unter 4.) und den auf Art. 15 DSGVO gestützten Aus­kunftsanspruch rechtsfehlerfrei verneint hat (dazu unter 5.). Aus dem letztge­nannten Grund ist auch die den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch betreffende Revision der Klägerin zu 2. zurückzuweisen (dazu unter 6.). Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor (dazu unter 7.). Von einer Aussetzung des Revisionsverfahrens zum Zweck eines Vorabentschei­dungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) konnte der Senat absehen (dazu unter 8.).

1. Die Klage und die Revision haben sowohl die mit Bescheid vom 12.07.2023 abgelehnte Erteilung auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige ge­mäß Art. 15 DSGVO als auch die mit Bescheiden vom 27.06.2023 und 24.07.2023 jeweils abgelehnte Einsichtnahme in die beim FA für die Klägerin zu 1. geführten Akten zum Gegenstand. Die Bescheide sind im Laufe des Kla­geverfahrens durch den Bescheid vom 08.03.2024 ersetzt worden.

Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. haben sich mit ihrer Klage vom 05.08.2023 zwar zunächst nur gegen den Bescheid vom 12.07.2023 gewandt. Allerdings haben sie mit Schreiben vom 24.08.2023 im Wege einer Klageer­weiterung gemäß § 67 Abs. 1 FGO auch die Ablehnungsbescheide vom 27.06.2023 und 24.07.2023 in das gerichtliche Verfahren einbezogen.

Als Klageerweiterung ist darüber hinaus der mit Schreiben vom 20.09.2023 erklärte Beitritt des Klägers zu 3. zu werten (zutreffend hierzu FG Hamburg, Beschluss vom 28.08.2020 ‑ 4 K 223/14, EFG 2020, 1855, Rz 2; Krumm in Tipke/Kruse, § 67 FGO Rz 8a).

2. Die Revision des Klägers zu 3. ist unbegründet, da für seine Klage die Sach­urteilsvoraussetzungen, die das Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat (statt vieler Senatsurteil vom 23.01.2024 ‑ IX R 7/22, BFHE 284, 12, BStBl II 2024, 406, Rz 17), nicht erfüllt sind. Die Klage war unzulässig.

a) Die mit dem Schreiben vom 20.09.2023 bewirkte Klageänderung im Sinne von § 67 Abs. 1 FGO führte zu einer Änderung des Streitgegenstands während der Rechtshängigkeit. Eine solche Klageänderung ist nur zulässig, wenn nicht nur für das ursprüngliche, sondern auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind. Das Vorliegen dieser Vo­raussetzungen steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Es kommt daher nicht allein darauf an, ob das FG die Klageänderung für sachdienlich hält oder das FA zustimmt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 20.07.2012 ‑ VII R 12/10, Rz 9). Durch eine Klageänderung dürfen die Sach­urteilsvoraussetzungen nicht unterlaufen werden (Senatsurteil vom 08.04.2025 ‑ IX R 8/24, Rz 23).

b) Die Sachurteilsvoraussetzungen für die in Bezug auf den Kläger zu 3. mit Schreiben vom 20.09.2023 vollzogene Erweiterung der ursprünglichen Klage liegen aus zwei Gründen nicht vor.

aa) Hinsichtlich der Ablehnung der Erteilung einer Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige nach Art. 15 DSGVO hat der Kläger zu 3. die gesetzli­che Klagefrist nicht gewahrt.

aaa) Das FA hat die ‑‑auch vom Kläger zu 3. für sich selbst beantragte‑‑ Ertei­lung einer Auskunft zum Inhalt der anonymen Anzeige mit Bescheid vom 12.07.2023 abgelehnt. Statthafte Klageart für die Geltendmachung eines ge­gen eine Finanzbehörde gerichteten Anspruchs aus Art. 15 DSGVO ist die Ver­pflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO. Denn die erstrebte Er­teilung einer datenschutzrechtlichen Auskunft ist als Verwaltungsakt im Sinne von § 118 Satz 1 AO anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 06.05.2025 ‑ IX R 2/23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 11 ff., m.w.N.). Ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren (Vorverfahren) ist insoweit nach § 32i Abs. 9 Satz 1 AO ausgeschlossen. Demzufolge ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung über die Ab­lehnung der datenschutzrechtlichen Auskunft zu erheben (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGO).

bbb) Der Kläger zu 3. hat erst durch seine dem FG am 20.09.2023 zugegan­gene Erklärung, ihn "als weiteren Kläger aufzunehmen", gegen die auch ihn betreffende ‑‑mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene‑‑ Ent­scheidung vom 12.07.2023 und damit außerhalb der Frist des § 47 Abs. 1 FGO Klage erhoben. Die fristgerechte Klageerhebung durch die Klägerinnen zu 1. und 2. vermochte die vom Kläger zu 3. selbst zu achtende Frist nicht zu wah­ren.

Insoweit ist unerheblich, dass das FA am 08.03.2024 einen neuen Ableh­nungsbescheid erlassen hat. Jener Bescheid ersetzte lediglich den bisherigen Bescheid vom 12.07.2023 und trat damit an dessen Stelle (§ 68 Satz 1 FGO). Eine Heilung der Fristversäumnis geht hiermit nicht einher (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.12.2008 ‑ I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, unter II.2.d bb, und BFH-Beschluss vom 31.01.2008 ‑ IV B 153/06, BFH/NV 2008, 1135, unter 2.b, jeweils m.w.N.).

bb) Soweit sich der Kläger zu 3. auch gegen die Ablehnung der Einsichtnahme in die Verfahrensakten wendet, ist seine Klage nicht verfristet. Denn den Ab­lehnungsbescheiden vom 27.06.2023 und 24.07.2023 fehlt jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung, sodass die Jahresfrist des § 55 FGO zur Anwendung kommt. Allerdings liegt keine Beschwer des Klägers im Sinne von § 40 Abs. 2 FGO vor.

aaa) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. § 40 Abs. 2 FGO macht die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich davon abhängig, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht (vgl. Senatsurteile vom 12.11.2024 ‑ IX R 20/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 24, sowie vom 06.05.2025 ‑ IX R 2/23, Rz 23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Dies setzt zwingend voraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts oder die bestimmte Handlung der Behörde vor Klageerhe­bung beantragt wurde. Die Beschwer muss als Sachurteilsvoraussetzung schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein (Senatsurteil vom 08.04.2025 ‑ IX R 8/24, Rz 24).

Prozessökonomische Erwägungen lassen nur dann das Erfordernis des vorheri­gen Antrags bei der Behörde entfallen, wenn das Beharren auf einer Vorbefas­sung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 06.05.2025 ‑ IX R 2/23, zur amt­lichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 26, m.w.N.).

bbb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen fehlt es in Bezug auf das mit Schreiben vom 20.06.2023 und 06.07.2023 jeweils geltend gemachte Recht auf Akten­einsicht für den Kläger zu 3. an den Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 FGO.

Der Kläger zu 3. hat sich insoweit nicht aus eigenem Recht vor Klageerhebung an das FA gewandt. Lediglich die Klägerin zu 1. hat beim FA Akteneinsicht be­antragt. Insoweit hat der Kläger zu 3. ausdrücklich erklärt, dass er ‑‑ebenso wie die Klägerin zu 2.‑‑ mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Klägerin zu 1. beauftragt sei. Beide Schreiben sind unter Verwendung des Briefbogens der Kanzlei der Klägerin zu 2. und des Klägers zu 3. verfasst worden. Ausweislich des Betreffs sind die Schreiben jeweils im Zuge der Streitigkeiten zwischen der Klägerin zu 1. und dem FA unter Nennung de­ren Steuernummer ergangen.

Eine Beschwer kann auch nicht mit der Zustimmung des FA zur Sprungklage begründet werden. Diese macht lediglich das außergerichtliche Rechtsbehelfs­verfahren als Sachurteilsvoraussetzung entbehrlich (vgl. § 45 Abs. 1 FGO). Über eine fehlende generelle Vorbefassung der Behörde hilft die Sprungklage hingegen nicht hinweg.

Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das FA dem Kläger zu 3. gegenüber vor Klageerhebung zum Ausdruck gebracht hat, sein Begehren auf Akteneinsicht nicht erfüllen zu wollen.

c) Es bedarf daher keiner Entscheidung des Senats, ob der Kläger zu 3. in der Sache aus eigenem Recht einen Anspruch auf Einsichtnahme in die die Kläge­rin zu 1. betreffenden Verwaltungsvorgänge zur Kassen-Nachschau überhaupt hätte geltend machen können.

3. Die vorgenannten Ausführungen gelten sinngemäß, soweit sich die Klägerin zu 2. mit ihrer Klage gegen die gegenüber der Klägerin zu 1. verfügte Ableh­nung der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge wendet.

4. Das FG hat frei von Rechtsfehlern erkannt, dass der Klägerin zu 1. kein An­spruch zusteht, Kenntnis vom Inhalt der anonymen Anzeige auf Grundlage eines Akteneinsichtsrechts zu erlangen.

a) Einem Revisionserfolg stehen insoweit keine prozessualen Erwägungen ent­gegen.

Die Ablehnungsbescheide vom 27.06.2023 und 24.07.2023 sind mit Schreiben vom 24.08.2023 zulässigerweise durch eine Klageänderung gemäß § 67 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO in das finanzgerichtliche Klageverfahren eingeführt worden; die Sachurteilsvoraussetzungen lagen vor. Unerheblich ist, dass das FA nicht abschlägig über die gegen beide Bescheide eingelegten Einsprüche entschie­den hat. Zwar setzt eine gerichtliche Sachentscheidung in Fällen, in denen ‑‑wie vorliegend‑‑ ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, grundsätz­lich voraus, dass das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist (§ 44 Abs. 1 FGO). Allerdings ent­pflichtet eine wirksam erhobene Sprungklage gemäß § 45 FGO vom Erforder­nis des Abschlusses eines Vorverfahrens (vgl. § 44 Abs. 1 FGO).

aa) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entschei­den hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Zweck der Norm ist es insoweit, das Vorverfahren ent­behrlich zu machen, wenn von diesem eine Förderung des Verfahrens nicht mehr zu erwarten ist. Eine Sprungklage kann deshalb nicht neben einem Ein­spruch erhoben werden und umgekehrt; daher ist eine Sprungklage neben einem bereits zuvor eingelegten Einspruch zum selben Streitgegenstand unzu­lässig und umgekehrt. Allerdings besteht innerhalb der jeweiligen Einspruchs- oder Klagefrist die Möglichkeit, den Charakter des zuvor erhobenen zulässigen Rechtsbehelfs zu ändern und insoweit entweder von einer Sprungklage zu ei­nem Einspruch oder umgekehrt von einem Einspruch zu einer Sprungklage zu wechseln. Daher ist anerkannt, dass auch nach Einlegung eines Einspruchs innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eine Sprungklage erhoben werden kann und sich die Klageerhebung dann als Umwandlung des Einspruchs in eine Klage darstellt (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 08.11.2016 ‑ I R 1/15, BFHE 256, 195, BStBl II 2017, 720, Rz 10 f., m.w.N.).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin zu 1. prozessual wirksam Sprungklage gegen die Ablehnungsbescheide vom 27.06.2023 und 24.07.2023 erhoben. Die zuvor eingelegten Einsprüche wurden innerhalb der ‑‑nach § 55 Abs. 2 FGO zu bestimmenden‑‑ Klagefrist in eine Sprungklage umgewandelt. Das FA hat der Sprungklage nach Zugang des Schreibens vom 24.08.2023 in­nerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO, nämlich am 11.09.2023, zugestimmt.

b) Allerdings hat das Revisionsbegehren der Klägerin zu 1. in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung verletzt kein Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin zu 1. kein An­spruch zusteht, Einsicht in die für sie beim FA geführten Verwaltungsvorgänge zu nehmen, um auf diese Weise Kenntnis vom Inhalt der anonymen Anzeige zu erlangen.

aa) Die Abgabenordnung enthält keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Ein während eines Verwaltungsverfahrens um Aktenein­sicht nachsuchender Steuerpflichtiger hat aber Anspruch auf eine pflichtgemä­ße Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Denn die Behörde ist nicht ge­hindert, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren. Grundlage dieses An­spruchs ist das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (ständige Recht­sprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 07.05.2024 ‑ IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14, m.w.N.).

aaa) Die Ausübung der behördlichen Ermessensentscheidung unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Nach § 102 Satz 1 FGO ist die Überprüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr einge­räumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechen­den Weise Gebrauch gemacht hat. Ein eigenes Urteil, ob eine andere Entschei­dung sachgerechter oder zweckmäßiger gewesen wäre, steht dem Gericht nicht zu (BFH-Urteil vom 22.10.2024 ‑ VIII R 18/21, zur amtlichen Veröffentli­chung bestimmt, BStBl II 2025, 108, Rz 16, m.w.N.). Wegen der beschränkten Prüfungskompetenz kann das FG die Behörde nur dann nach § 101 Satz 1 FGO zum Erlass einer bestimmten Entscheidung verpflichten, wenn der Ermessens­spielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, sogenannte Ermessensreduzierung auf Null (vgl. BFH-Urteil vom 23.09.2009 ‑ XI R 56/07, BFH/NV 2010, 12, un­ter II.1.).

bbb) Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen einer Ent­scheidung über den Antrag auf Einsicht in Steuerakten oder auf Auskunftser­teilung über Bestandteile von Steuerakten ist die Wahrung des Steuergeheim­nisses gemäß § 30 Abs. 1 AO zu berücksichtigen. Dem Steuergeheimnis unter­liegt auch die Identität eines Anzeigeerstatters (BFH-Beschluss vom 07.12.2006 ‑ V B 163/05, BFHE 216, 15, BStBl II 2007, 275, unter II.2.b, m.w.N.). Gleiches gilt für den Inhalt der Anzeige (vgl. BFH-Beschluss vom 28.12.2006 ‑ VII B 44/03, BFH/NV 2007, 853, unter II.3.). Die Rechtspre­chung begründet dies mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Anzeigeerstatters (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1994 ‑ VII R 88/92, BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552, unter II.2.b aa) sowie dem Zweck des § 30 AO, die Steuerquellen möglichst vollständig zu erschließen und die Auskunftsbe­reitschaft Dritter zu erhalten (vgl. BFH-Beschluss vom 07.12.2006 ‑ V B 163/05, BFHE 216, 15, BStBl II 2007, 275, unter II.2.b; s.a. Klein/Maetz, AO, 18. Aufl., § 30 Rz 46).

Gerade wegen der Beachtung des Steuergeheimnisses ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Ablehnung einer Akteneinsicht nicht fehlerhaft ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO zuläs­sig wäre. Denn in den dort geregelten Fällen ist die Behörde nur zur Offenba­rung befugt, nicht aber verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 07.05.1985 ‑ VII R 25/82, BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571, unter 2.).

Ausnahmsweise kann sich eine Verpflichtung der Behörde zur Offenbarung er­geben, wenn der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angezeig­ten dies gebietet. Insoweit ist zwischen dem durch § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO ge­schützten Interesse des Anzeigeerstatters an der Wahrung des Steuergeheim­nisses und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Angezeigten abzuwägen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.12.2006 ‑ VII B 44/03, BFH/NV 2007, 853, unter II.3.). In den Abwägungsprozess einzubeziehen sind auch die Belange der Fi­nanzbehörde (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 04.06.2003 ‑ VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II.2.a, m.w.N.). Demnach kann das Offenbarungsinteresse des Angezeigten überwiegen, wenn er in Folge einer anonymen Anzeige zu Unrecht strafrechtlichen Ermittlungstätigkeiten ausge­setzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1994 ‑ VII R 88/92, BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552, unter II.2.b bb). Dagegen kommt dem Informantenschutz höheres Gewicht als dem Persönlichkeitsrecht des Angezeigten zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend er­weisen und zu Steuernachforderungen führen (vgl. BFH-Beschluss vom 07.12.2006 ‑ V B 163/05, BFHE 216, 15, BStBl II 2007, 275, unter II.2.b, m.w.N.).

ccc) Maßgeblich für die Ermessensabwägung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Regelmäßig kommt es daher auf den Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung an. Ist die Durchführung eines Vorverfahrens ‑‑wie vorliegend wegen § 45 Abs. 1 FGO‑‑ nicht erforderlich, ist der Zeitpunkt der ursprünglichen Entschei­dung der Behörde maßgeblich. Hat die Behörde nach Klageerhebung einen ge­änderten Bescheid erlassen, der ‑‑wie hier‑‑ gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Ge­genstand des Klageverfahrens geworden ist (zur sinngemäßen Anwendung der Norm im Fall einer Verpflichtungsklage vgl. Krumm in Tipke/Kruse, § 68 FGO Rz 5, m.w.N.), ist für die gerichtliche Kontrolle auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Bescheids abzustellen (BFH-Urteil vom 12.05.2016 ‑ II R 17/14, BFHE 253, 505, BStBl II 2016, 822, Rz 19).

bb) Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht nicht in Frage gestellt, dass das Akteneinsichtsrecht auch seit Einführung des datenschutzrechtlichen Aus­kunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO weiterhin als Ermessenstatbestand ausgestaltet ist. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass das Akteneinsichtsrecht ein Aliud zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 14.01.2025 ‑ IX R 25/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 46). Inwieweit ein Anspruch auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten besteht, ist damit für einen An­spruch auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige auf der Grundlage eines Rechts zur Akteneinsicht ohne Bedeutung. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang erheblich, ob § 32c Abs. 1 AO den Anforderungen des Art. 23 DSGVO genügt; dieser Ausschlusstatbestand betrifft nur den Auskunftsan­spruch nach Art. 15 DSGVO. Der Einwand der Klägerin zu 1., die Datenschutz-Grundverordnung "überlagere" die Abgabenordnung, ist jedenfalls in diesem Kontext unzutreffend.

cc) Die Entscheidung der Vorinstanz, das FA habe die begehrte Akteneinsicht ermessensfehlerfrei abgelehnt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aaa) Das FA hat das Interesse der Klägerin zu 1. an einer Offenbarung des Inhalts der anonymen Anzeige und das hiermit kollidierende Geheimhaltungs­interesse des Anzeigeerstatters und der Finanzbehörde gegeneinander abge­wogen und mit in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen Letz­terem den Vorrang eingeräumt. Es hat hierbei insbesondere das Argument der Klägerin zu 1. berücksichtigt, bereits mehrfach Opfer anonymer Anzeigen ge­worden zu sein und die zivil- und/oder strafrechtliche Verfolgung unwahrer Tatsachenbehauptungen deshalb eine Identitätsfeststellung erfordere. Diesem Interesse hat das FA den Schutz des Vertrauens des Anzeigeerstatters in die Amtsverschwiegenheit gegenübergestellt und hervorgehoben, dass dieser Schutz in Besonderem gelte, falls die Anzeige zur Vermeidung persönlicher Nachteile ‑‑wie hier‑‑ anonym abgegeben werde, im Fall der Preisgabe aber dennoch Rückschlüsse auf den Verfasser möglich seien. Gegen das Offenba­rungsinteresse streitet darüber hinaus ‑‑wie das FA zu Recht erwogen hat‑‑ das Interesse der Finanzbehörden an einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung, zu dessen Erfüllung die Finanzämter auf die Ermittlung von "In­sider-Kenntnissen" angewiesen sind. Diese Erkenntnisquelle würde versiegen, wenn der Anzeigeerstatter mit einer Preisgabe an den Angezeigten rechnen müsste.

bbb) Frei von Ermessensfehlern hat das FA im Zuge des Abwägungsprozesses insbesondere auch angeführt, dass die anonyme Anzeige bei der Klägerin zu 1. keinen unmittelbaren Nachteil oder steuerlichen Schaden hervorgerufen hat. Nach den Feststellungen des FG war die Anzeige kein Anlass, gegen die Kläge­rin zu 1. beziehungsweise deren Verantwortliche strafrechtliche Ermittlungs­maßnahmen einzuleiten. Zudem fehlen Feststellungen der Vorinstanz, dass der Inhalt der Anzeige und die aus der nachfolgenden Kassen-Nachschau gewon­nenen Erkenntnisse bislang zu Steuernachforderungen geführt hätten. Dass die Anzeige die Durchführung einer Kassen-Nachschau ausgelöst hat, war von der Klägerin zu 1. ‑‑wie das FA und das FG zutreffend gewertet haben‑‑ hin­zunehmen. Die Kassen-Nachschau nach § 146b AO bedarf keines konkreten Anlasses (vgl. Bleschick, Der Betrieb 2018, 2390, 2392) und ist anders als ein durch eine Anzeige eingeleitetes (steuer‑)strafrechtliches Ermittlungsverfahren mit kei­nem Unwerturteil gegenüber dem betroffenen Betrieb verbunden.

ccc) Inwieweit die Klägerin zu 2. und der Kläger zu 3. infolge der anonymen Anzeige in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt worden sein sollen, ist hinsichtlich des (allein) durch die Klägerin zu 1. geltend gemachten Anspruchs auf Akteneinsicht nicht von Bedeutung und kann daher offenblei­ben. Die Klägerin zu 1. kann eine solche Beeinträchtigung jedenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen.

ddd) Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten einer Offenbarung der anonymen Anzeige bestehen nicht. Für den von der Klägerin zu 1. insoweit angeführten Umstand, die Anzeige enthalte willentlich gesetzte Falschbehauptungen, fehlen Feststellungen der Vorinstanz. Dieser Einwand widerspricht auch den vom FA angeführten Erkenntnissen aus der Kassen-Nachschau, denen zufolge zumindest formale Kassenführungs- und Aufzeich­nungsmängel vorgelegen haben. Ob diese ‑‑von der Klägerin zu 1. in Streit gestellten‑‑ Erkenntnisse auf die anonyme Anzeige zurückzuführen waren, be­durfte keiner Sachaufklärung durch das FG. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre hieraus nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass die Anzeige bewusst wahrheitswidrig verfasst worden wäre. Aus diesem Grund sind auch die von der Klägerin zu 1. betonten Begleitumstände der Kassen-Nachschau (betroffener Zeitraum, Kassenstandort, Befragung durch Bediens­tete des FA) für die hier maßgebliche Interessenabwägung ohne Relevanz.

5. Das FG hat zutreffend verneint, dass der Klägerin zu 1. ein datenschutz­rechtlicher Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO zusteht. Der in Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 DSGVO formulierte Anwendungsbereich für einen Auskunfts­anspruch ist für die die Klägerin zu 1. betreffende anonyme Anzeige zwar er­öffnet (dazu unter a). Allerdings ist jener Anspruch nach Art. 23 DSGVO i.V.m. § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen (dazu unter b). Ein Anspruch auf Übersendung einer Kopie der anonymen Anzeige besteht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht (dazu unter c).

a) Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 DSGVO, der nach § 2a Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO sinngemäß auch für Personenhandelsgesellschaften gilt, ge­währt der betroffenen Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Be­stätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die näher in Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 Buchst. a bis h DSGVO bezeichneten Informationen.

aa) Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identi­fizierte oder identifizierbare natürliche Person (bzw. Personenvereinigung im Sinne von § 2a Abs. 5 Nr. 2 AO) beziehen (Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO).

Der Begriff "personenbezogene Daten" ist weit zu verstehen (vgl. Senatsurteil vom 08.04.2025 ‑ IX R 22/22, Rz 21, m.w.N.). Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraus­setzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer be­stimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH-Urteil Österreichische Datenschutz­behörde vom 04.05.2023 ‑ C‑487/21, EU:C:2023:369, Rz 23 f.; Urteile des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 22.02.2022 ‑ VI ZR 14/21, Rz 11, sowie vom 06.02.2024 ‑ VI ZR 15/23, Rz 7).

Personenbezogene Daten, die Bestandteil von Steuerakten der Finanzverwal­tung sind, dort also im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO erfasst, geordnet und/oder gespeichert werden, unterfallen dem Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO (vgl. hierzu Senatsurteile vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 18, 25, sowie vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 16). Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO sind ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Informa­tion bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben ge­mäß geäußert hat (vgl. BGH-Urteile vom 27.09.2023 ‑ IV ZR 177/22, Rz 48, sowie vom 06.02.2024 ‑ VI ZR 15/23, Rz 8).

bb) Hieran anknüpfend, ist ein an den Datenverantwortlichen gerichtetes Schreiben, das eine anonyme Anzeige zum Gegenstand hat, in Gänze jeden­falls als personenbezogene Information des Verfassers der Anzeige zu werten. Es wird als solches aber nicht ohne Weiteres zu einer personenbezogenen In­formation desjenigen, der über den Inhalt der Anzeige Auskunft verlangt. Nur falls die Anzeige ‑‑was allerdings der Regelfall sein dürfte‑‑ Informationen be­inhaltet, die den Auskunftsantragsteller persönlich betreffen, liegen insoweit für ihn personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO vor, die grundsätzlich dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO unterliegen.

cc) Nach diesen Grundsätzen steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, dass die anonyme Anzeige Informationen enthalten kann, die die Kläge­rin zu 1. persönlich betreffen können. Hierfür spricht insbesondere, dass die Anzeige für das FA Anlass war, bei der Klägerin zu 1. eine Kassen-Nachschau durchzuführen, um somit die offenbar durch den Anzeigeerstatter in Zweifel gezogene Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung und der Aufzeichnungen zu überprüfen.

aaa) Unerheblich für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ist, dass die in der anonymen Anzeige enthaltenen personenbezoge­nen Daten ohne Aufforderung des FA durch einen Dritten ‑‑den Anzeigeerstat­ter‑‑ an die Behörde herangetragen wurden, diese sich die Daten also nicht aktiv beschafft hat. Vielmehr genügt es für die Auskunftspflicht, dass der Ver­antwortliche die von Dritten auf deren eigene Initiative spontan übermittelten Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet hat (zutreffend BGH-Urteil vom 22.02.2022 ‑ VI ZR 14/21, Rz 13, m.w.N.). Dies ist im Streitfall durch die Veraktung der anonymen Anzeige der Fall.

bbb) Einem Auskunftsrecht kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin zu 1. mit ihrem auf Art. 15 DSGVO gestützten Begehren ersicht­lich keine datenschutzrelevanten Gründe verfolgt, sondern erwägt, gegen den Anzeigeerstatter zivilrechtliche und/oder strafrechtliche Schritte anzustrengen. Der Antragsteller muss seinen Antrag nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht be­gründen, was zugleich bedeutet, dass er auch nicht zurückgewiesen werden kann, wenn mit ihm ein anderer Zweck verfolgt wird als der, von der Verarbei­tung Kenntnis zu nehmen und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen (vgl. Se­natsurteil vom 07.05.2024 ‑ IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung be­stimmt, Rz 24, m.w.N.).

b) Das FG hat mit zutreffenden Erwägungen auch entschieden, dass der Aus­kunftsanspruch der Klägerin zu 1. nach Maßgabe von § 32c Abs. 1 AO, der uni­onsrechtlichen Vorgaben entspricht (dazu unter aa), und den hierauf Bezug nehmenden Tatbeständen des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO (dazu unter bb) sowie des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (dazu unter cc) ausge­schlossen ist.

aa) Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO besteht nach § 32c Abs. 1 AO nicht, soweit die betroffene Person nach § 32a Abs. 1 AO oder nach § 32b Abs. 1 oder Abs. 2 AO nicht zu informieren ist. Dieser Ausschlusstatbestand beruht auf Art. 23 DSGVO, der unter den dort genannten weiteren Vorausset­zungen bestimmt, dass durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitglied­staaten Pflichten und Rechte gemäß Art. 12 bis 22 DSGVO be­schränkt werden können, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und entweder den Schutz der be­troffenen Person oder die Rechte und Freiheiten anderer Personen sicherstellt.

aaa) § 32c Abs. 1 AO regelt bereichsspezifisch für die Steuerverwaltung, unter welchen Voraussetzungen ein Auskunftsrecht gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Art. 15 DSGVO nicht besteht (vgl. BTDrucks 18/12611, S. 74, 85, 87; Senatsurteil vom 07.05.2024 ‑ IX R 21/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 26).

§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO, auf den § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO Bezug nimmt, bestimmt, dass die Pflicht der Finanzbehörde zur Information der be­troffenen Person gemäß Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 DSGVO nicht besteht, soweit die Erteilung der Information die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zu­ständigkeit der Finanzbehörden oder anderer öffentlicher Stellen liegenden Aufgaben im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. d bis h DSGVO gefährden würde und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationsertei­lung zurücktreten muss. § 32b Abs. 1 Satz 2 AO erklärt die Vorschrift des § 32a Abs. 2 AO für entsprechend anwendbar. Dort ist festgelegt, unter wel­chen Voraussetzungen von einer Gefährdung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörden ausgegangen werden kann.

§ 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO schließt darüber hinaus den Auskunftsanspruch aus, wenn die Daten, ihre Herkunft, ihre Empfänger oder die Tatsache ihrer Verarbeitung nach § 30 AO oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen überwiegender berechtigter Interessen Dritter im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO, geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss.

bbb) Diese ‑‑auf nationaler Gesetzgebung beruhende‑‑ Beschränkung des Auskunftsanspruchs ist mit den in Art. 23 DSGVO geregelten unionsrechtlichen Anforderungen vereinbar (vgl. hierzu bereits BFH-Urteil vom 17.11.2021 ‑ II R 43/19, BFHE 274, 496, BStBl II 2022, 427, Rz 26 ff.).

(1) Dies gilt zunächst für die abschließend in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis j DSGVO angeführten zulässigen Beschränkungszwecke.

Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO lässt die Beschränkung des Auskunftsan­spruchs zur Sicherstellung des Schutzes (sonstiger) wichtiger Ziele des allge­meinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, insbeson­dere eines wichtigen wirtschaftlichen oder finanziellen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats, etwa im Währungs‑, Haushalts- und Steuerbereich sowie im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der sozialen Sicherheit, zu. Diesen Zweck greift § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO auf. Denn die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung von Steu­ern nach Maßgabe der Gesetze (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 85 Satz 1 AO) ge­hört zu den von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DSGVO gedeckten, im allgemeinen öffentlichen Interesse liegenden Kernaufgaben (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 29, 41).

Soweit der im vorliegenden Kontext ebenfalls relevante Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO den Schutz der betroffenen Person oder den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen als Zweck für die Beschränkung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs benennt, hat der nationale Ge­setzgeber eine hieran anknüpfende Beschränkungsmöglichkeit mit § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO umgesetzt.

(2) Die vorgenannten nationalen Tatbestände achten das in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannte Prinzip der Erforderlichkeit ("notwendig") und den Verhält­nismäßigkeitsgrundsatz (vgl. auch BFH-Urteil vom 17.11.2021 ‑ II R 43/19, BFHE 274, 496, BStBl II 2022, 427, Rz 33). Ersteres ergibt sich daraus, dass der Ausschluss des Auskunftsanspruchs in § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO nicht in Gän­ze, sondern nur in dem Umfang angeordnet ist, der für die Sicherstellung der in § 32b Abs. 1 AO genannten Zwecke nötig ist ("soweit"). Der Verhältnismä­ßigkeitsgrundsatz wird durch die in § 32b Abs. 1 Satz 1 AO kodifizierte Inte­ressenabwägung ausreichend berücksichtigt.

(3) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die in § 32c Abs. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 AO geregelten Ausschlusstatbestände den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten nicht achten würden (vgl. Art. 23 Abs. 1 DSGVO).

Das Recht jeder Person, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken, ist in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) im Rahmen des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten verbürgt. Es dient dem Zweck, dass sich die betroffene Person der Verarbeitung der sie betref­fenden Daten bewusst wird und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. BGH-Urteil vom 22.02.2022 ‑ VI ZR 14/21, Rz 24, m.w.N.). Der Wesensgehalt dieses Rechts (vgl. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh) wird durch den Aus­schluss des Auskunftsanspruchs in den in § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO geregelten Fällen aber nicht berührt. Vielmehr steht der Ausschluss unter der Bedingung des im Rahmen eines Abwägungsprozesses gewonnenen Vorrangs anderer gewichtiger ‑‑von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis j DSGVO gedeckter‑‑ Rechte und Rechtsgüter. Hiermit ist der Achtung der Wesensgehaltsgarantie Genüge getan (vgl. Kühling/Buchner/Bäcker, 4. Aufl., DS‑GVO, Art. 23 Rz 57, m.w.N.).

(4) Die in Art. 23 Abs. 2 DSGVO aufgeführten zusätzlichen Anforderungen an den Inhalt von Beschränkungsmaßnahmen hat der nationale Gesetzgeber hin­reichend beachtet.

Art. 23 Abs. 2 DSGVO gibt vor, dass jede Gesetzgebungsmaßnahme zur Be­schränkung des Auskunftsanspruchs "insbesondere gegebenenfalls spezifische Vorschriften" in Bezug auf die in Abs. 2 Buchst. a bis h genannten Anforderun­gen enthalten muss. Durch den Einschub "gegebenenfalls" gelten diese Anfor­derungen allerdings nur, soweit sie sich für die konkrete Regelungssituation als relevant erweisen (vgl. Paal in Paal/Pauly, DS‑GVO, 3. Aufl., Art. 23 Rz 44, m.w.N.). Die Regelung muss in jedem Fall hinreichend klar erkennen lassen, auf welche Verarbeitungen sich die Beschränkung bezieht (vgl. Kühling/Buchner/Bäcker, 4. Aufl., DS‑GVO, Art. 23 Rz 43).

Diesen Anforderungen werden § 32c i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 AO gerecht. Die Normen zeigen insbesondere auf, welches Betroffenenrecht ‑‑nämlich der Auskunftsanspruch‑‑ beschränkt wird (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DSGVO), welche Datenverarbeitungen die Beschrän­kung erfasst (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DSGVO) und welchem Ziel die Be­schränkung dient (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DSGVO), nämlich dem Schutz der in § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 AO genannten Aufgaben­erfüllung und Rechte. Die nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. e DSGVO erforderlichen Angaben zum Verantwortlichen finden sich in § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO selbst (Fi­nanzbehörde).

Auch die von der Klägerin zu 1. vermissten Garantien gegen Missbrauch oder gegen unrechtmäßigen Zugang oder unrechtmäßige Übermittlung (Art. 23 Abs. 2 Buchst. d DSGVO) werden in den nationalen Beschränkungsnormen abgebildet. Dieses Erfordernis soll die durch die Beschränkung des Auskunfts­anspruchs eintretenden Risiken der betroffenen Person in Bezug auf die Ver­wendung ihrer Daten kompensieren (vgl. Gola/Heckmann/Gola, DS‑GVO, 3. Aufl., Art. 23 Rz 20).

Eine solche Garantie beziehungsweise Schutzvorkehrung hat der Gesetzgeber mit § 32c Abs. 4 Satz 1 AO geschaffen (vgl. bereits BFH-Urteil vom 17.11.2021 ‑ II R 43/19, BFHE 274, 496, BStBl II 2022, 427, Rz 37). Die Vor­schrift regelt, dass die Finanzbehörde bei Ablehnung der Erteilung einer Aus­kunft nach Art. 15 DSGVO ihre Entscheidung der betroffenen Person gegen­über zu begründen hat. Diese Pflicht stellt nach zutreffender Einschätzung des nationalen Gesetzgebers eine Maßnahme unter anderem zum Schutz der Rechte gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. d DSGVO dar. Denn hierdurch wird die betroffene Person in die Lage versetzt, die Ablehnung der Auskunftserteilung nachzuvollziehen und gegebenenfalls durch die oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit prüfen zu lassen (BTDrucks 18/12611, S. 88; Drüen in Tipke/Kruse, § 32c AO Rz 23). Die Einrichtung ei­ner solchen unabhängigen Kontrollstelle bei der Ablehnung von Auskünften genügt als Schutzvorkehrung im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Buchst. d DSGVO (vgl. insoweit auch Dix in Simitis/Hornung/Spiecker, gen. Döhlmann, Daten­schutzrecht, 2. Aufl., Art. 23 DSGVO Rz 43; Kühling/Buchner/Bäcker, 4. Aufl., DS‑GVO Art. 23 Rz 52). Regelungen zum Umgang mit willentlichen Falschbe­hauptungen von (anonymen) Anzeigeerstattern ‑‑vergleichbar zu § 9 Abs. 1 des Hinweisgeberschutzgesetzes‑‑ bedarf es nicht. Die Schutzbedürftigkeit des von einer solchen Anzeige Betroffenen wird im Rahmen der nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 AO erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen ausreichend berücksichtigt.

bb) Dies vorangestellt, hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass das FA nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO keine Auskunft nach Art. 15 DSGVO geben musste.

Die ordnungsgemäße Erfüllung der in § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO genannten Aufgaben der Finanzbehörden (vgl. Senatsurteil vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 29, 41) würde im Sinne von § 32b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32a Abs. 2 AO gefährdet, falls die Behörde ge­genüber dem betroffenen Steuerpflichtigen nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 DSGVO verpflichtet wäre, Auskunft über die Person des Anzeigeerstatters und/oder über die personenbezogenen Daten in der Anzeige zu informieren. Die Erwägung der Vorinstanz, dass die Finanzbehörde ohne Informationen Dritter in einer Vielzahl von Fällen ohne Kenntnis über besteuerungsrelevante Sachverhalte bliebe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Einschätzung, dass bei einer auf Art. 15 DSGVO gestützten Offenba­rungspflicht die Bereitschaft Dritter, auf solche Sachverhalte aufmerksam zu machen, spürbar zurückgehen und damit die Aufdeckung steuerlich bedeut­samer Sachverhalte wesentlich erschwert würde.

Das Informationsinteresse der Klägerin zu 1. muss im vorliegenden Einzelfall gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des FA zurücktreten. Auch im daten­schutzrechtlichen Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die anonyme Anzeige für die Klägerin zu 1. weder strafrechtliche noch bislang feststellbare finanzielle Nachteile in Form von steuerlichen Nacherhebungen mit sich zog. Soweit die Klägerin zu 1. vorbringt, dass dies nicht gelten könne, wenn die anonyme Anzeige willentliche Falschbehauptungen enthalte, bedarf dies keiner Entscheidung des Senats, da es an entsprechenden tatsächlichen Feststellun­gen der Vorinstanz fehlt.

cc) Darüber hinaus ist der Auskunftsanspruch der Klägerin zu 1. nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen.

Das FG hat nach einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen­den Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Klägerin zu 1. und dem Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters zutreffend eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO versagt. Sowohl die Identität des Anzeigeerstatters als auch der Inhalt seiner Anzeige unterliegen nach den oben genannten Ausfüh­rungen dem Geheimnisschutz nach § 30 AO. Dieser Schutz ist im Streitfall ins­besondere deshalb stark ausgeprägt, weil die Klägerin zu 1. ihr Auskunftsbe­gehren vornehmlich deshalb verfolgt, um den Anzeigeerstatter zu identifizie­ren. Die Interessenabwägung geht ‑‑wie der Anspruch auf Akteneinsicht‑‑ zu Lasten der Klägerin zu 1. aus. Das tragende Argument der Vorinstanz, der Klägerin zu 1. seien infolge der anonymen Anzeige keine schwerwiegenden, höher als das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters zu wertende Nachteile entstanden, enthält keine Rechtsfehler. Willentliche Falschbehaup­tungen des Anzeigeerstatters, die das Geheimhaltungsinteresse geringer ge­wichten könnten (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 22.02.2022 ‑ VI ZR 14/21, Rz 26), hat die Vorinstanz nicht festgestellt.

c) Ist nach alledem ein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ge­setzlich ausgeschlossen, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob der Klägerin zu 1. nach Maßgabe der Grundsätze der Senatsrechtsprechung zu Art. 15 Abs. 3 DSGVO ausnahmsweise ein Anspruch zusteht, die Auskunft durch die Übersendung einer Kopie von Dokumenten, in denen personenbezogene Daten enthalten sind, erfüllt zu bekommen. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO beinhaltet keinen gegenüber Art. 15 Abs. 1 DSGVO eigenständigen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Zurverfügungstellung von Dokumenten mit personenbe­zogenen Daten (hierzu grundlegend Senatsurteil vom 12.03.2024 ‑ IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 26 ff., m.w.N.).

6. Aus den vorgenannten Gründen bleibt auch die den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch betreffende Revision der Klägerin zu 2. ohne Erfolg und ist daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

7. Die geltend gemachten Verfahrensfehler greifen nicht durch.

a) Der angeführte Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 119 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) wurde nicht hinreichend dar­gelegt.

Der Gehörsanspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entschei­dungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen (sogenannte Be­achtenspflicht). Jener Anspruch verpflichtet aber nicht, sich mit Ausführungen der Beteiligten auseinanderzusetzen, auf die es für die Entscheidung nicht an­kommt. Ebenso wenig besteht die Pflicht, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Der Gehörsanspruch ist erst verletzt, wenn das Gericht Vorbringen, auf das es ankommen kann, nicht nur nicht ausdrücklich bescheidet, sondern bei seiner Entscheidung überhaupt nicht berücksichtigt (Senatsurteil vom 05.09.2023 ‑ IX R 32/21, BFHE 281, 6, BStBl II 2024, 159, Rz 79, m.w.N.).

Bei Beachtung dieser Maßstäbe haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, aus welchem Grund eine Auseinandersetzung des FG mit den von den Klägern geschilderten Abläufen zur Kassen-Nachschau zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte führen können. Gegen eine Entscheidungserheblichkeit spricht insbesondere, dass das FG nicht von einer willentlich falschen Tatsa­chenbehauptung des Anzeigeerstatters ausgegangen ist und die Einwendun­gen gegen die Erkenntnisse aus der Kassen-Nachschau für unsubstantiiert hielt.

b) Aus diesem Grund greift auch der von den Klägern gerügte Sachaufklä­rungsmangel (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht durch. Zudem beanstanden die Kläger im Kern ihres Vorbringens die aus ihrer Sicht fehlerhafte Würdigung des FG, dass kein Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige bestehe, das heißt die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Eine ma­teriell-rechtlich fehlerhafte Rechtsanwendung ist kein Verfahrensfehler (statt vieler Senatsbeschluss vom 21.03.2017 ‑ IX B 132/16, Rz 2).

c) Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO ab.

8. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Ar­beitsweise der Europäischen Union bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht. Die Rechtslage ist eindeutig ("acte clair"; Beschluss des Bundesverfassungsge­richts vom 04.03.2021 ‑ 2 BvR 1161/19, Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 ‑ C‑283/81, EU:C:1982:335, Rz 16).

Der Senat sieht keine rechtlichen Anhaltspunkte dafür, dass die im Streitfall einschlägigen Ausschlusstatbestände des § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 AO mit Unionsrecht kollidieren. Die Vorgaben in Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO werden aus oben genannten Gründen offenkundig eingehalten. Der Einwand der Kläger, die nationalen Normen hielten keine spezifischen ‑‑ausdrücklichen‑‑ Regelungen für den Fall vor, dass eine gegen den Steuerpflichtigen gerichtete anonyme Anzeige wil­lentliche Falschbehauptungen des Anzeigeerstatters enthält, trifft ‑‑unbescha­det dessen fehlender Entscheidungserheblichkeit‑‑ zwar zu, wird vom Katalog des Art. 23 Abs. 2 DSGVO aber auch nicht gefordert. Art. 23 Abs. 2 Buchst. d DSGVO betrifft die Einrichtung von Schutzvorkehrungen gegen eine rechts­widrige Weiterverarbeitung von Daten (vgl. Kühling/Buchner/Bäcker, 4. Aufl., DS‑GVO Art. 23 Rz 52), nicht aber eine solche gegen eine rechtswidrige Be­hauptung falscher personenbezogener Informationen von dritter Seite. Die von den Klägern eingeforderte Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Amtsblatt der Europäischen Union 2019, Nr. L 305, 17, "Whistleblower-Richtlinie") steht ersichtlich in keinem unionsrechtlichen Kontext zur allein hier maßgeblichen Beschränkung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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