BFH: Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 EStG
Das Elterngeld zählt bei der Berechnung des abzugsfähigen Unterhaltshöchstbetrags in vollem Umfang und damit einschließlich des Sockelbetrags (§ 2 Abs. 4 BEEG) zu den anrechenbaren Bezügen des Unterhaltsempfängers i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV.
BFH-Beschluss vom 20.10.2016, VI R 57/15 (veröffentlicht am 14.12.2016)
EStG i.d.F. des BürgEntlG KV § 33a Abs. 1 Satz 5
BEEG § 2 Abs. 4
Vorinstanz: Sächsisches FG vom 15.10.2015, 1 K 436/14 (EFG 2016 S. 914 = SIS 16 08 31)
I. Streitig ist, ob der Sockelbetrag des Elterngeldes im Rahmen der Berechnung des Höchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung (BürgEntlG KV) vom 16.7.2009 (BGBl I 2009, 1959) - EStG - zu den (anrechenbaren) Bezügen der unterhaltenen Person zählt.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr (2012) ledig und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Sie ist Mutter von im Jahr 2012 geborenen Zwillingen. Mit Bescheid vom 11.10.2013 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer auf 2.374 € fest.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie (erstmals) die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen an den unterhaltsberechtigten Vater ihrer Kinder als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG begehrte (geleisteter Unterhalt laut Einkommensteuererklärung für die Monate November und Dezember 2012: 1.334 €). Der unterhaltsberechtigte Kindesvater erhielt in diesem Zeitraum Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Höhe von monatlich 1.016,81 €. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.2.2014 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das Elterngeld, das in vollem Umfang (und nicht um den Sockelbetrag vermindert) als anrechenbarer Bezug des Unterhaltsberechtigten anzusehen sei, übersteige den anteiligen Unterhaltshöchstbetrag, so dass die von der Klägerin geleisteten Unterhaltsaufwendungen nicht nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbar seien.
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 914 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des Sächsischen FG vom 15.10.2015, 1 K 436/14 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24.2.2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 11.10.2013 insoweit zu ändern, als Unterhaltsleistungen in Höhe von 124,38 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Revision der Klägerin ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat das erhaltene Elterngeld bei der Ermittlung des abzugsfähigen Höchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 EStG zu Recht einschließlich des Sockelbetrags und damit in voller Höhe als Bezug der unterhaltsberechtigten Person berücksichtigt.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Unterhaltshöchstbetrag erhöht sich gemäß § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beiträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits (beim Unterhaltsverpflichteten) nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG die Summe der nach Satz 1 und Satz 2 ermittelten Beträge (Unterhaltshöchstbetrag) um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 € im Kalenderjahr übersteigen.
a) Unter Bezügen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu verstehen, also auch nicht steuerbare oder - z.B. in den §§ 3 und 3b EStG - für steuerfrei erklärte Einnahmen, die nicht bereits im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden. Darüber hinaus gehören gemäß § 33a Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz EStG hierzu auch steuerfreie Gewinne nach den §§ 14, 16 Abs. 4 EStG, § 17 Abs. 3 EStG und § 18 Abs. 3 EStG, die nach § 19 Abs. 2 EStG steuerfrei bleibenden Einkünfte sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen, soweit sie die höchstmöglichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG übersteigen.
b) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob auf den Unterhaltshöchstbetrag weiterhin nur solche Bezüge anzurechnen sind, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, oder der Begriff der "Bezüge" in § 33a EStG durch die Streichung des in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. (jetzt: Satz 5) enthaltenen Verweises auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. eine inhaltliche Änderung dahingehend erfahren hat, dass hierzu nunmehr auch zweckgebundene Bezüge zählen, die dem Unterhaltsberechtigten für seinen üblichen Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur Verfügung stehen (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 33a Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33a Rz 196; Myßen/Wolter, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 3900; a.A. Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 33a EStG Rz 96; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 33a Rz 27; Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz B 65; Blümich/Heger, § 33a EStG Rz 218; Stöcker in Lademann, EStG, § 33a EStG Rz 411; Fuhrmann in Korn, § 33a EStG Rz 36; Endert in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 33a Rz 35). Denn das Elterngeld wird nicht zweckgebunden im Hinblick auf einen familiären Sonderbedarf gewährt, sondern steht dem Empfänger einschließlich des Sockelbetrags und damit in voller Höhe zur Bestreitung seines üblichen Lebensunterhalts zur Verfügung (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 21.10.2015, 2 K 1175/15, EFG 2016, 383, sowie FG Münster, Urteil vom 26.11.2015, 3 K 3546/14 E, EFG 2016, 542).
2. a) Das Elterngeld nach dem BEEG ist eine einkünfteersetzende Sozialleistung (Senatsbeschluss vom 21.9.2009 VI B 31/09, BFHE 226, 329, BStBl II 2011, 382). Die von der Klägerin vorgebrachte Zweiteilung des Elterngelds in einen rein sozialrechtlichen Sockelbetrag nach § 2 Abs. 4 BEEG (§ 2 Abs. 5 BEEG i.d.F. vom 5.12.2006, BGBl I 2006, 2748) und in einen den Einkünfteausfall ausgleichenden darüber hinausgehenden Aufstockungsbetrag lässt sich weder dem BEEG selbst noch der Begründung des Gesetzentwurfs und den weiteren Gesetzgebungsmaterialien entnehmen (BTDrucks 16/1889, BTDrucks 16/2454, BTDrucks 16/2785). Die dort zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers, die durch die Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte durch das Elterngeld jedenfalls teilweise auszugleichen, spricht vielmehr dafür, das Elterngeld einheitlich als Einkünfteersatz und damit dem Grunde nach als Bezug gemäß § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG anzusehen (a.A. HHR/ Pfirrmann, § 33a EStG Rz 96 "Anwendungsfälle des Relativsatzes").
b) Auch das Bundessozialgericht (BSG) charakterisiert das Elterngeld als Einkommensersatz. Es weist auf den gegenüber dem Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit vom Gesetzgeber vorgenommenen Systemwechsel hin. Bei dem Erziehungsgeld handelte es sich um eine nur Bedürftigen gezahlte Sozialleistung, während das Elterngeld als Lohnersatzleistung einzustufen ist (vgl. Scholz, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 2007, 7). Das BSG misst insbesondere auch dem Sockelbetrag den Zweck einer Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (BSG-Urteile vom 15.12.2015 B 10 EG 3/14 R, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, und vom 19.2.2009 B 10 EG 1/08 R, juris, mit Hinweis auf Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, Rz 43).
c) Der Senat verkennt dabei nicht, dass das BEEG diverse familien- und gesellschaftspolitische Zielsetzungen verfolgt (vgl. dazu die Einführung zur Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 16/1889, BTDrucks 16/2454 und BTDrucks 16/2785, sowie Seiler, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2007, 129 <133>; Dau, jurisPR-SozR 24/2014 Anm. 2 und jurisPR-SozR 25/2009 Anm. 4, sowie Bergkemper, jurisPR-SteuerR 49/2009 Anm. 1). Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber zur Verwirklichung seiner Ziele das Elterngeld im Gegensatz zum Erziehungsgeld (dazu BFH-Urteil vom 24.11.1994 III R 37/93, BFHE 176, 114, BStBl II 1995, 527) insgesamt als Einkünfteersatz ausgestaltet hat. Das gilt auch für den Sockelbetrag, der unter Berücksichtigung weiterer, jedoch nicht vorrangiger Aspekte wie der Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung dazu dient, Eltern in der Phase, in der sie wegen der Erziehung und Betreuung von Kindern einer Erwerbstätigkeit nicht oder nur in eingeschränktem Umfang nachgehen, finanzielle Unterstützung zu gewähren. So steht der Sockelbetrag auch Personen zu, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren oder wegen ihres geringen Einkommens vor der Geburt des Kindes nach § 2 Abs. 1 bis 3 BEEG ein geringeres Elterngeld erhalten würden (vgl. BTDrucks 16/1889, S. 21).
3. Der Sockelbetrag des Elterngeldes (§ 2 Abs. 4 BEEG) ist auch nicht wegen § 11 Satz 1 BEEG bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 EStG anrechnungsfrei zu stellen (a.A. Stöcker in Lademann, a.a.O., § 33a EStG Rz 460).
a) Zwar bleibt der Sockelbetrag des Elterngeldes (§ 2 Abs. 4 BEEG) bei der Bemessung eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs in der Regel unberücksichtigt. Die Bezieher von Elterngeld sind regelmäßig so zu stellen, als ob ihnen Mittel in Höhe von 300 € des Elterngeldes nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stünden. Das bedeutet, dass der Unterhaltsverpflichtete durch den Sockelbetrag des Elterngeldes (§ 2 Abs. 4 BEEG) in seiner zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich nicht entlastet wird (Wiegand in Wiegand, BEEG - Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz, § 11 Rz 4; Scholz, FamRZ 2007, 7).
b) Diese Wertung des Sozialgesetzgebers steht einer Zuordnung des Sockelbetrags des Elterngeldes zu den nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG anrechenbaren Bezügen jedoch nicht entgegen. Denn sie hat in § 33a EStG keinen Eingang gefunden. Nach dieser Vorschrift sind die steuerlich zu berücksichtigenden Unterhaltsleistungen nicht nach rein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen unter umfassender Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten und damit nach dem zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt zu bemessen. Der Einkommensteuergesetzgeber hat vielmehr in § 33a Abs. 1 EStG, insbesondere hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs, bewusst eine stark typisierende Regelung getroffen, um eine einheitliche und hinlänglich praktikable Besteuerung sicherzustellen (BFH-Urteil vom 30.6.1989 III R 149/85, BFH/NV 1990, 225). Dies zeigt sich u.a. daran, dass das Gesetz die Unterhaltshöchstbeträge für alle Bedürftigen ohne Rücksicht auf deren persönliche Verhältnisse und ohne Rücksicht auf deren Lebensalter in gleicher Höhe festlegt und mit dieser sehr weitgehenden Typisierung in Kauf nimmt, dass die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Unterhaltsempfänger und daraus folgend deren unterschiedlicher Unterhaltsbedarf nicht berücksichtigt werden können (BFH-Urteil vom 11.12.1997 III R 214/94, BFHE 185, 168, BStBl II 1998, 292, m.w.N.).
c) Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet die Berücksichtigung auch des Sockelbetrags des Elterngeldes als anrechenbarer Bezug bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags nicht. Insbesondere tritt dadurch keine sachwidrig unterschiedliche steuerliche Entlastung der Unterhaltsverpflichteten ein. Denn § 33a Abs. 1 EStG entlastet Unterhaltsleistungen der Steuerpflichtigen in gleicher Weise, soweit sie ihnen zwangsläufig entstehen. Die Vorschrift trägt gleichheitskonform der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit der Unterhaltsleistenden insoweit Rechnung, als sie Unterhaltsaufwendungen erbringen, die zur Abdeckung des steuerlichen Existenzminimums eines Unterhaltsempfängers jenseits seiner eigenen Einkünfte und Bezüge erforderlich sind. Ein Mehr an steuerlicher Entlastung des Unterhaltsleistenden ist verfassungsrechtlich nicht geboten (Senatsurteil vom 18.6.2015 VI R 45/13, BFHE 250, 138, BStBl II 2015, 928, m.w.N).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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