BFH: Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften; Nachträgliche Anschaffungskosten nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts
Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme
- Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.
- Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.
BFH-Urteil vom 20.7.2018, IX R 5/15 (veröffentlicht am 21.11.2018)
EStG § 17 Abs. 1, § 17 Abs. 2
HGB § 255, § 272 Abs. 2 Nr. 4
GmbHG § 26
GmbHG a.F. § 32a Abs. 1, § 32a Abs. 3
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 18.12.2014, 11 K 3617/13 E = SIS 14 35 31
I. Streitig ist die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsverlusts nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2010) vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war seit 2003 neben seinen drei Brüdern (L, D und F) mit einem Anteil von je 12.782,30 € (25.000 DM) an der von seinem Vater im Jahr 1989 gegründeten A-GmbH beteiligt. Der Kläger und sein Bruder D waren als Geschäftsführer bestellt. Das Stammkapital der A-GmbH betrug 51.640,48 €. Der Vater des Klägers war zunächst noch mit einem Anteil von 511,28 € (1.000 DM) an der GmbH beteiligt. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2004 ging dessen Anteil auf die Mutter des Klägers über.
Bereits im Jahr 1999 hatte der Kläger eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber einer Bank übernommen. Zum 31.12.2003 beliefen sich die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der Bank auf 207.921,83 €. Darüber hinaus stand der Bank eine Grundschuld auf einem der Mutter des Klägers gehörenden Grundstück von 177.418,28 € als Sicherheit zur Verfügung. Die Verbindlichkeiten der A-GmbH gegenüber der Bank waren bis zum 31.12.2009 auf 348.786,43 € angestiegen. In den Jahren 2008 und 2009 hat die A-GmbH lediglich Verluste in Höhe von 308.425 € bzw. 91.989 € erzielt. Zum Ende des Jahres 2009 stellte die A-GmbH ihren Geschäftsbetrieb ein und veräußerte ihr gesamtes Anlagevermögen sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und unfertige Erzeugnisse an die I-GmbH. An dieser waren neben dem Kläger sein Bruder D und ein Dritter zu gleichen Teilen beteiligt. Durch den Tod der Mutter im Februar 2010 ging deren Anteil an der A-GmbH ebenso wie das Grundstück im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger und seine Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen über.
Im Laufe des Jahres 2010 leisteten der Kläger und seine drei Brüder - jeweils in gleicher Höhe - Zuführungen in die Kapitalrücklage der A-GmbH in Höhe von insgesamt 281.800 €, um eine ansonsten drohende Liquidation der Gesellschaft zu vermeiden. Ein Teil der Einzahlung in Höhe von 222.000 € stammte aus der mit der Bank abgestimmten Veräußerung des Grundstücks an den Bruder F. Nachdem die Bank Ende 2010 einen Teilverzicht auf ihre gegenüber der A-GmbH bestehenden Forderungen in Aussicht gestellt hatte, zahlte die A-GmbH an die Bank einen Betrag von insgesamt 275.000 €. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14.12.2010 veräußerten der Kläger und seine Brüder schließlich ihre Anteile an der A-GmbH zu einem Kaufpreis von 0 € an die I-GmbH. Die Grundschuld zugunsten der Bank wurde im Januar 2011 im Grundbuch gelöscht.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 machten die Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 83.232,30 € geltend, den sie aus einem anteiligen Verlust der Stammeinlage in Höhe von 12.782,30 € und nachträglichen Anschaffungskosten aus der Kapitalzuführung in Höhe von 70.450 € errechneten. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte das FA lediglich den Verlust der eingezahlten Stammeinlage.
Im anschließenden Einspruchsverfahren beantragten die Kläger zusätzlich, auch den auf den Kläger im Wege der Erbfolge übergegangenen Anteil der Mutter an der früheren Stammeinlage in Höhe von 127,82 € im Rahmen der nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Im Änderungsbescheid für das Streitjahr vom 9.8.2013 erkannte das FA nunmehr einen Veräußerungsverlust des Klägers in Höhe von (gerundet) 39.006 € an. Diesen ermittelte es, indem es die von allen Gesellschaftern geltend gemachten Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 333.440,48 € (281.800 € Kapitalrücklage zzgl. 51.640,48 € Stammkapital) um die zugunsten der Bank eingetragene verzinsliche Grundschuld von 177.418,29 € minderte und die verbleibenden 156.022,19 € auf den Kläger und seine Brüder verteilte. Mit Einspruchsentscheidung vom 13.9.2013 wies das FA den gegen den Änderungsbescheid gerichteten Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.
Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass dem Kläger aus den Einzahlungen in die Kapitalrücklage letztlich nur in Höhe von 1.700 € nachträgliche Anschaffungskosten entstanden seien. Denn die weitere Zuführung in die Kapitalrücklage in Höhe von insgesamt 275.000 € habe wirtschaftlich betrachtet der Ablösung der von Gesellschafterseite gewährten Sicherheiten (Grundschuld und Bürgschaften des Bruders D und des Klägers) gedient. Soweit die Zahlung der A-GmbH an die Bank der Ablösung der Grundschuld gedient habe, seien dem Kläger bereits deshalb keine nachträglichen Anschaffungskosten entstanden, weil ihm zu keinem Zeitpunkt ein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die A-GmbH zugestanden habe. Soweit die Zahlung an die Bank zur Ablösung der Bürgschaft erfolgt sei, seien im Streitfall die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts weiterhin anzuwenden. Nach diesen Grundsätzen sei davon auszugehen, dass die Bürgschaft des Klägers erst durch "Stehenlassen" bei Kriseneintritt im Jahr 2008 eigenkapitalersetzend geworden sei und daher die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen sei. Nach Auffassung des FG könne im Ergebnis offenbleiben, ob dieser Rückgriffsanspruch bei Kriseneintritt überhaupt noch werthaltig gewesen sei. Jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass sich hieraus weitere nachträgliche Anschaffungskosten ergeben könnten, die die vom FA bereits anerkannten Anschaffungskosten übersteigen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG). Die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts seien entgegen der Auffassung des FG nicht auf die streitgegenständlichen Finanzierungshilfen des Klägers anzuwenden. Denn mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, 2026) mit Wirkung zum 1.11.2008 seien die diesen Grundsätzen zugrunde liegenden Regelungen des Zivilrechts aufgehoben worden. Ein sogenannter Altfall, in dem nach dem vom FG zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.1.2009 II ZR 260/07 (BGHZ 179, 249) zivilrechtlich die alte Rechtslage zum Eigenkapitalersatzrecht weiterhin Geltung beanspruche, liege vorliegend nicht vor. Aufgrund des nunmehr geltenden gesetzlichen Rangrücktritts aller Finanzierungshilfen der Gesellschafter seien sämtliche Gesellschaftersicherheiten bei Ausfall steuerlich als nachträgliche Anschaffungskosten zu qualifizieren und mit dem Nennwert zu bewerten. Im Übrigen seien vorliegend die Einzahlungen in die Kapitalrücklage durch die Gesellschafter als solche als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen, unabhängig davon, dass die A-GmbH sie zur Tilgung ihrer Bankverbindlichkeiten und damit gleichzeitig zur Ablösung der Gesellschaftersicherheiten verwendet habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG vom 18.12.2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 9.8.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.9.2013 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zusätzlich nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.354,40 € berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es vertritt die Auffassung, dass den Klägern nachträgliche Anschaffungskosten höchstens mit dem bereits im Verwaltungsverfahren zuerkannten Betrag erwachsen seien. Zwar seien Zuzahlungen der Gesellschafter einer GmbH in die Kapitalrücklage grundsätzlich als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigungsfähig. Unter Anwendung einer übergreifenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien die Zahlungen des Klägers jedoch gleichermaßen durch seine Stellung als Gesellschafter wie auch durch seine Stellung als Bürge veranlasst. Bei wirtschaftlicher Betrachtung habe die Einlage daher (zumindest auch) der Ablösung der von den Gesellschaftern gewährten Sicherheiten gedient. Im Übrigen könne die zeitliche Nähe zwischen der Gesellschaftereinlage und der Veräußerung der Beteiligung auf einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO) hindeuten.
Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Das FG hat die Einzahlungen in die Kapitalrücklage zu Unrecht nicht als nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers bei der Berechnung seines Veräußerungsverlusts berücksichtigt.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.
a) Veräußerung ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt. Entgeltlich ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, wenn ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Das Gegenstück zur entgeltlichen Veräußerung ist die unentgeltliche Übertragung von Anteilen (s. § 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Sätze 5 und 6 Buchst. a EStG), die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Übertragende dem Empfänger eine freigiebige Zuwendung machen will. Letzteres ist bei Verträgen unter fremden Dritten im Allgemeinen nicht anzunehmen, sofern nicht Anhaltspunkte für eine Schenkungsabsicht des übertragenden Vertragspartners bestehen. Deshalb spricht insoweit eine (widerlegbare) Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts. Bei einander nahestehenden Personen wird demgegenüber der Nachweis der Unentgeltlichkeit erleichtert; denn bei ihnen kann nicht unterstellt werden, dass sie Leistung und Gegenleistung im Regelfall nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt haben. Eine Veräußerung kann auch vorliegen, wenn ein Entgelt nicht oder lediglich in symbolischer Höhe vereinbart und geleistet wird. Das ist der Fall, wenn der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.8.2016 IX R 23/15, BFH/NV 2017, 289; vom 9.5.2017 IX R 1/16, BFHE 259, 36, BStBl II 2018, 94, jeweils m.w.N.).
b) Ob im Einzelfall unter Anwendung dieser Grundsätze eine entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung vorliegt, ist Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
2. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).
a) Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führten nach bisheriger Rechtsprechung des BFH neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren. Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung (eingehend hierzu Urteil vom 11.7.2017 IX R 36/15, BFHE 258, 427, m.w.N.) darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung i.S. des § 32a Abs. 1 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F. (GmbHG a.F.) vorgenommen hatte (sogenanntes funktionelles Eigenkapital). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (Fremdkapital).
Mit Blick auf die Aufhebung des in § 32a GmbHG a.F. kodifizierten Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG und der Einführung eines gesetzlichen Nachrangs sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall (Buchst. Art. 9 MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung) hat der Senat neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG entwickelt (s. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 258, 427). Der Senat hat u.a. darauf abgehoben, dass die Fortgeltung der bisherigen Grundsätze mit dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 EStG nicht zu vereinbaren sei, sich - auch aus übergeordneten rechtlichen Gründen - nicht mit einer normspezifischen steuerrechtlichen Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs rechtfertigen lasse und - ungeachtet der in der Praxis eingespielten Fallgruppen - eine erhebliche Rechtsunsicherheit bewirken würde.
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe (BFH-Urteil in BFHE 258, 427) ist der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 EStG zugrunde zu legen. Danach können den nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Darunter fallen insbesondere Nachschüsse i.S. der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung (s. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 258, 427, m.w.N.).
c) Die - freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Kapitalgesellschaft erbrachte - Einzahlung eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage ist handelsbilanzrechtlich als Zuzahlung i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren (Buchst. BFH-Urteil vom 25.8.2010 I R 103/09, BFHE 231, 57, BStBl II 2011, 215). Steuerrechtlich handelt es sich um eine Einlage des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen; hierdurch erhöhen sich auch die Anschaffungskosten des Gesellschafters für seine Beteiligung (BFH-Urteile vom 27.4.2000 I R 58/99, BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168, und vom 14.3.2011 I R 40/10, BFHE 233, 393, BStBl II 2012, 281).
Die Kapitalrücklage ist Bestandteil des Eigenkapitals der Gesellschaft; es steht allein der Gesellschaft (und nicht dem Gesellschafter) zu. Der Gesellschafter kann einen Einlagebetrag, den die Gesellschaft im Rahmen eines rein gesellschaftsinternen Vorgangs - welcher die Stellung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als solche nicht berührt - in die Kapitalrücklage eingestellt hat, weder nutzen noch verwerten. Vor diesem Hintergrund ist es steuerrechtlich auch nicht von Bedeutung, wie die Kapitalgesellschaft den vom Gesellschafter eingezahlten Betrag verwendet (Buchst. BFH-Urteil in BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168).
3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die vom Kläger geleisteten Zuführungen in die Kapitalrücklage der A-GmbH bei der Berechnung des Veräußerungsverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Das FG ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.
a) Ohne Rechtsverstoß ist das FG zwar zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger im Streitfall seine Anteile an der A-GmbH zum Kaufpreis von 0 € entgeltlich veräußert hat, da die übertragenen Geschäftsanteile objektiv wertlos waren. Das FG hat dies insbesondere aus dem Umstand geschlossen, dass die A-GmbH im Zeitpunkt der Veräußerung eine leere Hülle ohne Arbeitnehmer und ohne Anlagevermögen gewesen sei.
b) Bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Einzahlung in die Kapitalrücklage der A-GmbH zu berücksichtigen; sie erhöhte die Anschaffungskosten des Klägers für seine Beteiligung (BFH-Urteil in BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168).
aa) Eine Berücksichtigung der Einzahlung in die Kapitalrücklage als nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die der Kapitalrücklage zugeführten Mittel von der A-GmbH dazu verwendet wurden, eigene (betriebliche) Verbindlichkeiten abzulösen, für die der Kläger gegenüber dem Gläubiger Sicherheiten gewährt hatte. Denn es spielt insoweit keine Rolle, wie die A-GmbH den vom Gesellschafter eingezahlten Betrag verwendet (BFH-Urteil in BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168).
bb) In diesem Zusammenhang ist es auch nicht von Bedeutung, ob dem Kläger auch dann nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der A-GmbH erwachsen wären, wenn er ein anderes Vorgehen gewählt hätte. Insbesondere spielt es - unter wirtschaftlicher Betrachtung - keine Rolle, mit welchem Wert ein Rückgriffsanspruch des Klägers gegen die A-GmbH zu bewerten gewesen wäre, wenn die Gläubiger in die von ihm gegebenen Sicherheiten vollstreckt oder ihn im Rahmen seiner Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen hätten. Im Streitfall hat der Kläger der A-GmbH Eigenkapital zugeführt; diesem Vorgang kann nicht die (gesellschafts-)rechtliche Veranlassung mit Blick auf eine "übergreifende wirtschaftliche Betrachtungsweise" genommen werden. Denn bei dem Gesellschaftsanteil des Klägers, auf den gezahlt wurde, auf der einen Seite und den Darlehensschulden der Gesellschaft auf der anderen Seite handelt es sich um unterschiedliche Wirtschaftsgüter und damit auch um unterschiedliche Veranlassungsbereiche, auf die zu leisten dem Gesellschafter in eigener Entscheidungsverantwortung obliegt. Die genannten unterschiedlichen Veranlassungsbereiche berühren sich überhaupt erst dann, wenn die Gesellschaft, worüber sie selbst entscheiden kann, auf gerade jene Gesellschaftsforderung zahlt, welche durch die Bürgschaft des Gesellschafters abgesichert ist. Dies reicht für einen wirtschaftlichen Zusammenhang, der die Annahme nachträglicher Anschaffungskosten ausschließen könnte, nicht aus.
cc) Entgegen der Auffassung des FA und des BMF liegt in dieser Handhabung auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO. Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile vom 7.12.2010 IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, und vom 29.5.2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789, m.w.N.).
Im Streitfall haben der Kläger und die weiteren beteiligten Gesellschafter der A-GmbH Einzahlungen in das Gesellschaftsvermögen in jeweils gleicher Höhe geleistet. Sie haben es dadurch der Kapitalgesellschaft, an der sie gemeinschaftlich im gleichen Umfang beteiligt waren, ermöglicht, ihre betrieblichen Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Gläubigern abzulösen. Dieses vom Gesellschaftsrecht auch so vorgesehene Vorgehen widerspricht nicht den Wertungen des Rechts; es entspricht ihnen (Buchst. etwa zur Nachschusspflicht des GmbH-Gesellschafters § 26 ff. GmbHG). Denn durch die Leistungen weiterer Einzahlungen über die Stammeinlage hinaus ermöglicht es der Gesellschafter seiner Gesellschaft, wechselnde Kapitalbedürfnisse durch Eigen- statt durch Fremdkapital zu decken. In einem dahingehenden, gesellschaftsrechtskonformen Vorgehen kann aber nicht zugleich ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des (Steuer-)Rechts liegen, zumal das Steuerrecht die Verwendung von Eigenkapital begünstigt, während es die Verwendung von Fremdkapital in bestimmten Fällen sanktioniert (Buchst. etwa §§ 4 Abs. 4a, 4h EStG, § 8a des Körperschaftsteuergesetzes und § 8 Nr. 1 Buchst. a des Gewerbesteuergesetzes).
4. Die Sache ist spruchreif. Die Höhe der vom Kläger geleisteten Stammeinlage ist ebenso unstreitig wie die der von ihm geleisteten Einzahlung in die Kapitalrücklage. Danach waren im Zuge der Ermittlung des Verlusts des Klägers nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zusätzliche nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 44.354,40 € zu berücksichtigen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
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