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BFH: Verzinsung von Stromsteuererstattungsansprüchen nach Unionsrecht

Ist ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht festgesetzter Stromsteuer nach Unionsrecht zu verzinsen, wenn der niedrigeren Festsetzung der Stromsteuer die fakultative Steuerermäßigung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 zugrunde lag und die zu hohe Steuerfestsetzung ausschließlich auf einem Fehler bei der Anwendung der nationalen Vorschrift, die zur Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 erlassen wurde, auf den Streitfall beruhte?

StromStG § 9 Abs. 3 i.d.F. vom 19.12.2008
RL 2003/96 Art. 17 Abs. 1 Buchst. a

BFH-Beschluss vom 19.11.2019, VII R 17/18 (veröffentlicht am 27.2.2020)

Vorinstanz: FG München vom 22.2.2018, 14 K 924/15

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, bezog aus dem Versorgungsnetz unversteuerten Wechselstrom und speiste diesen in Akkumulatoren ein. In ihrer Stromsteueranmeldung für das Jahr 2010 erklärte sie diese Strommenge als Eigenverbrauch und wählte den ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes in der Fassung (i.d.F.) vom 19.12.2008 (--StromStG--, Bundesgesetzblatt I 2008, 2794). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) besteuerte diese Strommenge jedoch zum Regelsteuersatz und erließ einen von der Steueranmeldung abweichenden Stromsteuerbescheid. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die Klägerin leistete auf die Stromsteuer für das Jahr 2010 monatliche Vorauszahlungen.

Nachdem in einem Gerichtsverfahren betreffend das Jahr 2006 die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 9 Abs. 3 StromStG festgestellt worden war, änderte das HZA auch die Stromsteuerfestsetzung für das Jahr 2010 und besteuerte die im Jahr 2010 in die Akkumulatoren eingespeiste Strommenge nun ebenfalls ermäßigt.

Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Zinsen im Hinblick auf die erstattete Stromsteuer für das Kalenderjahr 2010, was das HZA ablehnte.

Das Finanzgericht urteilte, die Klägerin habe weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einen Anspruch auf die begehrte Verzinsung. Die erstattete Stromsteuer sei nicht nach Unionsrecht zu verzinsen, weil der Verbrauch des Stroms zum Laden der Akkumulatoren schon nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom --RL 2003/96-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 283/51, i.d.F. nach der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, ABlEU Nr. L 157/100) falle. Abgesehen davon sei der Klägerin zu Unrecht eine Steuerermäßigung versagt worden, die nach Unionsrecht lediglich fakultativ sei und für die das Unionsrecht keine zwingenden Vorgaben mache.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Nach ihrer Auffassung sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht nur unionsrechtswidrig erhobene Steuern zu erstatten, sondern auch etwaige Zinsnachteile zu ersetzen, was auch bei der Anwendung fakultativer Steuerermäßigungen gelte. Abgesehen davon handele es sich bei dem Laden einer Batterie um einen reversiblen Vorgang, der nicht mit einem elektrolytischen Herstellungsprozess, wie er in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Anstrich RL 2003/96 und § 9a Abs. 1 Nr. 1 StromStG vorausgesetzt werde, vergleichbar sei.

II. Der Senat setzt das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem EuGH gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht festgesetzter Stromsteuer nach Unionsrecht zu verzinsen, wenn der niedrigeren Festsetzung der Stromsteuer die fakultative Steuerermäßigung nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 zugrunde lag und die zu hohe Steuerfestsetzung ausschließlich auf einem Fehler bei der Anwendung der nationalen Vorschrift, die zur Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 erlassen wurde, auf den Streitfall beruhte?

III. Nach Auffassung des Senats kommt es für die Lösung des Streitfalls auf Vorschriften der RL 2003/96 an. Bei der Auslegung dieser Richtlinie bestehen Zweifel, die für den Streitfall entscheidungserheblich sind:

Anzuwendendes Unionsrecht:
Art. 2 RL 2003/96:
(1) (…)
(2) Diese Richtlinie gilt ferner für folgendes Erzeugnis:
Elektrischer Strom im Sinne des KN-Codes 2716.
(3) (…)
(4) Diese Richtlinie gilt nicht für:
a) (…)
b) für folgende Verwendungen von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom:
- (…)
- (…)
- für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird;
(…)

Art. 17 RL 2003/96:
(1) Die Mitgliedstaaten können in den nachstehenden Fällen für den Verbrauch von Energieerzeugnissen, die zu Heizzwecken bzw. für die Zwecke des Artikels 8 Absatz 2 Buchstaben b) und c) verwendet werden, und von elektrischem Strom Steuerermäßigungen anwenden, sofern die in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Mindeststeuerbeträge im Durchschnitt für alle Betriebe eingehalten werden:
a) Für energieintensive Betriebe. (…)
(2) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten bei Energieerzeugnissen und elektrischem Strom nach Artikel 2, die von energieintensiven Betrieben im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels verwendet werden, einen bis zu Null gehenden Steuerbetrag anwenden.
(3) Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten bei Energieerzeugnissen und elektrischem Strom nach Artikel 2, die von Betriebseinheiten im Sinne des Artikels 11 verwendet werden, die keine energieintensiven Betriebe im Sinne des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels sind, einen niedrigeren Steuerbetrag anwenden, der bis zu 50 % unter den in dieser Richtlinie festgelegten Mindestbeträgen liegt.

Art. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG --RL 2008/118-- (ABlEU Nr. L 9/12):
(1) Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend "verbrauchsteuerpflichtige Waren" genannt) erhoben werden:
a) Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG;
(…)

Anzuwendendes nationales Recht:
§ 3 StromStG Steuertarif:
Die Steuer beträgt 20,50 Euro für eine Megawattstunde.

§ 9 StromStG Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen:
(1) bis (2a) (…)
(3) Strom unterliegt (…) einem ermäßigten Steuersatz von 12,30 Euro für eine Megawattstunde, wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen wird und nicht nach Absatz 1 von der Steuer befreit ist.
(4) bis (8) (…)

IV. Die rechtliche Würdigung des Streitfalls ist unionsrechtlich zweifelhaft. Es kommt darauf an, ob ein Anspruch auf Erstattung von Stromsteuer nach der EuGH-Rechtsprechung zu verzinsen ist, wenn dieser von einem Mitgliedstaat auf die Anwendung einer fakultativen Steuerermäßigung gestützt wird.

1. Im Streitfall (betreffend das Jahr 2010) ist die Stromsteuer mit der Entnahme des Wechselstroms aus dem Versorgungsnetz entstanden, weil der Strom in den Akkumulatoren in chemische Energie umgewandelt und somit verbraucht wurde. Dieser Stromverbrauch unterliegt einem ermäßigten Steuersatz von 12,30 € für eine Megawattstunde nach § 9 Abs. 3 StromStG und nicht dem Regelsteuersatz von 20,50 € für eine Megawattstunde nach § 3 StromStG. Denn es handelt sich um eine Entnahme von Strom durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke. Dies wurde für Stromentnahmen im Jahr 2006 rechtskräftig gerichtlich entschieden.

Der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Stromsteuer ergibt sich im Streitfall dadurch, dass das HZA zu Unrecht zunächst den Regelsteuersatz auf die verbrauchte Strommenge angewandt und damit gegen die nationale Vorschrift des § 9 Abs. 3 StromStG verstoßen hatte, die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes steuerlich begünstigt.

2. Allerdings beruht die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 3 StromStG für Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke aus dem Versorgungsnetz entnommen hat, auch auf Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96. Denn diese Regelung gibt den Mitgliedstaaten erst die Möglichkeit, energieintensiven Betrieben eine Steuerermäßigung zu gewähren. Daher fragt sich das vorlegende Gericht, ob das HZA dadurch, dass es gegenüber der Klägerin zunächst einen zu hohen Steuerbetrag festgesetzt hat, nicht nur gegen nationales Recht, sondern auch gegen Unionsrecht verstoßen hat. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Einspeisung von Strom in Akkumulatoren nicht um eine Elektrolyse i.S. des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Anstrich RL 2003/96 handelt, für die der Anwendungsbereich dieser Richtlinie von vornherein nicht eröffnet wäre. Dies wird durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2016/2266 des Rates vom 06.12.2016 zur Ermächtigung der Niederlande, einen ermäßigten Steuersatz auf Strom anzuwenden, der an Ladestationen für Elektrofahrzeuge geliefert wird (ABlEU Nr. L 342/30), bestätigt. Dieses Beschlusses hätte es nicht bedurft, wenn das Aufladen von Akkumulatoren als Elektrolyse anzusehen und damit ohnehin nicht von der RL 2003/96 erfasst wäre.

Mit Urteil IRCCS - Fondazione Santa Lucia vom 18.01.2017 - C-189/15 (EU:C:2017:17, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2017, 123) hat der EuGH zur Reichweite des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 entschieden, aus den Erwägungsgründen 9 und 11 dieser Richtlinie ergebe sich, dass diese den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum für die Festlegung und die Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen einräumen wolle und dass es Sache des einzelnen Mitgliedstaats sei, zu entscheiden, durch welche Maßnahmen er diese Richtlinie umsetzen wolle. Demnach stehe es den Mitgliedstaaten frei, die Gewährung von Steuerermäßigungen für energieintensive Betriebe auf die Betriebe eines oder mehrerer Industriesektoren zu beschränken.

Nach Auffassung des vorlegenden Senats haben die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 nicht nur hinsichtlich der Definition des Kreises der begünstigten Unternehmen einen Gestaltungsspielraum, sondern auch hinsichtlich der Höhe des Steuersatzes, sofern dieser etwaige unionsrechtlich festgelegte Untergrenzen nicht unterschreitet. Denn nur so können die in den oben genannten Erwägungsgründen genannten Motive des Richtliniengebers umgesetzt werden.

Bei Art. 17 Abs. 1 Buchst.  a RL 2003/96 handelt es sich demnach um eine fakultative Steuerermäßigung, die die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen gewähren können. Eine Verpflichtung zur steuerlichen Begünstigung energieintensiver Betriebe besteht demnach nicht. Insofern unterscheidet sich Art. 17 RL 2003/96 von den obligatorischen Steuerbefreiungen nach Art. 14 RL 2003/96, die die Mitgliedstaaten zwingend zu gewähren haben und auf die sich ein Steuerpflichtiger im Falle nicht rechtzeitiger Umsetzung in nationales Recht unmittelbar berufen kann (EuGH-Urteil Cristal Union vom 07.03.2018 - C-31/17, EU:C:2018:168, ZfZ 2018, 104, Rz 22 ff.,).

3. Daraus ergibt sich die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung von Stromsteuer, dem eine (nur) fakultative Steuerermäßigung (im Streitfall Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96) zugrunde liegt, genauso zu verzinsen ist, wie ein Anspruch auf Erstattung von Stromsteuer aufgrund einer obligatorischen Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung.

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer (EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 - C-591/10, EU:C:2012:478, Rz 25, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1018; Zuckerfabrik Jülich vom 27.09.2012 - C-113/10, C-147/10 und C-234/10, EU:C:2012, 591, Rz 65, ZfZ 2013, 76; Irimie vom 18.04.2013 - C-565/11, EU:C:2013:250, Rz 21, HFR 2013, 659; Nicula vom 15.10.2014 - C-331/13, EU:C:2014:2285, Rz 28, ABlEU 2014 Nr. C 462, 7, und Wortmann vom 18.01.2017 - C-365/15, EU:C:2017:19, Rz 37 ff., ZfZ 2017, 42; vgl. auch Senatsurteil vom 22.09.2015 - VII R 32/14, BFHE 251, 291, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2016, 323).

Demnach lässt sich aus dem Unionsrecht der Grundsatz ableiten, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben zuzüglich Zinsen zu erstatten. Dabei kommt es in Ermangelung einer Regelung der Union der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten zu, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen, festzulegen. Diese Bedingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, das heißt sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a., EU:C:2012:478, HFR 2012, 1018, Rz 26 f.; Zuckerfabrik Jülich, EU:C:2012, 591, Rz 61 und 66, ZfZ 2013, 1210; Irimie, EU:C:2013:250, Rz 22 f., HFR 2013, 659; Nicula, EU:C:2014:2285, Rz 28, ABlEU 2014 Nr. C 462, 7, und Tarsia vom 06.10.2015 - C-69/14, EU:C:2015:662, Rz 25, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 917; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).

Einer Verzinsung der erstatteten Stromsteuer steht nicht schon die Tatsache entgegen, dass es sich bei der RL 2003/96 um einen Rechtsakt der Union handelt, der erst der Umsetzung in nationales Recht bedurfte. Denn mit Urteil Littlewoods Retail u.a. (EU:C:2012:478, HFR 2012, 1018, Rz 26 f.) hat der EuGH dies gerade nicht als Ausschlussgrund für einen Zinsanspruch angesehen (zum Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hinsichtlich zu viel gezahlter Mehrwertsteuer vgl. auch EuGH-Urteil Rafinăria Steaua Română vom 24.10.2013 - C-431/12, EU:C:2013:686, HFR 2013, 1163).

b) Das vorlegende Gericht neigt zu der Auffassung, einen Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts zu verneinen, wenn sich der Steuererstattungsanspruch aufgrund einer fehlerhaften Anwendung von nationalem Recht ergibt, das ein Mitgliedstaat unter Ausnutzung eines unionsrechtlichen Gestaltungsspielraums und einer fakultativen unionsrechtlichen Vorgabe erlassen hat.

Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass der Umfang des Spielraums, über den die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Ausnahme oder Beschränkung verfügen, im Einzelfall insbesondere nach Maßgabe des Wortlauts dieser Bestimmung zu beurteilen ist (vgl. EuGH-Urteil Spiegel Online vom 29.07.2019 - C-516/17, EU:C:2019:625, Rz 25, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 2019, 940).

Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 macht jedoch nur Vorgaben hinsichtlich der Definition der energieintensiven Betriebe. Ob aber überhaupt ein ermäßigter Steuersatz für energieintensive Betriebe vorgesehen wird, ist den Mitgliedstaaten überlassen. Dazu kommt, dass es im Streitfall nicht um die Frage geht, ob Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 richtlinienkonform in nationales Recht umgesetzt wurde. Vielmehr setzte das HZA die Stromsteuer im Streitfall ursprünglich deshalb zu hoch fest, weil es die Voraussetzungen für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 3 StromStG zu Unrecht verneint hatte.

Darüber hinaus wird mit der Zulassung eines ermäßigten Steuersatzes nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 für energieintensive Betriebe eine Ausnahme von der Harmonisierung der Stromsteuer gemacht, indem es den Mitgliedstaaten überlassen wird, ob und inwieweit sie eine solche Begünstigung in ihren nationalen Vorschriften zulassen wollen. Der Unionsgesetzgeber schätzt das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, das unter anderem durch die Einführung verbindlicher Mindeststeuerbeträge in der RL 2003/96 erreicht werden soll (vgl. zum Beispiel EuGH-Urteil ROZ-SWIT vom 02.06.2016 - C-418/14, EU:C:2016:400, Rz 32, ZfZ 2017, 73, zur Festsetzung von Mindeststeuerbeträgen und unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 3 und 4 RL 2003/96), in diesem Bereich also gerade als weniger gewichtig ein.

Abgesehen von diesen unionsrechtlichen Erwägungen beruhte die zu hohe Steuerfestsetzung im Streitfall nicht auf einer verspäteten Umsetzung von Unionsrecht, sondern auf einer fehlerhaften Anwendung von nationalem Recht, das unter Ausnutzung eines unionsrechtlich gewährten Gestaltungsspielraums erlassen worden war.

c) Jedoch gibt es auch Argumente, die für die Gewährung eines Zinsanspruchs im Streitfall sprechen.

Zunächst wurde der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten für eine steuerliche Begünstigung energieintensiver Betriebe durch Art. 17 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/96 eröffnet. Die Grundlage für den ermäßigten Stromsteuersatz liegt daher nicht nur in § 9 Abs. 3 StromStG, sondern letztlich auch im Unionsrecht.

Wie sich weiterhin aus Art. 2 Abs. 2 RL 2003/96 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (RL 2008/118) ergibt, wurde die Besteuerung von Strom im Gebiet der Gemeinschaft i.S. des Art. 5 RL 2008/118 grundsätzlich harmonisiert. Würden Erstattungsansprüche aufgrund fakultativer Steuerermäßigungen im Gegensatz zu solchen aus obligatorischen Steuerermäßigungen oder -befreiungen nicht verzinst, läge eine ungleiche Behandlung vor. Es stellt sich jedoch die Frage, ob unterschiedliche Rechtsgrundlagen im Unionsrecht eine Ungleichbehandlung bei der Verzinsung von Erstattungsansprüchen rechtfertigen, zumal dies für den Steuerpflichtigen keinen Unterschied macht. Denn in beiden Fällen kann er über den zu viel gezahlten Steuerbetrag nicht verfügen.

Zudem führte die Verneinung eines unionsrechtlichen Zinsanspruchs für Erstattungsansprüche aufgrund fakultativer Steuerermäßigungen dazu, dass eine Verzinsung dann nur noch nach den unterschiedlichen nationalen Vorschriften gewährt werden könnte.

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