BFH: Zur steuerlichen Behandlung von in einem Verlagsvertrag vereinbarten sog. Vorschusszahlungen
Nicht rückzahlbare Zahlungen, die ein Verlag zum Zweck der Vorfinanzierung erwarteter GEMA-Zahlungen an den Urheber erbringt und die mit den Ausschüttungen der GEMA zu verrechnen sind, sind unabhängig davon, ob sie als vorzeitige Teilerfüllung einer Vergütungspflicht des Verlages anzusehen sind, mit dem Zufluss als Betriebseinnahmen zu erfassen.
BFH-Urteil vom 2.8.2016, VIII R 4/14 (veröffentlicht am 8.2.2017)
EStG §§ 4, 5, 11
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 24.10.2013, 4 K 4311/10 = SIS 14 20 09
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von in einem Verlagsvertrag vereinbarten sog. Vorschuss- bzw. Vorauszahlungen.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. als Autor/Musikproduzent Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit, die er durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) ermittelte.
Im Jahr 1998 hatte der Kläger mit der X einen sog. Autoren-Exklusivvertrag geschlossen, dessen Gegenstand die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Publikation und verlegerischen Auswertung von Werken der Tonkunst (Kompositionen mit/ohne Text sowie Text allein und Bearbeitungen freier Werke) war (Verlagsvertrag). Dieser Vertrag umfasste sämtliche Werke der Tonkunst, die während der Vertragszeit vom Kläger allein oder mit anderen Autoren geschaffen werden sollten, sowie sämtliche Werke, die vor der Vertragszeit geschaffen und bisher noch nicht verlegerisch verwertet worden waren. Der Kläger verpflichtete sich, pro Vertragsjahr mindestens zehn neue und bisher unveröffentlichte, handelsüblich fertig produzierte Werke zu liefern. Sofern er in einem Vertragsjahr diese Verpflichtung nicht erfüllte, verlängerte sich das betreffende Vertragsjahr automatisch bis zu dem Zeitpunkt, in dem die jeweilige Mindestverpflichtung vollständig erfüllt war.
Der Kläger räumte der X sämtliche Nutzungsrechte für alle Nutzungs- und Verwertungsarten ein (Recht der mechanischen Verbreitung, Aufführungsrechte, Filmherstellungsrechte, Druckrechte, Recht der werblichen Nutzung, Multimedia-, Datenbank- und Telekommunikationsrechte und sonstige Rechte). Für diese sollten die Regelungen des Verteilungsplanes der GEMA gelten. Im Anhang zum Verlagsvertrag waren die Beteiligungsrechte aufgeführt, die nicht der Verwertung durch die GEMA unterlagen (z.B. Druckausgaben, Filmherstellungsrechte etc.). Deren Abrechnung durch die X regelt § 6 des Verlagsvertrages.
Die Vereinbarung zur Zahlung des streitgegenständlichen sog. Vorschusses in § 10 des Verlagsvertrages lautet:
"Für die Einräumung der vertragsgegenständlichen Rechte einschließlich der Exklusivitätsvereinbarung erhält der Autor vom Verlag einen Vorschuss gemäß den Sonderregelungen im Anhang Ziffer 14. Über die Höhe des jeweiligen Vorschusses wird der Autor dem Verlag eine Zessions-Erklärung entsprechend den Bedingungen der GEMA-Zessionserklärungen abgeben. Die Einzelheiten hierzu sind im Anhang Ziffer 14 geregelt."
Dort verpflichtete sich die X "mit Abschluss dieses Vertrages an den Autor eine nichtverzinsliche, nicht rückzahlbare, jedoch vollständig verrechenbare Vorauszahlung in Höhe von DM 30.000 [...] zu leisten, die fällig ist mit Unterschrift dieses Vertrages, jedoch nicht vor Genehmigung der nachfolgend bezeichneten GEMA-Generalzession durch die GEMA". Unter der Voraussetzung der Verrechenbarkeit gewährleistete der Kläger, dass diese Vorauszahlung mit seinem ihm jeweils zustehenden Autorenanteil aus der Auswertung seiner Werke verrechnet werden konnte. Zur Sicherung der Verrechenbarkeit dieses Anspruchs trat der Kläger seine ihm weltweit als Autor zustehenden Auswertungserlöse, die ihm durch Dritte gezahlt werden, bis zur Höhe des Vorschussbetrages an die X ab. Für den Fall, dass bei Beendigung des Verlagsvertrages nicht sämtliche von der X an den Kläger geleisteten Vorauszahlungen abgedeckt waren, sollte sich die Vertragsdauer einschließlich der Mindesteinbringungsverpflichtung automatisch bis zum Ende des Kalenderhalbjahres, in dem die Vorauszahlungen vollständig abgedeckt waren, verlängern, ohne dass die X zu einer weiteren Vorauszahlung verpflichtet war.
Der Verlagsvertrag aus dem Jahr 1998 wurde mehrfach verlängert, ergänzt bzw. geändert. In diesem Zusammenhang wurden weitere sog. Vorauszahlungen "zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer gegen Rechnungstellung" vereinbart.
In den Streitjahren erfasste der Kläger die von der X gezahlten sog. Vorschüsse nicht als Einnahmen, sondern als Auszahlung von Darlehensmitteln. Als Einnahmen behandelte er lediglich die ihm zustehenden Zahlungen der GEMA (Autorenanteil), die aufgrund der Abtretung allerdings nicht an den Kläger, sondern direkt an die X geleistet wurden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger in den Streitjahren zunächst erklärungsgemäß. Die Einkommensteuerbescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte die Prüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger die auf der Grundlage des Verlagsvertrages von der X erbrachten sog. Vorauszahlungen unzutreffend als Darlehen beurteilt und erfolgsneutral erfasst habe. Die sog. Vorauszahlungen seien bereits mit dem Zufluss als steuerpflichtig zu behandeln. Soweit Vorschüsse später zurückgezahlt würden, stellten sie Betriebsausgaben im Jahr der Rückzahlung dar.
Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 27.5.2010 Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre, die Gewinnerhöhungen von 15.081,12 € (2005) und 71.149,28 € (2006) auswiesen. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso wie die Klage für die Streitjahre ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gelangte in seinem Urteil vom 24.10.2013, 4 K 4311/10 zu der Überzeugung, dass die zwischen dem Kläger und der X geschlossenen Vereinbarungen hinsichtlich der sog. Vorauszahlungen nicht als Darlehen zu qualifizieren seien. Hierfür sprächen die in dem Verlagsvertrag verwendeten Formulierungen "Vorschuss" und "Vorauszahlung", der Wille der Parteien und die Art und Weise der Durchführung des Vertrages. Die Vorschusszahlungen seien wesentlicher Teil der Gegenleistung der X an den Kläger für dessen vollumfängliche Übertragung der Verwertungsrechte. Wesentlicher Anhaltspunkt dafür, dass es sich um Vorschusszahlungen handele, sei die vereinbarte Mindestablieferungsverpflichtung des Klägers. Aus dieser ergebe sich - im Unterschied zu dem vom FG Düsseldorf im Urteil vom 26.2.2010 13 K 3950/06 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 313) entschiedenen Fall -, dass weder der Geber der Vorschusszahlung noch der Nehmer derselben eine von dem Grundgeschäft unabhängige Schuld habe begründen wollen.
Für die Annahme eines Darlehens fehle es an einer klaren Vereinbarung, dass der als Vorschuss gewährte Betrag in keinem Zusammenhang mit dem Verlagsvertrag stehe. Gegen ein Darlehen spreche ferner, dass die sog. Vorauszahlungen nach den in den Streitjahren geltenden Vereinbarungen zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer geschuldet gewesen seien, der Kläger entsprechende Rechnungen gestellt und Umsatzsteuer an das FA abgeführt habe.
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 4 Abs. 3 EStG. Insbesondere stünden die von der X geleisteten Zahlungen in keinerlei Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus dem Verlagsvertrag, weil mit der sog. Vorauszahlung keine später fällig werdende Leistungsverpflichtung des Verlages gegenüber dem Musikurheber korrespondiere. Bei der sog. Vorauszahlung handele es sich um eine Vorfinanzierung von späteren Geldzuflüssen, die der Kläger als Wahrnehmungsberechtigter von Seiten der GEMA zu erwarten habe. Die Vorauszahlung erfolge gerade nicht auf Leistungen, die die X zu bewirken habe, sondern werde nur gezahlt, damit der Urheber jedenfalls für die Dauer seiner Darlehensrückzahlungsverpflichtung gehalten sei, bei der Veröffentlichung neuer Musikwerke erneut mit dem Darlehensgeber einen Verlagsvertrag zu schließen. Die Rolle des Verlages sei vergleichbar mit der einer Bank, die das Geschäft eines Unternehmers vorfinanziere und sich als Sicherheit das Anlagevermögen sicherungsübereignen lasse. Die Bank erhalte hierfür Zinsen, der Musikverlag 40 % der Erlöse. Beide Vertragsbeteiligten hätten das Vertragsverhältnis als Darlehen verstanden und behandelt.
Die fehlerhafte umsatzsteuerliche Behandlung durch den Kläger habe für die Auslegung des Parteiwillens wenig Aussagekraft und auch die gewählte Bezeichnung als "Vorschuss" oder "Vorauszahlung" ändere nichts an der Bewertung der Zahlungen als Darlehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 vom 27.5.2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 11.11.2010 dahin zu ändern, dass die Gewinnerhöhungen aus der Erfassung der Vorschusszahlungen rückgängig gemacht werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG ist auf der Grundlage seiner revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des streitbefangenen Verlagsvertrages im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die von der X an den Kläger erbrachten Zahlungen in den Streitjahren als Betriebseinnahmen zu erfassen sind.
1. Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst, wenn ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.9.2008 X R 25/07, BFHE 223, 35, BStBl II 2010, 550; vom 14.3.2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650). Auch das "Behaltendürfen" des Gezahlten ist nicht Merkmal des Zuflusses einer Betriebseinnahme (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287).
2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG in nicht zu beanstandender Weise durch die Auslegung des Verlagsvertrages festgestellt, dass die Zahlungen dem Kläger als Betriebseinnahmen und nicht aufgrund eines Darlehensvertrages zugeflossen sind.
a) Die Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, zu der auch die Auslegung von Verträgen gehört, ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Dies setzt voraus, dass die Vorinstanz die Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie die für die Vertragsauslegung zu beachtenden Auslegungsregeln zutreffend angewandt hat. Die Bindungswirkung entfällt deshalb insbesondere dann, wenn die Auslegung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, weil beispielsweise die für die Interessenlage der Beteiligten bedeutsamen Begleitumstände nicht erforscht und/oder nicht zutreffend gewürdigt worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5.9.2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II.2.a [3]; vom 11.1.2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II.2.b aa; vom 10.2.2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl II 2010, 1109, Rz 33; vom 1.2.2012 I R 57/10, BFHE 236, 374, BStBl 2012, 407, Rz 22, jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall, so dass der Senat an die Vertragsauslegung des FG gebunden ist.
b) Das FG konnte sich bei der Auslegung der zwischen dem Kläger und der X getroffenen Abreden - neben dem Wortlaut der Vereinbarung - maßgeblich darauf stützen, dass die Vorschusszahlung wesentlicher Bestandteil der Gegenleistung der X für die Verwertungsrechte des Klägers und die Mindestablieferungspflicht von Musikstücken war. Berücksichtigen konnte das FG dabei auch, dass es an einer klaren Vereinbarung über ein Darlehen fehlte und dass die Vertragsparteien keine gegenüber dem Verlagsvertrag unabhängige Schuld begründen wollten.
c) Diese Würdigung des FG ist im Gesamtkontext der vertraglichen Verpflichtungen nachvollziehbar. Der Kläger hatte in dem Verlagsvertrag die wesentlichen Nutzungsrechte an seinen Werken exklusiv auf die X übertragen und sich zudem verpflichtet, pro Vertragsjahr mindestens zehn neue, unveröffentlichte Werke zu liefern. Er hatte als Urheber der Werke grundsätzlich ein fertiges, druckreifes musikalisches Werk abzuliefern und dem Verlag das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung auf eigene Rechnung (Verlagsrecht) zu überlassen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.4.2010 I ZR 197/07, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 775). Nur weil der Kläger diese Verpflichtungen übernommen hatte, war die X bereit, eine Vorfinanzierung in Bezug auf künftige Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber der GEMA zu übernehmen. Diese Vorfinanzierungsverpflichtung der X war demnach integraler Bestandteil des Verlagsvertrages.
d) Allein der Umstand, dass der Kläger die nicht rückzahlbaren Zahlungen mit seinen Ansprüchen gegenüber der GEMA (Autorenanteil) zu verrechnen hatte, begründet keine - gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen - gesonderte Darlehensabrede mit der X.
Zum einen löste diese Verpflichtung die Vorfinanzierungszusage nicht aus dem Regelungsgeflecht des Verlagsvertrages. Zum anderen war die Erstattungspflicht des Klägers auf die Verrechnung mit den ihm zustehenden Vergütungsansprüchen gegenüber der GEMA (Autorenanteil) beschränkt. Sie führte - abgesehen vom Fall der Beendigung der Mitgliedschaft in der GEMA (§ 2 des Verlagsvertrages) - nur im Erfolgsfall zur Rückführung der Zahlungen an die X.
Dementsprechend haben die Beteiligten auf die Vereinbarung fester Rückzahlungstermine oder -beträge verzichtet. Es fehlt folglich an einer darlehenstypischen Vereinbarung über eine unbedingte Rückzahlungsverpflichtung des Klägers.
e) Diesem Verständnis der vertraglichen Abreden steht das Schreiben der X vom 29.3.2011 nicht entgegen. Die dort vorgenommene Wertung, die an den Kläger geleisteten Zahlungen seien "ausschließlich als auf Darlehensbasis gewährte Vorauszahlungen" auf die vom Kläger "zu erwartenden GEMA Vergütungen zu betrachten", ist weder eindeutig, noch für die rechtliche Qualifizierung bindend.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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