FG Münster: Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken durch unmittelbare Anwendung europarechtlicher Regelung
Finanzgericht Münster 15.04.2014, Pressemitteilung Nr. 7
Die Klägerin - eine GmbH - betreibt eine Klinik für Psychotherapie. Sie war im Streitjahr 2009 weder in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen, noch hatte sie mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Versorgungsvertrag im Sinne von § 108 Nr. 3 SGB V abgeschlossen. Der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten machte in den Jahren 2006 bis 2009 zwischen 34% und 47% des Gesamtumsatzes aus. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass nach der ab 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG entsprechende psychotherapeutische Leistungen nur dann steuerfrei seien, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von gem. § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbracht würden. Dies sei in Bezug auf die Klägerin nicht der Fall. Ihre Leistungen seien mithin nicht umsatzsteuerfrei.
Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster sah dies anders und gab der Klage statt. Zwar erfülle die Klägerin - so der Senat - nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG. Jedoch sei diese gesetzliche Regelung nicht richtlinienkonform. Nicht zugelassene Kliniken könnten die vom deutschen Recht vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie exakt die gleichen Heilbehandlungen zu gleichen Bedingungen erbrächten wie öffentlich-rechtliche bzw. zugelassene Kliniken. Hierin liege eine sachlich nicht gerechtfertigte umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung. Daher könne sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen. Die dort genannten Voraussetzungen erfülle sie. Die Klägerin biete insbesondere ein vergleichbares Leistungsspektrum wie öffentliche bzw. gem. § 108 SGB V zugelassene Kliniken an und behandele gesetzlich wie privat versicherte Patienten gleich. Daher seien ihre Leistungen umsatzsteuerfrei.
Dies gelte - so der 15. Senat weiter - unabhängig davon, dass der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten im Streitjahr bei 35% gelegen habe und damit die in der vor 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG vorgesehene Grenze von 40% nicht erreicht worden sei. Jene Grenze finde keine Anwendung mehr. Zudem ergebe sich aus der gebotenen Gesamtschau, dass die Klägerin ihre psychotherapeutischen Leistungen unter Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht den Bedingungen entspreche, die auch für öffentlich-rechtliche Einrichtungen gelten.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
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