Veräußert ein i.S. des § 17 EStG qualifiziert beteiligter Gesellschafter Anteile an der Kapitalgesellschaft, die er zuvor aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt hat, so tritt der Teilwert oder der gemeine Wert dieser Anteile nur dann an die Stelle der (historischen) Anschaffungskosten, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können.
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 17 Abs. 1 und Abs. 2
HGB § 255 Abs. 1
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 14.5.2009, 15 K 2503/07 E (EFG 2009, 1293 = SIS 09 23 25)
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Erben und Testamentsvollstrecker des verstorbenen Dr. A. L. (Erblasser).
Der Erblasser war bereits vor 1980 unmittelbar und mittelbar zu 26,74 % an der X Heimwerker und Freizeitbedarf Handels GmbH (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Die GmbH war Komplementärin der X Heimwerker und Freizeitbedarf Handels GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Die Anteile des Erblassers an der GmbH waren zunächst Sonderbetriebsvermögen II des Erblassers bei der KG. Im Zuge der Gründung einer Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft KGaA (im Folgenden: KGaA) am 13.6.1980, in die der Erblasser seine Anteile an der KG einbrachte, entnahm er seine Beteiligung an der GmbH in sein Privatvermögen. Der Teilwert betrug nach den Feststellungen der Großbetriebsprüfung 2.430.540 DM. Ein Entnahmegewinn (2.430.540 DM abzüglich Nominalwert 14.000 DM) wurde wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheids der KG für das Jahr 1980 steuerlich nicht erfasst.
Mit Wirkung zum 1.9.1985 (Streitjahr) veräußerte der Erblasser seine unmittelbare Beteiligung an der GmbH (17,284 %, Nominalwert 14.000 DM) für 3 Mio. DM an die KGaA. Einen Veräußerungsgewinn gab der Erblasser in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1985 nicht an, weil er der Ansicht war, an der GmbH nicht wesentlich beteiligt gewesen zu sein.
Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) von der Anteilsveräußerung erfuhr, änderte er den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und berücksichtigte darin einen Veräußerungsgewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) von 2.986.000 DM (3 Mio. DM Veräußerungspreis abzüglich Nominalwert der Anteile von 14.000 DM). Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA nach dem Erlass weiterer, den vorliegenden Streitpunkt nicht betreffender Änderungsbescheide zurück.
Die Klage mit dem Begehren, einen Veräußerungsgewinn als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis (3 Mio. DM) und dem Entnahmewert (2.430.540 DM) in Höhe von 569.460 DM zu berücksichtigen, war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1293 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der Entnahmewert trete an die Stelle der Anschaffungskosten. Dies gelte auch dann, wenn die Entnahme steuerrechtlich nicht erfasst worden sei. Denn § 17 EStG erfasse keine Wertveränderungen im Betriebsvermögen. Die Vorschrift bilde keine Korrekturnorm, durch die das FA nachträglich eine unterbliebene Besteuerung des Entnahmegewinns in früheren Veranlagungszeiträumen nachholen oder ausgleichen könne.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 17 EStG. Es seien die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage. Ein Entnahmewert statt der Anschaffungskosten sei nur dann anzusetzen, wenn die stillen Reserven steuerlich erfasst worden seien.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Indem das FG den Veräußerungsgewinn als Differenz von Veräußerungspreis und (nicht steuerlich erfasstem) Entnahmewert ermittelt, verletzt es § 17 Abs. 2 EStG.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Erblassers gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von 17,284 % der Anteile an der GmbH, weil er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der GmbH mit 26,74 % zu mehr als ein Viertel (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) beteiligt war. Darüber streiten die Beteiligten nicht (mehr).
2. Der Gewinn ist nach § 17 Abs. 2 EStG - wie vom FA zutreffend ermittelt - mit 2.986.000 DM der Betrag, um den der Veräußerungspreis von 3 Mio. DM den - als "historische" Anschaffungskosten anzusetzenden - Nominalwert der Anteile von 14.000 DM (Nennkapital) übersteigt (vgl. zu den historischen Anschaffungskosten Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1.3.2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398).
Die Anschaffungskosten werden entgegen der Auffassung des FG nicht durch den Teilwert der in das Privatvermögen entnommenen Anteile gebildet.
a) Der in § 17 Abs. 2 EStG verwendete Begriff "Anschaffungskosten" ist i.S. des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszulegen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft werden angeschafft, wenn sie entgeltlich erworben werden (vgl. zum Begriff der Anschaffung BFH-Urteil vom 19.8.2008 IX R 71/07, BFHE 222, 484, BStBl II 2009, 13, m.w.N.). Erwirbt der Steuerpflichtige z.B. Anteile durch Gründung der Kapitalgesellschaft, so besteht die Gegenleistung (der Anschaffungspreis) in den gesellschaftsrechtlichen Bar- und Sacheinlagen (BFH-Urteil vom 2.10.1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320; vgl. zu Einzelheiten z.B. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 160; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 202; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 205; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 28. Aufl., § 17 Rz 157).
b) Überführt der Steuerpflichtige Anteile an einer Kapitalgesellschaft aus seinem Betriebs- in sein Privatvermögen, erwirbt er sie mangels Rechtsträgerwechsels nicht und schafft sie deshalb auch nicht i.S. von § 255 Abs. 1 HGB an. Dieser Vorgang erfüllt mithin nicht das Tatbestandsmerkmal "Anschaffungskosten" in § 17 Abs. 2 EStG.
aa) Allerdings wird die Entnahme der Anteile aus dem Betriebsvermögen als anschaffungsähnlicher Vorgang mit der Folge angesehen, dass an die Stelle der "historischen" Anschaffungskosten der Entnahmewert (Teilwert, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) tritt (BFH-Urteil vom 24.6.2008 IX R 58/05, BFHE 222, 367, BStBl II 2008, 872, unter II.3.c, m.w.N. aus dem Schrifttum).
bb) Dies gilt aber - wie bei der vergleichbaren Bemessung der Absetzungen für Abnutzung nach der Entnahme eines abnutzbaren Wirtschaftsguts (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3.5.1994 IX R 59/92, BFHE 174, 422, BStBl II 1994, 749) - nur dann, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können. Denn nur in diesem Fall besteht ein Grund, die Geltungsanordnung des Gesetzes über den klaren Wortlaut hinaus teleologisch zu reduzieren und Wertansätze unter den Begriff der Anschaffungskosten zu subsumieren, die an sich nicht mit einem Erwerb der Anteile zusammenhängen. Ist nämlich ein Entnahmegewinn im Betriebsvermögen steuerrechtlich erfasst worden, käme es zu einer Doppelberücksichtigung der Wertsteigerungen, wenn die Anteile später veräußert werden und der Gewinn als die Differenz von Veräußerungspreis und (historischen) Anschaffungskosten ermittelt würde. Um eine derartige Doppelberücksichtigung zu vermeiden, tritt der Teilwert (oder der gemeine Wert) an die Stelle der historischen Anschaffungskosten (BFH-Urteil in BFHE 222, 367, BStBl II 2008, 872, a.E.; so auch Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 207, Stichwort: Anteilsbewertung bei Entnahme aus einem Betriebsvermögen, und Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 180 a.E.).
cc) Sind aber die stillen Reserven tatsächlich nicht erfasst worden und können sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr erfasst werden, so kann es zu keiner Doppelberücksichtigung kommen. Einer einschränkenden Auslegung des § 17 Abs. 2 EStG bedarf es nicht. Die Wertsteigerungen werden entsprechend der gesetzlichen Intention allein durch § 17 EStG der Besteuerung unterworfen. Dabei zielt § 17 EStG entgegen der Vorinstanz (wie diese auch Pyszka in GmbH-Rundschau 1998, 1173) nicht nur auf Wertsteigerungen im Privatvermögen. Als Folge der Typisierung durch einen fest bestimmten Zeitrahmen (Fünfjahreszeitraum) unterwirft § 17 Abs. 1 EStG alle Anteilsveräußerungen der Besteuerung, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Woher die veräußerten Anteile stammen, ob sie - wie hier - aus dem Betriebsvermögen entnommen, als ursprünglich einbringungsgeborene entstrickt oder nachträglich - auch nach Absinken der Beteiligung zu einer unwesentlichen - erworben wurden, ist unerheblich (so explizit BFH-Urteil in BFHE 222, 367, BStBl II 2008, 872, unter II.3.b). Nur dort, wo Wertsteigerungen bereits der Besteuerung unterworfen wurden, muss § 17 EStG über seinen Wortlaut hinaus teleologisch reduziert werden, damit es zu keiner Doppelberücksichtigung stiller Reserven kommen kann.
3. Da das FG-Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen. Denn abgesehen von der Gewinnermittlung sind die übrigen Bestandteile des Steuertatbestandes außer Streit.
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