BFH: Zur Rückforderung von Altersvorsorgezulagen vom Zulageempfänger
1. Nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrages kann die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) rechtsgrundlos geleistete Zulagebeträge vom Zulageempfänger über den nach § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO zurückfordern; in diesem Fall ist die Anwendung des § 37 Abs. 2 AO nicht durch speziellere Vorschriften ausgeschlossen.
2. § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden voraus.
3. Der Umstand, dass die ZfA über mehrere Jahre hinweg eine Auszahlung von Zulagen allein auf Grund der ihr vom Anbieter übermittelten Daten veranlasst und erst später eine Prüfung der Zulageberechtigung des Empfängers vornimmt, führt nicht zur Verwirkung des Rückforderungsanspruchs.
AO § 37 Abs. 2
EStG § 90 Abs. 3, Abs. 3a, § 96 Abs. 1 Satz 1
BFH-Urteil vom 09.07.2019, X R 35/17, veröffentlicht am 29.08.2019
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 06.07.2017, 10 K 10033/14
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte bei der B-AG (Anbieter) einen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen. In sämtlichen Zulageanträgen hatte der Anbieter maschinell verschlüsselt angegeben, die Klägerin sei unmittelbar zulageberechtigt. Dementsprechend zahlte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA -) u.a. für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 (Streitzeitraum) Zulagebeträge in Höhe von jeweils 154 € an den Anbieter aus, der sie dem Vertragskonto der Klägerin gutschrieb. Der Altersvorsorgevertrag der Klägerin endete zum 1.5.2010. Sie erhielt eine Einmalzahlung zur Abfindung einer Kleinbetragsrente.
Im Zuge der Überprüfung nach § 91 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stellte die ZfA im Jahr 2011 fest, dass die Klägerin in keinem der in Rede stehenden Beitragsjahre die Voraussetzungen für eine Zulageberechtigung erfüllt habe. Mit Bescheid vom 14.11.2013 forderte die ZfA daher die gewährten Altersvorsorgezulagen für 2008 bis 2010 in Höhe von insgesamt 462 € von der Klägerin zurück.
Ihren hiergegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, die Altersvorsorgezulage für die genannten Jahre sei jeweils vom Anbieter unzutreffend beantragt worden. Als Kunde habe sie sich mit den Details nicht ausgekannt und sei der Meinung gewesen, dass alles seine Richtigkeit habe. Der zweite Fehler liege bei der Behörde. Die ZfA habe dem Antrag jeweils entsprochen und die Auszahlung vorgenommen; eine Prüfung der Richtigkeit habe sie versäumt. Ein solches behördliches Verhalten über Jahre hinweg sei als grob fahrlässig anzusehen. Bei ihr, der Klägerin, liege der Fehler jedenfalls nicht.
Nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 647 veröffentlichtem Urteil ab. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Klägerin auf Rückzahlung der für die Beitragsjahre 2008, 2009 und 2010 erhaltenen Altersvorsorgezulage gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 96 Abs. 1 EStG lägen vor, da die Zulage der Klägerin - mangels Berechtigung - ohne rechtlichen Grund gezahlt worden sei. Eine Rückforderung vom Anbieter mittels Datensatzes gemäß § 90 Abs. 3 EStG scheitere im Streitfall daran, dass der Altersvorsorgevertrag bereits zum 1.5.2010 beendet gewesen sei. Gründe, die einer Rückforderung entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dem Anbieter sei bekannt gewesen, dass die Zulagenberechtigung ab dem Jahr 2008 nicht mehr bestanden habe. Er hätte daher die Zulage nicht mehr beantragen dürfen. Den Wertungen des FG könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin habe der ihr obliegenden Pflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 5 EStG genügt, den Anbieter über Änderungen der Verhältnisse, die sich auf die Zulagenberechtigung auswirkten, in Kenntnis zu setzen. Die (fehlerhafte) Beantragung für die Beitragsjahre sei ohne ihre Mitwirkung erfolgt.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 15.1.2014 und den Bescheid vom 14.11.2013 aufzuheben.
Die ZfA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Behauptung, die fehlende Zulageberechtigung der Klägerin sei dem Anbieter bekannt gewesen, werde erstmals im Revisionsverfahren aufgestellt und sei nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr zu berücksichtigen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Schreiben des Anbieters vom 4.6.2014, dass die fehlerhafte Angabe im Zulageantrag auf der Nichterfüllung der Mitwirkungs- bzw. Mitteilungspflichten durch die Klägerin beruht habe. Unabhängig davon erweise sich das Urteil des FG auf Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.
II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung der für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der Klägerin nach dem - über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG - entsprechend anzuwendenden § 37 Abs. 2 AO vorliegen (unten 1.). Auf ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder ihres Anbieters kommt es nicht an (unten 2.). Die Rückforderung der Zulagen ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen (unten 3.).
1. Zutreffend hat das FG erkannt, dass über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG die Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO entsprechend anzuwenden ist (unten a). Dessen tatbestandliche Voraussetzungen für die Rückforderung der für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der Klägerin liegen vor (unten b).
a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auf die Zulagen und die Rückzahlungsbeträge die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend anzuwenden.
Da die AO gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AO auch für Steuervergütungen gilt, finden im Grundsatz sämtliche Vorschriften der AO entsprechende Anwendung, soweit nicht Sonderregelungen vorgehen (vgl. Senatsurteil vom 27.1.2016 - X R 23/14, BFH/NV 2016, 1018, Rz 16; Bode in Bordewin/Brandt, EStG, § 96 Rz 2). Von der Anwendung ist lediglich die Billigkeitsregelung in § 163 AO ausgenommen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Zu den danach entsprechend anzuwendenden Vorschriften zählt § 37 Abs. 2 AO. Diese Vorschrift ist im Fall der Rückforderung anwendbar, soweit die §§ 93 bis 95 EStG keine speziellere Regelung enthalten (vgl. Bode, a.a.O., § 96 Rz 2; Fischer in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 96 Rz 1; Blümich/Lindberg, § 96 EStG Rz 2).
Vorliegend ist die Anwendung des § 37 Abs. 2 AO nicht durch die Altersvorsorgezulage betreffende Sondervorschriften ausgeschlossen.
aa) Die §§ 93 bis 95 EStG betreffen Fälle schädlicher Verwendung und gleichgestellte Sonderfälle der Rückzahlung. Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben, da die Einmalzahlung an die Klägerin zur Abfindung einer Kleinbetragsrente gemäß § 93 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht als schädliche Verwendung gilt.
bb) Das FG hat zutreffend angenommen, dass § 90 Abs. 3 EStG vorliegend ebenfalls nicht eingreift. Zwar berechtigt auch diese Vorschrift zur Rückforderung der Zulage, wenn die ZfA nachträglich erkennt, dass der Zulagenanspruch ganz oder teilweise nicht besteht. Die Rückforderung über den Anbieter, der nach Mitteilung der ZfA mittels Datensatzes das Konto des Zulageberechtigten zu belasten hat, setzt allerdings ein bestehendes Vertragsverhältnis (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 EStG) voraus. Im Streitfall war der Altersvorsorgevertrag bereits zum 1.5.2010 beendet worden. Infolgedessen kam zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides eine Kontobelastung nicht mehr in Betracht.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass § 90 Abs. 3 EStG eine abschließende Sonderregelung zur Rückforderung zu Unrecht gezahlter Zulagen darstellte.
Die Vorschrift enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass das Vertragsverhältnis zwischen Anbieter und Anleger nicht mehr besteht. Die gesetzlichen Regelungen weisen dem Anbieter allerdings keine uneingeschränkte (alleinige) Verantwortlichkeit für die Rückforderung von Zulagen zu. Die in diese Richtung weisende Auffassung, dass der Anbieter im Falle eines nicht mehr bestehenden Vertragskontos gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 EStG verpflichtet sein sollte, ihm mitgeteilte Rückforderungsbeträge bei der ZfA anzumelden und gegebenenfalls auf eigene Kosten - vorbehaltlich einer den Zulageempfänger treffenden Erstattungsregelung im Altersvorsorgevertrag - abzuführen (so wohl Blümich/Lindberg, a.a.O., § 90 Rz 4a), ohne dass der Anleger diese Beträge dem Anleger noch über ein (Vertrags-)Konto weiterbelasten könnte, überzeugt nicht (ebenso Bode, a.a.O., § 90 Rz 13), zumal sie unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklich wäre. Aus § 90 Abs. 3 EStG ergibt sich keine generelle Haftung des Anbieters für Rückforderungsbeträge im Fall nicht mehr bestehender Vertragsverhältnisse. Vielmehr haftet der Anbieter als Gesamtschuldner neben dem Zulageempfänger gemäß § 96 Abs. 2 EStG der ZfA gegenüber nur für diejenigen Zulagen, die wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung zu Unrecht gezahlt oder nicht zurückgezahlt worden sind.
Vor diesem Hintergrund steht § 90 Abs. 3 EStG einer Auslegung, dass nach Beendigung bzw. Abwicklung des Altersvorsorgevertrags unberechtigt gezahlte Zulagen vom Zulageempfänger nach der - über § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG - entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern sind, nicht entgegen (vgl. Bode, a.a.O., § 90 Rz 13; Braun in Herrmann/Heuer/Raupach, § 90 EStG Rz 7; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21.12.2017 - IV C 3-S 2015/17/10001:005, BStBl I 2018, 93, Rz 291).
cc) Die weitere Frage, ob der Gesetzgeber (nunmehr) ggf. mit § 90 Abs. 3a EStG bewusst und abschließend geregelt hat, wann eine Rückforderung beim Zulageempfänger möglich sein soll, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinere Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO nicht mehr zulässig wäre (so Geisenberger in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 90 Rz 70), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. § 90 Abs. 3a EStG ist nach Art. 17 Abs. 5 und 1 i.V.m. Art. 9 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze - Betriebsrentenstärkungsgesetz - vom 17.8.2017 (BGBl I 2017, 3214) erst mit Wirkung zum 1.1.2018 in Kraft getreten und somit im Streitfall nicht zu berücksichtigen.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO für die Rückforderung der für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 gewährten Zulagen von der Klägerin sind erfüllt.
aa) Nach dieser Vorschrift hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung u.a. einer Steuervergütung bewirkt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages, wenn ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist.
bb) Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO ist derjenige, dem gegenüber die Finanzbehörde ihre - vermeintlich oder tatsächlich bestehende - abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will (vgl. Senatsurteil vom 12.12.2017 - X R 25/16, BFH/NV 2018, 723, Rz 26; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.3.2016 - III R 29/15, BFH/NV 2016, 1278, Rz 18, m.w.N.). Demnach ist ein Dritter als tatsächlicher Empfänger einer Zahlung dann nicht Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO, wenn die Behörde u.a. auf Grund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigten einem Dritten zahlt. Denn auch in einem derartigen Fall erbringt die Finanzbehörde ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber zu erfüllen. Da der durch die Anweisung begünstigte Zahlungsempfänger den Zahlungsanspruch nicht aus eigenem Recht geltend machen kann und die Leistung mit dem Willen erbracht wird, eine Forderung gegenüber dem tatsächlichen Rechtsinhaber mit befreiender Wirkung zu erfüllen, ist nicht der Empfänger der Zahlung, sondern der nach materiellem Recht Erstattungs- bzw. Vergütungsberechtigte als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 1278, Rz 18).
cc) Bei der Frage, ob eine Steuer oder eine Steuervergütung i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, kommt es nach der sog. formellen Rechtsgrundtheorie grundsätzlich nur auf die Bescheidlage an (vgl. BFH-Urteil vom 14.3.2012 - XI R 6/10, BFHE 237, 296, BStBl II 2014, 607, Rz 19 ). Nach der sog. materiellen Rechtsgrundtheorie fehlt der rechtliche Grund, wenn nach materiellem Recht kein entsprechender Anspruch auf die Leistung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 6.2.1996 - VII R 50/95, BFHE 179, 556, BStBl II 1997, 112, unter 2.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 27).
Im Streitfall ist die Klägerin als Leistungsempfängerin i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen. Zwar wurden ihr die Zulagen nicht unmittelbar ausgezahlt, sondern dem Vertragskonto bei ihrem Anbieter gutgeschrieben. Entscheidend ist aber, dass die ZfA die Zulagen für die Beitragsjahre zur Erfüllung eines (vermeintlichen) Anspruchs der Klägerin geleistet hatte. Die Zulagen wurden für die Beitragsjahre 2008 bis 2010 ohne rechtlichen Grund gezahlt, da keine Zulagebescheide für das Behaltendürfen vorhanden sind bzw. - unstreitig - die Klägerin weder unmittelbar noch mittelbar zulageberechtigt ist.
2. Auf ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin oder ihres Anbieters kommt es nicht an.
a) § 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden auf Seiten des Leistungsempfängers voraus. Der Rückzahlungsanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn den Leistungsempfänger an der Fehlleistung kein Verschulden trifft bzw. wenn er diese nicht einmal erkannt hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 1278, Rz 24). Der Rückforderungsanspruch ist Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, dass derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.1988 - VII R 206/83, BFHE 155, 40 , BStBl II 1989, 223, unter II.1.).
b) Nach dem Vorstehenden kommt es auf die Frage, ob die Klägerin im Hinblick auf eine Verletzung ihrer Mitteilungspflicht gegenüber ihrem Anbieter ein (eigenes) Verschulden an der rechtsgrundlosen Zulagezahlung trifft oder ob ihr - wie erstmals im Revisionsverfahren behauptet - ein Verschulden ihres Anbieters, dem die fehlende Zulageberechtigung bei Beantragung bekannt gewesen sei, zuzurechnen wäre, nicht an. Im Übrigen wäre der Senat - was den neuen Vortrag anbelangt - gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, da diesbezüglich keine Verfahrensrügen erhoben worden sind.
3. Der auch im Steuerrecht zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben steht der Rückforderung der Zulagen nicht entgegen.
a) Vorliegend käme als Ausprägung dieses Grundsatzes allein eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs der ZfA in Betracht.
Eine Verwirkung setzt voraus, dass sich der - hier zur Rückerstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO - Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Erstattungsberechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde. Der Zeitablauf allein (Zeitmoment) reicht für die Annahme der Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs grundsätzlich nicht aus. Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden soll (Umstandsmoment oder Vertrauenstatbestand). Schließlich muss der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2003 - VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, unter II.3.b aa).
b) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall keine Verwirkung eingetreten.
Es fehlt an einem Verhalten der ZfA, aus dem die Klägerin bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen durfte, die zu Unrecht ausgezahlten Zulagen würden ihr belassen.
Allein aus dem Umstand, dass die Behörde - über mehrere Jahre hinweg - ohne Prüfung der Berechtigung eine Auszahlung der Zulagen zugunsten der Klägerin vornahm, konnte die Klägerin - bei objektiver Beurteilung - nicht herleiten, die ZfA werde zukünftig in jedem Fall auf eine solche Prüfung und die Rückforderung unberechtigt erhaltener Zulagen verzichten. Denn der hier gegebene Verfahrensablauf entspricht - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - in typischer Weise der gesetzlichen Ausgestaltung des Zulageverfahrens, so dass daraus kein besonderer Vertrauenstatbestand abgeleitet werden kann.
aa) Nach den gesetzlichen Regelungen über den dreistufigen Verfahrensablauf ermittelt die ZfA auf der ersten Stufe auf Grund der von ihr erhobenen oder der ihr übermittelten Daten - ohne Prüfung der Richtigkeit dieser Daten -, ob und in welcher Höhe ein Zulageanspruch besteht (§ 90 Abs. 1 Satz 1 EStG) und veranlasst beim Bestehen eines solchen Anspruchs die Auszahlung an den Anbieter zugunsten des Zulageberechtigten, ohne dass in diesen Fällen ein gesonderter Zulagenbescheid erginge (vgl. § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG). Als zweite Stufe sieht § 91 EStG ausdrücklich ein Verfahren der "Überprüfung der Zulage" vor. Hierzu übermitteln bestimmte öffentliche Stellen der ZfA weitere Daten. Die ZfA nimmt einen automatisierten Datenabgleich vor (§ 91 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das Ergebnis dieses Datenabgleichs kann eine Rückforderung der bereits ausgezahlten Zulage vom Anbieter gemäß § 90 Abs. 3 EStG zur Folge haben (vgl. Senatsurteil vom 22.10.2014 - X R 18/14, BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 38 ff.) oder - wie vorliegend- - eine Rückforderung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO.
bb) Hiernach war im Streitfall die - auf Grund der Angaben des Anbieters im jeweiligen Antrag veranlasste - Zulagenauszahlung ohne Berechtigungsprüfung nicht verfahrensfehlerhaft. Insbesondere musste die Klägerin nachfolgend noch mit einer Überprüfung der Richtigkeit der Zulagengewährung und einer etwaigen Rückforderung rechnen. Daher war sie in ihrem Vertrauen auf ein Behaltendürfen der Zulagen nicht schutzwürdig.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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