BFH: Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein als Vorsorgeaufwendungen
- Beiträge an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein, der Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, können --unbeschadet weiterer Voraussetzungen-- nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht.
- Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V kann auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen (Anschluss an BSG-Urteil vom 20.03.2013 - B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160, Rz 14).
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, Buchst. b, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13
BFH-Urteil vom 12.8.2020, X R 12/19 (veröffentlicht am 18.2.2021)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 20.3.2019, 3 K 157/18 = SIS 19 08 06
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2015 und 2016 gemeinsam mit ihrem nicht am gerichtlichen Verfahren beteiligten Ehemann zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie ist freiberuflich tätig und zahlt für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall Beiträge an einen eingetragenen Verein (V).
In der Satzung des V vom 13.07.2013 heißt es u.a.:
"§ 2 Zweck des Vereins | ||
(1) | Die (…) ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung. | |
(2) | Zwecke des Vereins sind: | |
a. | Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; (…) | |
(4) | Mit der Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt." |
Die in § 2 Abs. 1 der Satzung in Bezug genommene Norm des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG in der beim Inkrafttreten der Satzung gültigen Fassung (VAG a.F.; heute § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes --VAG-- in der seit 2016 geltenden Fassung) lautete: "Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht: Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände".
Die Mitglieder des V leisten einkommensabhängige Beiträge nach Maßgabe einer vom Vorstand des V festgelegten Beitragsordnung. Die Hälfte dieser Beiträge wird einem Individualkonto des Mitglieds gutgeschrieben. Die Auszahlung dieses Guthabens kann jedes Mitglied zur Deckung seiner Krankheitskosten verlangen (§ 5 Abs. 2 der Satzung). Die andere Hälfte der Beiträge wird einem Solidarfonds gutgeschrieben. Zu Auszahlungen aus dem Solidarfonds heißt es in § 5 Abs. 3 der Satzung: "1Aus dem Solidarfonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. 2Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der Vorstand nach Maßgabe der Zuwendungsordnung. 3Ein Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. 4Diese soll dem individuellen Bedarf entsprechen, wobei mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden soll. 5In anderen Fällen entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen."
In Streitfällen ist der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. Die Mitglieder können statt dessen ein Schlichtungsverfahren und anschließend ggf. ein Schiedsverfahren nach §§ 1025 ff. der Zivilprozessordnung einleiten (§ 11 der Satzung).
Die Klägerin machte die an V gezahlten Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der für Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG geltende Höchstbetrag war bei der Klägerin und ihrem Ehemann bereits durch anderweitige Aufwendungen ausgeschöpft. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den Abzug in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2015 und 2016 und verwies hierfür auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 19.06.2013 - 2 K 71/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1496).
In diesem Urteil hatte das FG für den Veranlagungszeitraum 2011 auf die Klage eines anderen Mitglieds des V entschieden, dass die Beiträge an V nicht als Sonderausgaben abziehbar seien. Zum einen seien Unterstützungseinrichtungen --wie V-- nicht in der damals geltenden Fassung des § 10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG a.F.) genannt, die nur Versicherungsunternehmen, berufsständische Versorgungseinrichtungen, Sozialversicherungsträger und Anbieter i.S. des § 80 EStG aufzähle. Zum anderen gewähre V --ausweislich seiner damals geltenden Satzung-- auf seine Leistungen keinen Rechtsanspruch. Der erkennende Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 21.02.2014 - X B 142/13 (BFH/NV 2014, 899) zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden sei, wie das FG es getan habe. Jedenfalls die Frage, ob V unter § 10 Abs. 2 EStG a.F. falle, sei eindeutig zu verneinen. Dabei hat der Senat allerdings ausdrücklich auf die ab dem Veranlagungszeitraum 2013 geltende Erweiterung des § 10 Abs. 2 EStG hingewiesen, wonach seitdem auch Beiträge an Einrichtungen, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gewähren, als Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden können.
Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 09.06.2015 - L 4 KR 27/13 für die im Jahr 2009 geltende Satzung des V entschieden, dass er aufgrund des darin fehlenden Rechtsanspruchs der Mitglieder auf Leistungen keine Einrichtung sei, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewähre. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die hiergegen eingelegte Revision wegen unzureichender Begründung als unzulässig verworfen (Beschluss vom 18.04.2017 - B 12 KR 18/15 R; Verfassungsbeschwerde noch anhängig unter 1 BvR 2062/17).
Die für die Versicherungsaufsicht zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gegen V im Jahr 2016 ein auf die Einstellung und Abwicklung des Geschäftsbetriebs gerichtetes Verfahren eingeleitet. Sie vertritt die Ansicht, V gewähre seinen Mitgliedern einen Rechtsanspruch auf Leistungen und betreibe daher erlaubnispflichtige Versicherungsgeschäfte, ohne dass ihm die erforderliche Erlaubnis erteilt worden sei. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG war das von der BaFin geführte Verfahren noch nicht abgeschlossen. Das FG hat festgestellt, V beabsichtige im Hinblick auf das von der BaFin geführte Verfahren, seine Satzung dahingehend zu ändern, dass Ansprüche auf Leistungen aus dem Solidarfonds der Höhe nach auf die vorhandenen Geldmittel beschränkt würden.
Im Verfahren zur Einkommensteuer 2015 und 2016 der Klägerin blieben die Einsprüche und Klagen ohne Erfolg. Das FG entschied (EFG 2019, 888), V sei kein in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG genannter Versorgungsträger. Er falle nicht unter Buchst. a Satz 1 dieser Regelung, weil er weder ein Versicherungsunternehmen sei noch ihm die hierfür erforderliche Erlaubnis erteilt worden sei. Auch Buchst. a Satz 2 (anderweitige Absicherung im Krankheitsfall) sei nicht einschlägig, weil diese Regelung auf Einrichtungen beschränkt sei, die ihren Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raums hätten. Hierfür sprächen sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Gesetzessystematik und die Materialien.
Danach ließ das FG offen, ob die Beiträge die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfüllten, insbesondere ob auf Leistungen des V ein Anspruch bestanden habe. Das FG gab in diesem Zusammenhang aber "zu bedenken", dass V weder mit den Trägern der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherung vergleichbar sei. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfordere, dass ein bestehender Rechtsanspruch auf Leistungen jedenfalls nicht einseitig durch den Verpflichteten aufgehoben oder eingeschränkt werden könne. Zwar möge die Klägerin in den Streitjahren einen Rechtsanspruch gehabt haben. V könne diesen Anspruch aber jederzeit einschränken, indem der Vorstand die Zuwendungsordnung ändere.
Mit ihrer Revision bringt die Klägerin vor, das FG habe den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG rechtsfehlerhaft auf Einrichtungen in Drittstaaten beschränkt. Der Gesetzgeber habe über die in Buchst. a Satz 1 genannten Versicherungsunternehmen hinaus weitere Einrichtungen als Leistungsempfänger definieren wollen. In den Gesetzesmaterialien werde auf den Maßstab des Sozialversicherungsrechts bzw. des privaten Versicherungsvertragsrechts verwiesen. Ferner sei im Referentenentwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) die Einfügung eines § 176 SGB V vorgesehen gewesen, wonach Solidargemeinschaften wie V unter bestimmten Voraussetzungen als Einrichtungen, die eine anderweitige Absicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewähren, anzuerkennen seien.
Auch habe das FG die Satzung des V unzutreffend ausgelegt. Aufgrund der entsprechenden Vorgaben in der Satzung sei der Vorstand nicht befugt, den Mitgliedern Ansprüche in einer Weise zu entziehen, dass das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erreicht werde. In einem solchen Fall könnten sich die Mitglieder unmittelbar auf die Satzung berufen.
Die Entscheidung des FG verletze zudem Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Beiträge zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus einkommensteuerlich abziehbar sein müssten.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidungen vom 07.05.2018 (2016) und 15.05.2018 (2015) aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2015 vom 02.11.2016 und für 2016 vom 07.11.2017 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 3.519,84 € (2015) bzw. 3.840 € (2016) als Sonderausgaben berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es hält das vorinstanzliche Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass --im Gegensatz zum Referentenentwurf-- im späteren Regierungsentwurf des MDK-Reformgesetzes (BTDrucks 19/13397) keine Regelung zu Solidargemeinschaften enthalten sei.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Mit der vom FG gegebenen Begründung können die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in Bezug auf V nicht verneint werden (dazu unten 1.). Im zweiten Rechtsgang wird es daher auf die Frage ankommen, ob es sich bei V um eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewährt und ob auf die Leistungen des V ein Anspruch besteht (unten 2.).
1. Voraussetzung für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen ist neben der Zahlung entsprechender Beiträge u.a., dass sie an bestimmte Versorgungsträger geleistet werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). In diesem Zusammenhang hat das FG zwar zu Recht die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG auf V ausgeschlossen (dazu unten a). Die in Bezug auf Buchst. a Satz 2 dieser Regelung vom FG gegebene Begründung ist aber rechtsfehlerhaft (unten b).
a) V fällt nicht unter § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 1 EStG.
Selbst wenn V als "Versicherungsunternehmen" anzusehen sein sollte, würde ein Sonderausgabenabzug voraussetzen, dass dieses Unternehmen das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben darf (Doppelbuchst. aa) oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Doppelbuchst. bb). Gemäß § 8 Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bedürfen Versicherungsunternehmen zum Geschäftsbetrieb der Erlaubnis der Aufsichtsbehörde. Da V nach den --insoweit im Revisionsverfahren nicht angegriffenen-- Feststellungen des FG weder eine solche Erlaubnis erteilt war noch die Voraussetzungen etwaiger Ausnahmetatbestände von der Erlaubnispflicht erfüllt waren, durfte V das Versicherungsgeschäft im Inland nicht betreiben.
Da dies zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
b) Die Auffassung des FG, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG beschränke sich auf Einrichtungen mit Sitz außerhalb des EU-/EWR-Raums, ist rechtsfehlerhaft.
aa) Nach der genannten Regelung werden Krankenversicherungsbeiträge über Satz 1 hinaus nur berücksichtigt, wenn es sich um Beiträge an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gewährt.
Aus dem Wortlaut dieser Regelung folgt --anders als das FG meint-- kein Ausschluss solcher Einrichtungen, die ihren Sitz im EU-/EWR-Raum haben. Im Gegenteil lässt die Bezugnahme gerade auf Normen des deutschen Sozialversicherungs- bzw. Privatversicherungsrechts erkennen, dass auch deutsche Einrichtungen erfasst sind. In Übereinstimmung damit kann die anderweitige Absicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage sowohl deutschen als auch ausländischen Rechts bestehen (Urteil vom 20.03.2013 - B 12 KR 14/11 R, BSGE 113, 160, Rz 14).
Aus der --vom FG in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten-- den § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG einleitenden Wendung "Darüber hinaus" folgt nichts anderes. Diese Wendung will im Verhältnis zu Buchst. a Satz 1 nicht etwa einen Gegensatz in der örtlichen Anknüpfung schaffen, sondern die begünstigten Versorgungsträger über die Beschränkungen des Satzes 1 ("Versicherungsunternehmen") hinaus auch auf bestimmte "Einrichtungen" erweitern. Dementsprechend formuliert auch das BSG, dass die --in Satz 2 in Bezug genommene-- Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht nur "Versicherungen", sondern jegliche anderweitige "Absicherung" erfasst, die das Gesetz als ausreichend ansieht (vgl. Urteil vom 03.07.2013 - B 12 KR 2/11 R, Sozialrecht 4-2500 § 5 Nr. 20, Rz 29).
bb) Aus denselben Gründen folgt auch aus der Gesetzessystematik das Gegenteil des vom FG gefundenen Auslegungsergebnisses. Gerade der ausdrückliche Bezug des Satzes 2 auf Normen des deutschen Rechts, deren originärer Anwendungsbereich --zumindest auch-- Inlandsfälle einbezieht, zeigt, dass ein rein einkommensteuerrechtlicher Ausschluss von Einrichtungen mit Sitz in EU-/EWR-Staaten hier nicht gewollt sein kann.
cc) Die Gesetzesmaterialien stützen ebenfalls die Auffassung des FG nicht, sondern belegen gerade das Gegenteil. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25.05.2012 für ein Jahressteuergesetz 2013 (BRDrucks 302/12, 86; gleichlautend BTDrucks 17/10000, 54) wird zur Erläuterung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG zunächst auf die sozialrechtlichen Vorschriften verwiesen. Damit können aufgrund des im Gesetzeswortlaut enthaltenen Verweises auf das SGB V nur die inländischen sozialrechtlichen Vorschriften gemeint sein. Weiter heißt es, der neu eingefügte Buchst. a Satz 2 ermögliche den Sonderausgabenabzug "auch" für Beiträge an Versicherungsunternehmen in Drittstaaten. Aus dem Begriff "auch" folgt erkennbar, dass die Abzugsmöglichkeit an Drittstaaten-Versicherungsunternehmen nur ein Teil des Anwendungsbereichs der Norm sein soll. Abschließend heißt es, "auch wenn" der Steuerpflichtige weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, bilde das Sozialrecht den Maßstab. Die Formulierung "auch wenn" zeigt gleichermaßen, dass der Anwendungsbereich der Norm gerade nicht auf die hier genannten Auslandsfälle begrenzt sein soll.
Das Jahressteuergesetz 2013 ist zwar letztlich nicht beschlossen worden. Die hier maßgeblichen Inhalte des entsprechenden Gesetzentwurfs sind aber unverändert in den Entwurf des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgenommen (vgl. den Bericht des Finanzausschusses vom 27.02.2013, BTDrucks 17/12532, 5, 89 f.) und in diesem Gesetzgebungsverfahren beschlossen worden.
2. Danach kommt es für die Abziehbarkeit der von der Klägerin an V geleisteten Beiträge in entscheidungserheblicher Weise darauf an, ob V als Einrichtung anzusehen ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewährt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG) und ob auf die Leistungen des V ein Anspruch besteht (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG). Hierzu hat das FG keine revisionsrechtlich bindenden Feststellungen getroffen, was im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird.
a) Allerdings hat das FG --nicht tragend-- ausgeführt, dass die Klägerin in den Streitjahren gegen V einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Krankheitsfall über dem sozialhilfegleichen Versorgungsniveau gehabt haben "mag".
Es wird diese Vermutung noch durch Auslegung der Satzung des V erhärten müssen. Insoweit enthalten § 2 Abs. 2 Buchst. a und § 5 Abs. 3 Satz 3 der Satzung Formulierungen, aus denen sich ein Rechtsanspruch ergeben könnte. Gegenläufig verweist § 2 Abs. 1 der Satzung aber auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG a.F., woraus man entnehmen könnte, dass es sich bei V um eine Einrichtung handele, die ihren Mitgliedern keinen Rechtsanspruch gewährt.
Ergänzend kann das FG auch weitere Quellen heranziehen (z.B. Internetauftritt, Werbematerial, Protokolle von Mitgliederversammlungen des V).
b) Darüber hinaus müsste das FG sich in rechtlicher Hinsicht nochmals vertieft mit seiner im vorinstanzlichen Urteil --ebenfalls nicht tragend-- angedeuteten Auffassung befassen, der von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG vorausgesetzte "Anspruch" auf die Leistungen erfordere, dass ein solcher Anspruch auch mit Wirkung für die Zukunft nicht ohne Einverständnis des Mitglieds bzw. Versicherten beseitigt werden kann.
aa) In diesem Zusammenhang hätte das FG zu prüfen, ob sowohl das Recht der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung --im Sinne eines typusprägenden Vergleichsmaßstabs-- wirksame Vorkehrungen auch gegen einen Entzug von Leistungsansprüchen lediglich mit Wirkung für die Zukunft enthält.
Die vom FG im Rahmen seiner kursorischen Prüfung genannte Norm des § 23 SGB V scheint eine solche änderungsfeste Regelung --jedenfalls auf den ersten Blick-- nicht zu enthalten. Das FG kann sich aber ergänzend mit der Frage auseinandersetzen, ob sich eventuell aus dem Verfassungsrecht --zumindest für einen Kernbestand an Leistungen-- ein Schutz vor nachteiligen Änderungen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt.
Ebenso dürfte sich für die private Krankenversicherung jedenfalls aus den vom FG allein genannten Normen der § 193 Abs. 1 und § 203 Abs. 3 VVG, § 152 Abs. 1 VAG weder ein Kündigungsausschluss noch ein Verbot von Vertragsanpassungen mit Wirkung für die Zukunft ergeben. Ob sich solche Rechtsfolgen aus den --vom FG nicht erwähnten-- Regelungen der §§ 206, 208 VVG ergeben, wird das FG noch zu prüfen haben.
bb) Sollte dies der Fall sein und sollten die Leistungsansprüche der Versicherten gegen die Träger der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung auch durch ihre Zukunftsfestigkeit und Unentziehbarkeit charakterisiert werden, wird das FG weiter prüfen müssen, ob es bei V vergleichbare Vorkehrungen gegen einen Entzug von Leistungsansprüchen mit Wirkung für die Zukunft gibt.
Allein die vom FG angeführte Möglichkeit, die Zuwendungsordnung des V durch bloßen Vorstandsbeschluss zu ändern, dürfte in diesem Zusammenhang noch nicht schädlich sein. Denn die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass Änderungen der Zuwendungsordnung sich stets in dem durch die --insoweit höherrangige-- Satzung hierfür gezogenen Rahmen halten müssen.
Entscheidend dürfte daher sein, ob etwaige satzungsmäßige Leistungsansprüche der Mitglieder des V in vergleichbarer Weise unentziehbar sind wie --hier unterstellt-- die Ansprüche von Versicherten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Dagegen könnte die Formulierung des FG sprechen, V beabsichtige eine Satzungsänderung dahingehend, Leistungsansprüche nur noch im Rahmen der vorhandenen Mittel zu gewähren. Die rechtliche Möglichkeit einer solchen Satzungsänderung könnte ein Indiz gegen die Unentziehbarkeit der Ansprüche darstellen.
Gegenläufig wird das FG aber zu erwägen haben, ob etwaig von V abgeschlossene Rückversicherungsverträge, die gerade Großschäden abdecken, zu dem Schluss führen könnten, dass V bei einer am Tatsächlichen orientierten Betrachtung stets genügend Mittel zur Abdeckung aller Leistungsansprüche zur Verfügung stehen könnten. Sollte dies der Fall sein, könnte die beabsichtigte Satzungsänderung eventuell als lediglich formal erscheinen und keine erkennbaren praktischen Auswirkungen auf die Leistungsansprüche der Mitglieder haben.
c) Der Senat weist ferner auf den eventuellen Normwiderspruch hin, der darin liegt, dass einerseits in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG lediglich "Krankenversicherungen" erwähnt sind, andererseits § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG aber auch andere "Einrichtungen" --und zwar ausdrücklich für Zwecke des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG-- als zulässige Beitragsempfänger ansieht. Ein solcher Normwiderspruch ließe sich nur dadurch auflösen, dass Beiträge an andere Einrichtungen i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG auch dann erfüllen, wenn es sich bei dieser Einrichtung nicht zugleich um eine "Krankenversicherung" handelt.
d) Hinsichtlich der Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG hat das FG ausgeführt, V sei nicht als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung anzusehen, die in dem Klammerzusatz der genannten Norm als "soziale Pflegeversicherung und private Pflege-Pflichtversicherung" definiert werde. Gegen diese Würdigung hat die Klägerin im Revisionsverfahren keine Einwendungen erhoben. Ihr steht es aber frei, solche Einwendungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass diejenigen Beiträge, die dem Erwerb eines Schutzes im Krankheitsfall dienen, die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllen, wird es erwägen müssen, ob aus dem von der Klägerin an V gezahlten Gesamtbeitrag ein Anteil auszuscheiden ist, der dem Erwerb eines Schutzes im Pflegefall dient und möglicherweise nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG erfüllt.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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