BFH: Mittelbare vGA im Zusammenhang mit nießbrauchbelasteten GmbH-Geschäftsanteilen
- Ist an einem Kapitalgesellschaftsanteil ein Nießbrauch bestellt, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann, sind die Kapitaleinnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen.
- Ist in diesem Fall die Anteilseignerin des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils eine Kapitalgesellschaft, kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen, wenn es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handelt.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
AO § 39 Abs. 1
BFH-Urteil vom 14.2.2022, VIII R 29/18 (veröffentlicht am 7.7.2022)
Vorinstanz: Hessisches FG vom 16.8.2018, 11 K 371/13 = SIS 18 20 19
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den Jahren 2004 und 2006 (Streitjahre) jeweils eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugeflossen ist.
Die Klägerin hielt in 2004 jeweils 50 % der Geschäftsanteile der A GmbH, der B GmbH und der C GmbH in ihrem Privatvermögen. Die übrigen Geschäftsanteile an diesen Gesellschaften hielt X. Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 bestellten die Klägerin und X an ihren Geschäftsanteilen der C GmbH einen Nießbrauch mit einer Quote von 80 % zugunsten der A GmbH (sog. Quotennießbrauch). Die mit den Geschäftsanteilen verbundenen Mitverwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, sollten dem jeweiligen Anteilseigner verbleiben. Die Bestellung erfolgte unentgeltlich. Ebenfalls mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 beschlossen die Klägerin und X als Gesellschafter der B GmbH die Erhöhung des Stammkapitals der B GmbH um 1.000 € auf 26.000 €. Die neue Stammeinlage auf das erhöhte Stammkapital sollten die Klägerin und X nicht in Geld, sondern durch Einbringung ihrer (nießbrauchbelasteten) Geschäftsanteile an der C GmbH leisten. Zugleich erklärten die Klägerin und X, dass sie die neue Stammeinlage jeweils hälftig übernehmen. Die Leistung der Sacheinlagen durch die Klägerin und X in Gestalt der Einbringung der Geschäftsanteile an der C GmbH erfolgte mit gesonderter Vereinbarung und mit sofortiger Wirkung ebenfalls am 16.12.2004. Die B GmbH setzte die Geschäftsanteile zum Buchwert an. Der über die Kapitalerhöhung hinausgehende Betrag wurde in die Kapitalrücklage der B GmbH eingestellt.
Am 28.12.2004 beschloss die Gesellschafterversammlung der C GmbH eine Gewinnausschüttung, wovon noch am selben Tag ein Betrag in Höhe von 236.033 € direkt an die A GmbH ausgezahlt wurde. Zudem beschloss die Gesellschafterversammlung der C GmbH am 02.06.2006 und am 28.12.2006 weitere Gewinnausschüttungen. Insofern erfolgte am 28.12.2006 eine direkte Auszahlung an die A GmbH in Höhe von insgesamt 1.145.203 €.
Diese Vorgänge wurden in den ursprünglichen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erfolgten Einkommensteuerfestsetzungen der Klägerin für die Streitjahre erklärungsgemäß nicht berücksichtigt. Bei der A GmbH wurden die empfangenen Zahlungen hingegen als verdeckte Einlagen der Klägerin bzw. X erfasst und in das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) eingestellt.
Auf Grundlage einer bei der B GmbH für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) zu der Auffassung, dass in Höhe der Zahlungen aufgrund des Quotennießbrauchs an die A GmbH sowohl der Klägerin als auch X jeweils hälftig eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre anzuwendenden Fassung (EStG) zugeflossen sei. Unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG erhöhte das FA daher das zu versteuernde Einkommen der Klägerin in 2004 um 59.008 € sowie in 2006 um 286.300 € und änderte die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen für 2004 mit Bescheid vom 02.06.2008 bzw. für 2006 mit Bescheid vom 16.10.2008. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 2035 mitgeteilten Gründen ab.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Ihr sei in den Streitjahren keine vGA zugeflossen. Es fehle bereits eine hierfür erforderliche Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung bei der B GmbH. Die Geschäftsanteile der C GmbH seien bereits bei Einbringung durch die Klägerin mit einem Nießbrauch belastet gewesen. Folglich könne die Gewinnausschüttung an die nießbrauchberechtigte A GmbH keine Minderung des vorhandenen Vermögens der B GmbH bewirken. Die B GmbH habe vielmehr die direkte Ausschüttung von der C GmbH an die A GmbH dulden müssen und keinen Einfluss hierauf gehabt. Insbesondere habe sie auch nicht auf eine mögliche Gewinnausschüttung "verzichtet". Aus diesem Grund sei auch die Rechtsprechung zu vGA zwischen Schwestergesellschaften bzw. im "Dreiecksverhältnis" nicht auf den Streitfall übertragbar. Die A GmbH habe nichts von ihrer Schwestergesellschaft, der B GmbH, "erhalten". Vielmehr sei die Ausschüttung von der C GmbH unmittelbar an die A GmbH erfolgt. Schließlich sei der B GmbH auch nicht vorzuhalten, dass sie der Einbringung nießbrauchbelasteter Anteile zugestimmt habe, da ihr immer noch 20 % der Gewinnausschüttungen zustünden. Einer solchen Einbringung hätte auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zugestimmt. Darüber hinaus hätten die vom FA geänderten Einkommensteuerbescheide zur Folge, dass sie im Widerspruch zu den gesonderten Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG der B GmbH stünden. § 174 Abs. 1 AO stehe daher der vom FA durchgeführten Änderung entgegen.
Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 31.01.2013 und die Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 02.06.2008 und für 2006 vom 16.10.2008 aufzuheben, hilfsweise, der Klägerin die Gewinnausschüttungen der C GmbH in ihrer Eigenschaft als Nießbrauchbestellerin in Höhe von 80 % direkt zuzurechnen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision der Klägerin sei unbegründet. Der Klägerin sei in Höhe der Zahlungen an die A GmbH infolge der Ausschüttungen seitens der C GmbH in den Streitjahren jeweils eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen. Das FG habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die B GmbH der Klägerin einen Vermögensvorteil zugewendet habe. Dieser liege darin, dass die steuerlich bei der B GmbH zu erfassenden Gewinnausschüttungen im Wege der vGA an die Klägerin und im Anschluss als verdeckte Einlage an die A GmbH gegangen seien. Was ein Gesellschafter einlege, müsse ihm denklogisch zugeflossen sein. Unerheblich sei, dass die Klägerin keinen tatsächlichen Zahlungseingang hatte, da die Ausschüttung im abgekürzten Zahlungsweg direkt an die A GmbH erfolgt sei. Die Vermögenszuwendung habe auch auf einer Handlung der B GmbH beruht, nämlich dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der Übernahme der neuen Stammeinlagen. Insofern habe die Zuwendung ihre Veranlassung auch im Gesellschaftsverhältnis gehabt. Die Feststellungen des FG seien insoweit in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen und verstießen nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Das FG habe sich insofern zu Recht auf den Beweis des ersten Anscheins einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung bei Zuwendungen zwischen Schwestergesellschaften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestützt. Darüber hinaus sei der Vorgang als Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO zu werten, da es ‑‑ungeachtet des Vorliegens einer vGA bei der Klägerin und X‑‑ ansonsten zu nicht besteuerten Einnahmen bei der Klägerin und X käme. Im Zeitpunkt der Ausschüttung seitens der C GmbH seien diese zwar steuerlich in voller Höhe bei der B GmbH zu erfassen; jedoch blieben diese wegen § 8b Abs. 1 KStG ‑‑weitestgehend‑‑ steuerfrei. Sodann könnten sich die Klägerin und X die aufgrund des Nießbrauchs an die A GmbH erfolgten Ausschüttungen, die bei dieser das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 KStG erhöht hätten, als nichtsteuerbare Einlagenrückgewähr auszahlen lassen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Entscheidung des FG, dass der Klägerin in den Streitjahren vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen sind, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand (unter 1.). Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Vorteilszuwendung gesellschaftsrechtlich veranlasst war oder aus anderen (betrieblichen) Gründen erfolgte (unter 2.).
1. Die Entscheidung des FG, dass der Klägerin in den Streitjahren vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen sind, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 10.12.2019 ‑ VIII R 2/17, BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 24; vom 24.06.2014 ‑ VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501, Rz 15; Senatsbeschluss vom 12.06.2018 ‑ VIII R 38/14, BFH/NV 2018, 1141, Rz 14). Sie kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil dem Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (Senatsurteile in BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 24; vom 21.10.2014 ‑ VIII R 22/11, BFHE 248, 129, BStBl II 2015, 687, Rz 27; vom 30.11.2010 ‑ VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449, Rz 22; vom 22.02.2005 ‑ VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266, unter II.1.b, und vom 25.05.2004 ‑ VIII R 4/01, BFHE 207, 103, unter II.2.b.aa).
b) Das FG hat nach diesen Maßstäben in den Ausschüttungen der C GmbH an die A GmbH in Höhe von 236.033 € in 2004 bzw. in Höhe von 1.145.203 € in 2006 zwar zu Recht eine Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH gesehen. Die Ausschüttungen der C GmbH sind ‑‑auch insoweit‑‑ einkommensteuerlich der B GmbH als Anteilseignerin zuzurechnen (unter aa). Durch die direkte Auszahlung an die A GmbH aufgrund des Quotennießbrauchs kam es sodann zu einer Vorteilszuwendung von der B GmbH an die A GmbH (unter bb), die der Klägerin ‑‑vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung‑‑ aufgrund ihres "Näheverhältnisses" zur A GmbH auch zuzurechnen ist (unter cc).
aa) Die Ausschüttungen der C GmbH waren, auch soweit sie aufgrund des Quotennießbrauchs direkt an die A GmbH ausgezahlt wurden, einkommensteuerlich der B GmbH als Anteilseignerin zuzurechnen.
(1) Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen (BFH-Urteile vom 29.03.2001 ‑ IV R 71/99, BFH/NV 2001, 1251, unter 1.a, und vom 22.08.1990 ‑ I R 69/89, BFHE 162, 263, unter II.2.), wobei das Rechtsverhältnis maßgebend ist, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitaleinnahmen gemäß § 20 Abs. 3 EStG oder § 8 Abs. 2 KStG einer anderen Einkunftsart zugewiesen werden (BFH-Urteil vom 17.10.2001 ‑ I R 97/00, BFHE 197, 63, unter II.1., m.w.N.).
(2) Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a Sätze 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO). Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z.B. aufgrund einer Abtretung gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ oder aufgrund einer Nießbrauchbestellung gemäß § 1068 BGB) ist diese nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1251, unter 1.a; Urteil des FG Münster vom 14.01.2003 ‑ 7 K 2638/00 E, EFG 2003, 690, unter 2.c). Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchberechtigte ‑‑z.B. durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte (insofern ist strittig, ob der Nießbrauch auch Mitverwaltungsrechte erfassen kann, vgl. zum Meinungsstand z.B. Erman/Bayer, BGB, 16. Aufl., § 1081 Rz 7; Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 15 Rz 217, jeweils m.w.N.), oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht‑‑ eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt (so die herrschende Meinung, z.B. BFH-Urteile vom 18.11.2014 ‑ IX R 49/13, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rz 15; vom 24.01.2012 ‑ IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rz 17 und 18; in BFHE 162, 263, unter II.3.; vom 14.12.1976 ‑ VIII R 146/73, BFHE 121, 53, BStBl II 1977, 115; Urteil des FG Münster in EFG 2003, 690, unter 2.c; vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 05.04.2011 ‑ II ZR 173/10, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2011, 1061; Bleschick in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 20 Rz 167; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 20 EStG Rz 26; Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff ‑‑KSM‑‑, EStG, § 20 Rz B 56, G 11; Brandis/ Heuermann/Ratschow, § 20 EStG Rz 455; Schmidt/Levedag, EStG, 40. Aufl., § 20 Rz 236). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 2a Satz 3 EStG, wonach ein Nießbrauchberechtigter als Anteilseigner gilt, wenn ihm die Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen sind. Diese Norm regelt keine abweichende Zurechnung der Einnahmen, sondern setzt diese voraus und fingiert den Nießbrauchberechtigten sodann als Anteilseigner (HHR/ Buge, § 20 EStG Rz 602; Jochum in KSM, EStG, § 20 Rz B 56).
(3) Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Ausschüttungen der C GmbH zu Recht in vollem Umfang der B GmbH zugerechnet. Die B GmbH war infolge der Einbringung am 16.12.2004 im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse vom 28.12.2004, 02.06.2006 und 28.12.2006 Anteilseignerin der Geschäftsanteile der C GmbH. Eine abweichende Zurechnung der Ausschüttungen ergibt sich auch nicht aus dem unentgeltlich bestellten Nießbrauch zugunsten der A GmbH in Höhe von 80 %. Dieser berechtigte die A GmbH nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nur zur Gewinnbeteiligung in Höhe von 80 %, wohingegen die Stimmrechte der B GmbH als Anteilseignerin zustanden, und sich daher (einkommensteuerlich) die direkt an die A GmbH seitens der C GmbH gezahlten Ausschüttungen lediglich als Vorausabtretung künftiger Ausschüttungen darstellten.
bb) Die direkte Auszahlung von 80 % der ertragsteuerlich der B GmbH zuzurechnenden Ausschüttung von der C GmbH an die A GmbH führte daher zu Vorteilszuwendungen der B GmbH an die A GmbH in Höhe von 236.033 € in 2004 bzw. in Höhe von 1.145.203 € in 2006. In dieser Höhe musste die B GmbH, der insofern kein Erstattungsanspruch zustand, die Auszahlung durch die C GmbH an die A GmbH wegen des Quotennießbrauchs dulden. Diese Vorteilszuwendungen beruhten nach den Feststellungen des FG auf Handlungen durch die Organe der B GmbH, nämlich dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der Zustimmung zur Sacheinlage der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile der C GmbH durch die Gesellschafterversammlung der B GmbH vom 16.12.2004.
cc) Die Vorteilszuwendungen der B GmbH an die A GmbH sind der Klägerin ‑‑vorbehaltlich der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung (unter c)‑‑ auch zuzurechnen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine vGA auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden kann, wenn der Vermögensvorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (Senatsurteile in BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 26; in BFHE 248, 129, BStBl II 2015, 687, Rz 27; in BFH/NV 2011, 449, Rz 22, jeweils m.w.N.). Im Streitfall handelt es sich bei der A GmbH als Vorteilsempfängerin um eine der Klägerin nahestehende Person in diesem Sinne.
c) Demgegenüber hält die Würdigung des FG, dass diese Vorteilszuwendungen ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis der B GmbH zur Klägerin hatten und andere (betriebliche) Gründe von vornherein ausgeschlossen sind, revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
aa) Neben dem Vorliegen eines "Näheverhältnisses" zwischen Gesellschafter und Vorteilsempfänger ist eine vGA ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter nur dann verwirklicht, wenn die Vorteilszuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft zum Gesellschafter hatte. Nur in diesem Fall ist die Zuwendung zu Lasten der vorteilsgewährenden Gesellschaft so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahestehende Person weitergegeben (vgl. Senatsurteil in BFHE 248, 129, BStBl II 2015, 687, Rz 27, m.w.N.). Unerheblich ist hingegen, ob der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an der Zuwendung hatte.
bb) Gewährt die Kapitalgesellschaft einer dem Gesellschafter nahestehenden Person einen Vorteil, so spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Vorteil mittelbar dem Gesellschafter zugewandt wird. Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das "Nahestehen" des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Der Beweis des ersten Anscheins für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann somit durch die Feststellung erschüttert werden, die Zuwendung des Vorteils habe ihre Ursache ausschließlich in einer vom Gesellschaftsverhältnis zum nahestehenden Gesellschafter unabhängigen Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Empfänger der Zuwendung (vgl. Senatsurteile in BFHE 248, 129, BStBl II 2015, 687, Rz 28; vom 06.12.2005 ‑ VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722, unter II.1.a, jeweils m.w.N.).
cc) Nach den Feststellungen des FG war die Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH durch die Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile der C GmbH in die B GmbH aufgrund des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen veranlasst. Mit dieser vertraglichen Grundlage ‑‑so das FG weiter‑‑ habe die B GmbH der Klägerin einen Vermögensvorteil eingeräumt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter nicht hätte zukommen lassen. Diese Würdigung wird jedoch nicht von den Feststellungen des FG getragen. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass die Einbringung der Geschäftsanteile an der C GmbH in die B GmbH gegen Erhalt neuer Geschäftsanteile an dieser zwischen den Vertragsbeteiligten ‑‑der Klägerin und der B GmbH‑‑ nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen und daher wie unter fremden Dritten vollzogen wurde. In diesem Fall wären die Einbringung der nießbrauchbelasteten Anteile und die nachfolgende Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst gewesen und eine vGA der B GmbH an die Klägerin ausgeschlossen. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das FG-Urteil ist daher aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG erhält Gelegenheit, im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Einbringung der Geschäftsanteile der C GmbH in die B GmbH und den zugrunde liegenden Vereinbarungen nachzuholen. Dabei weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Die objektive Feststellungslast dafür, ob die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, obliegt grundsätzlich dem FA. Das betrifft auch die Frage nach der Veranlassung der Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis. Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Gesellschafters sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Beweisrisikoverteilung (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2018, 1141, Rz 17; Senatsurteil in BFH/NV 2014, 1501, Rz 28, jeweils m.w.N.).
b) Entscheidend ist hiernach im Streitfall, ob die Einbringung der nießbrauchbelasteten Geschäftsanteile an der C GmbH in die B GmbH durch die Klägerin gegen Ausgabe neuer Geschäftsanteile der B GmbH nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen war. Insofern könnte z.B. darauf abzustellen sein, ob im Vorfeld der Einbringung die Werte der Geschäftsanteile der C GmbH ‑‑unter Berücksichtigung der Belastung mit dem Nießbrauch‑‑ und der im Gegenzug neu auszugebenden Geschäftsanteile der B GmbH festgestellt und diese Anteilswerte auch den vertraglichen Vereinbarungen zugrunde gelegt worden waren. Mithin ist zu prüfen, ob die Ausgabe neuer Anteile der B GmbH an die Klägerin angesichts des der B GmbH aufgrund des Nießbrauchs im Ergebnis nur zustehenden Gewinnbezugsrechts von 20 % fremdüblich war. Dem-gegenüber dürfte es nicht fremdüblich sein, wenn die Einbringung der Anteile durchgeführt worden wäre, ohne dass die Klägerin und X eine Anteilsbewertung durchgeführt hätten und ohne Weiteres von einer Gleichwertigkeit der eingebrachten und der neu ausgegebenen Anteile der B GmbH ausgegangen wären. Sollten die Einbringungsverträge im Streitfall keine Anteilsbewertung zum Bestandteil haben, wäre es wiederum Sache der Klägerin, den Anschein einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung zu widerlegen.
aa) Scheiden nach diesen Maßstäben andere (betriebliche) Gründe aus, wären die Voraussetzungen einer vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG der B GmbH an die Klägerin in Höhe der von der C GmbH an die A GmbH ausgezahlten Teile der Ausschüttungen ‑‑unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG‑‑ erfüllt und die Klage abzuweisen. Zugleich hätte die Klägerin in derselben Höhe Einlagen in die A GmbH getätigt. Dem stünde ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ auch nicht § 174 Abs. 1 AO entgegen. Diese Regelung hat bei Vorliegen widerstreitend berücksichtigter Sachverhalte die Korrektur des fehlerhaften Bescheids zur Folge. Sie steht aber nicht der Korrektur der ‑‑in dieser Variante‑‑ fehlerhaften Einkommensteuerbescheide der Klägerin gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO entgegen, selbst wenn hierdurch ein solcher Widerstreit erst entstehen sollte.
bb) War die Einbringung hingegen fremdüblich vollzogen und die Vorteilszuwendung der B GmbH an die A GmbH folglich betrieblich veranlasst, wäre der Klage stattzugeben. Insbesondere läge in diesem Fall auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vor. Entgegen der Auffassung des FA käme es insoweit zu keinen "steuerfreien" Ausschüttungen der A GmbH an die Klägerin. Die direkt an die A GmbH ausgezahlten Ausschüttungen seitens der C GmbH wären einkommensteuerlich als Vorausabtretung der Ausschüttungen durch die B GmbH zu werten (s.o. unter 1.b.aa.(3)), die bei der A GmbH als sonstiger betrieblicher Ertrag zu erfassen und nicht nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG von der Besteuerung auszunehmen wären. Eine nachfolgende Ausschüttung dieser Beträge durch die A GmbH unterläge bei der Klägerin wiederum nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG der Besteuerung und wäre ‑‑mangels vorheriger Einlagen durch die Klägerin‑‑ auch nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Die Umgehung eines Steuergesetzes i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO läge daher nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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