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Niedersächsisches FG: Unzulässige Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen

"Einheitlicher Leistungsgegenstand“ erneut auf dem Prüfstand

Niedersächsisches Finanzgericht 7.2.2012, Presseinformation (aktualisiert am 18.1.2013)

Die Kläger - ein junges Bauherren-Ehepaar - klagen gegen die vom Finanzamt festgesetzte Grunderwerbsteuer. Mit ihren Klagen hatten sie jetzt Erfolg. Die angefochtenen Grunderwerbsteuer-Festsetzungen wurden um insgesamt mehr als dreitausend Euro herabgesetzt (Az. 7 K 192/09 und 7 K 193/09 = SIS 12 08 01).

Die Kläger hatten im Jahr 2005 ein unbebautes Grundstück erworben. Zwei Wochen nach dem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag schlossen sie mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag über eine Doppelhaushälfte, in dem der Bauträger Umsatzsteuer auswies, die die Kläger als Endverbraucher jedoch nicht als Vorsteuer in Abzug bringen konnten. Das Finanzamt legte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht nur den Kaufpreis für das unbebaute Grundstück, sondern auch die Bausumme für das herzustellende Gebäude zugrunde. Hiergegen wandten sich die Kläger.

Der konsentierte Einzelrichter des 7. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) gab dem Klagebegehren statt. Die Aufwendungen aus einem Bauerrichtungsvertrag (zivilrechtlich: Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks abgeschlossen werde und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöse, unterlägen nicht der Grunderwerbsteuer. Insofern seien die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes nicht erfüllt, denn die Vorschrift verlange ein Rechtsgeschäft, das den "Anspruch auf Übereignung" begründe. Diese Maßgabe erfülle ein Bauerrichtungsvertrag nicht. Entsprechend sei Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer lediglich der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück.

Das NFG folgt damit der Rechtsprechung der für Umsatzsteuer zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Verschaffung eines Grundstücks in einem Zustand, den dieses erst künftig durch Bebauung erhalten soll, nicht wie der Erwerb eines bebauten Grundstücks durch einen einheitlichen Erwerbsvertrag erfüllt werden kann (Hinweis auf BFH-Urteil vom 10.9.1992, V R 99/88, BStBl 1993 II S. 316 = SIS 92 24 17). Im Gegensatz dazu fasst der für Grunderwerbsteuer zuständige Senat des BFH regelmäßig die noch auszuführenden Bauleistungen mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu "einheitlichen Leistungsgegenständen" zusammen (z.B. BFH-Urteil vom 27.10.1999, II R 17/99, BStBl 2000 II S. 34 = SIS 99 23 16). Auf diese Rechtsprechung hatte sich das Finanzamt gestützt.

Das NFG hat die Revision mit der Anregung zugelassen wegen der divergierenden Rechtsprechung innerhalb des BFH den Großen Senat des BFH anzurufen.

Revision:

Der BFH hat die Entscheidung des Nds. Finanzgerichts mit Urteil vom 27.9.2012, II R 7/12 = SIS 12 30 34 aufgehoben und damit im Ergebnis die Rechtsauffassung des beklagten Finanzamts bestätigt. Die Kläger haben gegen dieses Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde erhoben, die unter dem Az. 1 BvR 2766/12 beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist (Anm. d. Red.: Das BVerfG hat mit Beschluss vom 20.5.2013 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen).