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BFH: Steuerfreistellung des Gewinns aus der Veräußerung eines mit einem "Gartenhaus" bebauten Grundstücks

Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Garten­haus" bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und ge­eignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, bau­rechtswidrig dauerhaft bewohnt.

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3

BFH-Urteil vom 26.10.2021, IX R 5/21 (veröffentlicht am 17.3.2022)

Vorinstanz: FG München vom 15.9.2020, 2 K 1316/19 = SIS 21 05 44

I. Streitig ist, ob ein vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) baurechtswidrig dauerhaft bewohntes "Gartenhaus" zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genutzt wird, so dass der entsprechende Veräußerungsgewinn nicht der Besteuerung unter­liegt.

Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 22.12.2009 einen Miteigen­tumsanteil von … an im Außenbereich befindlichen Grundstücken in … mit einer Größe von insgesamt … qm zum Kaufpreis von … €. Die Grundstücke liegen in einem Wochenend‑ und Ferienhaus­gebiet. Im Flächennutzungsplan sind die Grundstücke als Kleingartengelände ausgewiesen; sie werden von einem Kleingartenverein verwaltet. Auf den Grundstücken befindet sich ein "Gartenhaus". Dem früheren Eigentümer des Miteigentumsanteils war im Jahr 1967 ein "Gartenhaus" mit einem Aufent­haltsraum (12,3 qm), einem Geräteraum sowie einem Freisitz unter der Aufla­ge genehmigt worden, dass das Gebäude nicht zum dauernden Aufenthalt von Personen genutzt werden darf.

Der Kläger war seit dem 07.11.2014 unter der Adresse … gemeldet. Für das "Gartenhaus" selbst existierte keine Hausnummer; der Briefkasten befand sich einige 100 m entfernt.

Mit notariellem Vertrag vom 05.12.2014 veräußerte der Kläger seinen Mit­eigentumsanteil zum Preis von … €. Der Kaufpreis sollte nicht vor dem 31.12.2014 fällig sein, die Besitzübergabe sollte am 01.01.2015 unter der Voraussetzung der vollständigen Kaufpreisübergabe erfolgen. Der Kläger versi­cherte im Kaufvertrag, dass mit dem verkauften Miteigentumsanteil das Recht auf alleinige Nutzung der Parzellen Nrn. … und … verbunden sei und dass es sich um ein Gartengrundstück mit Wochenendhaus und diversen Nebengebäu­den handele.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2015 einen Gewinn aus privaten Veräußerungs­geschäften in Höhe von … € und wies darauf hin, dass ein unbebautes Grundstück nicht eigenen Wohnzwecken dienen könne. Der nachfolgende Ein­spruch, mit dem der Kläger unter Vorlage von Lichtbildern und Unterlagen (u.a. Versicherungsnachweise, Strom‑ und Wasserabrechnungen, Rechnung über einen Gasheizofen) geltend machte, das Grundstück sei mit einem Bun­galow mit 60 qm Wohnfläche bebaut, den er während der gesamten Besitz­dauer zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe, blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage mit dem in Ent­scheidungen der Finanzgerichte 2021, 762 veröffentlichten Urteil ab und führte zur Begründung im Kern aus: Unabhängig davon, dass der Kläger einen Mitei­gentumsanteil am Grundbesitz und nicht ein "Gartenhaus" auf zwei Parzellen veräußert habe, sei nicht nachgewiesen worden, dass das "Gartenhaus" auf den dem Kläger zur alleinigen und ausschließlichen Nutzung überlassenen Par­zellen rechtlich geeignet gewesen sei, es dauerhaft zu bewohnen. Der Zweck eines Kleingartens bestehe im Wesentlichen in der gärtnerischen Nutzung; das dauernde Wohnen in dort errichteten Gartenhäusern diene weder der Zweck­erfüllung noch sei es erlaubt (§ 3 Abs. 2 des Bundeskleingartengesetzes ‑‑BKleingG‑‑). Die zuständige Bauverwaltung habe überdies bestätigt, dass die Grundstücke in einem Wochenend‑ und Ferienhausgebiet lägen und Garten­häuser nicht ganzjährig bewohnt werden dürften. Dies ergebe sich auch aus der dem Rechtsvorgänger des Klägers erteilten Baugenehmigung. Das Bewoh­nen des "Gartenhauses" auf Dauer stelle ohne Baugenehmigung eine bau­rechtswidrige Nutzung dar, so dass die Voraussetzungen der Ausnahmevor­schrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt seien.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung von § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG rügt. Voraussetzung für die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns sei allein die tatsächliche (zumin­dest vorübergehende) Nutzung des Wirtschaftsguts zu eigenen Wohnzwecken, wenn es in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung stehe. Hingegen kön­ne es nicht entscheidend sein, ob eine Baugenehmigung zur dauerhaften Wohnnutzung vorliege, weil eine dauerhafte Wohnnutzung nicht erforderlich sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2019 dahingehend zu ändern, dass keine sonstigen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von … € festgesetzt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es verweist auf die angegriffene Vorentscheidung und führt ergänzend aus, die Nutzung eines Wirtschaftsguts ohne baurechtliche Genehmigung zum dauern­den Aufenthalt von Personen sei nicht auf Dauer angelegt. Unter Berücksichti­gung des in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 14/23, S. 180) zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens ‑‑insbesondere im Hinblick auf die Nennung des Arbeitsplatzwechsels‑‑ sei davon auszugehen, dass der Gesetz­geber die Ausnahmevorschrift auf selbstgenutztes Eigentum bezogen habe, das die rechtlichen Vorgaben für Wohnraum erfülle. Soweit entgegen der Ge­setzeslage und den baurechtlichen Bestimmungen eine Nutzung zu Wohnzwe­cken erfolge, erscheine es ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die miss­bräuchliche Nutzung von Gartengrundstücken bei den privaten Veräußerungs­geschäften habe begünstigen wollen. Für diese Auslegung spreche die höchst­richterliche Rechtsprechung zum ‑‑im Gesetz nicht definierten‑‑ Tatbestands­merkmal "Nutzung zu (eigenen) Wohnzwecken", auch die Judikatur zu § 10e EStG. Entgegen der Revision stehe der Zweck der Norm einer Übertragung dieser Rechtsprechung auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht entge­gen. Darauf habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 25.05.2011 ‑ IX R 48/10 (BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868) hingewiesen.


II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Das Merkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt u.a. voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist. Hingegen erfordert die Steuerfreistellung nicht, dass das genutzte Wirtschaftsgut auch rechtlich dazu bestimmt und geeignet sein muss, Men­schen auf Dauer Unterkunft und Aufenthalt zu ermöglichen (dazu unter 1.). Die Vorinstanz ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; ihre Ent­scheidung kann daher keinen Bestand haben (dazu unter 2.). Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben (dazu unter 3.).

1. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsge­schäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rech­ten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterlie­gen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwi­schen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Aus­genommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eige­nen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauer­haft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuer­pflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (vgl. Senatsurteile vom 18.01.2006 ‑ IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a; in BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12; vom 27.06.2017 ‑ IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12; vom 21.05.2019 ‑ IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227, Rz 16; vom 03.09.2019 ‑ IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22; vom 03.09.2019 – IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 10; vom 01.03.2021 ‑ IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14; vgl. auch Senatsbeschluss vom 28.05.2002 ‑ IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, unter II.2.a, zu § 4 des Eigen­heimzulagengesetzes ‑‑EigZulG‑‑; Schreiben des Bundesministeriums der Fi­nanzen vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 22). Eine Nutzung zu "eige­nen Wohnzwecken" liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (Senatsurteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 12, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14).

Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2001 ‑ X R 27/01, BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II.1.a; Senatsurteile in BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 22, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 15). Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nut­zung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der per­sönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Fe­rienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushalts­führung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält (Senatsurteile in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, Rz 13, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 15).

b) In der Senatsrechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist das Merkmal der "dauerhaften Eignung zum Bewohnen" rein tatsächlich ver­standen worden (vgl. dazu Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 51 ff.; Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser, Immobilien im Zivil‑ und Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 12.91). Ob auch Objekte, die baurechtlich nicht dau­erhaft bewohnt werden dürfen, unter die Freistellung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fallen, hat der Senat bislang noch nicht entschieden. Die in der Senatsrechtsprechung behandelten Fallkonstellationen betrafen stets rechtlich zulässige Nutzungen, bei denen allein die tatsächliche Wohnnutzung in Frage stand. Insofern besteht ein Unterschied zur höchstrichterlichen Recht­sprechung zur Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus nach § 10e EStG. Dort hat der BFH ‑‑worauf die Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat‑‑ die Förderfähigkeit verneint, wenn eine Ferien‑ oder Wochenendwohnung rechtlich oder tatsächlich nicht zum dauern­den Wohnen geeignet war (BFH-Urteile vom 28.03.1990 ‑ X R 160/88, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, unter 2.a; in BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II.4.a).

c) Indes kann auch eine baurechtswidrige Nutzung eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sein.

aa) Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Aus­druck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleolo­gische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsge­schichte (historische Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. nur BFH-Urteil vom 20.11.2019 ‑ XI R 46/17, BFHE 266, 241, BStBl II 2020, 195, Rz 25, m.w.N.).

bb) Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht eindeutig. Unter einer Nutzung des Wirtschaftsguts "zu eigenen Wohnzwecken" kann sowohl eine baurechtskonforme als auch eine baurechtswidrige Wohnnutzung verstanden werden; letztere wird jedenfalls nicht von der Freistellung ausge­nommen.

cc) Allerdings sprechen Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dafür, dass auch die baurechtswidrige Wohnnutzung dem Anwendungs­bereich der Norm unterfällt.

aaa) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist mit der Verlängerung der Veräu­ßerungsfrist von zwei auf zehn Jahre durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) in das Gesetz eingefügt worden. Die Norm dient der Verhinderung einer ungerechtfertigten Besteue­rung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes, z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels. Gewinne aus der Veräußerung von selbstgenutz­tem Wohneigentum sollen ‑‑unter im Streitfall erfüllten zeitlichen Vorausset­zungen‑‑ keine Besteuerung auslösen (BTDrucks 14/265, S. 181; dazu Senatsurteile in BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 12, und in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 14 und 20).

Dieser Gesetzeszweck ist bei baurechtswidriger Nutzung von Wohneigentum ebenso erfüllt wie bei einer mit dem formellen und materiellen Baurecht über­einstimmenden Nutzung. Für die Realisierung des Freistellungszwecks der Norm ist die baurechtliche Situation ohne Relevanz. Muss das selbstgenutzte Wohneigentum wegen einer Wohnsitzaufgabe, etwa aus Anlass eines Arbeits­platzwechsels, veräußert werden, soll kein Veräußerungsgewinn besteuert werden. Der normative Lenkungs‑ und Förderzweck der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geregelten Nichtsteuerbarkeit von zu Wohnzwecken genutz­ten Wirtschaftsgütern (dazu Senatsurteil in BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868, Rz 16) steht daher einer Auslegung im Sinne der Vorinstanz entgegen (ebenso Intemann, Neue Wirtschafts-Briefe ‑‑NWB‑‑ 2021, 1502, 1503).

Die Freistellung bewirkt eine Rückausnahme von der Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte, die ihrerseits eine Ausnahme von der im Dualismus der Einkunftsarten grundsätzlich verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertver­änderungen privater Wirtschaftsgüter darstellt (Senatsurteil in BFHE 272, 393, BStBl II 2021, 680, Rz 12 und 14). Wenn danach das private Wohnen dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist, gilt dies auch für baurechtswidriges Wohnen; die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung stellt sich in diesem Zusammenhang als unerheblich dar.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Immobilie nach der Rechtsprechung des Senats zum Bewohnen dauerhaft geeignet sein muss. Zwar besteht im Fall fortdauernder baurechtswidriger Wohnnutzung die latente Gefahr des (jederzeitigen) Einschreitens der Bauaufsichtsbehörde zur Beseiti­gung des baurechtswidrigen Zustands (z.B. durch Nutzungsuntersagung, vgl. etwa Art. 76 Satz 2 der Bayerischen Bauordnung; dazu Sauthoff in Schreiber/ Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Aufl., Kap. 3, Rz 279). Aber auch dies ist ein rechtlicher Aspekt, welcher der ‑‑tatsächlich zu verstehenden‑‑ dauerhaf­ten Wohneignung nicht entgegensteht. Entscheidend ist, ob das Objekt tat­sächlich dazu geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Dies betrifft vor allem die Beschaffenheit des Gebäudes, insbe­sondere seine Ausstattung und Einrichtung (vgl. § 3 Abs. 2 BKleingG), nicht aber rechtliche Gegebenheiten.

bbb) Die von der Vorinstanz herangezogene Rechtsprechung zu § 10e EStG, wonach als ‑‑von der Begünstigung ausgenommene‑‑ Ferien‑ oder Wochen­endwohnungen i.S. von § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG (vgl. auch § 2 Satz 2 EigZulG) solche Wohnungen zu verstehen sind, die baurechtlich nicht ganzjäh­rig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dau­ernden Bewohnen eignen (vgl. nur BFH-Urteile in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, und vom 31.05.1995 ‑ X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720), steht einer Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Fall baurechtswidriger Wohnnutzung nicht entgegen. Zwar ist das Merkmal "Nut­zung zu eigenen Wohnzwecken" in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Ausgangspunkt so zu verstehen wie in § 10e EStG und § 4 EigZulG (Senatsur­teil in BFH/NV 2006, 936, unter II.1.a; vgl. indes zu Zweit‑ und Ferienwoh­nungen Senatsurteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192). Eine überein­stimmende Auslegung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals "Wohnzwe­cke" dient zudem der Rechtssicherheit und der Entlastung des Rechtsanwen­ders (BFH-Urteil in BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II.3.). Allerdings ist ‑‑neben dem Umstand, dass § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG Ferien‑ und Wochen­endwohnungen ausdrücklich von der Begünstigung ausnimmt‑‑ die unter­schiedliche Zweckrichtung der Tatbestände zu beachten. Telos der gesetzli­chen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ‑‑wie zuvor dargestellt‑‑ nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, unter 2.a). Vielmehr soll die berufliche Mobilität nicht behindert werden, was auch den Fall der baurechtswidrigen Wohnnutzung einschließt (ebenso Intemann, NWB 2021, 1502, 1503).

dd) Systematische oder historische Erwägungen, die diese Auslegung in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich.

aaa) Der Steuerfreistellung baurechtswidrig genutzter Objekte steht nicht ent­gegen, dass unbebaute Grundstücke an der Privilegierung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht teilhaben (Senatsurteil in BFHE 234, 72, BStBl II 2011, 868). Vorliegend ist das Grundstück mit einem "Gartenhaus" bebaut, das die Führung eines eigenständigen Haushalts und ein dauerndes Bewohnen tatsächlich ermöglicht. Damit unterscheidet sich der Streitfall von der Veräu­ßerung nicht bebauter Grundstücke. Die bewertungsrechtliche Einordnung des Grundstücks als unbebaut ist insofern ohne Bedeutung.

bbb) Wenn der BFH unter II.1.b des Urteils in BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145 (betreffend den Abschluss eines Gästevermittlungsvertrags mit einer Ver­mietungs‑ und Betriebsgesellschaft für Ferienwohnungen) ausführt, die Mög­lichkeit vertragswidrigen Verhaltens könne ebenso wenig wie die Möglichkeit baurechtswidrigen Verhaltens als Maßstab für die Auslegung von Tatbestands­merkmalen eines Steuergesetzes herangezogen werden, kann der erkennende Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht folgen. Dogmatisch ist es nicht ausge­schlossen, baurechtswidriges Verhalten ‑‑im Hinblick auf teleologische Gesichtspunkte‑‑ unter einen Ausnahmetatbestand zu subsumieren.

ee) Bestätigung findet dieses Auslegungsergebnis in § 40 der Abgabenord­nung. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Die Vor­schrift regelt, dass die Besteuerung wertneutral ist und an tatsächliche Gege­benheiten anknüpft (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 40 AO Rz 1). Dies gilt auch für begünstigende Steuerrechtsnormen (BFH-Urteile vom 07.11.1989 ‑ VII R 115/87, BFHE 159, 238, BStBl II 1990, 251, und vom 17.12.1991 ‑ VII R 103/90, BFH/NV 1992, 696, betreffend Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl., § 40 Rz 12 ff.).

2. Die Vorinstanz ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ihre Ent­scheidung kann daher keinen Bestand haben.

3. Die Sache ist spruchreif. Der BFH kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrü­gen angegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) tat­sächlichen Feststellungen des FG hat der Kläger das "Gartenhaus" mitsamt dem dazugehörigen Grundbesitz im maßgebenden Zeitraum zu eigenen Wohn­zwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt. Das Objekt war nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren. Es verfügte über Küche und Bad sowie eine Heizung und war mit Wasser und Abwasser, Strom sowie Tele­fon voll erschlossen. Dies ergibt sich aus dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers, das das FA in der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2019 wie­dergegeben hat; die Vorinstanz hat darauf Bezug genommen. Damit ist das Veräußerungsgeschäft nicht steuerbar. Der Klage ist stattzugeben.

4. Die Übertragung der Steuerberechnung auf das FA beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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