BFH zum Vorsteuerabzug bei Einwerbung von Kapital für einen Beteiligungserwerb
- Kosten, die einer Holdinggesellschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften entstehen, in deren Verwaltung sie durch das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen Eingriffe vornimmt, eröffnen ihr hinsichtlich der für diese Kosten bezahlten Mehrwertsteuer grundsätzlich ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug.
- An dem erforderlichen Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb fehlt es, wenn das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu dem Beteiligungserwerb steht.
- Werden Leistungsbezüge sowohl für eine wirtschaftliche als auch für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet, ist eine Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen.
BFH-Urteil vom 6.4.2016, V R 6/14 (veröffentlicht am 15.6.2016)
UStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1, 2 und 4
MwStSystRL Art. 9, Art. 168
Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2
AO § 90 Abs. 2
FGO § 76 Abs. 1, § 155
ZPO § 295
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 28.11.2012, 14 K 2735/10
I. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zum Vorsteuerabzug aus dem Bezug von Projektentwicklungsleistungen für landwirtschaftliche Projekte in X (Drittlandsgebiet) sowie aus Leistungen, die sie im Zusammenhang mit der Einwerbung von Kapital durch die Ausgabe von Kommanditanteilen bezogen hat. Streitig sind außerdem anteilige Vorsteuern aus sonstigen Leistungsbezügen in Höhe von 9.453 €.
Die Klägerin ist ein geschlossener Fonds in der Rechtsform einer KG. Sie ist der erste von insgesamt drei B-Fonds, die sich der Forstwirtschaft in X widmen und die von der Q-GmbH vermarktet werden. Zweck der Klägerin ist ausweislich ihres Gesellschaftsvertrages vom 23.7.2007 der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Gesellschaften im In- und Ausland, die direkt oder indirekt den Besitz von Grundstücken sowie deren Aufforstung und/oder landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Nutzung betreiben.
Die Klägerin ist Gesellschafterin zweier Gesellschaften in X (Tochtergesellschaften): der I-S.A., die Eigentümerin der Grundstücke und des Waldes ist, sowie der P-S.A., die die Aufforstung, Pflege und Ernte des Waldes betreibt. Diese ist mit einem Stammkapital von 10.000 US-$ ausgestattet und besitzt ansonsten kein Vermögen.
Laut Emissionsprospekt der Klägerin sollte sie die Beteiligungen verwalten und kaufmännische Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften erbringen; eine weitere Geschäftstätigkeit war nicht vorgesehen. Die Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten der Klägerin betrug insgesamt 862.500 € und ist vertraglich auf 1.200.000 € begrenzt. Durch die Aufnahme weiterer Gesellschafter wurde das Kommanditkapital bis Ende 2009 auf 7.800.000 € erhöht.
Die Q-GmbH und die Klägerin schlossen im Juli 2007 eine Vertriebsvereinbarung, deren Gegenstand die Vermittlung von Kommanditanteilen sowie die Erbringung sämtlicher Marketing-Maßnahmen, die zur Platzierung der Kommanditanteile erforderlich sind, war. Art und Umfang der Maßnahmen bestimmte die Q-GmbH. Diese war verpflichtet, die Konzeption und die Koordination der Marketing-Aktivitäten auszuführen.
Die Klägerin und die Q-GmbH schlossen am 23.7.2007 ferner einen Projektentwicklungsvertrag ab. Die Q-GmbH übernahm darin die Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit eines Investitions-, Finanzierungs- und Ertragskonzeptes, die Erstellung von Planrechnungen bis zur Konzeption eines Fondsmodells für die Realisierung des Anlageprojekts, das Erstellen eines gestatteten Emissionsprospektes und von Gesellschafts-, Kauf- und Treuhandverträgen, die Auswahl von geeigneten Grundstücken in X, die Beratung und Unterstützung beim Grundstückskauf, die Klärung von dinglichen Belastungen, die Verhandlungen mit Behörden, Kreditinstituten und anderen Interessengruppen sowie die Beratung beim Projektaufbau.
Die Klägerin führte auf der Grundlage zweier Beraterverträge kaufmännische Dienstleistungen an ihre Tochtergesellschaften in X aus. In den Beraterverträgen verpflichtete sich die Klägerin zur Beratung bei betriebswirtschaftlichen Fragen der Aufforstung, der Materialwirtschaft, des Vertriebs, des Verwaltungs-, Rechnungs- und Personalwesens sowie des Unternehmensbestandes. Die Klägerin übernahm ferner die Erstellung von Wirtschaftsplänen und war für die Beschaffung von Vergleichsdaten des Marktumfelds bezüglich des Kaufs und Verkaufs von Plantagen und anderen wirtschaftlich nutzbaren Grundstücken in X verantwortlich. Für diese Leistungen war mit beiden Tochtergesellschaften jeweils ein pauschales Honorar in Höhe von 10.000 € jährlich vereinbart. Außerdem vermietete die Klägerin ab 1.9.2007 Büroräume an die Q-GmbH zur Nutzung als "Büro für Verwaltung und Vertrieb" umsatzsteuerfrei unter.
Mit ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2007) erklärte die Klägerin Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19 % in Höhe von 11.246 € und machte Vorsteuern in Höhe von 90.798,57 € geltend. Diese entfielen in Höhe von 43.181 € auf Einwerbung von Kommanditkapital, 27.873 € auf Projektentwicklungsleistungen, 9.453 € auf Büroausstattung, 10.164 € auf sonstige Leistungen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14.4.2009 die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuern nicht zum Abzug zu, weil sie im Zusammenhang mit Aufwendungen für die Beschaffung des Kommanditkapitals angefallen seien.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ Vorsteuern in Höhe von 11.664 € zum Abzug zu und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung führte das FG aus, die Klägerin sei infolge ihrer Beratungs- und Vermietungstätigkeit Unternehmerin. Dabei führe sie sowohl steuerpflichtige Tätigkeiten, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, als auch steuerfreie Tätigkeiten, die den Vorsteuerabzug ausschließen, aus. Daneben führe die Klägerin durch die Aufnahme von Gesellschaftern sowie das Halten und Verwalten von Beteiligungen nichtwirtschaftliche Tätigkeiten aus.
Die auf ihre Beratungstätigkeit entfallenden Vorsteuern seien in Höhe von 10.164,07 € abzugsfähig. Von den sonstigen Vorsteuern in Höhe von 9.453,86 € sei darüber hinaus ein im Schätzungswege zu ermittelnder Teil abzugsfähig. Dieser belaufe sich auf 15 % und betrage 1.418 €, so dass insgesamt Vorsteuern in Höhe von 11.664 € abzugsfähig seien.
Ein weitergehender Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nicht, weil die Vorsteuern unmittelbar und ausschließlich in Zusammenhang mit der Aufnahme von Gesellschaftern, d.h. einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit, stünden. Die von der Klägerin bezogenen Dienstleistungen könnten auch nicht als Kostenelemente einer von der Klägerin ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit angesehen werden, weil sie mit dem durch die Ausgabe der Kommanditanteile erworbenen Kapital keine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit finanziert habe.
Was die Beraterverträge mit ihren Tochtergesellschaften in X anbelange, bestünden Zweifel daran, ob die I-S.A. überhaupt wirtschaftlich tätig geworden sei, denn tätig gewesen sei nur die Betriebsgesellschaft P-S.A. Diese sei aber mit einem Stammkapital von nur 10.000 US-$ ausgestattet gewesen. Die Kosten für die Eingangsleistungen seien nicht als allgemeine Aufwendungen Bestandteile des Preises der von der Klägerin erbrachten Leistungen. Hierfür spreche das Verhältnis des relativ geringen pauschalen Entgeltes von jeweils 10.000 € jährlich zu den bilanzierten Beteiligungswertansätzen zum 31.12.2007 in Höhe von ca. 1.100.000 € sowie der Vergleich zwischen den Leistungsentgelten und den wesentlich höheren vorsteuerbelasteten Aufwendungen der Klägerin. Das FG sah schließlich keinen Zusammenhang der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuern mit dem beabsichtigten Verkauf von CO2-Zertifikaten; objektive Anhaltspunkte hierfür hätten sich nicht ergeben.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Das FG verkenne, dass Kosten, die im Zusammenhang mit der Aufnahme von Gesellschaftern entstünden, immer allgemeine Kosten seien. Auf den vom FG angestellten Vergleich zwischen den Kosten und den von den Tochtergesellschaften an die Klägerin gezahlten Vergütungen komme es ebenso wenig an wie auf die eigenen umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Tochtergesellschaften.
Selbst wenn das Einfließen der im Zusammenhang mit der Aufnahme von Gesellschaftern entstandenen Kosten im Einzelfall überprüft werden müsse, seien jedenfalls die vom FG angewandten Kriterien ungeeignet. Denn der Vergleich zwischen den bilanzierten Beteiligungswerten zum 31.12.2007 in Höhe von ca. 1.100.000 € und den relativ hohen vorsteuerbelasteten Aufwendungen einerseits und dem im Verhältnis dazu relativ geringen pauschalen Entgelt von 10.000 € jährlich sei nicht aussagekräftig, weil dies nur die Verhältnisse im Gründungsjahr abbilde. Hinsichtlich der Aufteilung der Kosten, die nicht der Aufnahme von Gesellschaftern zuzuordnen seien, bleibe unklar aufgrund welcher Schätzungsmethode das FG zu einem abzugsfähigen Anteil von 15 % gekommen sei.
Daneben macht die Klägerin Verfahrensfehler geltend. Das FG habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen und eine Überraschungsentscheidung getroffen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14.4.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23.6.2010 dahingehend zu ändern, dass Vorsteuern in Höhe von 90.798,57 € anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrags führt das FA aus, das FG habe zutreffend entschieden, dass der Hauptzweck der Klägerin in dem Vertrieb von Kommanditanteilen bestehe. Hierbei handle es sich um eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtige. Es seien keine Leistungen der Q-GmbH für den wirtschaftlichen Bereich der Klägerin festzustellen gewesen. Bei der Schätzung der aufzuteilenden Kosten habe das FG offensichtlich einen Investitionsschlüssel angewandt. Das sei nicht zu beanstanden.
Der Senat hat mit Beschluss vom 13.11.2014 gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen Larentia & Minerva C-108/14 und Marenave C-109/14 (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.12.2013 XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, und XI R 38/12, BFHE 244, 94, BStBl II 2014, 428) angeordnet.
Der EuGH hat mit Urteilen vom 16.7.2015 Larentia & Minerva und Marenave C-108/14 und C-109/14 (EU:C:2015:496) entschieden und die vom BFH gestellten Fragen im vorliegend interessierenden Umfang wie folgt beantwortet:
"1. Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24.7.2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:
- Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.
- Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist."
Der Senat hat mit Beschluss vom 17.8.2015 das Verfahren wieder aufgenommen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, steht der Klägerin über den vom FG anerkannten Vorsteuerabzug hinaus kein weitergehender Anspruch auf Vorsteuerabzug zu.
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.
a) Diese Vorschriften beruhen auf Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. § 15 UStG ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 3.7.2008 V R 51/06, BFHE 222, 128, BStBl II 2009, 213 zu Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG -).
b) Im Hinblick auf den weiter erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die BFH-Urteile vom 9.2.2012 V R 40/10 (BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 21 ff.), vom 9.12.2010 V R 17/10 (BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Rz 12 ff.), vom 13.1.2011 V R 12/08 (BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 22 ff.) und vom 27.1.2011 V R 38/09 (BFHE 232, 278, BStBl II 2012, 68, Rz 30 ff.) Bezug genommen.
c) Die Klägerin ist Unternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 UStG. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dem entspricht unionsrechtlich Art. 9 MwStSystRL, wonach als Steuerpflichtiger gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.
aa) Zwar ist eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie - unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärin oder Gesellschafterin - unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, kein Mehrwertsteuerpflichtiger i.S. von Art. 9 MwStSystRL und somit nicht zum Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 MwStSystRL berechtigt (EuGH-Urteile Larentia & Minerva und Marenave, EU:C:2015:496, Rz 18; Cibo Participations vom 27.9.2001 C-16/00, EU:C:2001:495, Rz 18, und Portugal Telecom vom 6.9.2012 C-496/11, EU:C:2012:557, Rz 31).
bb) Nimmt aber die Holdinggesellschaft Eingriffe in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, vor, z.B. durch das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen, übt sie insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL aus. Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer solchen Holdinggesellschaft getragen werden, eröffnen hinsichtlich der für diese Kosten bezahlten Mehrwertsteuer gemäß Art. 168 MwStSystRL grundsätzlich ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug (EuGH-Urteile Larentia & Minerva und Marenave, EU:C:2015:496, Rz 25).
cc) Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin Beratungsleistungen bei betriebswirtschaftlichen Fragen der Aufforstung, der Materialwirtschaft, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens, des Personalwesens sowie des Unternehmensbestandes erbracht, sie hat Wirtschaftspläne erstellt und war für die Beschaffung von Vergleichsdaten des Marktumfelds bezüglich des Kaufs und Verkaufs von Plantagen und anderen wirtschaftlich nutzbaren Grundstücken in X verantwortlich. Sie hat damit administrative und kaufmännische Dienstleistungen an ihre Gesellschaften erbracht und damit in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften in X eingegriffen; sie ist Unternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 UStG.
d) Der Klägerin steht aber kein weitergehender Anspruch auf Vorsteuerabzug als vom FG anerkannt zu.
aa) Die Leistungen, die die Klägerin aufgrund der Vertriebsvereinbarung bezogen hat, berechtigen sie nicht zum Vorsteuerabzug, weil sie diese nicht i.S. des § 15 Abs. 1 UStG für ihr Unternehmen bezogen hat. Es hat sich insoweit um Leistungen für die Einwerbung von Kommanditkapital gehandelt. Unionsrechtlich setzt der Vorsteuerabzug gemäß Art. 168 MwStSystRL voraus, dass die Leistungsbezüge des Steuerpflichtigen "für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden", d.h., die Mehrwertsteuer kann nur abgezogen werden, wenn die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen. Das Recht auf Abzug der für den Bezug von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der auf der Ausgangsstufe versteuerten, zum Abzug berechtigenden Umsätze gehören (EuGH-Urteile Larentia & Minerva und Marenave, EU:C:2015:496, Rz 23; Cibo Participations, EU:C:2001:495, Rz 31; Portugal Telecom, EU:C:2012:557, Rz 36).
Zwar sind Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß Art. 168 MwStSystRL ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug (EuGH-Urteile Larentia & Minerva und Marenave, EU:C:2015:496, Rz 25). Die Kosten für die Einwerbung von Kapital in der vorliegenden Größenordnung (Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten: 862.500 €; bilanzierte Beteiligungswertansätze zum 31.12.2007: 1.100.000 €; Erhöhung des Kommanditkapitals bis 2009 auf 7.800.000 €) sind aber Kosten, die nicht im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Tochtergesellschaften mit einem Stammkapital von 10.000 US-$ stehen, weil es des eingeworbenen Kapitals jedenfalls nicht in dieser Größenordnung bedurfte. Der Einwand der Klägerin hiergegen, dass für die Verhältnisse im Gründungsjahr Besonderheiten gälten, greift nicht durch, weil nicht erkennbar ist, dass sich der Umfang der von der Klägerin an ihre Tochtergesellschaften erbrachten Beratungsleistungen in den Folgejahren verändert haben könnte.
Hinzu kommt, dass die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften schon vor der Ausgabe der Kommanditanteile bestanden.
bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass bzw. welche der übrigen von ihr bezogenen Leistungen (sonstige Leistungen, Leistungen aus dem Projektentwicklungsvertrag und die Lieferungen für die Büroausstattung) ausschließlich ihrer wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit zuzuordnen sind.
Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 23.10.2014 V R 23/13, BFHE 247, 480, BStBl II 2015, 313, Rz 18; vom 1.9.2010 V R 39/08, BFHE 231, 308, BStBl II 2011, 658, Rz 31, zu der in § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - getroffenen Darlegungs- und Beweislastregelung bei Auslandssachverhalten; EuGH-Urteil Evita-K vom 18.7.2013 C-78/12, EU:C:2013:486, Rz 37; BFH-Beschlüsse vom 3.2.2016 V B 35/15, BFH/NV 2016, 794, Rz 12; vom 26.2.2014 V S 1/14 (PKH), BFH/NV 2014, 917, Leitsatz 1 und Rz 6).
cc) Da somit davon auszugehen ist, dass die Klägerin die übrigen Leistungen sowohl für ihre wirtschaftliche als auch für ihre nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet hat, ist eine Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 32; vom 3.3.2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, Leitsatz 4). Das FG hat insoweit insgesamt Vorsteuern in Höhe von 11.664 € anerkannt, was einem Anteil von etwa 25 % entspricht. Im Rahmen der analog § 15 Abs. 4 UStG maßgeblichen wirtschaftlichen Zurechnung aufgrund einer sachgerechten Schätzung stand der Klägerin jedenfalls kein darüber hinausgehender Anspruch auf Vorsteuerabzug zu.
(1) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die aufgrund des Projektentwicklungsvertrages bezogenen Leistungen zu einem nicht unerheblichen Teil im Zusammenhang mit der Ausgabe von Kommanditanteilen standen (z.B. Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit eines Investitions-, Finanzierungs- und Ertragskonzeptes, die Erstellung von Planrechnungen bis zur Konzeption eines Fondsmodells für die Realisierung des Anlageprojekts, das Erstellen eines gestatteten Emissionsprospektes und von Gesellschafts-, Kauf- und Treuhandverträgen) und für einen weiteren Teil ungeklärt ist, ob sie der unternehmerischen Beratungstätigkeit oder der Ausgabe von Kommanditanteilen zuzuordnen sind (Verhandlungen mit Behörden, Kreditinstituten und anderen Interessengruppen sowie die Beratung beim Projektaufbau). Allein die Auswahl von geeigneten Grundstücken in X, die Beratung und Unterstützung beim Grundstückskauf und die Klärung von dinglichen Belastungen stehen in erkennbarem Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin.
(2) Im Streitfall kann auch offen bleiben, ob ein weitergehender Vorsteuerabzug im Rahmen einer Schätzung nach § 15 Abs. 4 UStG nicht bereits daran scheitert, dass die Steuer auf Leistungsentgelte - sofern keine Investitions- oder Fehlmaßnahmen vorliegen - eine Obergrenze für den Vorsteuerabzug darstellt (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 33, 34). Denn im Streitfall beschränkte sich die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin - abgesehen von der Untervermietung von Büroräumen - auf Beratungsleistungen an ihre beiden Tochtergesellschaften in einer Größenordnung von jeweils 10.000 € jährlich. Nach den Verhältnissen des Streitfalls kommt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin gegenüber ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Hierfür spricht das Verhältnis der vereinbarten jährlichen Leistungsentgelte von 20.000 € zu den bilanzierten Beteiligungswertansätzen zum 31.12.2007 in Höhe von 1.100.000 €, der Kapitaleinlage der Gründungskommanditisten in Höhe von 862.500 € und der Erhöhung des Kommanditkapitals bis 2009 auf 7.800.000 €. Bestätigt wird dies durch einen Vergleich zwischen den tatsächlich erzielten Leistungsentgelten in Höhe von 11.246 € und den mehr als 40-fach höheren vorsteuerbelasteten Aufwendungen der Klägerin im Streitjahr.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
a) Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO), zu denen auch die von der Klägerin gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) gehört, geht das Rügerecht schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Die durch einen Rechtsanwalt fachkundig vertretene Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem FG weder Beweisanträge gestellt noch die Verletzung einer von Amts wegen - auch ohne entsprechenden Beweisantrag - gebotenen Sachaufklärung gerügt. Sie hat auch keinen Sachverhalt geschildert, aufgrund dessen eine solche Rüge entbehrlich hätte sein können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 23.10.2015 IX B 92/15, BFH/NV 2016, 217, Leitsatz 1 sowie Rz 2).
b) Es liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor. Das ist nur der Fall, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste Die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den ganz oder teilweise im Zusammenhang mit der Ausgabe von Kommanditanteilen stehenden Leistungsbezügen ist vom FG nicht erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht worden, sondern war, wie aus der von der Klägerin selbst im Zuge der Klageerhebung vorgelegten Einspruchsentscheidung des FA vom 23.6.2010 hervorgeht, bereits Gegenstand des außergerichtlichen Vorverfahrens. Dass das FG nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, ist keine überraschende Wendung, sondern verfahrensrechtlich üblich, wenn der Sachverhalt nach Ansicht des FG ausermittelt ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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