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BFH zur Abziehbarkeit von Beiträgen zu einer freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung als Sonderausgaben

  1. Der Sonderausgabenabzug von Beiträgen für eine freiwillige private Pflege­zusatzversicherung, die der (teilweisen) Absicherung von nicht durch die Pfle­ge-Pflichtversicherung gedeckten Kosten wegen dauernder Pflegebedürftigkeit dient, ist verfassungsrechtlich nicht geboten, da der Gesetzgeber sich bewusst für ein Teilleistungssystem entschieden hat.
  2. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums erfordert lediglich, dass der Staat diejenigen Beiträge für Pflegeversicherungen steuerlich freistel­len muss, die der Gesetzgeber als verpflichtende Vorsorge ansieht und die nicht über das sozialhilferechtliche Niveau hinausgehen.
  3. Die Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), nach welcher Beiträge für eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) unberücksichtigt bleiben, wenn der (gemeinsame) Höchstbetrag (§ 10 Abs. 4 Satz 1 bis 3 EStG) bereits durch die Beiträge zur Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausgeschöpft wird, ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich.

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und Buchst. b, § 10 Abs. 4 Satz 1 bis 3, Satz 4, § 10 Abs. 4a, § 10 Abs. 1 Nr. 3a
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 Satz 1
SGB XI § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, § 23, § 43
SGB XII § 61, § 63 Abs. 1 Nr. 5, § 65, § 32, § 47
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1, § 109 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1

BFH-Urteil vom 24.7.2025, X R 10/20 (veröffentlicht am 23.10.2025)

Vorinstanz: Hessisches FG vom 8.4.2020, 9 K 2170/17 = SIS 20 17 08

Die Revision der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Hessischen Finanzge­richts vom 08.04.2020 ‑ 9 K 2170/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Beiträge für eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung, die zur (teilweisen) Absicherung von nicht durch die Pflege-Pflichtversicherung gedeckten Kosten wegen dauernder Pflegebedürftig­keit dient, aus verfassungsrechtlichen Gründen einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2015 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.

Beide waren bei dem D Krankenversicherungsverein (D) privat kranken- und pflegeversichert zur Erlangung der Basisabsicherung sowie für weitergehende Versicherungsleistungen. Sie hatten zudem bei der M Krankenversicherung (M) eine freiwillige private Pflegezusatzversi­cherung "S C Pflege Stufe III" mit einem vereinbarten Pflegetagegeld in Höhe von 50 € pro versicherter Person mit Beginn am 01.07.2010 abge­schlossen.

Im Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 03.02.2017 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) die an M aufgewendeten Beiträge von insgesamt 601,32 € außer Ansatz, da der gemeinsame Höchstbetrag nach § 10 Abs. 4 Satz 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bereits durch die als Sonderausgaben berücksichtigten Beiträge zur Krankenversicherung (Basisabsicherung) und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 5.951 € ausgeschöpft sei. In den Jahren 2010 bis 2013 hatte das FA die Bei­träge an M antragsgemäß berücksichtigt, davon im Jahre 2011 erst nach Ein­spruch.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzge­richt (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 95).

Die Summe der Sonderausgaben sei vom FA nach Maßgabe des im Streitjahr geltenden Rechts steuerlich zutreffend erfasst worden. Die an D geleisteten Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a (Bei­träge zu Krankenversicherungen zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch ‑‑SGB XII‑‑ bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsni­veaus) und Buchst. b EStG (Beiträge zu gesetzlichen Pflegeversicherungen) überstiegen bereits für sich genommen den Höchstbetrag. Sie seien daher ge­mäß § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG in voller Höhe abziehbar, nicht jedoch zusätzlich die an M geleisteten Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG (Beiträge zu nicht nach Nr. 3 zu berücksichtigenden Kranken- und Pflegeversi­cherungen). Die Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG führe nicht zu ei­nem höheren Abzugsbetrag.

Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden dem nicht entgegen. Die Berücksich­tigung der Aufwendungen an M in den Vorjahren (2010 bis 2013) sei zu Un­recht erfolgt. Eine Bindungswirkung für das Streitjahr bestehe wegen der Grundsätze der Abschnittsbesteuerung und der Gesetzmäßigkeit der Verwal­tung nicht.

Es könne im Pflegefall zwar eine Lücke zwischen den Kosten, die die gesetzli­che Pflegeversicherung übernehme, und den tatsächlich anfallenden Kosten entstehen. Gleichwohl sei das Gericht nicht davon überzeugt, dass der steuer­liche Abzug von Aufwendungen für eine freiwillige Versicherung, die diese Lü­cke schließe, verfassungsrechtlich geboten sei. Der Gesetzgeber habe in Ge­stalt von § 126 ff. des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) mit der Pfle­gevorsorgezulage ein im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis liegendes Sys­tem geschaffen, das die private Vorsorge fördere.

Zur Begründung ihrer Revision machen die Kläger insbesondere geltend, dass ihrer Ansicht nach die Abzugsfähigkeit ihrer Beiträge an M aus verfassungs­rechtlichen Gründen nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungs­gerichts (BVerfG) vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) geboten sei.

Nach dieser Entscheidung könnten ‑‑neben dem sächlichen Existenzmini­mum‑‑ ebenso Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzmini­mums sein. Dabei richte sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Die Quantifizierung des sozialhilfegleichen Versorgungsni­veaus im Bereich Krankheit und Pflege erweise sich als schwierig. Da nicht auf die im Mittel getätigten Aufwendungen der Leistungsträger abgestellt werden könne, müsse die steuerrechtliche Berücksichtigung des Existenzminimums auf der Beitragsseite ansetzen. Dazu biete es sich an, die Beiträge der Steuer­pflichtigen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen jeweils gesondert daraufhin zu betrachten, ob die konkreten Versicherungsbeiträge zur Erlan­gung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erfor­derlich seien.

Vorliegend sei im Hinblick auf die Pflegeversorgung festzustellen, dass vor al­lem im Fall vollstationärer Pflege die beträchtlichen Heimpflegekosten nicht ansatzweise durch den bei den Pflegegraden 4 und 5 vorgesehenen Leistungs­umfang abgedeckt seien und (Stand 01.01.2020) offene Kosten von 1.930 €/Monat verblieben. Bei nicht leistungsfähigen Sozialhilfeempfängern würden die nicht gedeckten Aufwendungen aufgrund des sozialhilferechtlichen Existenzminimums staatlicherseits übernommen, während die Kläger diese Kosten unter Einsatz eigenen Vermögens und eigener Einkünfte aufzubringen hätten. An den "offenen Kosten" sei zu erkennen, dass der Gesetzgeber seiner Verpflichtung, die Beiträge zu einer auch nur das sozialhilferechtliche Leis­tungsniveau absichernden Pflegeversicherung steuerfrei zu stellen, nicht nach­gekommen sei. Das sozialhilferechtliche Existenzminimum erreichten sie ledig­lich, zumindest annähernd, durch die private Vorsorge bei M und damit durch Eigenfinanzierung. Diese Beiträge müssten deshalb unbeschränkt abzugsfähig sein.

Darüber hinaus machen die Kläger Verfahrensfehler geltend.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 18.10.2017 auf­zuheben und den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 03.02.2017 dahinge­hend zu ändern, dass ihre Beiträge zur freiwilligen privaten Pflegeversicherung bei M in Höhe von insgesamt 601,32 € vollumfänglich steuermindernd als Son­derausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanz­gerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass von den geltend gemachten Kran­ken- und Pflegeversicherungsbeiträgen kein höherer als der vom FA im ange­fochtenen Einkommensteuerbescheid für 2015 angesetzte Betrag von 5.951 € steuermindernd berücksichtigt werden kann.

a) Dieser Betrag ergibt sich aus dem ‑‑nach geltendem Recht‑‑ höchstmögli­chen Sonderausgabenabzug, den das FG zutreffend ermittelt hat. Da insoweit zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht, sieht der Senat ‑‑mit Aus­nahme der nachfolgenden Erläuterungen‑‑ von weiteren Ausführungen na­mentlich zur Höchstbetragsberechnung nach § 10 Abs. 4a EStG ab. Die in Re­de stehenden Beiträge für eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung bei M sind ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ keine Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG, sondern solche im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG.

aa) Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschriften.

Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG sind die "Bei­träge zu gesetzlichen Pflegeversicherungen (soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung)". Die Klammerdefinition lässt erkennen, dass zu den "gesetzlichen Pflegeversicherungen" die soziale Pflegeversiche­rung für gesetzlich Krankenversicherte im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB XI einerseits sowie die private Pflege-Pflichtversicherung für privat Kran­kenversicherte im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 23 SGB XI andererseits gehören (vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.04.2015 ‑ B 3 P 8/13 R, BSGE 118, 239, Rz 14).

Demgegenüber erfasst § 10 Abs. 1 Nr. 3a Halbsatz 1 EStG "Beiträge zu Kran­ken- und Pflegeversicherungen, soweit diese nicht nach Nummer 3 zu berück­sichtigen sind", also auch die Beiträge für zusätzlich abgeschlossene, über die Basisabsicherung hinausgehende private Pflegeversicherungen (vgl. Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 171; Bleschick in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 10 Rz 32; BeckOK EStG/Fissenewert, 21. Ed. 01.04.2025, EStG § 10 Rz 175; vgl. zu dieser Unterscheidung bereits BVerfG-Urteil vom 03.04.2001 ‑ 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, Rz 2).

Der Abzug der Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist nach Maßga­be von § 10 Abs. 4 EStG auf einen Höchstbetrag begrenzt. Während Vorsorge­aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG ohne Betragsbeschränkung ab­ziehbar sind, können nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG nur abgezogen werden, wenn sie gemein­sam mit den nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigenden Vorsorgeauf­wendungen die in § 10 Abs. 4 Satz 1 bis 3 EStG definierten Höchstbeträge (bei zusammenveranlagten Ehegatten insgesamt maximal 5.600 €) nicht überstei­gen. Je höher die Pflichtversicherungsbeiträge sind, desto geringer ist folglich das für den Abzug sonstiger Vorsorgeaufwendungen einschließlich freiwilliger Kranken- und Pflegeversicherungen zur Verfügung stehende Volumen, um von einer gewissen Einkommenshöhe an auf Null zu sinken.

bb) Nach der Entstehungsgeschichte dieser Regelungen entspricht es dem Wil­len des Gesetzgebers, dass Beiträge für zusätzlich abgeschlossene, über die Basisabsicherung hinausgehende freiwillige private Pflegeversicherungen ledig­lich nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a Halbsatz 1 EStG abziehbar sind und der vorbe­schriebenen Deckelung nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG unterliegen.

(1) Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) entschieden, dass die den Sonderausgabenabzug betreffenden Re­gelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a (Beiträge zu Kranken‑ und Pflege‑, Unfall‑ und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherun­gen und an die Bundesanstalt für Arbeit) i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG (Höchstbe­träge für Vorsorgeaufwendungen) in allen seit dem Veranlagungszeitraum 1997 geltenden Fassungen (EStG 1997) mit dem Grundgesetz (GG) unverein­bar waren, soweit der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und einer privaten Pflege-Pflichtversicherung, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuer­pflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegever­sorgung zu gewährleisten, nicht erfasst. Es hatte den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 01.01.2010 eine Neuregelung zu treffen.

(2) Mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vor­sorgeaufwendungen vom 16.07.2009 (BGBl I 2009, 1959) ‑‑Bürgerentlas­tungsgesetz Krankenversicherung (BürgEntlG KV)‑‑ hat der Gesetzgeber die steuerliche Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen ab dem Veranlagungszeitraum 2010 in § 10 EStG neu geregelt.

Dabei sollten insbesondere die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Beiträge zur privaten und gesetzlichen Kranken- und Pflege-Pflichtversiche­rung auf sozialhilferechtlich gewährleistetem Leistungsniveau ab dem 01.01.2010 in vollem Umfang berücksichtigt werden können (vgl. Gesetzent­wurf der Bundesregierung zum BürgEntlG KV vom 16.03.2009, BTDrucks 16/12254, S. 1, unter B.).

Bereits der vorstehend genannte Gesetzentwurf (BTDrucks 16/12254, S. 7, 21 f.) sah vor, dass in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG Beiträge zu Krankenversiche­rungen, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialge­setzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind (Satz 1 Buchst. a), sowie (Satz 1 Buchst. b) Beiträge zu gesetzlichen Pflege­versicherungen (soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversiche­rung) als Sonderausgaben abziehbar sein sollen.

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens schlug der Finanzausschuss unter an­derem die Einfügung einer Nr. 3a in § 10 Abs. 1 EStG vor, die einen Sonder­ausgabenabzug auch für Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen vor­sah, soweit diese nicht nach Nr. 3 zu berücksichtigen seien. Außerdem emp­fahl er, § 10 Abs. 4 EStG um einen Satz 4 dahingehend zu ergänzen, die Vor­sorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG vollumfänglich zum Abzug zu bringen, sofern sie die in Abs. 4 genannten Höchstbeträge überstei­gen sollten; ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG sollte in diesem Fall ausscheiden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 17.06.2009, BTDrucks 16/13429, S. 8 und S. 11). Beide Empfehlungen sind Gesetz geworden.

Die empfohlene Einfügung von Nr. 3a in § 10 Abs. 1 EStG begründete der Fi­nanzausschuss damit, dass es sich um die Definition der sonstigen Vorsorge­aufwendungen handele. Hierzu gehörten auch die nicht nach Abs. 1 Nr. 3 zu berücksichtigenden Beitragsbestandteile einer Krankenversicherung (Mehrleis­tungen, Wahltarife, Krankengeld). Anzusetzen seien insoweit auch Beiträge für zusätzlich abgeschlossene private Pflegeversicherungen. Als Begründung zu der empfohlenen Ergänzung des § 10 Abs. 4 EStG um einen Satz 4 wurde aus­geführt, die Abziehbarkeit weiterer sonstiger Vorsorgeaufwendungen sei zwar verfassungsrechtlich nicht geboten. In bestimmten Fallkonstellationen könne eine steuerliche Berücksichtigung der entsprechenden Aufwendungen aber ei­nen sozialpolitisch sinnvollen Anreiz setzen. Die Beiträge zu der existentiell notwendigen Basiskranken‑ und Pflege-Pflichtversicherung seien ungeachtet ihrer Höhe stets voll abziehbar. Die zusätzliche Absicherung gegen andere Le­bensrisiken könne aber gerade für Arbeitnehmer mit kleineren und mittleren Einkommen sinnvoll sein. Das gemeinsame Abzugsvolumen für Pflichtversiche­rungen und sonstige Vorsorgeaufwendungen eröffne diesen eine entsprechen­de Abzugsmöglichkeit, während die Bezieher höherer Einkommen, die entspre­chend höhere Krankenversicherungsbeiträge zu leisten hätten, zusätzliche Vorsorge für andere Lebensrisiken aufgrund der ihnen zur Verfügung stehen­den finanziellen Ressourcen auch ohne eine Beteiligung des Fiskus finanzieren könnten (vgl. BTDrucks 16/13429, S. 44).

b) Ein Abzug der nicht als Sonderausgaben abziehbaren Pflegeversicherungs­beiträge als außergewöhnliche Belastung scheidet ebenfalls aus.

§ 33 Abs. 2 Satz 2 EStG ordnet an, dass Aufwendungen, die zu den Betriebs­ausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bei der Ermittlung der außergewöhnlichen Belastungen außer Betracht zu bleiben haben. Dies be­wirkt einen Nachrang der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung gegenüber dem Sonderausgabenabzug. Aufwendungen, die ihrer Art nach Sonderausgaben sind, können nicht als außergewöhnliche Belastung berück­sichtigt werden. Unerheblich ist, ob die Aufwendungen im Einzelfall als Son­derausgaben abziehbar sind oder ob sie sich wegen Überschreitens der gesetz­lichen Höchstgrenzen steuerlich nicht auswirken (vgl. Senatsurteil vom 29.11.2017 ‑ X R 5/17, BFHE 260, 148, BStBl II 2018, 230, Rz 24, zu Kran­kenversicherungsbeiträgen). Dies trifft auch bei Beiträgen zu einer privaten Pflegezusatzversicherung zu.

c) Die teilweise antragsgemäße Durchführung des Sonderausgabenabzugs in den Vorjahren begründet schon deshalb keinen Anspruch auf Vertrauensschutz in der Weise, dass diese Praxis fortgeführt werden müsste, weil nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 25 Abs. 1 EStG) das FA für jeden Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16.01.2020 ‑ VI R 49/17, BFH/NV 2020, 762, Rz 41).

2. Der Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Deckelung des Sonderausgabenabzugs für eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung durch den beschriebenen gemeinsamen Höchstbetrag, der auch zum Aus­schluss des Abzugs führen kann, verfassungswidrig ist. Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungs­gericht waren daher nicht geboten.

a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Neuregelung des Abzugs der Beiträge (auch) zu privaten Krankenversicherungen verfassungsgemäß ist und der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG im Rahmen der gesetzlichen Neure­gelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG durch das BürgEntlG KV beachtet hat (vgl. Senatsurteil vom 29.11.2017 ‑ X R 26/16, BFH/NV 2018, 424, Rz 19 ff.). Er hat inzident sowohl dieser Entscheidung als auch seinem Urteil vom 29.11.2017 ‑ X R 5/17 (BFHE 260, 148, BStBl II 2018, 230) auch die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG zugrunde gelegt, mithin auch insoweit die Neukonzeption des BürgEntlG KV nicht beanstandet. Eine spezifi­sche Auseinandersetzung mit der Abziehbarkeit freiwilliger Pflegezusatzversi­cherungen und der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG gerade auf sol­che Beiträge hat er bisher nicht vorgenommen.

b) Die im Streitjahr und bis heute geltenden Regelungen über die einkommen­steuerrechtliche Berücksichtigung der hier in Rede stehenden Beiträge zu einer frei­willigen privaten Pflegezusatzversicherung zur (teilweisen) Deckung der nicht durch die Pflege-Pflichtversicherung abgedeckten Pflegekosten als Sonderaus­gaben widersprechen nicht den Maßstäben, die das BVerfG in seinem Be­schluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) aufgestellt hat.

aa) Der BVerfG-Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) betraf eine Vorlage des Senats zur Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG 1997 im Hinblick auf den begrenzten Abzug von Beiträgen zu Krankenversicherungen (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 14.12.2005 ‑ X R 20/04, BFHE 211, 350, BStBl II 2006, 312), die das BVerfG ‑‑erweiternd‑‑ dahingehend auslegte, dass sie sich nicht nur auf Bei­träge zu privaten Krankenversicherungen, sondern auch zu privaten Pfle­ge(pflicht)versicherungen beziehe (Rz 75). Dabei erfasste § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1997 sämtliche Beiträge zu Kranken‑, Pflege‑, Unfall‑ und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und an die Bundesanstalt für Arbeit. § 10 Abs. 3 EStG 1997 enthielt einen einheitli­chen Höchstbetrag für alle sogenannten Vorsorgeaufwendungen, ohne dass aus der Gesetzgebungsgeschichte oder der Normstruktur erkennbar gewesen wäre, welcher Anteil des Gesamtbetrags und des Vorwegabzugs auf Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen entfallen sollte. Lediglich der Teilbetrag des § 10 Abs. 3 Nr. 3 EStG 1997 bezog sich auf eine bestimmte Versiche­rungsart, die freiwillige Pflegezusatzversicherung.

Nach dem Tenor der Entscheidung erklärte das BVerfG die vorstehenden Rege­lungen mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar, soweit nach Maßgabe der Gründe der Sonderausgabenab­zug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversiche­rung) und einer privaten Pflege-Pflichtversicherung nicht ausreichend erfasse, die dem Umfang nach erforderlich seien, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleis­ten (1.). Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 01.01.2010 eine Neuregelung zu treffen; bis zu diesem Zeitpunkt sollten die bisherigen Höchstbetrags-Regelungen weiterhin anwendbar bleiben (2.). In Er­mangelung einer Neuregelung seien ab dem Veranlagungszeitraum 2010 Bei­träge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und zur privaten Pflege-Pflichtversicherung bei der Einkommensteuer in vollem Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig (3.).

bb) In seinem Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) hat das BVerfG zur Begründung dieser Entscheidung auf das Prinzip der Steu­erfreiheit des Existenzminimums abgestellt, welches aus den genannten Arti­keln des Grundgesetzes abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Min­destvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Fa­milie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversor­gung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemes­sung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfü­gung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkom­mens entziehen. Die somit von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Auf­wendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen, was allerdings typisierende Regelungen nicht ausschließt (Rz 104 f.).

Neben dem sächlichen Existenzminimum können ebenso Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Kranken- und Pflegeversorgung, insbesondere ent­sprechende Versicherungsbeiträge, Teil des einkommensteuerrechtlich zu ver­schonenden Existenzminimums sein (Rz 107). Auch bei Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung ist allerdings streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen (Rz 110). Das Prinzip der Steuerfreiheit des Exis­tenzminimums gewährleistet dem Steuerpflichtigen einen Schutz des Lebens­standards nicht auf Sozialversicherungs‑, sondern nur auf Sozialhilfeniveau (Rz 112).

Die Kranken- und Pflegeversorgung ist integraler Bestandteil des Leistungska­talogs der Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger ist regelmäßig zur Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen verpflichtet; alternativ wird Kran­ken- und Pflegeversorgung gewährleistet. Dabei ist es für die verfassungs­rechtliche Beurteilung unerheblich, ob die Kranken- und Pflegeversorgung indi­rekt über die Finanzierung einer Versicherungsmitgliedschaft oder direkt über die Bereitstellung von Versorgungsleistungen sichergestellt wird. Maßgeblich ist allein, dass sie dem leistungsberechtigten Empfänger von Sozialhilfe aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert wird (Rz 113 ff.).

Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der hinreichenden einkommensteuer­rechtlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu privaten Kranken- und Pflege­versicherungen setzt die Bestimmung des einkommensteuerrechtlichen Entlas­tungsbetrags einerseits und des sozialhilferechtlich maßgeblichen Vergleichs­betrags andererseits voraus (Rz 116), wobei sich die Quantifizierung des sozi­alhilfegleichen Versorgungsniveaus im Bereich Krankheit und Pflege als schwierig erweist (Rz 122).

Da nicht auf die im Mittel getätigten Aufwendungen der Leistungsträger abge­stellt werden kann, muss die steuerrechtliche Berücksichtigung des Existenz­minimums vielmehr auf der Beitragsseite ansetzen. Dazu bietet es sich an, die Beiträge der Steuerpflichtigen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen jeweils gesondert daraufhin zu betrachten, ob die konkreten Versicherungsbei­träge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nach Art und Umfang erforderlich sind. Hierzu nicht erforderliche Versicherungsarten und Tarifgestaltungen sind aus der Betrachtung auszuscheiden. Im Übrigen ist es Aufgabe des Gesetzgebers, bei den als erforderlich anzusehenden Versicherun­gen eine sachgerechte Typisierung hinsichtlich des Umfangs der abzugsfähigen Beträge vorzunehmen, die am Ziel der Steuerfreiheit des Existenzminimums ausgerichtet ist (Rz 126).

Die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen bieten eine Vielzahl von Ta­rifarten mit ganz unterschiedlichen Funktionen an. In Ermangelung des Zu­gangs zu einem sozialhilfegleichen Standard- oder Basistarif bedarf es zur Er­langung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus dabei mindestens des Abschlusses einer Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) sowie ei­ner privaten Pflege-Pflichtversicherung (Rz 129).

Nach einer ‑‑zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Entlastungswirkung von § 10 EStG genügenden‑‑ Evidenzkontrolle konnte das BVerfG eine dem Umfang nach hinreichende steuerliche Freistellung der zur Sicherung des Exis­tenzminimums erforderlichen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversi­cherung durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG 1997 nicht feststellen (Rz 130).

Der Gesetzgeber hatte die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1997 angelegte Entlastungsgrundentscheidung in den Höchstbeträgen des § 10 Abs. 3 EStG 1997 für die Krankheitskostenversicherungen bezogen auf das Ziel einer reali­tätsgerechten Freistellung des Existenzminimums nicht folgerichtig umgesetzt (Rz 135). Derselbe Mangel an folgerichtiger Ausgestaltung war auch im Hin­blick auf die Beiträge zur privaten Pflege-Pflichtversicherung festzustellen (Rz 136).

Im Hinblick auf die angeordnete Neuregelung des § 10 EStG hat das BVerfG ausgeführt, bei der Neuordnung des Abzugs von Sonderausgaben sei klarzu­stellen, welcher Anteil eines Höchstbetrags ausschließlich oder vorrangig für existenznotwendige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zur Verfügung stehe. Der Gesetzgeber hat auch die Anforderungen an eine folgerichtige steu­errechtliche Verschonung des Existenzminimums der gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Steuerpflichtigen zu beachten und dabei zu berücksichti­gen, wie weit das Leistungsniveau dieser Sozialversicherungszweige dem der Sozialhilfe beziehungsweise der Grundsicherung für Arbeitsuchende angenä­hert ist (Rz 147).

cc) Die Kläger weisen im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass bei dem von ihnen angesprochenen Fall einer vollstationären Pflege (vgl. § 43 SGB XI) der Sozialhilfeträger die Heimpflegekosten eines Sozialhilfeempfängers ohne entsprechendes Vermögen übernimmt (vgl. § 61 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 65 SGB XII) und damit aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert, soweit die Leistungen der Pflegeversicherung den tatsächlichen Bedarf nicht decken (vgl. BVerfG-Nichtannahmebeschluss vom 01.09.2008 ‑ 1 BvR 887/08, BVerfGK 14, 187, Rz 2). Sie folgern daraus, diese etwaigen Aufwendungen sei­en daher Teil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus. Nach den Maßstä­ben des BVerfG gewährleiste eine allein zur Deckung der andernfalls vom So­zialhilfeträger geschlossenen Lücke bei den Pflegekosten vereinbarte private Pflegezusatzversicherung deshalb lediglich das sozialhilfegleiche Versorgungs­niveau im Bereich der Pflege. Die hierfür aufgewendeten Beiträge müssten da­her von Verfassungs wegen zur Wahrung der Steuerfreiheit des Existenzmini­mums als Sonderausgaben abziehbar sein.

dd) Der Senat hat im Gegenteil erwogen, ob nicht umgekehrt der BVerfG-Be­schluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) die Verfassungskon­formität der hier streitigen Regelungen wenn nicht entschieden, so doch vor­geprägt hat. Das BVerfG hatte die Vorlage dahin erweitert, dass sie sich nicht nur auf Beiträge zu privaten Krankenversicherungen, sondern auch auf solche zu privaten Pflegeversicherungen beziehe (Rz 75). Das deutet darauf hin, dass das Gericht umfassende Vorgaben zur Neuregelung des Sonderausgabenab­zugs im Zusammenhang mit Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen machen wollte. Gleichzeitig entnimmt der Senat dem Entscheidungsausspruch des Beschlusses unter 1. und 3., dass nach Auffassung des BVerfG in Bezug auf Pflegeversicherungen der vollständige Abzug der Beiträge zur privaten Pflege-Pflichtversicherung als Sonderausgaben (bereits) eine verfassungskon­forme gesetzliche Ausgestaltung darstellt.

Andernfalls hätte das BVerfG möglicherweise auch entsprechende Beiträge für eine private Pflegezusatzversicherung, die es in Rz 82 seiner Entscheidung selbst angesprochen hat und deren Bedeutung zur Deckung der nicht durch die Pflege-Pflichtversicherung übernommenen Pflegekosten ihm bekannt war (vgl. BVerfG-Urteil vom 03.04.2001 ‑ 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, Rz 6), in seinen Entscheidungsausspruch unter 3. mitaufgenommen, sei es aufgrund weitergehender Auslegung der Vorlage, sei es nach dem Grundsatz, dass eine zulässigerweise zur Prüfung vorgelegte Norm unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Gegenstand des Verfahrens wird (vgl. Rz 77).

ee) Gegen die von den Klägern vertretene Lesart des verfassungsgerichtlichen Beschlusses spricht in rechtlicher Hinsicht vor allem, dass ein solches Ver­ständnis einer grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers zur Ausgestal­tung des Sozialstaats zuwiderlaufen würde, dass nämlich die mit Wirkung zum 01.01.1995 eingeführte Pflegeversicherung bewusst lediglich als Teilleistungs­system konzipiert worden ist.

(1) Die Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit in der schließlich Ge­setz gewordenen Regelung erfolgte durch Errichtung eines neuen eigenständi­gen Zweiges der Sozialversicherung (soziale Pflegeversicherung) und durch die Schaffung einer privaten Pflege-Pflichtversicherung im Elften Buch Sozialge­setzbuch, welches durch Art. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Ri­sikos der Pflegebedürftigkeit vom 26.05.1994 (BGBl I 1994, 1014) ‑‑Pflege-Versicherungsgesetz‑‑ dem Sozialgesetzbuch angefügt wurde (vgl. BVerfG-Ur­teil vom 03.04.2001 ‑ 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, Rz 2 und Rz 15).

Das Risiko der Pflegebedürftigkeit wurde vom Gesetzgeber als eigenständiges, unabhängig vom Lebensalter bestehendes, allgemeines Lebensrisiko angese­hen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BTDrucks 12/5262, S. 1; vgl. hierzu auch BVerfG-Nichtannahmebe­schluss vom 25.09.2001 ‑ 2 BvR 2566/94, Rz 15). Mit den Leistungen der Pfle­geversicherung sollte allerdings eine Vollversorgung der Pflegebedürftigen we­der angestrebt noch erreicht werden. Sie waren vielmehr als soziale Grundsi­cherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen gedacht, die Eigenleis­tungen der Versicherten nicht entbehrlich machen (vgl. Begründung des Ge­setzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BTDrucks 12/5262, S. 90).

Das BVerfG hat sich frühzeitig und wiederholt mit Fragen der Verfassungsmä­ßigkeit der Pflegeversicherung selbst und verschiedener Einzelregelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch befasst (vgl. u.a. Urteil vom 03.04.2001 ‑ 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197; Nichtannahmebeschluss vom 25.09.2001 ‑ 2 BvR 2566/94; Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2003 ‑ 1 BvR 452/99, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ‑‑FamRZ‑‑ 2003, 1084). Es hat be­reits ‑‑in zeitlicher Hinsicht deutlich‑‑ vor seinem Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) erkannt, dass die Pflegeversicherung keine Vollversicherung in dem Sinne ist, dass ein etwaiger Bedarf des Pflegebedürf­tigen in jedem Fall umfassend durch Leistungen gedeckt würde. Diese reichten im stationären Sektor je nach Pflegesatz und Pflegestufe (heute: Pflegegrad) teilweise oder sogar ganz überwiegend nicht aus, um die Pflegekosten abzude­cken, zu denen noch nicht unerhebliche Kosten für Unterkunft und Verpflegung hinzutraten (vgl. BVerfG-Urteil vom 03.04.2001 ‑ 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242, Rz 6). Das BVerfG hat diese Ausgestaltung der gesetzlichen Pflege­versicherungen dennoch gebilligt und dies mit der großen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der leistungsrechtlichen Grundentschei­dungen eines Sozialleistungssystems begründet. Da die Leistungen der sozia­len Pflegeversicherung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nur als Teilabsicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit ausgestaltet worden sind, hatte der Gesetzgeber festzulegen, was die soziale Pflegeversicherung zu leis­ten hat und was nicht (vgl. BVerfG-Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2003 ‑ 1 BvR 452/99, FamRZ 2003, 1084, Rz 17 ff.).

(2) Angesichts der bewussten und verfassungsrechtlich zulässigen gesetzgebe­rischen Ausgestaltung der gesetzlichen Pflegeversicherungen als Teilleistungs­system kann die von den Klägern geforderte uneingeschränkte steuerliche Ab­ziehbarkeit der streitigen Beiträge als Sonderausgaben nach Ansicht des Se­nats verfassungsrechtlich ebenfalls nicht geboten sein. Dabei ist nicht zuletzt zu bedenken, dass die nicht durch die gesetzliche Pflegeversicherung gedeck­ten Pflegekosten in erster Linie durch Eigenanteile der pflegebedürftigen Per­sonen aus ihren Einkünften oder ihrem Vermögen aufzubringen sind und in vielen Fällen auch aufgebracht werden. Der Sozialhilfeträger tritt erst subsidiär ein. Es kann dahinstehen, ob es dem Gesetzgeber freistünde, Beiträge zu einer Versicherung steuerlich zu fördern, mit denen die dem Teilleistungskonzept der Pflege-Pflichtversicherung immanente Belastung von Einkünften und Ver­mögen durch Eigenanteile gemildert oder beseitigt wird. Das betrifft lediglich die Frage, ob der Gesetzgeber zu einer steuerlichen Förderung solcher Versi­cherungsbeiträge berechtigt wäre. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, sie steuerlich zu fördern. Wenn der Gesetzgeber sich bewusst und in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf der sozialversicherungsrechtlichen Ebene für ein Teilleistungssystem entschieden hat, wäre es nicht folgerichtig, die steuerliche Förderung eines Vollleistungssystems für eine verfassungsrechtliche Pflicht zu halten. Auf diese Weise würde die Mitfinanzierung der über das sozialversicherungsrechtliche Teilleistungssystem hinausgehenden Leistungen durch die Allgemeinheit er­zwungen und so die Grundentscheidung des Gesetzgebers für ein bestimmtes Vorsorgemodell unterlaufen.

ff) Der Senat verkennt nicht, dass ungeachtet der sozialversicherungsrechtli­chen Lage für das mit der streitigen Pflegezusatzversicherung versicherte Risi­ko im Bedarfsfall der Sozialhilfeträger einträte, wenn die Kläger im gegebenen Zeitpunkt nicht über Einkünfte oder Vermögen einschließlich etwaiger Unter­haltsansprüche verfügen sollten. Es verhält sich aber insofern entscheidend anders als in der dem BVerfG-Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) zugrunde liegenden Konstellation, als es sich um eine Zusatzversicherung handelt, die außerdem freiwillig ist.

(1) Die Kläger verfügen über einen Pflegeversicherungsschutz in einem der ge­setzlichen Sozialversicherung entsprechenden Umfang und erhalten dafür ohne Weiteres den uneingeschränkten Sonderausgabenabzug. Sie begehren darüber hinaus den Sonderausgabenabzug für Beiträge einer Versicherung, deren Leis­tungsumfang über den der Pflichtversicherung hinausgeht.

Die Versicherungsbeiträge, um deren Abzug es den Klägern des Verfahrens 2 BvL 1/06 ging, traten hingegen jedenfalls zu einem erheblichen Teil nicht zu dem gesetzlichen Pflichtversicherungsumfang hinzu, sondern an dessen Stelle. Es waren deshalb keine Vorsorgeaufwendungen zu beurteilen, die für ein hö­heres Leistungsniveau als dasjenige der gesetzlichen Versicherungen erbracht wurden. Es ging um Vorsorgeaufwendungen, mit denen die damaligen Kläger erst mit dem durch die gesetzlichen Versicherungen vorgesehenen Leistungs­system gleichziehen konnten. Im vorliegenden Fall begehren die Kläger jedoch einen Sonderausgabenabzug, der über die in dem bewusst als Teilleistungs­system konzipierten Modell der gesetzlichen Versicherung vorgesehene Basis­absicherung hinausgeht.

(2) Der Abschluss einer Krankenversicherung und einer Pflegeversicherung sind nach § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) seit dem 01.01.2009 grundsätzlich im Umfang der Basisabsicherung gesetzlich ver­pflichtend, wohingegen die Kläger die Pflegezusatzversicherung freiwillig abge­schlossen haben. Bei den verpflichtend abzuschließenden Versicherungen fal­len unvermeidlich Beiträge an, deren Belastungswirkung zwangsläufig die Fra­ge einer aktuellen steuerlichen Entlastung durch einen Sonderausgabenabzug zur Gewährleistung des steuerlichen Existenzminimums aufwirft.

Demgegenüber entsteht bei freiwilligen Zusatzversicherungen eine finanzielle Belastung überhaupt nur im Fall ihres Abschlusses. Der Steuerpflichtige kann frei entscheiden, ob die Belastung durch die Beiträge entsteht. Sie ist insoweit für ihn vermeidbar. Das BVerfG geht davon aus, dass allein die Zwangsläufig­keit von Aufwendungen nicht dazu führt, dass diese von Verfassungs wegen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, Rz 112, für die Pflichtsozialversicherungsbeiträge). Erst recht ist Zurückhaltung gegen­über einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Abzug angebracht, wenn die Aufwendungen schon nicht zwangsläufig sind.

Richtig ist zwar, dass das BVerfG die Verpflichtung zum Sonderausgabenabzug umgekehrt nicht an eine gesetzliche Verpflichtung zu einer entsprechenden Beitragsleistung geknüpft hatte, soweit es nämlich die Krankenversicherungs­beiträge betraf. Dabei ging es aber aus den unter II.2.b ff (1) dargestellten Gründen um eine Konstellation, in der mangels einer dem § 193 Abs. 3 VVG entsprechenden Vorschrift noch nicht einmal eine Versicherungspflicht im Um­fang der gesetzlichen Sozialversicherungen bestand, so dass der gesetzliche Sonderausgabenabzug zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Versicherten geführt hatte. Damit ist eine freiwillige Zusatzversi­cherung, die ein gesetzlich wie ein privat Kranken- und Pflegeversicherter ab­schließen kann, um unter Verschonung von Einkünften und Vermögen Ansprü­che über das im Recht der gesetzlichen Sozialversicherungen vorgesehene Teilleistungssystem hinaus zu erwerben, nicht vergleichbar.

(3) Im Hinblick auf die oben dargelegte gesetzgeberische Grundentscheidung der Ausgestaltung der gesetzlichen Pflegeversicherungen als Teilleistungssys­tem bedeutet dies in Bezug auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums da­her, dass der Staat nur diejenigen Beiträge für Pflegeversicherungen steuerlich freistellen muss, die der Gesetzgeber zum einen als verpflichtende Vorsorge ansieht und die zum anderen nicht über das sozialhilferechtliche Niveau hin­ausgehen.

gg) Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass die etwaigen Eigenanteile im Fall der Pflegebedürftigkeit gemäß § 33 EStG als au­ßergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend gemacht werden können. So geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskos­ten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch für Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Un­terbringung des Steuerpflichtigen in einer dafür vorgesehenen Einrichtung. Da­hingehende Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und sind daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG zu berücksichtigen. Es gelten die allgemei­nen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (vgl. BFH-Urteil vom 10.08.2023 ‑ VI R 40/20, BFHE 281, 64, BStBl II 2023, 1107, Rz 13, m.w.N.).

Nach Einschätzung des Senats stellt es bei der Prüfung der Verfassungsmäßig­keit des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zu Pflegeversicherungen für die Frage, ob der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Gestaltungsrahmen überschritten hat, keinen unwesentlichen Belang dar, ob der Gesetzgeber ne­ben dem vollständigen Abzug der verpflichtenden Beiträge zu den gesetzlichen Pflegeversicherungen während der "Beitragsphase" nach § 10 EStG ergänzend die Möglichkeit einer steuermindernden Berücksichtigung anfallender Pflege­aufwendungen während der "Bezugsphase" gemäß § 33 EStG als außerge­wöhnliche Belastung vorsieht. Allerdings ist es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der einkommen­steuerrechtlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten (vgl. BFH-Urteil vom 02.09.2015 ‑ VI R 32/13, BFHE 251, 196, BStBl II 2016, 151, Rz 9 ff.; kritisch Kosfeld, Fi­nanz-Rundschau 2013, 359 ff.).

hh) Nichts anderes ergibt sich, wenn die Prüfung, ob die Steuerfreiheit des Existenzminimums gewährleistet ist, statt der Leistungsebene die Beitrags­ebene in den Blick nimmt.

(1) Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.02.2008 ‑ 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) unter anderem ausgeführt, die Kranken- und Pflegever­sorgung sei integraler Bestandteil des Leistungskatalogs der Sozialhilfe. Das gelte sowohl nach dem im Streitjahr 1997 geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als auch nach den gegenwärtig geltenden Regelungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Nach § 13 BSHG sei der Sozialhilfeträger regelmäßig zur Übernahme von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen verpflichtet gewesen. Alternativ sei Kran­ken- und Pflegeversorgung nach §§ 36 ff. oder §§ 68 ff. BSHG gewährleistet worden. Entsprechendes gelte nach den derzeit gültigen Regelungen der Sozi­alhilfe (vgl. § 32 SGB XII bzw. §§ 47 ff., 61 ff. SGB XII). Dabei sei es für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich, ob die Kranken- und Pflegever­sorgung indirekt über die Finanzierung einer Versicherungsmitgliedschaft oder direkt über die Bereitstellung von Versorgungsleistungen sichergestellt werde. Maßgeblich sei allein, dass sie dem leistungsberechtigten Empfänger von Sozi­alhilfe aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werde (Rz 113 bis 115).

(2) Der Senat versteht die verfassungsgerichtlichen Ausführungen ‑‑anders als die Kläger‑‑ lediglich als Hervorhebung des Umstands, dass nicht nur Versor­gungsleistungen selbst, sondern auch bloße Versicherungsbeiträge zum steu­erlichen Existenzminimum zählen können. Versicherungsbeiträge sind jedoch nicht bereits deshalb Teil des sozialhilferechtlichen Leistungsniveaus, weil sie einen Leistungsumfang vermitteln, der im Bedarfsfall von dem Sozialhilfeträ­ger übernommen würde. Vielmehr bemisst sich das sozialhilferechtliche Leis­tungsniveau auf der Beitragsebene nach § 32 Abs. 5, 6 SGB XII. Diese Vor­schriften erfassen die gesetzlichen Pflegeversicherungen (soziale Pflegeversi­cherung, private Pflege-Pflichtversicherung) und sehen die Übernahme von Beiträgen für eine private Pflegezusatzversicherung nicht vor (vgl. Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, § 32 Rz 83; Pfriender in Schlegel/Voelzke, juris Pra­xisKommentar SGB XII, § 32 Rz 63).

(3) Im Übrigen kann zwar nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung eine private Kranken- und Pflegezusatzversicherung dem Grunde nach angemessen sein, wenn eine solche üblicherweise von Beziehern von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze abgeschlossen wird oder die individuellen Lebensverhältnisse den Abschluss einer derartigen Versicherung bedingen (vgl. Landessozialgericht ‑‑LSG‑‑ Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2021 ‑ L 9 AS 1282/20, juris, Rz 52). Beiträge zu einer privaten Zusatz-Pflegeversicherung für einen Bezieher von Grundsicherungsleistungen sind im Allgemeinen aber dann nicht angemessen, wenn der Hilfeempfänger als Mit­glied einer gesetzlichen Pflegekasse bereits über eine Vorsorge für den Fall ei­ner Pflegebedürftigkeit verfügt. Die der sozialen Pflegeversicherung systemim­manenten Leistungsgrenzen begründen eine Angemessenheit privater Zusatz-Pflegeversicherungen mit Rücksicht auf die fürsorgerischen Leistungsergän­zungen insbesondere durch die Hilfe zur Pflege im Allgemeinen nicht. Die indi­viduellen Verhältnisse eines gesetzlich pflegeversicherten Hilfeempfängers be­gründen eine Angemessenheit einer privaten Zusatz-Pflegeversicherung unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen dann nicht, wenn eine künftige Ver­besserung der Lebenssituation des Hilfeempfängers wie eine künftige Entlas­tung des Grundsicherungsträgers nicht absehbar ist und wenn die Beitragsent­richtung den Lebensunterhalt einer Vergleichsperson mit Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze gefährden würde (vgl. Hessisches LSG, Be­schluss vom 09.06.2006 ‑ L 9 SO 13/06 ER, Fürsorgerechtliche Entscheidun­gen der Verwaltungs- und Sozialgerichte, 58, 228, Leitsatz 1 bis 3, Rz 31 ff., m.w.N.).

(4) Danach dürfte eine private Pflegezusatzversicherung typischerweise nicht zum sozialhilferechtlichen Leistungsniveau gehören. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines Sonderausgabenabzugs entsprechender Versicherungs­beiträge zur Sicherung des steuerlichen Existenzminimums besteht daher nach Ansicht des Senats nicht.

3. Die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Dies gilt hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO schon deshalb, weil die fehlende Überzeugung des FG von der Verfas­sungswidrigkeit der einkommensteuerrechtlichen Regelungen wegen der Nichtberücksichtigung der Beiträge an M nicht auf einer mangelnden gerichtli­chen Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen, sondern auf einer abwei­chenden materiell-rechtlichen Ansicht des FG zur Frage der Vereinbarkeit der einfachrechtlichen Gesetzeslage mit höherrangigem Recht beruht.

b) Soweit die Kläger im Revisionsverfahren weiterhin Zweifel daran äußern, dass ihnen beim FG vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei, und sie in­soweit eine Verletzung ihrer Ansprüche auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) rü­gen, kann offenbleiben, ob das FG die fehlende Reaktion der Kläger auf die ge­richtliche Anfrage, ob der Rechtsstreit nach erfolgter Akteneinsichtnahme als erledigt angesehen werde, dahingehend würdigen durfte. Aus den Gründen unter II.1.c konnte die Akteneinsicht für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren unter keinen Umständen entscheidungserheblich sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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