Roland Claus (Die Linke): Wir brauchen eine gerechte und umverteilende Steuerreform
Interview mit der Zeitung „Das Parlament“
Deutscher Bundestag, Pressemitteilung vom 09.09.2016
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 12.September 2016) - bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass beim Etat 2017 Gelder mit der großen Gießkanne verteilt werden.“ Dies betonte der haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, Roland Claus, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 12. September). Bei diesem Haushalt suche man vergebens nach einem echten roten Faden und ein klares politisches Programm.
Claus hält den „ganzen Rummel, der derzeit um die Schwarze Null aufgeführt wird, für überzogen“. Das Markenzeichen linker Haushaltspolitik sei es, nicht neue Schulden aufzubauen, sondern gerechte Steuern zu erheben. Deshalb forderte Claus eine „gerechte und umverteilende Steuerreform“. Das Steuerkonzept der Linken würde die gesamten Gehaltsspielräume erheblich vergrößern. Der Bund könnte 53 Milliarden Euro, die Länder könnten 97 Milliarden Euro und die Kommunen 27 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Claus, der Bundestag hat in der vergangenen Woche erstmals den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beraten. Der Entwurf sieht Ausgaben von knapp 329 Milliarden Euro vor. Das sind rund zwölf Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Trotzdem will Schäuble weder Steuern erhöhen noch neue Schulden machen. Können Sie sich auch über die geplante ,,Schwarze Null“ freuen?
Ich halte den ganzen Rummel, der derzeit um die „Schwarze Null“ aufgeführt wird, für überzogen. Das Markenzeichen linker Haushaltspolitik ist es nicht neue Schulden aufzubauen, sondern gerechte Steuern zu erheben. Zum Beispiel haben wir eine ganz klare Auffassung zur Erbschaftsteuer. Das Erbschaftsteuerkonzept der Bundesregierung ist aus unserer Sicht ein Witz. In jedem Jahr werden bis zu 200 Milliarden Euro vererbt, von denen nur ein winziger Betrag versteuert wird. In Deutschland werden die Reichen von Jahr zu Jahr reicher und die Armen zahlreicher. Deshalb ist unsere erste Kritik am Haushaltsentwurf, dass dieser nichts, aber auch gar nichts für eine gravierende Verbesserung der Einnahmeseite enthält. Ergebnis der „Schwarzen Null – Politik“ sind dann mangelnde Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Daseinsvorsorge und das lehnen wir als Die Linke konsequent ab. Bei diesem Haushalt sucht man eben vergebens nach einem echten roten Faden und ein klares politisches Programm. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Gelder mit der großen Gießkanne verteilt werden.
Was müsste getan werden, um die von Ihnen kritisierte soziale Spaltung zumindest zu verringern?
Eine gerechte und umverteilende Steuerreform müsste her. Das Steuerkonzept der Linken würde die gesamten Gehaltsspielräume erheblich vergrößern. Der Bund könnte 53 Milliarden Euro, die Länder könnten 97 Milliarden Euro und die Kommunen 27 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen. Kein Millionär und keine Millionärin würde dadurch verarmen und der Mittelstand würde durch eine solche Reform erheblich entlastet.
Dient die ,,Schwarze Null“ also nur dazu, um im Wahljahr zu punkten?
Das glaube ich nicht. Die „Schwarze Null“ hat mit dem Lebensalltag der meisten Menschen nichts zu tun. Dennoch ist zu beachten, dass Schuldenmachen nicht gut ankommt. Seit 2008 hat der Bundeshaushalt wegen sinkender Zinsen rund 100 Milliarden Euro eingespart. Da fragt man sich schon, warum der Finanzminister aus diesen Rahmenbedingungen nichts Vernünftiges macht. Mit ihm verbindet man kein Zukunftsprogramm, welches eine gerechte und umverteilende Steuerreform zum Tragen lassen kommt, sondern ausschließlich eine „Schwarze Null“. Alles in allem kann man den Haushalt so bewerten, dass zwar an manchen Stellen ein finanzieller Aufwuchs zu verzeichnen ist, mir aber der Glaube fehlt, dass wir das mehr an Geld für richtig gute Ideen, die zur Verbesserung der sozialen und gesellschaftlichen Infrastruktur, sich für eine humane Integration der hier Benachteiligten und der zu uns Geflüchteten, nutzen.
Sehen Sie im Etatentwurf 2017 ,,Wahlgeschenke“?
Einige sogenannter Wahlgeschenke sind schon im Haushaltsentwurf enthalten, andere werden noch durch die parlamentarische Beratung hinzukommen. Da bin ich mir ganz sicher und kann das aus langer Erfahrung sagen. Das eigentliche Problem ist aber, dass die Bundesregierung den Eindruck erweckt, als hätte sie die Förderprogramme selbst erspart. Der Bund verteilt aber nur die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger, daran sollte man von Zeit zu Zeit erinnern.
Für die Bewältigung der Zuwanderung und die Bekämpfung der Fluchtursachen sind im kommenden Jahr bisher 19 Milliarden Euro eingeplant. Reicht das überhaupt?
Insgesamt denke ich, ja. Nur lässt der Bund die Kommunen auf vielen Lasten allein sitzen. Und dass ist für die kommunale Familie schwer zu stemmen.
Wird das Geld in diesem Bereich richtig eingesetzt?
Es wird zu wenig für echte Integration ausgegeben. Meine Fraktion wird innerhalb der Haushaltsberatungen dazu auch Änderungsanträge einbringen. Gerade das Budget für Integrationskurse, halten wir für zu gering angesetzt. Ebenso ist unser politischer und auch monetärer Ansatz für Ausbildungsförderung und Arbeitsmarktförderung ein anderer. Der Haushaltsentwurf zeigt auch, dass zu viel für Bürokratie aufgewendet wird.
Bei der Inneren Sicherheit will die Regierung vor allem mit mehr Planstellen punkten. Ist das notwendig?
Zum Teil sind mehr Planstellen richtig, zum Beispiel bei der Bundespolizei. Beim Geheimdienst brauchen wir sie nicht! Aber lassen Sie mich noch etwas ausholen. Die Personalaufstockung und Modernisierung der Ausstattung bei der Bundespolizei wären ohnehin notwendig; beim Technischen Hilfswerk wird die Rücknahme von geplanten Kürzungen aus der Finanzplanung gegenfinanziert, die ohnehin nicht nachvollziehbar gewesen wären. Auch bei der Hochschule des Bundes werden nun Stellen für die Ausbildung des gehobenen Dienstes geschaffen, die schon lange benötigt wurden und schon jahrelang eine Linke Forderung ist.
Was halten Sie davon, dass der Verteidigungsetat um 2,3 Milliarden Euro auf 36,6 Milliarden Euro steigen soll?
Das lehnen wir konsequent ab. Wir brauchen keine Interventions-Bundeswehr. Kriegsbeteiligung ist die falsche Antwort auf den Terror. Die Fehler nach 9/11 waren, den Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik zu etablieren. Aggressionen nach außen gehen nun einmal Hand in Hand mit einem Abbau demokratischer und sozialer Rechte im Inneren.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) freut sich über mehr Verkehrsinvestitionen – trotz fehlender Einnahmen durch die Pkw-Maut für Ausländer. Glauben Sie, dass die Rechnung aufgeht?
Die Pkw-Maut hätte das Problem auch nicht gelöst. Deutschland steckt weiterhin im Investitionsstau. Der ist nur mit mehr Einnahmen aufzulösen.
Auch für den sozialen Wohnungsbau und für Bildung und Forschung soll es mehr Geld geben. Können die Versprechen eingehalten werden?
Auch das Einhalten dieses Versprechen wird die fehlenden Wohnungen in Ballungsräumen nicht kompensieren können. Das deutsche Bildungssystem ist durch seine föderale Zersplitterung final gescheitert.
Wo würden Sie eigene Prioritäten setzen?
Bei mehr sozialer Gerechtigkeit, das heißt für mich: gleiche Löhne, für gleiche Arbeit und eben auch die Angleichung der Ostrenten an das Westniveau. Eine weitere Priorität liegt in der Daseinsvorsorge. Gerade im ländlichen Bereich, da haben wir noch einige Hausaufgaben vor uns, wenn ich die ärztliche Versorgung, die Breitbandversorgung oder gar den ÖPNV anschaue, um nur einige Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zu nennen. Weitere Priorität muss die frühkindliche Bildung, die Aus- und Fortbildung einnehmen. Des Weiteren sollten wir größere Investitionen in Zukunfts- und Forschungsprojekte stecken. Und wir als Die Linke würden ganz klare Priorität in der Abrüstung sehen.
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