Eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG kommt nicht in Betracht, wenn das Schiff im maßgebenden Lohnzahlungszeitraum nicht im internationalen Verkehr betrieben wird. Ein qualifizierter Betrieb an wenigen Tagen im Jahr reicht daher nicht aus, um die einbehaltene Lohnsteuer für das gesamte Wirtschaftsjahr zu kürzen.
EStG § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 38 Abs. 3 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 27.4.2017, 14 K 15/17 = SIS 17 16 81
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr (2010) u.a. das Frachtschiff MS ... (MS X) für den Transport schwerer und großvolumiger Güter. Das Schiff ist in das Seeschiffsregister ... eingetragen und führt die deutsche Flagge. Im Streitjahr war die MS X nur in den Monaten Mai und Juni an insgesamt fünf Tagen außerhalb deutscher Hoheitsgewässer tätig, indem es die Klägerin zwischen dem --in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone belegenen-- Offshore Windpark ... und ... in den Niederlanden einsetzte. Im Übrigen setzte die Klägerin die MS X im Inland zwischen ... und ... ein.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Voraussetzungen des von der Klägerin in den monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen in Anspruch genommenen § 41a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lägen nicht vor. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ daher einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2013. Darin sind nicht abgeführte Lohnsteuerbeträge in Höhe von ... € als Haftungsbetrag für das Jahr 2010 enthalten. Hiervon entfielen ... € auf die Monate Mai und Juni 2010. Das FA stützte die Haftung auf § 42d Abs. 1 EStG, weil die Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt worden sei. Zudem habe sich die Klägerin mit der Inanspruchnahme einverstanden erklärt.
In der Einspruchsentscheidung verminderte das FA den Haftungsbetrag um ... € für die Monate Mai und Juni 2010 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1386 veröffentlichten Gründen ab. Aufgrund des von der Klägerin zu Unrecht in Anspruch genommenen Kürzungsbetrags nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG sei ein zu geringer Betrag an das FA abgeführt worden, so dass die Klägerin hierfür hafte (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene FG-Urteil sowie den Haftungsbescheid vom 24.10.2014, soweit er das Jahr 2010 betrifft, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2016 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Haftungsbescheid des FA rechtmäßig ist. Die Klägerin hat die ihr als Arbeitgeberin obliegende Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) für die Monate Januar bis April und Juli bis Dezember 2010 verletzt (§ 42d EStG), indem sie die zutreffend einbehaltene Lohnsteuer zu Unrecht um 40 % gekürzt und nur den verbleibenden Teil an das FA abgeführt hat. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der Lohnsteuer nach § 41a Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG lagen in diesen Monaten nicht vor.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
a) Gemäß § 41a Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen Arbeitgeber, die eigene oder gecharterte Handelsschiffe betreiben, vom Gesamtbetrag der anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer einen Betrag von 40 % der Lohnsteuer der auf solchen Schiffen in einem zusammenhängenden Arbeitsverhältnis von mehr als 183 Tagen beschäftigten Besatzungsmitglieder abziehen und einbehalten. Die Handelsschiffe müssen in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sein, die deutsche Flagge führen und zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See betrieben werden (§ 41a Abs. 4 Satz 2 EStG).
aa) Dem Wortlaut nach setzt § 41a Abs. 4 Satz 2 EStG daher u.a. voraus, dass das Schiff zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See (tatsächlich) betrieben wird. Damit ist das Betreiben eines kommerziellen Schiffes zur Beförderung von Personen oder Gütern im internationalen Verkehr unter deutscher Flagge gemeint (Urbahns, Neue Wirtschaftsbriefe Herne 2016, 1578, 1581). Subventionsgegenstand sind folglich nur solche Schiffe, die dem Inland zuzurechnen sind und die den Verkehr zum Ausland sicherstellen (Reuss in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 41a EStG Rz 20). Ein Handelsschiff, das nur ausnahmsweise im internationalen Verkehr und ansonsten nicht qualifiziert i.S. von § 41a Abs. 4 Satz 2 EStG betrieben wird, erfüllt für die Zeiten des nicht qualifizierten Betriebs daher nicht die Voraussetzungen für eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer.
bb) Die Regelung der Lohnsteuerkürzung innerhalb des § 41a EStG zeigt, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, dass die Ermittlung des Kürzungsbetrags nicht unabhängig von der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer erfolgen kann. Denn die Lohnsteuer-Anmeldung hat nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle lohnsteuerpflichtigen Sachverhalte zeitraumbezogen zu erfassen (Schmidt/Krüger, EStG, 38. Aufl., § 41a Rz 4); der Anmeldungszeitraum bestimmt sich dabei nach § 41a Abs. 2 EStG und ist grundsätzlich der Kalendermonat. In der Lohnsteuer-Anmeldung hat der Arbeitgeber nicht nur die Summe der einzubehaltenden Lohnsteuer, sondern auch den Kürzungsbetrag nach § 41a Abs. 4 EStG einzutragen. Die maßgebliche Pflicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer knüpft wiederum an die Verhältnisse des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums an (Blümich/Thürmer, § 38 EStG Rz 121). Insoweit besteht zwischen der nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG für einen Lohnzahlungszeitraum vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer und der von ihm im Anschluss im Rahmen der Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 41a Abs. 4 EStG erfolgenden Kürzung ein Zusammenhang. Das Schiff muss deshalb im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum tatsächlich zu den im Gesetz genannten Zwecken eingesetzt worden sein, um die Kürzung vornehmen zu können (ebenso Schmidt/Krüger, a.a.O., § 41a Rz 8; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 41a Rz 10).
cc) Demgegenüber lässt die 183-Tage-Regelung des § 41a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht darauf schließen, "Abrechnungsperiode" für die vom Arbeitgeber vorzunehmende Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer sei das gesamte Wirtschaftsjahr. So unterscheidet § 41a Abs. 4 EStG --wie vom FG zu Recht angemerkt-- zwischen personenbezogenen Voraussetzungen in Satz 1 (qualifizierte Arbeitnehmer, qualifizierte Beschäftigungsverhältnisse) und schiffsbezogenen Voraussetzungen in Satz 2 (qualifiziertes Betreiben). Hieraus ergibt sich allenfalls, dass die Lohnsteuervergünstigung zwar auch für die Zeiten möglich ist, in denen der (qualifizierte) Betrieb des Schiffes durch Be- und Entladezeiten oder durch Zeiten notwendiger Reparaturen oder Leerfahrten unterbrochen ist, das Beschäftigungsverhältnis aber andauert (s. Blümich/Heuermann, § 41a EStG Rz 45; Heuermann/Wagner, LohnSt, G Rz 177).
dd) Dem Verständnis, dass ein nur vereinzeltes, sporadisches und kurzfristiges Betreiben im internationalen Verkehr die vom Gesetz vorgesehene Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer gleichwohl für ein komplettes Wirtschaftsjahr erlaubt, widersprechen auch Sinn und Zweck der Regelung.
Die Vorschrift wurde zum 01.01.1999 mit dem Seeschifffahrtsanpassungsgesetz vom 09.09.1998 (BGBl I 1998, 2860) nach niederländischem Vorbild eingeführt, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze der deutschen Seeleute durch gezielte Verringerung der Personalkostenbelastung zu stärken und so den Schifffahrtsstandort Deutschland zu sichern und zu stärken (s. BTDrucks 13/8023, S. 27 und BTDrucks 13/10271, S. 8 f.). Insoweit handelt es sich um eine fest umrissene Lenkungsmaßnahme, die restriktiv auszulegen ist (Blümich/Heuermann, § 41a EStG Rz 41). Wie auch die zeitgleich eingeführte pauschale Gewinnermittlung nach der Tonnage (§ 5a EStG) bewirkt die pauschale Lohnsteuerermäßigung eine effektive Steuerentlastung der Unternehmer bzw. Arbeitgeber (s. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 26.09.2013 - IV R 46/10, BFHE 243, 223, BStBl II 2014, 253, Rz 19 f., und vom 22.01.2015 - IV R 10/12, Rz 19). Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Subventionsnorm ist auch bei der Lohnsteuerermäßigung erforderlich, dass zwischen der Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer und dem qualifizierten Betrieb des Handelsschiffes im internationalen Verkehr ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dem entspricht, dass nach der Legaldefinition in § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG Handelsschiffe dann im internationalen Verkehr betrieben werden, wenn eigene oder gecharterte Seeschiffe, die im Wirtschaftsjahr überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind, in diesem Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See eingesetzt werden.
b) Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zutreffend entschieden, dass eine Kürzung der einbehaltenen Lohnsteuer durch die Klägerin über die nicht im Streit stehenden Monate Mai und Juni 2010 hinaus nicht in Betracht kommt, da die MS X außerhalb dieser Lohnzahlungszeiträume nicht i.S. von § 41a Abs. 4 Satz 2 EStG qualifiziert betrieben wurde.
Dass das FA die streitbefangene, der Höhe nach unstreitige Lohnsteuer --ungeachtet der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 41a Abs. 4 Satz 2 EStG-- durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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