BFH: Keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb
Bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb ist für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG zu gewähren.
BFH-Urteil vom 27.9.2016, II R 37/13 (veröffentlicht am 21.12.2016)
ErbStG § 27
AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 65
Vorinstanz: Hessisches FG vom 3.7.2013, 1 K 608/10 (EFG 2013 S. 2035 = SIS 13 31 88)
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seiner am 20.1.2007 verstorbenen Mutter (M).
M hatte zusammen mit ihrer Tochter (T) bis zu deren Ableben am 29.10.2004 in der Republik Österreich (Österreich) gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) verlegt. Sie war Miterbin der T. Der Nachlass der T wurde von dem nach österreichischem Recht eingesetzten Gerichtskommissär erst nach dem Tod der M verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der M den auf diese entfallenden Anteil am Nachlass der T. Für den Vorerwerb der M wurde in Österreich Erbschaftsteuer in Höhe von 11.961,91 € festgesetzt und vom Kläger bezahlt.
Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach M die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für den Streitfall maßgebenden Fassung (ErbStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zog im Bescheid vom 28.10.2009 zwar die auf den Vorerwerb der M entfallende österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ab, lehnte aber eine Berücksichtigung der Steuerermäßigung i.S. des § 27 ErbStG ab. Der Einspruch, mit dem der Kläger eine Steuerermäßigung in Höhe von 4.785 € (= 40 % von 11.961,91 €) begehrte, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 ErbStG einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht vorliege. Der Vorerwerb der M im Oktober 2004 habe nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterlegen. Beim Ableben der T seien sie und M keine Inländer gewesen. Zum Nachlass der T habe auch kein Inlandsvermögen gehört. Die Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung verletze nicht die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 und Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 2035.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 27 ErbStG.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.1.2015 II R 37/13 (BFHE 248, 213, BStBl II 2015, 497) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 AEUV der Regelung des § 27 ErbStG entgegensteht. Der EuGH hat mit Urteil Feilen vom 30.6.2016 C-123/15 (EU:C:2016:496) die Frage verneint.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 28.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.2.2010 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer um 4.785 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG nicht zu gewähren ist.
1. Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag nach § 27 Abs. 1 ErbStG um einen im Einzelnen festgelegten Vomhundertsatz. Die Steuerermäßigung beläuft sich auf 40 %, wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer mehr als zwei Jahre, aber nicht mehr als drei Jahre liegen. Die Ermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in § 27 Abs. 1 ErbStG genannten Vomhundertsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat (§ 27 Abs. 3 ErbStG). Begünstigt sind Erwerbe durch Personen der Steuerklasse I; dazu zählen nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG die Kinder und nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 ErbStG die Eltern bei Erwerben von Todes wegen.
a) Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG voraus, dass für den Vorerwerb "nach diesem Gesetz" eine Steuer zu erheben war. Sie ist deshalb nicht zu gewähren, wenn für den Vorerwerb keine Erbschaftsteuer nach dem ErbStG, sondern eine Erbschaftsteuer nach ausländischem Recht festzusetzen war. Eine ausländische Steuer ist keine Steuer "nach diesem Gesetz" (Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 27 Rz 36; Jülicher in Troll/ Gebel/Jülicher, ErbStG, § 27 Rz 18).
b) § 27 Abs. 1 ErbStG ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erweiternd dahin auszulegen, dass diese Vorschrift auch Erwerbe erfasst, denen ein nach ausländischem Recht steuerpflichtiger Vorerwerb vorausgegangen ist. Der Grundgedanke des § 27 ErbStG besteht zwar darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % zu ermäßigen (BTDrucks 13/4839, S. 71). Diesen Grundgedanken hat der Gesetzgeber nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG aber dahin eingeschränkt, dass für den Vorerwerb eine Steuer nach dem ErbStG zu erheben war. Vorerwerbe, die nur im Ausland steuerpflichtig sind, führen nicht zu einer Minderung der Erbschaftsteuer für einen nachfolgenden, im Inland steuerpflichtigen Erwerb.
2. Die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV) steht diesem eingeschränkten Anwendungsbereich des § 27 ErbStG nicht entgegen (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496).
§ 27 ErbStG führt zwar zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S. von Art. 63 Abs. 1 AEUV (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 22). Diese Beschränkung ist aber durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 41). Die Ausgestaltung der Steuervergünstigung dahin, dass die Ermäßigung der Erbschaftsteuer Personen zugutekommt, denen von Todes wegen Vermögen anfällt, für das bei einem vorherigen Erbanfall eine solche Steuer in Deutschland erhoben wurde, folgt einer spiegelbildlichen Logik (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 33). Diese Logik wäre gestört, wenn dieser Steuervorteil auch Personen zugutekäme, die Vermögen erben, für das in Deutschland keine Erbschaftsteuer erhoben wurde. Folglich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem durch § 27 ErbStG zu gewährenden Steuervorteil und der früheren Besteuerung (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 34). Die Ermäßigung der Erbschaftsteuer, die prozentual nach dem Zeitraum zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuerpflicht berechnet wird und an die Bedingung geknüpft ist, dass für das Vermögen diese Steuer in den letzten zehn Jahren in Deutschland bereits erhoben wurde, ist geeignet, das Ziel von § 27 ErbStG zu erreichen, die Doppelbesteuerung von Vermögen teilweise zu vermeiden, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das von nahen Verwandten erworben wird und bereits früher besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 37). In Bezug auf dieses Ziel ist es auch verhältnismäßig, die Ermäßigung nur in den Fällen zu gewähren, in denen der Vorerwerb des Vermögens in Deutschland besteuert wurde (EuGH-Urteil Feilen, EU:C:2016:496, Rz 40).
3. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 27 ErbStG nicht erfüllt. Der Kläger erhielt zwar als Alleinerbe das Vermögen der M, das im Wesentlichen aus deren Anteil am Nachlass der T, also aus Auslandsvermögen bestand. Für den Vorerwerb der M aufgrund des Erbanfalls nach T wurde jedoch keine Erbschaftsteuer nach dem ErbStG festgesetzt, weil eine Steuerpflicht i.S. des § 2 Abs. 1 ErbStG nicht eingetreten war. Nach den Feststellungen des FG waren M und T zum Zeitpunkt des Ablebens der T keine Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Beide hatten ihren Wohnsitz in Österreich. Der Nachlass der T bestand nur aus Auslandsvermögen, so dass auch eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mangels eines Anfalls von Inlandsvermögen i.S. des § 121 des Bewertungsgesetzes nicht gegeben war.
Aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, dass sowohl M beim Vorerwerb im Jahr 2004 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 ErbStG als auch der Kläger beim Erwerb im Jahr 2007 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG zur Steuerklasse I gehörten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.
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