BMF: Unentgeltliche Übertragung der Wirtschaftsgüter eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch; Anwendung des BFH-Urteils vom 29. Januar 2025, X R 35/19
Bundesministerium der Finanzen 28. Oktober 2025, IV C 6 - S 2240/00044/019/033 (DOK: COO.7005.100.3.13107528)
Mit Urteil vom 29. Januar 2025 (X R 35/19 = SIS 25 05 49) hat der BFH Folgendes entschieden:
Werden die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen, führt der Vorbehaltsnießbraucher jedoch seine bisherige gewerbliche Tätigkeit fort, liegt darin keine unentgeltliche Übertragung des Gewerbebetriebs im Sinne von § 6 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das gilt für einen aktiven wie für einen verpachteten Gewerbebetrieb.
Die unter Vorbehaltsnießbrauch übertragenen Wirtschaftsgüter werden Privatvermögen des Erwerbers.
Erlischt zu einem späteren Zeitpunkt der Nießbrauch infolge eines unentgeltlichen Vorgangs, geht der in der Person des Vorbehaltsnießbrauchers bestehende Gewerbebetrieb nach § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG auf den Erwerber über, wenn dieser die betriebliche Tätigkeit des Vorbehaltsnießbrauchers fortführt.
Die Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (einschließlich der Tätigkeiten nach R 15.5 EStR, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet sind) unter Vorbehaltsnießbrauch ist dagegen weiterhin zu Buchwerten nach § 6 Absatz 3 EStG möglich (siehe insoweit auch die BFH-Urteile vom 7. April 2016, IV R 38/13, BStBl II S. 765, sowie vom 8. Mai 2019, VI R 26/17, BStBl II S. 660). Entsprechendes gilt für die Übertragung eines gesamten Mitunternehmeranteils unter Vorbehaltsnießbrauch, wenn der neue Gesellschafter Mitunternehmer wird (siehe auch Rn. 7 im BMF-Schreiben 20. November 2019, BStBl I S.1291 und BFH-Urteil vom 6. November 2019, II R 34/16, BStBl II 2020 S. 465), sowie wenn Vorbehaltsnießbrauch bei der unentgeltliche Aufnahme einer natürlichen Person in ein Einzelunternehmen (§ 6 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 Alternative 1 EStG) oder bei der Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils (§ 6 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 Alternative 2 EStG) vereinbart ist.
Für die Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch hatte der BFH bereits mit Urteil vom 25. Januar 2017 (X R 59/14, BStBl II 2019 S. 730) die Buchwertfortführung nach § 6 Absatz 3 EStG versagt.
Zur Anwendung der Urteilsgrundsätze bei Übertragungen von aktiven Gewerbebetrieben gilt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:
1. Übertragungen ab 17. April 2025
Die Urteilsgrundsätze sind für alle Übertragungen ab 17. April 2025 (Tag der Veröffentlichung des Urteils durch den BFH) anzuwenden. In diesen Fällen ist eine Buchwertfortführung bei Übertragung von Wirtschaftsgütern unter Vorbehaltsnießbrauch nach § 6 Absatz 3 EStG auch bei einem aktiven Gewerbebetrieb nicht mehr möglich.
2. Übertragungen vor dem 17. April 2025
Ist die Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Übertragung noch nicht bestandskräftig, sind die Urteilsgrundsätze grundsätzlich anwendbar. Auf gemeinsamen, unwiderruflichen Antrag des Nießbrauchsnehmers und des Nießbrauchsgebers können in diesen Fällen unverändert die Buchwerte nach § 6 Absatz 3 EStG aus Vertrauensschutzgründen fortgeführt werden. Die zum Buchwert übertragenen Wirtschaftsgüter bleiben beim Nießbrauchsnehmer weiterhin nach § 15 EStG steuerverstrickt.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.