BFH: Anteilsveräußerung und Kaufpreisstundung
- Der Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 2 EStG entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung, unabhängig davon, dass der Kaufpreis gestundet wird.
- Eine wahlweise Zuflussbesteuerung des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs. 2 EStG kommt nur in Betracht, wenn die wiederkehrenden Zahlungen Versorgungscharakter haben.
BFH-Urteil vom 20.7.2010 IX R 45/09
EStG § 11, § 17
Vorinstanz: FG des Saarlandes vom 13.8.2009, 2 K 1326/05 = SIS 10 04 83
I. Der im Jahre 1947 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Gesellschafter der C-GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember des Streitjahres 2000 übertrug der Kläger seine Anteile an der GmbH mit sofortiger Wirkung zum Kaufpreis von 500.000 DM an die D S.A. in Luxemburg, deren alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat er ist. Das Gewinnbezugsrecht sollte dem Käufer mit dem 30.12.2000, 0.00 Uhr, zustehen. Nach einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom 11.1.2001 sollte der Kaufpreis in jährlichen Raten in Höhe von 50.000 DM gezahlt werden, erstmals am 3.1.2006.
Im Hinblick darauf berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) einen Veräußerungsgewinn von 450.000 DM. Auf den Einspruch des Klägers zinste das FA den Veräußerungserlös ab und setzte die Einkommensteuer entsprechend herab.
Der Klage des Klägers, mit der er beantragte, den Einkommensteuerbescheid 2000 dergestalt zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu erfassen sei, da ein solcher erst ab 2006 zu besteuern wäre, gab das Finanzgericht (FG) statt:
Nach der Rechtsprechung sei ein Wahlrecht zwischen der Erfassung des Barwertes des Rechts auf die wiederkehrenden Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung oder aber der Summe der in den Folgejahren tatsächlich zufließenden Bezüge zu eben diesen Zeitpunkten jedenfalls dann gegeben, wenn der Veräußerungspreis in langfristig wiederkehrenden Bezügen bestehe, die wagnisbehaftet seien oder die Bestimmungen hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers getroffen worden seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.7.1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, m.w.N., insbes. auf BFH-Urteil vom 23.1.1964 IV 85/62 U, BFHE 79, 16, BStBl III 1964, 239). Dabei seien die für die Zubilligung des Wahlrechts bestimmenden Komponenten "Wagnis" und "Versorgung" in gewissem Umfang kompensierbar (BFH-Urteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, m.w.N.).
Die Vereinbarung über die Ratenzahlung im Januar 2001 sei vor der Kaufpreiszahlung getroffen worden und ergänze den notariellen Vertrag allein im Interesse des Klägers, da er als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt habe. Der vereinbarte Zahlungszeitraum erstrecke sich auch über mehr als zehn Jahre. Denn der Kaufpreis sollte zwar in zehn Jahresraten bezahlt werden. Die Zahlungen sollten jedoch erst im Jahr 2006 beginnen, dem Jahr, in dem der Kläger das 59. Lebensjahr vollendete, und sie sollten voraussichtlich im Jahr 2015 enden. Danach messe der Senat der Zusatzvereinbarung Versorgungscharakter bei. Das daraus folgende Wahlrecht habe der Kläger dahingehend ausgeübt, dass eine Besteuerung erst im Zeitpunkt des Zuflusses der Raten zu erfolgen habe. Ein Veräußerungsgewinn sei damit im Streitjahr 2000 nicht anzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die dieses auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Veräußerungserlös sei sofort zu erfassen, weil nicht die Versorgung des Veräußerers, sondern die Verlagerung inländischer Einkünfte nach Luxemburg die Zusatzvereinbarung motiviert habe. Die Rechtssätze zur Ausübung des Wahlrechts auf eine nachträgliche Besteuerung im jeweiligen Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Ratenzahlungen würden mangels Wagnisbehaftung der Ratenzahlungen für den Kläger nicht greifen. Die Ratenzahlungen seien nicht als Leibrente an das Leben des Veräußerers gekoppelt; sie ergäben in der Summe den vertraglich vereinbarten Kaufpreis und würden bei einem vorzeitigen Ableben des Veräußerers an dessen Rechtsnachfolger in der verbleibenden Höhe weiterfließen. Auch fehle eine eindeutige vertragliche Regelung, die eine Absicht des Veräußerers erkennen lasse, sich durch die entgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile seine Altersversorgung zu sichern. Zudem begünstige die Ratenvereinbarung ausschließlich die Erwerberin. Jenseits dessen würden in derartigen langfristigen Ratenzahlungen unter fremden Dritten grundsätzlich auch Wertsicherungsklauseln vereinbart. Im Übrigen halte die privatrechtliche Zusatzvereinbarung zum notariellen Kaufvertrag einem Fremdvergleich nicht stand.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Hintergrund der privatschriftlichen Zusatzvereinbarung vom Januar 2001 sei die Absicht, dass der Kläger nach Möglichkeit mit 60 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden wolle und daher seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegfallen würden.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat auf der Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht eine Versteuerung des streitbefangenen Veräußerungsgewinns im Streitjahr abgelehnt.
1. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungskosten sind die durch die Veräußerung wirtschaftlich veranlassten Aufwendungen.
a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH-Urteile vom 7.3.1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693; vom 2.4.2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658). Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Berechtigte alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann, also neben dem Gewinnbezugsrecht und der Teilhabe an Wertveränderungen der Anteile alle Verwaltungsrechte einschließlich des Stimmrechts (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.2005 VIII R 34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857).
b) Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des - dinglichen - Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH-Urteil in BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693). Der Veräußerungspreis ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die Veräußerung bedingt oder befristet ist oder ob der Kaufpreis gestundet ist (Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 168). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Veräußerungspreises ist grundsätzlich der des Vollzugs des Veräußerungsgeschäfts (Blümich/ Ebling, § 17 EStG Rz 176); auf den Zufluss des Entgelts kommt es nicht an (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1658, m.w.N.).
c) Wird eine Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen eine Leibrente oder gegen einen in Raten zu zahlenden Kaufpreis veräußert, so soll gemäß R 140 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1999 wie 2001 die Regelung in R 139 Abs. 11 EStR entsprechend gelten. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen eine Leibrente, so kann er danach den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn sofort versteuern oder die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen i.S. von § 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.
Soweit damit Kaufpreisraten den Leibrenten gleichgestellt werden sollen, kann dies - unabhängig von der sachlichen Berechtigung des Wahlrechts überhaupt (für zwingende Sofortbesteuerung Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 17 EStG Rz 163, S. E 86) - angesichts der dargelegten (s.o. b) - Grundsystematik der Entstehung des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs. 2 EStG jedenfalls nur für solche Fallgestaltungen gelten, in denen die Kaufpreisraten nach ihrem Versorgungscharakter einer Leibrente zumindest ähneln, es sich also nicht um eine bloße ratenweise Kaufpreisstundung handelt; die Ratenzahlung muss hierfür jedenfalls über einen mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum vereinbart sein (so etwa Gosch in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 17 Rz 77: "Raten mit Versorgungscharakter über einen mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum").
Der BFH hat ein Wahlrecht im dargelegten Sinne grundsätzlich anerkannt; seine Rechtsgrundlage findet dieses Wahlrecht in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG und im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, m.w.N.; vom 20.12.1988 VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630). Auf dieser Grundlage kommt ein Wahlrecht nach der Rechtsprechung insbesondere dann in Betracht, wenn langfristige wiederkehrende Bezüge vereinbart werden und diese entweder mit einem Wagnis behaftet sind oder hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers festgelegt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20.1.1959 I 200/58 U, BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192; vom 12.6.1968 IV 254/62, BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653; in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829).
Übertragen auf den Regelungsbereich von § 17 EStG können Verhältnismäßigkeitsaspekte eine teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 EStG zugunsten einer fakultativen Zuflussbesteuerung aber jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn sich aus einer Vereinbarung von wiederkehrenden Kaufpreiszahlungen nicht eindeutig deren Versorgungscharakter im Interesse des Anteilsveräußerers ergibt. Der Versorgungscharakter der Ratenzahlungen spiegelt sich dabei in der Antwort auf die Frage wieder, ob ein vollständiger oder teilweiser Ausfall der Forderung berücksichtigt werden könnte. So hat der BFH angenommen, dass dann, wenn ein Gesellschaftsanteil gegen abgekürzte Leibrente veräußert wird und sich der Steuerpflichtige für die Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns entscheidet, der Tod des Rentenberechtigten vor dem Ende der Laufzeit der Rente kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung darstellt (BFH-Urteil vom 19.8.1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179). Kommt es aber bei einer ratenweisen Kaufpreiszahlung über einen langen Zeitraum (zum Teil) zu einem Ausfall der Kaufpreisforderung, ändert sich der steuerbare Veräußerungsgewinn nachträglich (Großer Senat des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897). Das erlaubt bei Ratenzahlungen eine Korrektur, wenn sie später zum Teil uneinbringlich werden (Eilers/R. Schmidt in HHR, a.a.O.). Insoweit unterscheiden sich diese von den wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen, die an das Leben einer bestimmten Person gekoppelt sind; bei jenen führt die Realisierung des von Beginn an bewusst in Kauf genommenen Risikos (Tod des Rentenberechtigten) gerade nicht zu einer rückwirkenden Änderung.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen die Feststellungen des FG die Annahme einer Versteuerung des gesamten Kaufpreises nach Zufluss nicht.
a) Das FG hat schon nicht hinreichend festgestellt, ob nicht - was naheliegend ist - die Vereinbarung im Januar 2001 über die Ratenzahlung getroffen wurde, nachdem der Veräußerungsgewinn im Dezember des Streitjahres bereits entstanden und sofort zu versteuern war. Dass die Ergänzung des notariellen Vertrags vor der Kaufpreiszahlung getroffen wurde, ist unerheblich; sie erfolgte jedenfalls nach der sofortigen Fälligkeit des gesamten Kaufpreises, wie sie sich nach der notariellen Vereinbarung ergibt (§§ 271, 320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Damit wurde ein entstandener und ggf. auch fälliger Kaufpreisanspruch nachträglich umgestaltet, nicht aber entstand der Kaufpreisanspruch mit der in der Ratenvereinbarung geregelten Fälligkeit.
b) Nicht geprüft und deshalb hierzu auch keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat das FG weiter die Frage, ob die Zusatzvereinbarung den an die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einem Gesellschafter und einer von ihm ggf. beherrschten Gesellschaft zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere, inwieweit die Zusatzvereinbarung dem Fremdvergleich standhält. Hiergegen spricht, dass der Kläger ggf. auf die sofortige Zahlung des gesamten Kaufpreises ohne Gegenleistung auf lange Frist verzichtet hat.
c) Nicht auf hinreichenden Feststellungen beruht auch die Annahme des Versorgungscharakters der Ratenzahlung. Dass diese deshalb allein im Interesse des Klägers erfolgt sein soll, weil er als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt habe, erscheint schon nicht schlüssig, belegt aber jedenfalls nicht hinreichend den Versorgungscharakter.
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