BFH: Unentgeltlichkeit der Wärmeabgabe
Liefert ein Unternehmer mit einer von ihm hergestellten Biogasanlage vorsteuerabzugsberechtigt Strom gegen Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich auf andere Personen überträgt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG.
UStG § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2
MwStSystRL Art. 16
BFH-Urteil vom 25.11.2021, V R 45/20 (veröffentlicht am 21.4.2022)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 29.10.2020, 11 K 21/20 (EFG 2021, 607 = SIS 21 02 40)
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, errichtete in den Jahren 2005 und 2006 eine Biogasanlage, die sie im Jahr 2006 in Betrieb nahm. Den mit der Anlage erzeugten Strom lieferte sie gegen Entgelt und machte aus den Errichtungskosten den Vorsteuerabzug geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Klägerin, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung gleichstanden. Mit zwei im März 2006 und Oktober 2008 abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich die Klägerin zur unentgeltlichen Lieferung von Wärme an zwei GbRs. In den Jahren 2009 und 2010 erweiterte die Klägerin ihre Anlage und machte auch insoweit den Vorsteuerabzug geltend.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA für die Jahre 2007 bis 2009 (Streitjahre) davon aus, dass die unentgeltlichen Wärmelieferungen zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geführt haben. Diese sei nach den Selbstkosten zu bemessen. Eine erst im Zusammenhang mit der Außenprüfung getroffene Preisvereinbarung für die Wärmelieferungen erkannte das FA nicht an und sah vier hierüber am 23.08.2011 gegenüber den GbRs erteilte Rechnungen als unbeachtlich an. Der Einspruch gegen die am 06.03.2012 erlassenen Umsatzsteuerbescheide hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 607 veröffentlichten Urteil liegt mit der kostenlosen Abgabe von Wärme an die beiden GbRs, die die Klägerin von vorneherein beabsichtigt habe, zwar tatbestandlich eine unentgeltliche Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor. Gleichwohl sei diese aber nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht steuerbar. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Danach sei die Klägerin zu einem Abzug der bei den Eingangsleistungen angefallenen Umsatzsteuer für den Anteil, der auf diese Wärmeabgaben entfiel, nicht berechtigt gewesen. Dass sie aus der Herstellung der Biogasanlage in 2005 und 2006 den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe, sei zwar rechtswidrig gewesen, vorliegend aber unbeachtlich. Dem stehe die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) nicht entgegen. Denn im Streitfall sei zu berücksichtigen, dass die unentgeltliche Wärmelieferung nicht unumgänglich gewesen sei. Die Wärme hätte "auch in die Luft" abgegeben werden können. Es bestehe die Gefahr einer unversteuerten Wärmeabgabe. Die in 2011 getroffene Preisvereinbarung habe nicht zu einem Entgelt geführt. Der vereinbarte Preis von 0,05 Cent/kWh sei unbeachtlich. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus § 17 UStG, da es an einem steuerbaren (unentgeltlichen) Umsatz von Anfang an gefehlt habe. Die Klägerin habe auch nicht von einer Vertrauensschutzregelung Gebrauch gemacht. Anderes folge auch nicht daraus, dass aufgrund der Außenprüfung Umsatzsteuerbescheide vom 06.03.2012 ergangen seien, mit denen es zu keiner Korrektur des ursprünglichen Vorsteuerabzugs gekommen sei. Stattdessen seien die für die Streitjahre geltend gemachten Vorsteuerbeträge in analoger Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu kürzen, soweit unentgeltliche Wärmelieferungen vorlägen. Dies habe nach der Marktwertmethode auf der Grundlage eines Marktwertes von 0,04 €/kWh zu erfolgen. Der vom FA vertretene Leistungsvergleich komme nicht in Betracht. Es sei auch nicht zulässig, den in den Vorjahren rechtswidrig in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug in den Streitjahren nach § 15a UStG zu berichtigen. Zwar sei dies nach der BFH-Rechtsprechung möglich, da es sich um eine verwendungsbezogene Fehlbeurteilung gehandelt habe; mit der neueren EuGH-Rechtsprechung sei eine derartige Berichtigung aber nicht vereinbar.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Zwar werde am Ansatz einer unentgeltlichen Wertabgabe entsprechend dem Urteil des FG nicht mehr festgehalten. Auf dieser Grundlage sei aber entgegen dem FG-Urteil der in den Vorjahren rechtswidrig in Anspruch genommene Vorsteuerabzug in den Streitjahren nach § 15a UStG zu berichtigen. Dem stehe die neuere EuGH-Rechtsprechung nicht entgegen. In Bezug auf die Vorsteueraufteilung bestünden gegen die Marktwertmethode grundsätzliche Bedenken. Zudem überzeuge die Schätzung des FG nicht. Es sei nicht sachgerecht, mangels feststellbaren Marktpreises vor Ort nur die Referenzpreise benachbarter Regionen heranzuziehen und dabei Beschaffungskosten, wie etwa für den Leitungsbau, außer Ansatz zu lassen. Das Fehlen eines Fernwärmenetzzugangs könne auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen. Maßgeblich sei die Erreichbarkeit vergleichbarer Gegenstände.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG "insoweit aufzuheben, als das FG eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für die Vorjahre abgelehnt und die in den Streitjahren berücksichtigten Vorsteuerbeträge nach der Marktwertmethode aufgeteilt hat" und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der erstinstanzliche Vortrag zur Entgeltlichkeit werde aufrechterhalten. Das FG sei zutreffend ihrer Auffassung zur Verneinung einer unentgeltlichen Wertabgabe gefolgt. Eine Vorsteuerberichtigung für die in den Vorjahren angefallenen Vorsteuerbeträge komme nicht in Betracht. Ihre ursprüngliche Annahme, dass der sog. KWK‑Bonus als Entgelt für die Wärmelieferung anzusehen sei, habe sich erst aufgrund späterer BFH-Rechtsprechung als unzutreffend herausgestellt. Die sog. Zuordnungsrechtsprechung mit der Beurteilung nach verschiedenen Bereichen ("Sphären") sei auch im Rahmen von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zu beachten. Habe sie somit den Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch genommen, könne dieser nicht in den Streitjahren nach § 15a UStG berichtigt werden. Ihre Ausgangsumsätze hätten sich nicht geändert, sondern nur die rechtliche Beurteilung zur Entgeltlichkeit ihrer Wärmelieferungen. Bereits nach der BFH-Rechtsprechung sei eine Vorsteuerberichtigung dann nicht zulässig, da die unentgeltlichen Wärmelieferungen kein Verwendungsumsatz seien. Zudem sei es für das FA möglich gewesen, den Vorsteuerabzug für die Vorjahre zu kürzen, da die diesbezüglichen Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätten. Im Übrigen sei an der BFH-Rechtsprechung zur Berichtigung eines rechtswidrig in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach der neueren EuGH-Rechtsprechung nicht festzuhalten.
II. Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Liefert der Unternehmer mit einer von ihm hergestellten Biogasanlage vorsteuerabzugsberechtigt Strom gegen Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich auf andere Personen überträgt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG. Zwar ist das FG im Streitfall zutreffend von einer Unentgeltlichkeit der Wärmelieferungen ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG verneint. Dass das FA mit seiner Revision nicht die Verletzung dieser Vorschrift rügt, ist ohne Bedeutung. Denn stützt der Revisionskläger ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ sein Rechtsmittel in zulässiger Weise auf die Verletzung materiellen Rechts, prüft der BFH nach dem Grundsatz der Vollrevision das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Urteile vom 27.01.2016 ‑ X R 2/14, BFHE 253, 89, BStBl II 2016, 534; vom 19.10.2011 ‑ X R 65/09, BFHE 235, 304, BStBl II 2012, 345, und vom 23.10.2019 ‑ V R 46/17, BFHE 267, 140).
1. Einer Lieferung gegen Entgelt wird gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens, gleichgestellt. Auf eine Entnahme für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, kommt es hierfür anders als bei § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG nicht an. Voraussetzung ist aber nach Satz 2 dieser Vorschrift, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 16 MwStSystRL, der für vier Tatbestände die "Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen" einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellt. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG dient dabei der Umsetzung von Art. 16 Fall 3 MwStSystRL ("als unentgeltliche Zuwendung"), während sich § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG auf Art. 16 Fälle 1 und 4 MwStSystRL ("für seinen privaten Bedarf" und "allgemein für unternehmensfremde Zwecke") bezieht. Auch unionsrechtlich kommt es darauf an, dass Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben.
2. Die für die Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erforderliche Unentgeltlichkeit hat das FG im Ergebnis zu Recht bejaht.
a) Nach der BFH-Rechtsprechung setzt die Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift insbesondere die Unentgeltlichkeit einer Lieferung voraus (BFH-Urteil vom 14.05.2008 ‑ XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, Leitsätze 1 und 2). Hieran hat sich durch die Rechtsprechungsänderung aufgrund des BFH-Urteils vom 16.12.2020 ‑ XI R 26/20 (XI R 28/17), BFHE 272, 240, Rz 39 nichts geändert. Zwar hat der BFH hier entschieden, dass er, soweit er "in der Entscheidung in BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721 von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, (...) daran nicht mehr fest[hält]". Der erkennende Senat versteht dies allerdings dahingehend, dass sich diese Rechtsprechungsänderung nicht auf das Erfordernis der Unentgeltlichkeit, sondern auf das nunmehr zusätzlich zu beachtende Kriterium der "Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs" bezieht. Hierauf hatte der BFH in seinem Urteil in BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721 noch nicht abgestellt.
b) Im Streitfall folgt die Unentgeltlichkeit aus dem Fehlen einer zu einem Entgelt führenden Preisvereinbarung, für die das FG in den zwischen den Beteiligten geführten Parallelverfahren (s. Urteile des Niedersächsischen FG vom 29.10.2020 ‑ 11 K 22/20 [EFG 2021, 599] und 11 K 23/20 [EFG 2021, 608], betreffend der dortigen Streitjahre 2012 bis 2017) zutreffend auf die Gesamtumstände des ohne wesentliche Änderung auch die Streitjahre 2007 bis 2009 umfassenden Streitfalls abgestellt hat.
Dabei ist neben dem ursprünglichen Fehlen einer Preisvereinbarung zu berücksichtigen, dass
- es zu der (erst) späteren Vereinbarung eines Preises aufgrund einer Beanstandung der Unentgeltlichkeit im Rahmen einer Außenprüfung kam,
- ein nur geringer Preis von 0,05 Cent/kWh vereinbart wurde, der sich nur auf 1/80 des vom FG festgestellten Marktpreises von 0,04 €/kWh belief, und dass
- die Preisvereinbarung (trotz ansonsten schwankender Preise für den Liefergegenstand) über einen mehrjährigen Zeitraum (bis mindestens 2017) nicht geändert wurde, wie das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend als Indiz für den tatsächlichen Parteiwillen angemerkt hat.
Ob bereits die geringe Höhe des vereinbarten Preises für sich allein gegen das Vorliegen eines Entgelts spricht, ist somit nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu entscheiden.
c) Entsprechend der bisherigen BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 31.05.2017 ‑ XI R 2/14, BFHE 258, 191, BStBl II 2017, 1024, Leitsatz) ist zudem der KWK-Bonus weiterhin nicht als Entgelt für die Lieferung von Wärme anzusehen. Zwar hat der BFH auch an dieser Entscheidung in seinem späteren BFH-Urteil in BFHE 272, 240, Rz 38 f. nicht festgehalten. Dies bezieht sich indes auf die gegenüber der Unentgeltlichkeit eigenständigen Frage, ob § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG einer "wortlautgetreuen Anwendung" bedarf (BFH-Urteil in BFHE 258, 191, BStBl II 2017, 1024, Rz 23), was der BFH nunmehr im Hinblick auf das Zusatzkriterium der "Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs" verneint (BFH-Urteil in BFHE 272, 240, Rz 38 f.). Dementsprechend ändert sich auch nichts daran, dass unter Beachtung dieses Endverbrauchskriteriums § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG entsprechend dem BFH-Urteil in BFHE 258, 191, BStBl II 2017, 1024, Rz 31 ff. auf die unentgeltliche Wärmeabgabe aus Biogasanlagen anzuwenden ist.
3. Die weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG liegen vor.
a) Die unentgeltliche Übertragung der Wärme als Gegenstand (BFH-Urteil vom 12.12.2012 ‑ XI R 3/10, BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Rz 18) auf die beiden GbRs als Empfängerinnen führte dazu, dass die Klägerin diesen jeweils zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721, Leitsatz 1). Soweit der BFH zudem darauf abstellt, dass ein "unversteuerter Endverbrauch droht" (BFH-Urteil in BFHE 272, 240, Leitsatz 2), ist auch diese Voraussetzung erfüllt, da die auf die beiden GbRs übertragene Wärme einem derart eigenständigen Endverbrauch zugeführt werden konnte.
b) Entgegen dem Revisionsvortrag der Klägerin ist es für die Zuwendungsbesteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unerheblich, ob der Zuwendende außerunternehmerische Zwecke verfolgt. Der Senat versteht dieses Vorbringen dahingehend, dass die für § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG zu beachtende Voraussetzung der "Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen", auch für § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG gelten soll. Sei daher § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG zu verneinen, wenn z.B. eine juristische Person des öffentlichen Rechts die Wärme einer zur entgeltlichen Stromlieferung erworbenen Biogasanlage für nichtunternehmerische Hoheitszwecke verwendet, da eine Verwendung für eine "nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S." vorliege, die einer Unternehmenszuordnung entgegenstehe und insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtige (vgl. hierzu Abschn. 2.5 Abs. 12 und 20 i.V.m. Abschn. 2.3 Abs. 1a des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑), müsse dies auf § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG übertragen werden. Daher sei im Streitfall die Anwendung dieser Vorschrift zu verneinen, da sie bei der Abgabe der Wärme an die beiden GbRs ebenso "nichtwirtschaftlich i.e.S." tätig gewesen sei.
Dem folgt der Senat bereits im Ausgangspunkt nicht. Wie sich auch aus den unionsrechtlichen Grundlagen in Art. 16 MwStSystRL ergibt, bezieht sich § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG auf die in Art. 16 Fall 4 MwStSystRL genannte Entnahme "allgemein für unternehmensfremde Zwecke", während § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG die "unentgeltliche Zuwendung" i.S. von Art. 16 Fall 3 MwStSystRL erfasst (s. oben II.1.). Im Hinblick auf diesen Unterschied kommt es für im Fall der hoheitlichen Eigenverwendung von Wärme, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit einer unternehmerisch genutzten Anlage herstellt, auf das Zusatzkriterium der außerunternehmerischen Zwecke i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG und damit auf die Beurteilung der Wärmeverwendung als sog. "nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S." an. Demgegenüber ist der Zuwendungstatbestand sowohl nach nationalem Recht wie auch nach dem Unionsrecht zweckneutral ausgestaltet und wird allenfalls durch das im Streitfall vorliegende Kriterium des unversteuerten Endverbrauchs begrenzt (s. oben II.3.a). Da im Streitfall bei den beiden GbRs keine einem Hoheitsträger vergleichbare "nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S." vorlag, ist vorliegend nicht zu entscheiden, welche Bedeutung eine derartige Verwendung des zugewendeten Gegenstands beim Leistungsempfänger für § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG hat.
c) Wie das FG letztlich zutreffend entschieden hat, ist das EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 ‑ C‑528/19 (EU:C:2020:712) für den Streitfall ohne Bedeutung. Dieses EuGH-Urteil betrifft einen Gegenstand (Straße), für den nur eine Verwendungsmöglichkeit (Straßenverkehr) besteht, die aber für unterschiedliche Zwecke (unternehmerischer und öffentlicher Straßenverkehr) genutzt werden kann. Dabei verneinte der EuGH die Zuwendungsbesteuerung in Rz 67 i.V.m. Rz 37 seines Urteils, da "die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße nicht für die Bedürfnisse der betreffenden Gemeinde oder des öffentlichen Verkehrs durchgeführt wurden, sondern um die (...) Gemeindestraße an den Schwerlastverkehr anzupassen, der vom Betrieb des Kalksteinbruchs durch die Klägerin (...) hervorgerufen wird".
Demgegenüber geht es vorliegend um einen Gegenstand (Biogasanlage), den die Klägerin unterschiedlich (zur Strom- und Wärmeerzeugung) verwendete. Dabei hat die Strom- und Wärmeerzeugung im Gegensatz zur Straßennutzung einen jeweils eigenständigen Charakter, wie sich bereits aus der Möglichkeit zur gesonderten Vermarktung ergibt. Diese Eigenständigkeit kann auch zu einem eigenständigen "tatsächlichen Endverbrauch" (EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, EU:C:2020:712, Rz 67) in Bezug auf Strom oder Wärme führen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809). Dies unterscheidet die Strom- und Wärmeverwendung von der nur nebensächlichen Mitbenutzung einer Straße für den allgemeinen öffentlichen Straßenverkehr, die zur Aufnahme eines unternehmerischen Schwerlastverkehrs als Hauptzweck ertüchtigt wurde.
Der Senat sieht hierin keinen Widerspruch zum BFH-Urteil in BFHE 272, 240. Im Hinblick auf die vorstehenden Unterschiede ist im Übrigen nicht zu entscheiden, welche Bedeutung dem EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (EU:C:2020:712) für den Fall der Errichtung von auf eine Gemeinde zu übertragenden Erschließungsanlagen zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 13.01.2011 ‑ V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Leitsatz 2 und daran zweifelnd BFH-Urteil in BFHE 272, 240, Rz 29).
4. Entgegen dem Urteil des FG ist auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG zu bejahen.
a) Für die Frage, ob der nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zugewendete Gegenstand entsprechend dem Satz 2 dieser Regelung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, ist bei Gegenständen, die der Unternehmer mit eigenen Produktionsmitteln herstellt, darauf abzustellen, ob er aus dem Erwerb derartiger Anlagen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Dementsprechend hat der BFH bereits zu einem Blockheizkraftwerk ausdrücklich entschieden, dass in der Verwendung von dort erzeugtem Strom und Wärme für den Eigenbedarf eine der Umsatzbesteuerung unterliegende Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG liegt, wenn der Betreiber den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Kraftwerks geltend gemacht hat (BFH-Urteil in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Leitsatz 2). Dabei bejaht der BFH den die Entnahme nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG begründenden Vorsteuerabzug auch dann, wenn der Betreiber von Anfang an teilweise eine private Strom- und Wärmenutzung beabsichtigt (BFH-Urteil in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Rz 15, 17).
Da § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG nicht zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG unterscheidet, gilt dies ebenso im Rahmen von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG. Unionsrechtlich folgt dies daraus, dass sich die Bedingung der Vorsteuerabzugsberechtigung auf alle Fälle des Art. 16 MwStSystRL bezieht (s. oben II.1.).
b) Der vollumfängliche Vorsteuerabzug in Bezug auf Produktionsmittel, die der Unternehmer auch für Entnahme- oder Zuwendungszwecke verwendet, steht entgegen dem Urteil des FG nicht im Widerspruch zur Versagung des Vorsteuerabzugs bei einer ausschließlichen Entnahmeverwendung. Insoweit hat der BFH zwar entschieden, dass der Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden. Dies gilt auch dann, wenn er bei Errichtung von Erschließungsanlagen beabsichtigt, diese einer Gemeinde unentgeltlich i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zuzuwenden. Die Absicht, Grundstücke im Erschließungsgebiet steuerpflichtig zu liefern, steht dem nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Leitsätze 1 und 2). Dies bezieht sich indes, wie sich auch aus dem später ergangenen BFH-Urteil in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809 ergibt, nur auf den Fall einer ausschließlichen Entnahmeverwendung, an der es bei der im Streitfall gegebenen teilweisen Anlagennutzung für entgeltliche Stromlieferungen fehlt. Auf weitergehende Zuordnungsfragen (s. oben II.3.b) kommt es nicht an.
5. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Klägerin ist zum vollen Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Biogasanlage berechtigt. Da die Mitnutzung für unentgeltliche Wärmelieferungen den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten für die Anlage nicht einschränkt, ist entgegen dem FG-Urteil nicht über eine Vorsteueraufteilung, sondern über die Bemessung dieser Entnahme nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG zu entscheiden. Dies kann in einem Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.
6. Lediglich vorsorglich und ohne Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO weist der Senat dabei auf Folgendes hin:
a) Die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bestimmt sich nach den Selbstkosten, wenn der Unternehmer einen Gegenstand (hier: die Biogasanlage) für unterschiedliche Zwecke (hier: die entgeltliche Stromlieferung und die unentgeltliche Zuwendung von Wärme) verwendet, ohne dass ‑‑wie im Streitfall‑‑ eine Anbindung an das Fernwärmenetz besteht (BFH-Urteil in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809). Maßgeblich sind somit die Selbstkosten für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage.
b) § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG enthält keine ausdrückliche Aufteilungsregelung für Selbstkosten, die gleichermaßen für die entgeltliche Lieferung (von Strom) und die unentgeltliche Zuwendung (von Wärme) anfallen. Für die gleichwohl erforderliche Aufteilung kann der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 4 UStG heranzuziehen sein. Verwendet der Unternehmer Strom und Wärme einer Anlage für entgeltliche Umsätze unterschiedlicher Art, führt dies zu einer Vorsteueraufteilung nach ggf. fiktiven Entgelten (BFH-Urteil vom 16.11.2016 ‑ V R 1/15, BFHE 255, 354, Rz 27). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die MwStSystRL zur Aufteilung von Selbstkosten keine Regelung enthält, sodass die Mitgliedstaaten hierfür Regelungen zu treffen haben (vgl. BFH-Urteil vom 03.03.2011 ‑ V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, Leitsatz 4 zur Parallelfrage der analogen Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG auf die von der Richtlinie ebenso nicht geregelte Frage der Vorsteueraufteilung bei einer Verwendung für wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Zwecke).
Somit kommt es entsprechend § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG auf eine sachgerechte Schätzung an. Dabei kann sich eine Aufteilung nach Umsätzen im Vergleich zu einer sog. energetischen Aufteilung (vgl. Abschn. 25 Abs. 22 Satz 6 UStAE) insbesondere dann als sachgerecht erweisen, wenn es um die Aufteilung von Selbstkosten einer Anlage geht, bei deren Betrieb der Unternehmer ein Haupt- und ein Nebenprodukt herstellt, wovon die Klägerin für den Streitfall ausgeht. Handelt es sich bei dem Nebenprodukt z.B. um Abfall, führt die Aufteilung nach möglichen Lieferentgelten zu realitätsgerechteren Ergebnissen als eine Aufteilung nach anderen Merkmalen (wie etwa eine energetische Aufteilung), wie z.B. die unentgeltliche Wärmeabgabe an Dritte durch den Betreiber eines Rechenzentrums mit hohem Strombedarf zeigt.
c) Für den Streitfall könnte auf dieser Grundlage davon auszugehen sein, dass die vom FG in seinem Urteil auf S. 14 angestellten Überlegungen zur Vorsteueraufteilung auf die Bestimmung des Anteils der Selbstkosten zu übertragen sind, die auf die unentgeltliche Wärmeabgabe entfallen. Danach würden die Selbstkosten zu 6,412 % auf die unentgeltliche Wärmelieferung entfallen.
Allerdings hat das FG bislang keine Feststellungen zur Ermittlung und zur Höhe der Selbstkosten getroffen. Im Hinblick auf die im Rahmen der Außenprüfung nach Aktenlage vorgenommene Einbeziehung von Zinsaufwand wird dabei zu überprüfen sein, ob es entsprechend Abschn. 10.6 Abs. 1 Satz 5 UStAE zu einer Einbeziehung von Kosten gekommen ist, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Es wäre dann zu entscheiden, ob dies ‑‑unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG‑‑ mit dem Zweck der Entnahme- und Zuwendungsbesteuerung vereinbar ist, einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern (s. oben II.3.a), was als fraglich angesehen werden kann (vgl. hierzu Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Rz 447, und Wäger in Wäger, UStG, § 10 Rz 153).
7. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein in Vorjahren rechtswidrig in Anspruch genommener Vorsteuerabzug in Folgejahren einer Berichtigung nach § 15a UStG zugänglich ist, kommt es demgegenüber nicht an, da der Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug zusteht (s. oben II.4.).
8. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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"Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."
Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart
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"Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."
Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera