BFH: Privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners
- Eine (willentliche) Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.
- Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3
BFH-Urteil vom 14.2.2023, IX R 11/21 (veröffentlicht am 13.4.2023)
Vorinstanz: FG München vom 11.3.2021, 11 K 2405/19 = SIS 21 11 41
I. Streitig ist, ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt ist, wenn der seinen Miteigentumsanteil veräußernde Ehegatte nach Trennung der Eheleute aus dem im Miteigentum stehenden Wohnhaus ausgezogen ist, der andere Ehegatte und das gemeinsame Kind dort aber wohnen bleiben.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wird im Streitjahr 2017 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau erwarben mit Kaufvertrag von Dezember 2008 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zum Kaufpreis von … € zu jeweils hälftigem Miteigentum und bewohnten es gemeinsam mit ihrem am xx.xx.2007 geborenen Sohn.
Im Jahr 2015 zog der Kläger aus. Die Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil vom xx.xx.2017 geschieden. Nachdem die geschiedene Ehefrau des Klägers die Zwangsversteigerung für den Fall angedroht hatte, dass ihr der Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil nicht verkaufen sollte, veräußerte der Kläger den hälftigen Miteigentumsanteil mit notariell beurkundeter Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag vom xx.xx.2017 zum Kaufpreis von … € an seine geschiedene Ehefrau und erzielte unstreitig einen Veräußerungsgewinn von … €.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2017 behandelte der Kläger den Veräußerungsgewinn als steuerfrei. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) im Einkommensteuerbescheid vom 27.11.2018 nicht. Der dagegen gerichtete Einspruch, mit dem der Kläger eine Selbstnutzung des Objekts (durch Überlassung seines Miteigentumsanteils an sein minderjähriges Kind) geltend machte und auf das Bestehen einer Zwangslage hinwies, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 02.09.2019).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 1625 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liege nicht vor. Von einer eigenen Wohnnutzung durch den Kläger sei nach dessen trennungsbedingtem Auszug aus dem gemeinsamen Familienheim nicht mehr auszugehen. Eine Wohnnutzung durch ihn persönlich oder durch ihn persönlich und seine Familienangehörigen oder Dritte habe nicht mehr stattgefunden. Zudem seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich nur um eine vorübergehende Trennung gehandelt haben könnte. Eine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers durch dessen minderjährigen Sohn, die dem Kläger nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.05.2019 ‑ IX R 6/18 (BFH/NV 2019, 1227) zuzurechnen wäre, sei ebenfalls nicht anzunehmen. Zudem habe sich der Kläger nicht in einer ‑‑den Veräußerungstatbestand ausschließenden‑‑ Zwangslage befunden. Vielmehr sei von einer "wirtschaftlichen Betätigung" auszugehen.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung materiellen Rechts rügt. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er habe seinen Miteigentumsanteil zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Bis zu seinem Auszug aus dem Einfamilienhaus, der zur Einhaltung des Trennungszeitraums erfolgt sei, habe er seinen Miteigentumsanteil persönlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Nach dem Auszug habe er diesen im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung seinem minderjährigen Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld habe, unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Dies sei begünstigt (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 23). Entscheidend sei, dass er seinen Miteigentumsanteil nur seinem Sohn und nicht zugleich seiner geschiedenen Ehefrau überlassen habe; diese habe das Haus vielmehr kraft ihres eigenen Miteigentumsanteils bewohnt. Dabei handele es sich um unterschiedliche Wirtschaftsgüter. Die Mitbenutzung der Wohnung durch seine geschiedene Ehefrau sei nicht mit der Mitbenutzung seines Miteigentumsanteils gleichzusetzen. Durch den Auszug habe sich insofern nichts verändert. Vor diesem Hintergrund sei auch das Urteil des Hessischen FG vom 30.09.2015 ‑ 1 K 1654/14 (EFG 2016, 201), das die Überlassung einer im Alleineigentum des Steuerpflichtigen stehenden Wohnung betreffe, nicht einschlägig.
Zudem fehle es an einer Veräußerung. Er habe nie verkaufen wollen und dies nur zwangsweise getan. Die Eigentumsübertragung sei daher ohne Übertragungswillen und ohne die Möglichkeit der Einflussnahme aus einer Notlage heraus erfolgt. Im Rahmen der Verhandlungen über die Scheidungsfolgenvereinbarung habe sich sein Handlungsspielraum auf null reduziert. Der Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung sei nur zur Vermeidung der Zwangsmaßnahme erfolgt. Entgegen der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.07.2019 ‑ IX R 28/18, BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701) habe er nicht über den Eintritt des Steuertatbestands frei entscheiden können, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen habe er keinen maßgeblichen Einfluss auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Miteigentumsanteils gehabt, da seine geschiedene Ehefrau angedroht habe, die Zwangsversteigerung zu betreiben. Die einzige Option sei die Veräußerung des Miteigentumsanteils an seine geschiedene Ehefrau gewesen. Nur auf diese Weise habe er einen wirtschaftlichen Schaden und einen Reputationsschaden abwenden können. Zum anderen habe er den Zeitpunkt des Auszugs nicht bestimmen können. Die für die Scheidung erforderliche räumliche Trennung habe im Familienheim nicht bewerkstelligt werden können. Seine Ehefrau sei nicht bereit gewesen, aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen. Müsse er nun einen Veräußerungsgewinn versteuern, werde er gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau, die aus familienrechtlichen Gründen im Familienheim habe bleiben können, (doppelt) benachteiligt: Diese hätte ihren Miteigentumsanteil ohne Weiteres steuerfrei verkaufen können. Im Übrigen sei sein Auszug aufgrund von häuslicher Gewalt alternativlos gewesen, um die psychische und physische Unversehrtheit seines Sohnes und seiner eigenen Person zu erhalten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG München vom 11.03.2021 ‑ 11 K 2405/19 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 27.11.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.09.2019 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Kläger im Streitjahr ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG getätigt hat (dazu unter 1.). Entgegen der Ansicht der Revision hat der Kläger das Wirtschaftsgut im maßgeblichen Zeitraum nicht i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu eigenen Wohnzwecken genutzt (dazu unter 2.). Die Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften betragen … € (dazu unter 3.).
1. Der Kläger hat im Streitjahr den Tatbestand der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht.
a) Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
aa) Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erschließen sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs und der §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 08.11.2017 ‑ IX R 25/15, BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 18, zum Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz).
Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, soweit sie auf der entgeltlichen "Anschaffung" und der entgeltlichen "Veräußerung" des nämlichen Wirtschaftsguts innerhalb der maßgeblichen Haltefrist beruhen (s. BFH-Urteile vom 12.06.2013 ‑ IX R 31/12, BFHE 241, 557, BStBl II 2013, 1011, Rz 13; in BFHE 260, 202, BStBl II 2018, 518, Rz 17, zur "Nämlichkeit", und in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 19).
bb) Der entgeltliche Erwerb ‑‑die Anschaffung‑‑ und die entgeltliche Übertragung des nämlichen Wirtschaftsguts auf eine andere Person ‑‑die Veräußerung‑‑ müssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen (BFH-Urteile vom 13.04.2010 ‑ IX R 36/09, BFHE 229, 193, BStBl II 2010, 792, Rz 14; vom 29.03.1995 ‑ X R 3/92, BFHE 177, 418, unter 1.; vom 19.04.1977 ‑ VIII R 23/75, BFHE 122, 453, BStBl II 1977, 712, unter 1., jeweils zur Frage, ob ein "Anschaffungsgeschäft" vorliegt) und mithin Ausdruck einer "wirtschaftlichen Betätigung" sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 07.12.1976 ‑ VIII R 134/71, BFHE 120, 531, BStBl II 1977, 209; s.a. BFH-Urteile vom 16.01.1973 ‑ VIII R 96/70, BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445, zum Fall der "Veräußerung"; vom 05.05.1961 ‑ VI 107/60 U, BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385, und vom 15.01.1974 ‑ VIII R 63/68, BFHE 112, 31, BStBl II 1974, 606, jeweils zum Fall der "Anschaffung"; in BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 20).
cc) Die Frage, ob ein vom Steuerpflichtigen tatbestandlich verwirklichtes privates Veräußerungsgeschäft in diesem Sinne unter Zwang abgeschlossen wurde, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die tatsächlichen Feststellungen des FG sind vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 25).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verwirklicht, indem er seinen im Jahr 2008 erworbenen Miteigentumsanteil mit Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag vom xx.xx.2017 an seine geschiedene Ehefrau veräußert hat.
aa) Dass die Veräußerung des im Jahr 2008 erworbenen Miteigentumsanteils durch die Scheidungsfolgenvereinbarung bzw. den Veräußerungsvertrag vom xx.xx.2017 innerhalb der zehnjährigen Haltefrist stattgefunden hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf daher keiner weitergehenden Erörterung.
bb) Zu Recht hat das FG in der Übertragung eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gesehen. Entgegen der Ansicht der Revision ist eine solche nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger ohne Übertragungswillen gehandelt und sich nicht wirtschaftlich betätigt habe.
aaa) Das FG hat im Streitfall eine ‑‑den Veräußerungstatbestand ausschließende‑‑ Zwangslage mit der Erwägung abgelehnt, der Kläger habe die Scheidungsfolgenvereinbarung nach Einholung steuerlicher Beratung selbst abgeschlossen. Da er durch die Veräußerung einen angemessenen Preis habe erzielen und einen mit der Zwangsversteigerung einhergehenden wirtschaftlichen Schaden habe abwenden wollen, liege darin eine wirtschaftliche Betätigung.
bbb) Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Vorinstanz ist von zutreffenden Kriterien ausgegangen, hat alle maßgeblichen Beweisanzeichen in die Gesamtwürdigung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen. Der Kläger veräußerte seinen Miteigentumsanteil im Rahmen der mit seiner geschiedenen Ehefrau abgeschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung willentlich. Ob er sich dabei in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Motivlage kommt ‑‑abgesehen von den Fällen, in denen der Verlust des Eigentums (aufgrund eines Hoheitsakts) der freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen entzogen ist‑‑ regelmäßig keine Relevanz zu (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1227, Rz 20).
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, aufgrund drohender häuslicher Gewalt ihm und seinem Sohn gegenüber sei ein Verbleib im Einfamilienhaus weder möglich noch zumutbar gewesen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ‑‑entgegen der Ansicht der Revision‑‑ nicht einschlägig.
a) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nimmt Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden, von der Besteuerung aus. Die Freistellung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bewirkt eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte (BFH-Urteil vom 01.03.2021 ‑ IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 12; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 10; BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], EStG § 23 Rz 6).
aa) Die Senatsrechtsprechung hat den Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in der dem Dualismus der Einkunftsarten wieder Geltung verschaffenden Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ‑‑entsprechend deren Zweck, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden (BTDrucks 14/265, S. 181)‑‑ stets sehr weit gefasst und eigenständig ausgelegt. Danach setzt der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (BFH-Urteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile vom 18.01.2006 ‑ IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a; vom 25.05.2011 ‑ IX R 48/10, BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12; vom 27.06.2017 ‑ IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; in BFH/NV 2019, 1227, Rz 16; vom 03.09.2019 ‑ IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22; vom 03.09.2019 ‑ IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 10; vom 24.05.2022 ‑ IX R 28/21, BFH/NV 2023, 20, Rz 15; BFH-Beschluss vom 28.05.2002 ‑ IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, zu § 4 des Eigenheimzulagengesetzes ‑‑EigZulG‑‑; BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 22).
Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile vom 31.05.1995 ‑ X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.; vom 28.03.1990 ‑ X R 160/88, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, beginnend unter den Entscheidungsgründen ab 2.a, beide jeweils zu § 10e EStG; vom 23.07.1997 ‑ X R 143/94, BFH/NV 1998, 160, unter II.3.c; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a; BFH-Urteil vom 28.11.2001 ‑ X R 27/01, BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II.1.a). Denn eine Nutzung "zu eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (BFH-Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 13; in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 15). Eine sich auf mehrere Wohnungen beziehende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kann gerade auch dann vorliegen, wenn sich der Haushalt einer Familie auf mehrere Örtlichkeiten ‑‑etwa auf den Familienwohnsitz einerseits und den doppelten Haushalt am Ort der Berufstätigkeit sowie einen weiteren Haushalt am Studienort von einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern andererseits‑‑ verteilt (BFH-Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 16).
bb) Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (BFH-Urteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14, und in BFH/NV 2023, 20, Rz 17). Hingegen ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ‑‑wie im Anwendungsbereich des § 10e EStG und des § 4 EigZulG‑‑ zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH-Urteile in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18; in BFH/NV 2023, 20, Rz 17; vom 18.01.2011 ‑ X R 13/10, BFH/NV 2011, 974, Rz 14, m.w.N., zu § 10f Abs. 1 EStG).
cc) Überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z.B. der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor (BFH-Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 18; BeckOK EStG/Trossen, 12. Ed. [01.03.2022], EStG § 23 Rz 184, zur Nutzung durch getrennt lebende Ehepartner oder Eltern; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 23 Rz 6; Obermeier, Neue Wirtschafts-Briefe 2001, 567, 584, zur Nutzung durch andere, auch unterhaltsberechtigte Angehörige; Urteil des Hessisches FG in EFG 2016, 201, rechtskräftig, zur Nutzung durch die ehemalige Lebensgefährtin und Kindesmutter mit unterhaltsberechtigtem Kind; Urteil des Niedersächsisches FG vom 04.03.2010 ‑ 10 K 259/08, EFG 2010, 1133, rechtskräftig, zur Nutzung durch den volljährigen, einkommensteuerlich nicht mehr zu berücksichtigenden Sohn).
aaa) Die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10e EStG hat die Zurechnung der Wohnnutzung durch unterhaltsberechtigte Kinder (als "mittelbare Eigennutzung") damit begründet, dass der Steuerpflichtige die Wohnung nach dem Wortsinn auch dann zu eigenen Wohnzwecken nutzt, wenn er "in Erfüllung seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung seinem Kind außerhalb des Familienhaushalts eine Wohnung zur Verfügung stellt". Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH-Urteil vom 26.01.1994 ‑ X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544, unter 1.b). Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Begriff der "eigenen Wohnzwecke" tatbestandlich auf die Vorschrift des § 32 EStG abgestellt hat, geschah dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Gesetzgeber ‑‑aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung‑‑ bei den nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen unterstellt.
Zwar ist das Merkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Ausgangspunkt so zu verstehen wie in § 10e EStG und § 4 EigZulG (BFH-Urteile vom 26.10.2021 ‑ IX R 5/21, BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 25, und in BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a). Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die unterschiedliche Zweckrichtung der Tatbestände zu beachten. Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ‑‑wie ausgeführt‑‑ nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, unter 2.a, zu § 10e EStG), sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität (BTDrucks 14/265, S. 181; BFH-Urteil in BFHE 275, 36, BStBl II 2022, 403, Rz 25). Vor diesem Hintergrund setzt die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG entsprechend seiner Zweckrichtung dem Grunde nach voraus, dass eine Besteuerung der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen entgegenstünde, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn der Unterhaltsberechtigte ‑‑d.h. das nach § 32 EStG zu berücksichtigende Kind‑‑ im Falle eines beruflichen Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen mitgehen würde (Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 49).
bbb) Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks hat die höchstrichterliche Rechtsprechung ‑‑in Fortsetzung ihrer Rechtsprechung zu §§ 10e, 10f EStG und § 4 EigZulG‑‑ die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dahin gedeutet, dass der Begriff der "eigenen" Wohnzwecke nicht nur die Wohnzwecke des Steuerpflichtigen, sondern (mittelbar) auch die Wohnzwecke von Kindern, die nach § 32 EStG zu berücksichtigen sind, umfasst (BFH-Urteile in BFH/NV 2019, 1227, Rz 18, und in BFH/NV 2023, 20, Rz 17); denn bei Kindern, für die der Steuerpflichtige kinderbezogene Leistungen beanspruchen kann, können auch das Bestehen einer Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen typisierend unterstellt werden. Nach Maßgabe dieser typisierenden Wertung wird eine vom Steuerpflichtigen zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung aber dann nicht mehr i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (mittelbar) zu "eigenen Wohnzwecken" (des Steuerpflichtigen) genutzt, wenn die Immobilie neben einem einkommensteuerlich nach § 32 EStG zu berücksichtigenden Kind auch anderen ‑‑ggf. auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften unterhaltsberechtigten‑‑ Angehörigen überlassen wird. Die Wohnung ist dann nicht Teil des auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Familienhaushalts. Eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns würde der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht entgegenstehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2023, 20, Rz 26).
dd) Wird der Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück veräußert, ist für Zwecke der Befreiungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auf die Nutzung des Gebäudes (z.B. des Einfamilienhauses oder der Eigentumswohnung), an dem das Miteigentum besteht, abzustellen. Ein ideeller Miteigentumsanteil lässt sich nicht gegenständlich konkretisieren und mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen; er ist nicht "bewohnbar" (vgl. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 130; s.a. Hartmann/Meyer, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 1999, 1089, 1093; a.A. Sagmeister, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2011, 1589, 1591).
b) Nach diesen Maßstäben nutzte der Kläger das Einfamilienhaus nicht im Zeitraum zwischen Anschaffung (2008) und Veräußerung (2017) ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung (2017) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2015 und 2016) zu eigenen Wohnzwecken. Dies ist ‑‑soweit es um die Nutzung des Einfamilienhauses durch den Kläger in eigener Person geht‑‑ zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach seinem Auszug im Jahr 2015 bewohnte der Kläger das ehemalige Familienheim nicht mehr selbst. Entgegen der Revision kann dem Kläger aber auch die Nutzung des Einfamilienhauses durch seinen Sohn (und seine geschiedene Ehefrau) nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden. Dies hat das FG zu Recht erkannt.
aa) Die Vorentscheidung hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers durch dessen im Zeitpunkt des Auszugs neunjährigen Sohn sei nicht vorstellbar; ein Kind in diesem Alter könne nicht eigenständig einen Haushalt führen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das Kind nach dem Auszug des Klägers im Haushalt von dessen geschiedener Ehefrau gelebt und der Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil beiden überlassen habe.
bb) Dies hält rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
aaa) Soweit der Kläger das in seinem Miteigentum stehende Einfamilienhaus seinem Sohn als einkommensteuerlich zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich zur Nutzung überlassen haben will, könnte darin ‑‑jedenfalls bei isolierter Betrachtung‑‑ eine "mittelbare" Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu sehen sein. Dies kann der Senat jedoch offenlassen.
bbb) Denn nach dem Auszug des Klägers nutzte auch seine geschiedene Ehefrau das Einfamilienhaus zu (ihren) Wohnzwecken. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem nicht entgegen, dass diese das ehemalige Familienheim (auch) aus eigenem Recht ‑‑aufgrund ihres hälftigen Miteigentumsanteils‑‑ bewohnte (ähnlich Bäumler/Schramm, Neue Juristische Wochenschrift-Spezial ‑‑NJW-Spezial‑‑ 2019, 644). Das hälftige Miteigentum rechtfertigt nicht die Annahme, der in der Wohnung lebende Miteigentümer nutze nur seinen eigenen Miteigentumsanteil ‑‑quasi die Hälfte der Wohnung‑‑ zu eigenen Wohnzwecken. Bei Bruchteilseigentum wird die Sache nicht real geteilt; geteilt wird nur die Rechtszuständigkeit am gemeinschaftlichen Gegenstand. Ein vorrangiger Verbrauch des Miteigentumsanteils im Wege der Selbstnutzung findet dementsprechend nicht statt (vgl. BFH-Urteil vom 18.05.2004 ‑ IX R 49/02, BFHE 206, 168, BStBl II 2004, 929, unter II.3.b; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 52; KKB/Bäuml, § 23 EStG, 7. Aufl., Rz 183; vgl. auch Hartmann/Meyer, FR 1999, 1089, 1093; anders wohl BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 24; Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, Immobilien im Zivil- und Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 12.94). Ungeachtet dieser rechtlichen Beurteilung nutzte die geschiedene Ehefrau des Klägers das Einfamilienhaus nach dem Auszug des Klägers aber auch tatsächlich über ihren Miteigentumsanteil hinaus; sie bewohnte das gesamte ehemalige Familienheim zusammen mit ihrem Sohn. Die beiden Miteigentumsanteile lassen sich ‑‑wie bereits dargestellt‑‑ nicht gegenständlich konkretisieren und mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen.
ccc) Die Nutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des Klägers kann diesem nicht als Eigennutzung zugerechnet werden. Es fehlt an einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Die Zurechnung lässt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die geschiedene Ehefrau des Klägers habe das minderjährige Kind betreut (so aber Tiedtke/Wälzholz, Rheinische Notar-Zeitschrift 2001, 380, 386). Nichts anderes würde gelten, wenn der Kläger seiner geschiedenen Ehefrau ‑‑was das FG nicht festgestellt hat‑‑ Unterkunft in Erfüllung einer bestehenden Unterhaltspflicht gewährt hätte. Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" im Sinne des Einkommensteuerrechts liegt nur vor, wenn unterhaltsberechtigte Personen ‑‑wie Kinder‑‑ typischerweise zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören. Dies ist bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die nicht mehr Teil einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft sind, indes nicht der Fall. Der laufende Unterhalt ist vielmehr regelmäßig durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§ 1361 Abs. 4 BGB; BFH-Urteil vom 26.01.1994 ‑ X R 17/91, BFHE 173, 352, BStBl II 1994, 542, unter 1.).
ddd) Damit liegt nach den eingangs dargestellten Grundsätzen eine schädliche Mitbenutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des Klägers vor. Diese steht der Zurechnung der Nutzung durch das einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kind entgegen.
eee) Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass es für die Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ausreicht, wenn der Steuerpflichtige das Objekt "zumindest auch" selbst nutzt. Findet eine unmittelbare Eigennutzung durch den Steuerpflichtigen statt, erweist sich die Mitbenutzung durch Angehörige oder Dritte ‑‑die unentgeltliche gemeinschaftliche Nutzung (vgl. Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, a.a.O., Rz 12.92)‑‑ als unschädlich. Anders ist dies jedoch, wenn Kinder die Wohnung zusammen mit dem geschiedenen Ehegatten bewohnen: Eine gemeinschaftliche Nutzung mit dem Steuerpflichtigen erfolgt dann nicht, so dass aus dessen Sicht eine (vollumfängliche) "Fremdnutzung" vorliegt; nur für den anderen Ehegatten erweist sich die Mitbenutzung durch die Kinder als unschädlich.
fff) An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die Finanzverwaltung einen (vollständigen) Leerstand der zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie vor der Veräußerung als unschädlich ansieht, wenn der Steuerpflichtige die Veräußerungsabsicht nachweist (BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1383, Rz 25). Dieser Fallgruppe steht die "Räumung durch einen Ehegatten" nicht gleich (a.A. Hermanns, DStR 2002, 1065, 1067; Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591; vgl. auch Bäumler/Schramm, NJW-Spezial 2019, 644). Denn im Gegensatz zur Fallgruppe des vorübergehenden Leerstands vor der Veräußerung findet in Fallkonstellationen wie der vorliegenden eine (schädliche) Zwischennutzung der Wohnung jenseits der eigenen Wohnzwecke des Steuerpflichtigen statt.
ggg) Auch Art. 6 des Grundgesetzes vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen (vgl. aber Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591, zur Wohnnutzung auf der Grundlage des § 1568a BGB). Dagegen spricht bereits, dass der Kläger und seine geschiedene Ehefrau im Zeitpunkt der Übertragung des Miteigentumsanteils rechtskräftig geschieden waren. Im Übrigen hat der Kläger die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durch seinen Auszug aufgelöst.
3. Die Höhe des nach § 23 Abs. 3 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns (… €) steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Insofern sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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