FG Hamburg: Entstrickungsbesteuerung des UmwStG 1995 verstößt gegen EU-Recht
Finanzgericht Hamburg 28. Mai 2015, Pressemitteilung
Finanzgericht Hamburg hält § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG 1995 auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 23.1.2014 in der Sache „DMC“ (Az. C-164/12) für unionsrechtswidrig
Der 2. Senat des Finanzgerichts (FG) Hamburg hat mit Urteil vom 15.4.2015 (2 K 66/14) einer Klägerin Recht gegeben, die sich gegen die Besteuerung von nicht realisierten Wertzuwächsen („stille Reserven“) anlässlich einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung gewehrt hatte. Die Entscheidung betrifft die Regelungslage nach dem bis 2006 geltenden Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) 1995.
Zwei in Österreich ansässige Kapitalgesellschaften - später zur Klägerin verschmolzen - waren Kommanditisten einer deutschen Kommanditgesellschaft (KG) und zugleich Gesellschafter der Komplementärin, einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie brachten ihre Anteile an der KG im Wege der Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen zum Buchwert in die GmbH ein. Das Finanzamt setzte demgegenüber den Teilwert an und deckte damit die stillen Reserven auf („Entstrickung“). Dies geschah auf der Grundlage von § 20 Abs. 3 und Abs. 4 UmwStG 1995, weil Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der erlangten GmbH-Anteile verliere. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen stehe dieses Recht Österreich als dem Ansässigkeitsstaat der GmbH-Gesellschafter zu.
Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Sofortbesteuerung der stillen Reserven verstoße gegen Unionsrecht, weil bei im Inland ansässigen Gesellschaftern die Buchwerte hätten fortgeführt werden können und es folglich nicht zu einem Veräußerungsgewinn komme. Auf das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass sich die angegriffene Regelung als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit erweise, aber zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten gerechtfertigt sei. Allerdings hat der EuGH den Vorbehalt gemacht, dass dies nur dann gelte, wenn Deutschland tatsächlich jedes Recht verliere, die nicht realisierten Wertzuwächse, beispielsweise auch bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer bei der aufnehmenden Gesellschaft, zu besteuern (Urteil vom 23.1.2014, Az C-164/12). Um diesen Vorbehalt hatte sich in der Fachliteratur ein heftiger Streit entwickelt, sodass auch nach der EuGH-Entscheidung ungewiss erschien, ob die Regelung unionsrechtswidrig ist oder nicht.
Das FG Hamburg hat nun entschieden, dass die Sofortbesteuerung unionsrechtswidrig ist, weil Deutschland tatsächlich nicht jedes Besteuerungsrecht an den stillen Reserven des eingebrachten Betriebsvermögens verliert. Die Revision wurde nicht zugelassen, der Finanzverwaltung bleibt allerdings die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.
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