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BFH zur Anwendung der Margenbesteuerung auf „Kaffeefahrten“

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Ausle­gung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Har­monisierung der Rechts­vorschriften der Mitglied­staaten über die Umsatz­steu­ern - Gemeinsames Mehrwert­steuer­system: einheitliche steuerpflichtige Be­messungs­grundlage (Richtlinie 77/388/EWG) bei Ausflügen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 erster Spiegel­strich der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucher­schutz im Falle von außerhalb von Ge­schäfts­räumen geschlossenen Verträgen (Richtlinie 85/577/EWG) zur Vorab­entscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich bei einem von einem "Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräumen organisierten Ausflug" im Sinne des Art. 1 Abs. 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 85/577/EWG um "bei Durchführung einer Reise vom Reisebüro erbrachte Umsätze" im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG?
  2. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Ist die Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG auch dann anzuwenden, wenn die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG als Besteuerungs­grund­lage geltende Marge negativ ist, weil die tatsächlichen Kosten den vom Reisen­den zu zahlenden "Gesamtbetrag ohne Mehrwert­steuer" übersteigen?
  3. Falls die erste und die zweite Frage zu bejahen sind: Ist Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG auf die als Besteuerungs­grundlage geltende Marge im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG auch dann anzuwenden, wenn die Marge negativ ist, so dass eine negative Marge zu einer Erstattung an den Steuer­pflichtigen führt?

UStG § 25
Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 26
Richtlinie 85/577/EWG Art. 1 Abs. 1 erster Spiegelstrich

BFH-Beschluss vom 20.6.2024, V R 30/23 (veröffentlicht am 22.8.2024)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 12.5.2022, 5 K 303/14 = SIS 24 05 30
Folgeinstanz: C-565/24 (EuGH)

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, veranstal­tete in den Jahren 1997 bis 1999 (Streitjahre) Ausflugsfahrten mit dem Ziel, den Absatz der von ihr angebotenen Waren zu fördern. Anlässlich dieser land­läufig als "Kaffeefahrten" bezeichneten Ausflugsfahrten wurden die Teilnehmer mit Bussen abgeholt und zu touristisch interessanten Zielen befördert. Im Rahmen der Ausflugsfahrten führte die Klägerin Verkaufsveranstaltungen au­ßerhalb ihrer Geschäftsräume durch, bei denen sie den Ausflugsteilnehmern Waren anbot, die diese gegen gesondertes Entgelt von der Klägerin erwerben konnten.

Zur Beförderung der Ausflugsteilnehmer bediente sich die Klägerin diverser Busunternehmen, deren Leistungen den Ausflugsteilnehmern unmittelbar zu­gutekamen. Für die streitgegenständlichen Ausflugsfahrten vereinnahmte die Klägerin von den Ausflugsteilnehmern Fahrtgelder. Die von den Busunterneh­men der Klägerin in Rechnung gestellten Buskosten überstiegen die eingenom­menen Fahrtgelder. Beispielsweise betrug die Kostendeckungsquote im Streit­jahr 1999 etwa 60 %.

Die Teilnehmer erhielten im Rahmen der Ausflugsfahrten außerdem ‑‑jeweils ohne gesondertes Entgelt‑‑ Verpflegung und konnten an einem touristischen Programm (beispielsweise Schiffsausflugsfahrten) teilnehmen. Diese Leistun­gen bezog die Klägerin teilweise ebenfalls von anderen Steuerpflichtigen. In Bezug auf diese Kosten hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Vorsteuerabzug, soweit er geltend gemacht wurde, nicht beanstandet.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA geänderte Umsatzsteuerbe­scheide für die Streitjahre, in denen die Fahrtgelder in der von der Klägerin er­klärten Höhe der Umsatzsteuer unterworfen wurden. Gegen die Umsatzsteuer­änderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte ohne Er­folg den vollen Vorsteuerabzug aus den Buskosten. Die hiergegen beim Finanzgericht (FG) eingelegte Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Urteil des FG wurde auf die Revision der Klägerin vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

Während des zweiten Rechtsgangs erließ das FA im Verfahren vor dem FG geänderte Umsatzsteuerbe­scheide für die Streitjahre, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahren wurden und in denen es den begehrten Vorsteuerabzug aus den Buskosten insoweit gewährte, als diese Beträge mit unentgeltlichen Ausflugsfahrten im Zusammenhang standen. Zudem schlossen die Klägerin und das FA eine "tatsächliche Verständigung" ab, die in Bezug auf Rechtsfragen für das gerichtliche Verfahren keine Bindungswirkung entfaltet.

In seinem Urteil im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage sodann als unbegründet zurück. Ein Vorsteuerabzug aus den Busbeförderungsleistungen, die die Klägerin für die entgeltlichen Ausflugsfahrten von anderen Unternehmern bezogen habe, stehe der Klägerin nicht zu. Zwar führe die vollständige Erfassung der Fahrtgelder in den Streitjahren dazu, dass die Marge im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) negativ sei. Dennoch sei die Einbeziehung der vollständigen Aufwendungen für die Busfahrten in die Margenbesteuerung gerechtfertigt. Die Anwendung des § 25 Abs. 4 Satz 1 UStG scheide hinsichtlich der Buskosten nicht deswegen aus, weil der einzige Zweck der durchgeführten Reiseleistungen darin bestehe, den Warenverkauf bei den Verkaufsveranstaltungen zu fördern. Die Buskosten als Eingangsleistung stünden objektiv in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu den von der Klägerin gegen Entgelt durchgeführten Ausflugsfahrten als Ausgangsleistung. Sie seien zwangsläufig Kostenelemente für die Entgelte der Ausflugsfahrten und stünden allenfalls mittelbar im Zusammenhang mit dem Warenverkauf, der eine von der Ausflugsfahrt verschiedene, selbständige Leistung darstelle. Hiergegen wendet sich die Klä­gerin mit ihrer Revision.

II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die in dem Te­nor bezeichneten Fragen zur Auslegung des Art. 26 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmoni­sierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemes­sungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung durch den EuGH aus. Soweit die Beteiligen neben der Frage der zutreffenden Beurteilung in Bezug auf die Busfahrten über weitere Fragen ‑‑wie die zutreffende Besteuerung der Lieferung von "Q‑Ampullen" als Be­standteil von Kurpaketen‑- streiten, stellen sich keine Zweifelsfragen zur zutreffenden Auslegung des Unionsrechts.

1. Rechtlicher Rahmen

a) Unionsrecht

Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG (später Art. 306 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwert­steuersystem) bestimmte:

"(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Rei­sebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros ge­genüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in An­spruch nehmen. ... Im Sinne dieses Artikels gelten als Reisebüros auch Reise­veranstalter.

(2) Die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Sie wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirt­schaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat. Für diese Dienstleistung gilt als Besteuerungs­grundlage und als Preis ohne Steuer im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Buch­stabe b) die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsäch­lichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsät­ze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.



(4) Beim Reisebüro ist der Vorsteuerabzug oder die Rückerstattung der Steu­ern in jedem Mitgliedstaat für die Steuern ausgeschlossen, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Absatz 2 bezeichneten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugute kom­men."

Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG lautete:

"(1) Auf die steuerpflichtigen Umsätze ist der Satz anzuwenden, der zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der Steuertatbestand eintritt."

Art. 1 Abs. 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Ge­schäftsräumen geschlossenen Verträgen ‑‑Richtlinie 85/577/EWG‑‑ (nachfol­gend: Art. 2 Nr. 8 Buchst. d der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Par­laments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäi­schen Parlaments und des Rates ‑‑Richtlinie 2011/83/EU‑‑) regelte:

"Diese Richtlinie gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, und einem Verbraucher geschlos­sen werden:
- während eines vom Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräu­men organisierten Ausflugs, oder

…"

b) Nationales Recht

§ 25 UStG sah vor:

"(1) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für Reiseleistungen eines Unterneh­mers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. Erbringt der Unternehmer an einen Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen die­ser Art, so gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung. Der Ort der sons­tigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1. Reisevorleistungen sind Liefe­rungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen.



(3) Die sonstige Leistung bemißt sich nach dem Unterschied zwischen dem Be­trag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage. Der Unternehmer kann die Bemessungsgrundlage statt für jede einzelne Leistung entweder für Gruppen von Leistungen oder für die gesamten innerhalb des Besteuerungs­zeitraums erbrachten Leistungen ermitteln.

(4) Abweichend von § 15 Abs. 1 ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen. Im übrigen bleibt § 15 unberührt. ..."

§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnli­chen Geschäften in der in den Streitjahren geltenden Fassung (später § 312b ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑) lautete:

"Eine auf den Abschluß eines Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichte­te Willenserklärung, zu der der Erklärende (Kunde)


2. anläßlich einer von der anderen Vertragspartei oder von einem Dritten zu­mindest auch in ihrem Interesse durchgeführten Freizeitveranstaltung oder



bestimmt worden ist, wird erst wirksam, wenn der Kunde sie nicht binnen ei­ner Frist von einer Woche schriftlich widerruft."

2. Vorbemerkungen

Die Auslegung von Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die hier vorliegenden "Kaffeefahrten", bei denen es sich möglicherweise um eine deut­sche Besonderheit handelt, die in anderen Sprachen als "promotional excursions" oder als "excursions promotionnelles" bezeichnet werden könnten, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH weder von vornherein eindeutig ("acte clair") noch durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé").

Der Senat hält es daher für erforderlich, dem EuGH die beiden ersten Fragen in Bezug auf den Anwendungsbereich dieser Bestimmung und die dritte Frage in Bezug auf die Rechtsfolgen bei Anwendung dieser Bestimmung vorzulegen.

Dem liegt zugrunde, dass nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH (ver­gleiche ‑‑vgl.‑‑ zum Beispiel ‑‑z.B.‑‑ EuGH-Urteil Bog u.a. vom 10.03.2011 ‑ C‑497/09, EU:C:2011:135, BStBl II 2013, 256, Rz 53 ff.), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.02.2019 ‑ V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 15 ff.), davon auszugehen ist, dass die durch das Fahrtgeld vergütete und damit gegen Entgelt erbrachte Ausflugsfahrt und die gegen gesondertes Entgelt ausgeführten Warenlieferungen mehrwertsteu­errechtlich als zwei eigenständige Leistungen anzusehen sind.

3. Zur ersten Vorlagefrage

a) Zur Anwendung der Richtlinie 85/577/EWG

Bei den Ausflugsfahrten, die die Klägerin für Zwecke des Absatzes der von ihr angebotenen Waren als "Kaffeefahrten" durchführte, handelt es sich um Ausflüge im Sinne von Art. 1 Abs. 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 85/577/EWG, die von einem Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Ge­schäftsräumen organisiert werden. Die vom EuGH für einen derartigen Ausflug als maßgeblich angesehenen Kriterien (EuGH-Urteil Travel Vac vom 22.04.1999 ‑ C‑423/97, EU:C:1999:197, Rz 35 ff.) liegen vor.

Die Anwendung der Richtlinie auf "Kaffeefahrten" ergibt sich auch aus der heute geltende Regelung des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB (zur Umsetzung des Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83/EU siehe ‑‑s.‑‑ BTDrucks 17/12637, S. 33 und 49 und zur Anwendung auf "Kaffeefahrten" s. BTDrucks 17/12637, S. 49 sowie Erman/Koch, BGB, 17. Aufl., § 312b Rz 25 und MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl., § 312b Rz 52).

b) Bedeutung der Sonderregelung

Die Sonderregelung des Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG erfasst auch den Fall, dass der leistende Steuerpflichtige kein Reisebüro oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinne ist, aber gleichartige Umsätze im Rahmen einer ande­ren Tätigkeit erbringt (vgl. EuGH-Urteile IST vom 13.10.2005 ‑ C‑200/04, EU:C:2005:608, Rz 22 sowie Madgett und Baldwin vom 22.10.1998 ‑ C‑308/96 und C‑94/97, EU:C:1998:496, Rz 20), da eine abweichende Ausle­gung zur Folge hätte, dass gleiche Leistungen je nach der formalen Eigen­schaft des Wirtschaftsteilnehmers verschiedenen Bestimmungen unterlägen (EuGH-Urteil IST vom 13.10.2005 ‑ C‑200/04, EU:C:2005:608, Rz 22) und zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern führ­ten (vgl. EuGH-Urteil Madgett und Baldwin vom 22.10.1998 ‑ C‑308/96 und C‑94/97, EU:C:1998:496, Rz 22).

Dabei ist das Ziel der Sonderregelung zu berücksichtigen, das anwendbare Recht den besonderen Merkmalen dieser Tätigkeit anzupassen. Die Dienstleis­tungen der Reisebüros und Reiseveranstalter zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Allgemeinen aus mehreren Leistungen, insbesondere Transport- und Beherbergungsleistungen, bestehen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gebiets des Mitgliedstaats erbracht werden, in dem das Unternehmen sei­nen Sitz oder eine Niederlassung hat. Die Anwendung der allgemeinen Bestim­mungen über den Ort der Besteuerung, die Besteuerungsgrundlage und den Vorsteuerabzug würde allerdings aufgrund der Vielzahl und der Lokalisierung der erbrachten Leistungen bei diesen Unternehmen zu praktischen Schwierig­keiten führen, die die Ausübung ihrer Tätigkeit behindern würden. Die Sonder­regelung dient damit der Vereinfachung der Mehrwertsteuervorschriften für Reisebüros. Ferner soll sie die Einnahmen aus der Erhebung dieser Steuer in ausgewogener Weise zwischen den Mitgliedstaaten verteilen, indem sie zum einen die Mehrwertsteuereinnahmen für jede Einzelleistung dem Mitgliedstaat des Endverbrauchs der Dienstleistung und zum anderen die Mehrwertsteuer­einnahmen im Zusammenhang mit der Marge des Reisebüros dem Mitglied­staat, in dem dieses ansässig ist, zufließen lässt (vgl. EuGH-Urteil Kommis­sion/Spanien vom 26.09.2013 ‑ C‑189/11, EU:C:2013:587, Rz 58 und 59).

c) Zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage

Fraglich ist, ob die gegen Entgelt gewährte Teilnahme an einem Ausflug im Sinne des Art. 1 Abs. 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 85/577/EWG (jetzt Art. 2 Nr. 8 Buchst. d der Richtlinie 2011/83/EU) ein Umsatz im Sinne des Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG ist, der den Leistungen von Reisebüros oder Reiseveranstaltern im üblichen Wortsinne gleichartig ist und somit im Wettbewerb zu diesen steht.

Für eine derartige Gleichartigkeit könnte sprechen, dass sich die Ausflugsteil­nahme nach Maßgabe des reinen Beförderungsaspekts nicht von einer sonsti­gen Busausflugsfahrt, die unter die Sonderregelung fallen kann, unterscheidet. Der Anwendungsbereich der Sonderregelung wird nicht anhand des Zwecks der Reise begrenzt, wie der EuGH zu Sprachreisen entschieden hat (EuGH-Urteil IST vom 13.10.2005 ‑ C‑200/04, EU:C:2005:608, Rz 36 und 37).

Gegen eine Gleichartigkeit kann aber angeführt werden, dass sich die Aus­flugsfahrt ‑‑über den reinen Zweck der Beförderungsleistung hinaus‑‑ wegen der mit der Ausflugsteilnahme nach dem Geschäftsmodell der Klägerin be­zweckten Ermöglichung weiterer eigenständiger Leistungen von den durch Rei­sebüros und Reiseveranstaltern erbrachten Reiseleistungen unterscheidet. Rei­sebüros und Reiseveranstalter kalkulieren üblicherweise mit einer Kostenüber­deckung, da sie mit den Reiseleistungen typischerweise Gewinne erzielen wol­len. Das Geschäftsmodell der Klägerin ist dagegen darauf ausgerichtet, Gewin­ne durch Warenumsätze zu erzielen, mit denen sie die von ihr einkalkulierten Verluste aus den Ausflugsfahrten abdeckt, was ihr in den Streitjahren auch er­folgreich gelang. Ihre als organisierter Ausflug erbrachte Leistung erstreckte sich nach ihrem Geschäftskonzept damit nicht ausschließlich auf die Zuwen­dung eines Nutzens an die Ausflugsteilnehmer, wie es bei Reisebüros und Rei­severanstaltern der Fall ist. Damit könnte ein Wettbewerb zu Reisebüros zu verneinen sein.

Es fehlt auch an weitergehenden Leistungselementen wie "die Unterrichtung und Beratung …, durch die das Reisebüro für Ferien- und Wohnungsbuchungen eine große Auswahl anbietet" (EuGH-Beschluss Star Coaches vom 01.03.2012 ‑ C‑220/11, EU:C:2012:120, Rz 20). Allerdings liegen gegenüber der vorstehenden Beratung andersartige, nicht gegen gesondertes Entgelt ausgeführte Leistungselemente vor, wie sie bei einer "Kaffeefahrt" typischerweise hinzutreten, etwa die Beköstigung am Zielort oder beispielsweise eine gegebenenfalls hinzutretende Hafenrundfahrt am Zielort.

4. Zur zweiten Vorlagefrage

a) Rechtsprechung des EuGH

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt die für Reisebüros geltende Mehr­wertsteuer-Sonderregelung als solche keine unabhängige und abschließende Steuerregelung dar, sondern enthält lediglich Vorschriften, die von bestimmten Regeln des allgemeinen Mehrwertsteuersystems abweichen, so dass die übri­gen Regeln dieses allgemeinen Systems auf mehrwertsteuerpflichtige Umsätze von Reisebüros anwendbar sind. Daher können mit Ausnahme der Bestimmun­gen über den Ort der Besteuerung, die Berechnung der Steuerbemessungs­grundlage und den Vorsteuerabzug alle Bestimmungen des allgemeinen Mehr­wertsteuersystems auf Umsätze angewandt werden, die unter die Sonderre­gelung für Reisebüros fallen (EuGH-Urteil Skarpa Travel vom 19.12.2018 ‑ C‑422/17, EU:C:2018:1029, Rz 29 und 30). Zudem hat der EuGH entschie­den, dass die Sonderregelung als Ausnahme von der normalen Regelung der Richtlinie 77/388/EWG nur angewandt werden darf, soweit dies zur Erreichung des Ziels der Richtlinie erforderlich ist (EuGH-Urteil Minerva Kulturreisen vom 09.12.2010 ‑ C‑31/10, EU:C:2010:762, Rz 16).

Den Vereinfachungscharakter bejaht der EuGH auch in Bezug auf die Inan­spruchnahme des Vorsteuerabzugs. Denn nach der Sonderregelung entrichtet der Wirtschaftsteilnehmer die Mehrwertsteuer auf die verschiedenen Leistun­gen, die er im Vorfeld erwirbt, und zieht sie dann im Unterschied zu den Wirt­schaftsteilnehmern, die der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung unterliegen, nach vereinfachten Modalitäten ab. Wirtschaftsteilnehmer, für die die Sonder­regelung gilt, beziehen nämlich die Vorsteuer in den Preis ein, der ihren Kun­den danach in Rechnung gestellt wird, und berechnen die Mehrwertsteuer, in­dem sie als Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage die Marge des Reisebüros zugrunde legen, also die Differenz zwischen dem vom Kunden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten einschließ­lich der Mehrwertsteuer, die ihnen für die Dienstleistungen anderer Steuer­pflichtiger entstanden sind (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 08.02.2018 ‑ C‑380/16, EU:C:2018:76, Rz 54). Durch die Festlegung eines einheitlichen Ortes der Besteuerung und die Wahl der Marge des Reisebüros oder des Reiseveranstalters als Besteuerungsgrundlage sollen die praktischen Schwierigkeiten bei den Reisebüros und Reiseveranstaltern vermieden und speziell ein vereinfachter Abzug der gezahlten Vorsteuer, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie erhoben wurde, gewährleistet werden (EuGH-Ur­teil First Choice Holidays vom 19.06.2003 ‑ C‑149/01, EU:C:2003:358, Rz 25).

b) Zur Beantwortung der zweiten Vorlagefrage

Übersteigen die tatsächlichen Kosten den vom Reisenden zu zahlenden Ge­samtbetrag ohne Mehrwertsteuer, so dass eine negative Marge vorliegt, stellt sich die Frage, ob dies der Anwendung der Sonderregelung im Hinblick auf den mit ihr bezweckten vereinfachten Abzug der Vorsteuer entgegensteht.

Rechtssystematisch ist dies zu verneinen, da sich die Voraussetzungen für die Anwendung der Sonderregelung aus Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergeben, während sich Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG "lediglich" mit den Rechtsfolgen bei einer bereits bejahten Anwendung der Sonderregelung befasst.

Indes bezeichnet der EuGH die Besteuerungsgrundlage, das heißt "die Diffe­renz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehr­wertsteuer und den tatsächlichen Kosten", auch als "Gewinnmarge" (EuGH-Ur­teile Skarpa Travel vom 19.12.2018 ‑ C‑422/17, EU:C:2018:1029, Rz 38 und Rz 43 ff.; Kommission/Österreich vom 27.01.2021 ‑ C‑787/19, EU:C:2021:72, Rz 59 und 62 und Kommission/Deutschland vom 08.02.2018 ‑ C‑380/16, EU:C:2018:76, Rz 89 und 92). Dabei wird der Vereinfachungszweck der Sonderregelung in Bezug auf den Vorsteuerabzug bei einer Gewinnmarge erreicht. Denn beim Vorliegen einer Gewinnmarge ist durch die Anwendung der Sonderregelung gewährleistet, dass es durch die Margenbildung zu einem Abzug der Mehrwertsteuer auf die bezogenen Eingangsleistungen kommt (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 08.02.2018 ‑ C‑380/16, EU:C:2018:76, Rz 54), wobei in grenzüberschreitenden Fällen die sich aus verschiedenen Steuersätzen ergebenden unterschiedlichen Rechtsfolgen aus Gründen der Vereinfachung hingenommen werden.

Bei einer negativen Marge kommt es demgegenüber in Bezug auf die tatsächlichen Kosten für Eingangsleistungen, die den vom Reisenden zu zahlenden Gesamtpreis übersteigen, bei Anwendung der Sonderregelung nach Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG zu keinem Vorsteuerabzug, während die Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung in Fällen, in denen die Vorsteuer auf die Eingangsleistungen die Steuer auf die Ausgangsleistungen, deren Besteuerungsgrundlage nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG "positiv" ist, übersteigt, zu einer "Erstattung" an den Steuerpflichtigen führt. Das ergibt sich insbesondere aus Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG (im nationalen Recht kommt es bei einem sogenannten Vorsteuerüberhang zu einer "Steuervergütung" im Sinne von § 168 Satz 2 der Abgabenordnung). Allerdings ist fraglich, ob der unternehmerische Erfolg, der zu einer Gewinnmarge wie auch zu einer negativen Marge führen kann, über die Anwendung der Sonderregelung entscheiden soll.

5. Zur dritten Vorlagefrage

a) Problemstellung

Ist die Anwendung der Sonderregelung nach Maßgabe der Antworten auf die beiden ersten Fragen zu bejahen, stellt sich die dritte Frage, ob im Rahmen der Sonderregelung zu gewährleisten ist, dass ihre Anwendung im Hinblick auf ihren Vereinfachungscharakter (s. oben II.3.b, II.4.a und b) zu einem zumin­dest dem Grunde nach gleichen Besteuerungsergebnis wie bei Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung führt. Für den Fall der Gewinnmarge ist dies gewährleistet, nicht aber auch für den Fall der negativen Marge, falls es in diesem Fall nicht zu einer "Erstattung" an den Steuerpflichtigen kommt, wie das nachfolgende Beispiel zeigt.

b) Vergleichsbetrachtung

aa) Erbringt ein Reisebüro zu dem in den Streitjahren geltenden Steuersatz von 16 % (§ 12 Abs. 1 UStG) eine Reiseleistung für einen vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag von 1.392 € (Entgelt: 1.200 € und Umsatzsteuer: 192 €) und hat es tatsächliche Kosten von 1.160 € (Entgelt: 1.000 € und Umsatzsteuer: 160 €), die durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen und die dem Reisenden unmittelbar zugutekommen (Reisevorleistungen), würde die Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung, bei dem der Steuerpflichtige die Leistung zu versteuern hat und bei dem er aufgrund der Steuerpflicht seiner Leistung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, dazu führen, dass einer Steuer von 192 € für seine Leistung ein Vorsteuerabzug von 160 € gegenüberstünde. Damit ergäbe sich für den Steuerpflichtigen eine Steuerschuld von 32 €.

Zum selben Ergebnis im Beispielsfall führt die Sonderregelung. Die Marge als Besteuerungsgrundlage nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG berechnet sich nach der Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten für die Rei­sevorleistungen. Als Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer ist dabei aus der Sicht des Senats im vorstehenden Beispiel der vom Reisenden zu zahlende Ge­samtbetrag von 1.392 € anzusehen. Die tatsächlichen Kosten der Reisevorleis­tungen belaufen sich aufgrund des Vorsteuerabzugsverbots des Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG auf 1.160 €. Damit ergibt sich ein "Preis mit Steu­er", aus dem die Steuer herauszurechnen ist, von 232 € und somit bei einem Steuersatz von 16 % eine Marge von 200 €, die unter Anwendung dieses Steuersatzes zu einer Steuerschuld von 32 € führt.

Da die Margenbesteuerung auch in grenzüberschreitenden Fallgestaltungen anzuwenden ist, kann das Ergebnis der Margenbesteuerung bei unterschiedli­chen Steuersätzen für die Reiseleistung und die Reisevorleistungen allerdings von dem Ergebnis abweichen, das sich nach der allgemeinen Mehrwertsteuer­regelung ergäbe. Im Rahmen des Vereinfachungszwecks und des Zwecks der ausgewogenen Verteilung der Mehrwertsteuereinnahmen zwischen den Mit­gliedstaaten dürfte dies jedoch hinzunehmen sein.

bb) Zu einem im Wesentlichen gleichen Ergebnis kommen die allgemeine Mehrwertsteuerregelung und die Sonderregelung im Falle einer negativen Marge hingegen nur dann, wenn die negative Marge zu einer Erstattung des Betrags führt, der einem Steueranspruch auf die Marge oder einer in gleicher Höhe abziehbaren Vorsteuer entspräche, wie das folgende Beispiel verdeut­licht:

Erhält der Steuerpflichtige im vorstehenden Beispiel vom Reisenden einen Ge­samtbetrag von 696 € (Entgelt: 600 € und Umsatzsteuer: 96 €), während sich die tatsächlichen Kosten der Reisevorleistungen unverändert auf 1.160 € (Ent­gelt: 1.000 € und Umsatzsteuer: 160 €) belaufen, ergäbe sich nach der allge­meinen Mehrwertsteuerregelung ein Überschuss, ähnlich wie bei Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG, zugunsten des Steuerpflichtigen und damit ein an den Steuerpflichtigen zu erstattender Betrag von 64 €.

Bei Anwendung des Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG ergibt sich eine negative Marge in Höhe von 400 €. Gehen Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG davon aus, dass ‑‑als allgemeiner Grundsatz des Mehrwertsteuersystems‑‑ die Besteue­rungsgrundlage nur positiv sein kann und wird dieser allgemeine Grundsatz durch die Sonderregelung nicht verdrängt, kann sich keine Steuer auf die ne­gative Marge ergeben. Zudem kann der Unternehmer die für die Reisevorleis­tungen gezahlte Vorsteuer ‑‑auch soweit sie rechnerisch in Höhe von 64 € (= 400 € [negative Marge] x 16 % Steuersatz auf die negative Marge) ent­fällt‑‑ nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG weder abziehen noch ist sie diesem zu erstatten.

Dasselbe Ergebnis wie nach der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung ergäbe sich dagegen, wenn der Steuersatz des Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG auf eine sich nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG ergebende, als Besteuerungsgrundlage anzuerkennende negative Marge anzuwenden wäre. Als negativer "Preis mit Steuer" ergäbe sich ein Be­trag von 464 €. Die (negative) Besteuerungsgrundlage betrüge dann 400 € und die "negative", an den Steuerpflichtigen zu erstattende Steuer beliefe sich auf 64 €.

c) Zur Beantwortung der dritten Vorlagefrage

Die dritte Vorlagefrage betrifft die Rechtsfolge bei Anwendung der Sonderrege­lung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit (i.V.m.) Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG.

aa) Ausgehend vom Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG kann sich für die einheitliche Dienstleistung des Reisebüros eine negative Besteuerungsgrundlage (negative Marge) ergeben. Auf diese Be­steuerungsgrundlage kann nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG der auch ansonsten geltende Steuersatz anzuwenden sein. Sofern der Steuersatz auf eine negative Marge angewendet wird, ergäbe sich demgemäß eine "negative Steuer" und somit ein an den leistenden Unter­nehmer zu erstattender Betrag. Sofern das oben angeführte Beispiel auf den Streitfall übertragen wird, beliefe sich der zu erstattende Betrag auf 64 €.

bb) Für die Anerkennung eines Anspruchs auf Erstattung eines Betrags bei ne­gativer Marge kann neben dem Vereinfachungscharakter der Sonderregelung, sofern dieser die allgemeine Mehrwertsteuerregelung verdrängen kann (s. oben II.3.b, II.4.a und b), auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität sprechen, der bei der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen ist.

Die Sonderregelung für Reisebüros führt, soweit die Marge positiv ist oder 0 € beträgt, ‑‑zumindest beim Vorliegen gleicher Steuersätze für den Ein- und Ausgangsumsatz‑‑ zu dem gleichen Ergebnis wie eine Besteuerung nach der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung (s. oben II.5.b aa). In diesen Fällen tritt ‑‑im Einklang mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität‑‑ eine vollstän­dige Entlastung von der im Rahmen aller wirtschaftlichen Tätigkeiten geschul­deten oder entrichteten Mehrwertsteuer ein. Dagegen werden durch die Son­derregelung Steuerpflichtige, bei denen eine negative Marge nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG entsteht, mit Vorsteuerbeträgen für Leistungen, die sie für ihr Unternehmen bezogen haben, wirtschaftlich belastet (s. oben II.5.b bb), falls ein Vorsteuerabzug oder die Rückerstattung der Steu­ern nach Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG in jedem Mitgliedstaat für die Steuern ausgeschlossen ist, die dem Steuerpflichtigen von anderen Steu­erpflichtigen für Reisevorleistungen in Rechnung gestellt werden. Die auf die Reisevorleistung gezahlte Vorsteuer würde danach zum Kostenfaktor für den Steuerpflichtigen, wobei die negative Marge ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ ein­kalkuliert sein kann, um die Möglichkeit zu erhalten, andere Umsätze auszu­führen. Die wirtschaftliche Belastung kann der Steuerpflichtige nicht durch ei­ne Option zur allgemeinen Mehrwertsteuerregelung abwenden. Denn Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG sieht kein derartiges Optionsrecht vor.

cc) Demgegenüber ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Sonderregelung die Einnahmen aus der Erhebung dieser Steuer in ausgewogener Weise zwi­schen den Mitgliedstaaten verteilen soll (EuGH-Urteil Kommission/Spanien vom 26.09.2013 ‑ C 189/11, EU:C:2013:587, Rz 59; s. oben II.3.b). Daher könnte gegen die Anerkennung eines Anspruchs auf Erstattung eines Betrags bei negativer Marge sprechen, dass bei grenzüberschreitenden Fällen eine Ver­gütung "negativer" Umsatzsteuer wirtschaftlich im Ergebnis zu einer Erstat­tung ausländischer Vorsteuerbeträge durch den Staat führen kann, in dem die Reiseleistung steuerpflichtig ist. Zudem sind auch hier die Unterschiede zu bedenken, die sich aus Steuersatzunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten ergeben können und die je nach Ausgestaltung dieser Unterschiede dazu führen können, dass der Steuerpflichtige bei einer Erstattung aufgrund einer negativen Marge günstiger behandelt wird, als bei Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Dem könnte der Zweck der Sonderregelung entgegenstehen, für eine ausgewogene Verteilung der Mehrwertsteuereinnahmen zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen. Dabei könnte der Grundsatz der Neutralität als Auslegungsregel zu betrachten sein (vgl. EuGH-Urteil Generali Seguros vom 09.03.2023 ‑ C‑42/22, EU:C:2023:183, Rz 54), wobei zu entscheiden wäre, ob ein solcher Auslegungsgrundsatz eine Sonderregelung ‑‑wie Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG‑‑, die als abschließende Regelung zu verstehen sein könnte, verdrängen kann.

6. Entscheidungserheblichkeit

Sofern der Anwendungsbereich des Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG für die Ausflugsfahrten nicht eröffnet ist, würde sich die Besteuerung nach der allge­meinen Mehrwertsteuerregelung richten und die Revision der Klägerin hätte bezogen auf diesen Streitpunkt Erfolg. Dies wäre auch der Fall, wenn Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG zwar die oben genannte Leistung erfassen würde, aber Art. 26 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung des sich hieraus er­gebenden Betrags gewährte, da das nationale Recht richtlinienkonform auszu­legen ist.

7. Zur Rechtsgrundlage der Vorlage

Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH beruht auf Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

8. Zur Verfahrensaussetzung

Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.

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