BFH: Rechnung i.S. des § 14c UStG; Verweis auf Jahreskonditionsvereinbarung; Ausweis eines negativen Steuerbetrages
- Bei der Prüfung, ob ein als "Belastung" bezeichnetes Dokument (nur) über Leistungen oder (auch) über Entgeltminderungen abrechnet, ist der Inhalt einer dem FA vorliegenden Konditionsvereinbarung jedenfalls dann ergänzend heranzuziehen, wenn in dem Dokument auf die Vereinbarung verwiesen wird.
- Ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, wird nicht i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet.
UStG § 14 Abs. 4, § 14c Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 14c Abs. 2 Satz 1, Sätze 3 bis 5, § 17
MwStSystRL Art. 203, Art. 226
BFH-Urteil vom 26.6.2019, XI R 5/18 (veröffentlicht am 24.10.2019)
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 11.12.2017, 9 K 2646/16 = SIS 18 01 15
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter der Firma X.
X hatte mit der Firma Y, einer Organgesellschaft der Z-GmbH, eine "Jahres-Konditionsvereinbarung 2006" (Jahreskonditionsvereinbarung) geschlossen. Diese enthielt im "Leistungsblock A" unter "1. Bonus" Angaben zu "Bonuszahlungen" und darauf zu leistende Abschlagszahlungen ("Nettobetrag zzgl. MWST (€)"). Weiter heißt es unter Tz. 1.8.: "zum 15.12. für alle vereinbarten Vergütungen gemäß hochgerechnetem Umsatz abzgl. geleisteter Abschlagszahlungen ... Abrechnung: X - Rechnung, Verrechnung über W. Die Endabrechnung erfolgt schriftlich bis zum 15.01. des Folgejahres gegen Lieferantenabrechnung zu Händen der Abteilung Forderungsmanagement."
Mit der Firma W, einem Zentralregulierer, hatte X am 01.01.2005 einen "Dienstbesorgungs-Vertrag/Delegationsvereinbarung" geschlossen. W wurde danach u.a. von X beauftragt, steuerlich relevante Belege wie (Sammel-)Rechnungen, Belastungsanzeigen, Rückbelastungen und Korrekturrechnungen gegenüber Lieferfirmen im Namen des Handelsunternehmens zu erstellen und mit Wirkung für dieses zu empfangen. Die Rechnungen/Gutschriften wurden von X erstellt und an W weitergeleitet. W wiederum leitete die Abrechnungen anschließend an Y weiter.
W erstellte demgemäß für 2006 an Y mit "Belastung" bezeichnete Dokumente, welche als Absender die Firma X auswiesen und folgenden "Begründungstext" enthielten:
"60 WKZ [d.h. Werbekostenzuschuss] gemäß Vereinbarung Bonus AC [d.h.: A - Konto - Zahlung] Monat ..."
Als Summe waren in den Monaten Januar bis Juli ausgewiesen:
"Warenwert: XXX.XXX,XX-
Netto-Betrag: XXX.XXX,XX-
Mwst-Betrag: YYY.YYY,YY-
Mwst-%: 16,00
Endbetrag: ZZZ.ZZZ,ZZ-"
In den Monaten August bis Dezember waren ausgewiesen:
"Warenwert AAA.AAA,AA-
Netto-Betrag: AAA.AAA,AA-
Mwst-Betrag: BB.BBB,BB-
Mwst-%: 16,00
Endbetrag: CCC.CCC,CC-"
In der Belastung vom 31.01.2007 heißt es:
"WO60 WKZ gemäß Vereinbarung Konditionsabrechnung 2006"
Als Summen waren ausgewiesen:
"Warenwert ...-
Netto-Betrag: ...-
Mwst-Betrag: ...-
Mwst-%: 16,00
Endbetrag: ...-"
Y zog die in den o.g. "Belastungen" genannten Beträge als Vorsteuer ab. X meldete die in den "Belastungen" genannten Beträge in seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 an und führte die Beträge an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ab.
Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen des X das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Das für die Besteuerung der Organträgerin der Y zuständige Finanzamt (FA Q) teilte nach Durchführung einer Außenprüfung dem FA im Jahr 2014 mit, Y habe den Sachverhalt analysiert und ermittelt, dass nur ca. 50 % der in den "Belastungen" berechneten Beträge tatsächlich Werbekostenzuschüsse beträfen. Hinsichtlich der restlichen Summe handele es sich nach Auffassung des FA Q um vereinbarte Entgeltsminderungen für die ursprünglichen Lieferungen von Y an X, welche lediglich zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage (nebst Reduzierung der Vorsteuer) führen dürften. Da X jedoch in den "Belastungen" Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen habe, schulde X für den Besteuerungszeitraum 2006 nach § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Y sei zwischenzeitlich an X herangetreten, um eine Rechnungsberichtigung und Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge zu erreichen.
In Übereinstimmung mit der hinzugezogenen Oberfinanzdirektion vertrat das FA dagegen die Auffassung, die o.g. "Belastungen" seien keine Rechnungen i.S. von § 14c UStG, da sie nicht der Abrechnung von Leistungen dienten. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen:
- Die enthaltenen Angaben seien widersprüchlich, da X sowohl als Rechnungs- und Warenempfänger als auch als Abrechnender bezeichnet werde,
- Y werde in dem Dokument als Absender bezeichnet,
- dem Rechnungsbetrag sei ein negatives Vorzeichen vorangestellt.
Mit Schreiben vom 24.03.2016, das Y übergeben wurde, stornierte X die "für das Jahr 2006 erstellten Bonusabrechnungen" (Stornierungsbetrag netto: ... €, Stornierungsbetrag Umsatzsteuer: ... €). Das FA Q bestätigte, dass Y bereits am 31.12.2015 die abgezogene Vorsteuer an das FA Q zurückgezahlt habe.
Nach Durchführung von zwei Außenprüfungen vertrat das FA weiterhin die Auffassung, ein Steuerausweis i.S. von § 14c UStG liege nicht vor, da aus der Gesamtheit des Inhalts der Abrechnungspapiere und der Jahreskonditionsvereinbarung hervorgehe, dass X über Preisnachlassansprüche "abgerechnet" habe und deshalb keine (Beschreibung einer) Leistung vorliege. Eine formelle Rechnungsberichtigung sei nicht erforderlich.
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 07.07.2016 beim FA, gemäß § 14c Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG der Berichtigung eines Steuerbetrages in Höhe von ... € zuzustimmen. Diesen Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 02.08.2016 ab. Es führte zur Begründung aus, bei den von W im Namen von X erstellten Abrechnungspapieren handele es sich lediglich um kaufmännische Gutschriften und nicht um Rechnungen i.S. des § 14c UStG; denn diese enthielten eine Reihe widersprüchlicher Angaben und rechneten lediglich über Preisnachlassansprüche ab, was keine hinreichende Leistungsbeschreibung darstelle. Da deshalb der gesonderte Steuerausweis nicht zu einer Anwendung des § 14c UStG führe, die ausgewiesene Umsatzsteuer also auch nicht geschuldet werde, erübrige sich die Durchführung einer formalen Rechnungsberichtigung.
Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg gab der mit Schriftsatz vom 02.09.2016 erhobenen Sprungklage, der das FA fristgerecht zugestimmt hat, mit Urteil vom 11.12.2017 - 9 K 2646/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 513) zum weit überwiegenden Teil statt. Es entschied, die - vom Kläger im Umfang reduzierte - Klage sei zulässig und begründet. Zu Unrecht habe das FA die Zustimmung nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG zur Rechnungsberichtigung des Klägers vom 24.03.2016 versagt. Denn die berichtigten Abrechnungspapiere stellten Rechnungen i.S. von § 14c UStG dar, in denen X unberechtigt i.S. von § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG Umsatzsteuer ausgewiesen habe. Darauf, dass X den vereinnahmten Mehrbetrag nicht an Y zurückgezahlt habe, komme es im Streitfall nicht an.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 14c UStG). Es macht geltend, die "Belastungen" seien keine Rechnungen, was die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Auslegung zu berücksichtigende Bezugnahme auf die Vereinbarung bestätige. Hilfsweise liege ein Fall des § 14c Abs. 1 UStG vor, weil X Leistungen an Y erbracht habe und nur das darauf entfallende Entgelt sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer zu hoch angegeben sei. Weiter hilfsweise sei das FA zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt, weil eine Zustimmung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse führen würde. Außerdem sei die Befugnis zur Rechnungsberichtigung zeitlich befristet. Zuletzt habe höchst hilfsweise das FG die Höhe der Verpflichtung zur Zustimmung unzutreffend berechnet.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er führt aus, das FG habe zu Recht angenommen, dass die "Belastungen" Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG seien. Eine Rückzahlung der Umsatzsteuer sei weder für eine Zustimmung des FA erforderlich noch insolvenzrechtlich zulässig. Das Recht zur Berichtigung der Rechnung sei nicht verjährt, weil auf die Einrede der Verjährung verzichtet worden sei. Die Höhe der Verpflichtung zur Zustimmung sei, abgesehen von einer offenbaren Unrichtigkeit des Urteils in Höhe von ... €, vom FG zutreffend ermittelt worden.
Nach einem Hinweis auf das Senatsurteil vom 16.05.2018 - XI R 28/16 (BFHE 261, 451, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2018, 1663) hat der Kläger ausgeführt, dieses Urteil habe in der Literatur Kritik erfahren. Es betreffe außerdem eine andere Situation, weil X insolvent sei und ein Fall des § 14c Abs. 2 UStG vorliege. Würde der Senat auch bei § 14c Abs. 2 UStG eine Rückzahlung der Umsatzsteuer verlangen, würde er damit vom BFH-Urteil vom 08.11.2016 - VII R 34/15 (BFHE 256, 6, BStBl II 2017, 496) abweichen, das für eine Zustimmung lediglich verlange, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt sei. Außerdem widerspreche eine Verpflichtung zur Rückzahlung an Y den Grundsätzen des Insolvenzrechts (Gebot der Gleichbehandlung aller Gläubiger). Ggf. sei eine Vorlage an den Großen Senat des BFH und den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes erforderlich.
Das FA sieht seine Rechtsauffassung, eine Zustimmung würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse führen, bestätigt.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und im Wege der Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zur Abweisung der Klage. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass X in den "Belastungen" zu Unrecht einen Steuerbetrag offen ausgewiesen habe, den er nach § 14c UStG, Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) schulden könnte.
1. Das FG hat zu Recht stillschweigend die Zulässigkeit der Klage als (Sprung-)Verpflichtungsklage bejaht; denn die für die Durchführung der Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG erforderliche, von einem (ggf. konkludenten) Antrag abhängige (vgl. BFH-Urteile vom 16.09.2015 - XI R 47/13, BFH/NV 2016, 428, Rz 47; vom 13.12.2018 - V R 4/18, BFHE 263, 535, DStR 2019, 445, Rz 17) Zustimmung des FA ist nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ein Verwaltungsakt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 256, 6, BStBl II 2017, 496, Rz 20; Leipold in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 14c Rz 385; Fleckenstein-Weiland in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 14c Rz 148; wohl auch Bunjes/Korn, UStG, 17. Aufl., § 14c Rz 51; BeckOK UStG/Weymüller, 22. Ed. [01.08.2019], UStG § 14c Rz 304; a.A. nunmehr Stadie in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rz 301).
2. Allerdings hat das FG zu Unrecht angenommen, dass X aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises i.S. des § 14c Abs. 2 UStG die in den "Belastungen" ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet hat. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
a) Hat ein Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG).
b) Beide Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 203 MwStSystRL, wonach die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
c) Nach § 14 Abs. 4 UStG muss eine Rechnung u.a. grundsätzlich den Umfang und die Art der sonstigen Leistung sowie den (auf das Entgelt entfallenden) Steuerbetrag enthalten. Dies beruht unionsrechtlich auf Art. 226 MwStSystRL, wonach eine Rechnung u.a. Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen sowie den zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag enthalten muss (zu Ausnahmen vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.09.2013 - XI R 41/12, BFHE 243, 69, BStBl II 2014, 135, Rz 16 ff.). Der Steuerbetrag muss ein Geldbetrag sein, der als Steuerbetrag gekennzeichnet ist (BFH-Urteil vom 21.09.2016 - XI R 4/15, BFHE 255, 340, BFH/NV 2017, 397, Rz 32; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 14 Rz 460 und § 14c Rz 93).
d) Ausgehend davon hat das FG unzutreffend angenommen, dass die "Belastungen", soweit ihnen keine Werbeleistungen zugrunde liegen, nicht als Abrechnungen über vereinbarte Boni auszulegen ist. Es hat dabei nicht beachtet, dass zur Auslegung der "Belastungen" auch insoweit die Jahreskonditionsvereinbarung heranzuziehen ist.
aa) Ob die Angaben in einer Rechnung unzutreffend sind, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen.
(1) Daher sind - wie bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigen - auch im Anwendungsbereich des § 14c UStG Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 19.11.2014 - V R 29/14, BFH/NV 2015, 706; vom 16.03.2017 - V R 27/16, BFHE 257, 462, BFH/NV 2017, 1143, Rz 12). Verweise einer Rechnung auf Konditionsvereinbarungen lässt in anderem Zusammenhang auch die Finanzverwaltung zu (Abschn. 14.5 Abs. 19 Satz 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE -).
(2) Eine Berücksichtigung von in der Rechnung enthaltenen Bezugnahmen im Rahmen der Auslegung ist auch unionsrechtlich geboten, weil sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken darf, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen hat (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos vom 15.09.2016 - C-516/14, EU:C:2016:690, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2016, 290, Rz 44). Soweit unter den dort genannten Umständen u.a. eine allein anhand der Rechnung unklare, aber im Lichte aller dem FA vorliegenden Unterlagen ausreichende Leistungsbeschreibung für den Vorsteuerabzug unschädlich sein kann, ist es ausgeschlossen, die nämliche Leistungsbeschreibung bei § 14c Abs. 2 UStG, Art. 203 MwStSystRL für schädlich zu erachten (vgl. BFH-Urteile vom 18.01.2001 - V R 83/97, BFHE 194, 483, BFH/NV 2001, 874, unter II.1.c, Rz 40; vom 17.02.2011 - V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, Rz 25; Leipold in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14c Rz 300).
(3) Die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Das Revisionsgericht prüft lediglich, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 24.04.2013 - XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34 und 35; vom 29.11.2017 - I R 7/16, BFHE 260, 334, BFH/NV 2018, 810, Rz 30). Entspricht die Auslegung des FG den gesetzlichen Auslegungsregeln sowie den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen, ist sie für den BFH bindend, auch wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.08.2017 - X R 7/15, BFH/NV 2018, 325, Rz 34).
bb) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, dass X in den Belastungen nur über Werbeleistungen abgerechnet hat.
(1) Das FG hat dazu auf Seite 20 seines Urteils (juris, Rz 86) ausgeführt, die Abrechnungspapiere enthielten auch eine Leistungsbeschreibung, nämlich die Bezeichnung "WKZ (= Werbekostenzuschuss) gemäß Vereinbarung". Dadurch werde der Anschein erweckt, es seien von X an Y in dem abgerechneten Umfang Werbeleistungen erbracht worden. Dem widerspreche zwar die in der zweiten Textzeile im "Begründungstext" enthaltene Formulierung "Bonus-AC" (= A-Konto-Zahlung). Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 14c UStG als Gefährdungstatbestand sei aber nach der Überzeugung des FG eine derartige Leistungsbeschreibung ausreichend, zumal unter Einbeziehung der Jahreskonditionsvereinbarung das tatsächliche Erbringen von Leistungen durch X deutlich werde. Auch der Ausweis der Steuer bringe konkludent zum Ausdruck, dass über eine (vorgebliche) Leistung abgerechnet werde.
(2) Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern, da das FG die Jahreskonditionsvereinbarung als maßgeblichen Begleitumstand insoweit teilweise nicht berücksichtigt hat. Hätte es die Vereinbarung insgesamt herangezogen, hätte es erkannt, dass die von ihm gesehenen Widersprüche in der möglichen Leistungsbeschreibung (Verwendung von "WKZ" einerseits und "Bonus" andererseits) sich aufgrund der Jahreskonditionsvereinbarung dahingehend auflösen, dass Inhalt der "Belastung" sowohl Werbeleistungen ("WKZ") von X an Y als auch ein (von Y an X zu zahlender) "Bonus" (Rückvergütungen, Rabatte u.Ä.) sind. Soweit sich die "Belastungen" ausschließlich auf den Zahlungsverkehr zwischen X und Y beziehen, sind sie keine Rechnungen i.S. des § 14c UStG (s.a. Abschn. 14.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 14c Rz 273; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 160 Rz 161).
(3) Diese Auslegung bestätigen im Ergebnis die Ausführungen des FG zur Abgrenzung im Bereich des § 14c Abs. 1 UStG auf Seite 21 seines Urteils (juris, Rz 90), die denen in Rz 86 des FG-Urteils in gewisser Weise widersprechen.
Dort hat das FG ausgeführt, dass nach seiner Auffassung jede in der Jahreskonditionsvereinbarung niedergelegte Position eine eigene, selbständige "Leistung" darstelle, welche nicht zu einer Gesamtleistung zusammengefasst werden könne, wobei dem Umstand, dass jede Abschlagsrechnung nur einen Gesamtpreis enthalte, keine entscheidende Bedeutung zukomme.
Geht man von dieser Sichtweise des FG aus, hat dies jedoch - anders als das FG meint - nicht zur Folge, dass bezüglich der Positionen ohne Gegenleistungscharakter der Tatbestand des § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG erfüllt wäre, sondern es hat zur Folge, dass bezüglich der Positionen ohne Gegenleistungscharakter nicht (unberechtigt) über angebliche (weitere) Werbeleistungen ("WKZ") abgerechnet wird, sondern insoweit über den sich aus der Jahreskonditionsvereinbarung ergebenden "Bonus". Die in dem Protokoll des Erörterungstermins vom 01.08.2017 mit Akten-Fundstelle benannte, vom FG dort mit den Beteiligten erörterte, auf Bl. 237 der Umsatzsteuerakten befindliche Jahresendabrechnung 2006, in der die einzelnen Positionen mit Betrag detailliert aufgeführt sind, bestätigt diese Auslegung.
(4) Der Senat kann diese Auslegung im Streitfall trotz des unter II.2.d aa (3) genannten Grundsatzes ausnahmsweise selbst vornehmen, weil das FG den Tatbestand (hier: den Inhalt der "Belastungen", den Inhalt der Jahreskonditionsvereinbarung und die maßgeblichen Begleitumstände) vollständig festgestellt hat (zur Befugnis des BFH zur eigenen Auslegung in solchen Fällen vgl. BFH-Urteile vom 17.12.2008 - III R 22/06, BFH/NV 2009, 1087, unter II.5., Rz 51; vom 20.06.2012 - V R 56/10, BFH/NV 2012, 1775, Rz 13; vom 12.07.2016 - IX R 21/15, BFH/NV 2016, 1695, Rz 24; vom 13.03.2018 - IX R 12/17, BFH/NV 2018, 715, Rz 12).
e) Unabhängig davon hat das FG auch deshalb zu Unrecht angenommen, dass X zunächst Umsatzsteuer in Höhe von ... € gemäß § 14c UStG geschuldet hat, weil X in den Belastungen keine positiven, sondern negative Beträge offen ausgewiesen hat.
aa) Die "Belastungen" des X weisen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG folgende Steuerbeträge offen aus: 7 x YYY.YYY €-, 5 x BB.BBB €- und 1 x ... €-. Die ausgewiesenen Beträge sind daher negativ. Dies wird vom Kläger zwar mit dem Vortrag, es handele sich nicht um Minuszeichen, sondern um Bindestriche, angezweifelt. Das FG hat in Rz 85 der Vorentscheidung ausgeführt, dies könne letztlich dahingestellt bleiben. Dass es sich um Minuszeichen und nicht um Bindestriche handelt, ergibt sich jedoch zweifelsfrei aus dem Vergleich der "Belastungen" mit den in der Umsatzsteuerakte befindlichen "Rückbelastungen" vom 04.01.2010 und 17.12.2010, die positive Beträge (sowie keine angeblichen "Bindestriche") enthalten. Dieser Vergleich zeigt, dass es sich bei den vom FG festgestellten, offen ausgewiesenen Beträgen um negative Beträge handelt.
bb) Einen offen ausgewiesenen negativen Betrag kann X jedoch weder nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG noch nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG schulden.
(1) Ist der ausgewiesene Betrag (negativ und damit) zu niedrig, ist er kein "Mehrbetrag" i.S. des § 14c Abs. 1 UStG (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 9 UStAE; Fleckenstein-Weiland in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 14c Rz 52; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 14c UStG Rz 29 ff.; Leipold in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14 Rz 636 und § 14c Rz 21).
(2) Ein negativer Betrag ist auch kein "ausgewiesener Betrag" i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG oder eine "Mehrwertsteuer" i.S. des Art. 203 MwStSystRL, der bzw. die vom Rechnungsaussteller "geschuldet" werden kann. Wenn Rechnungsaussteller negative Beträge gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG, Art. 203 MwStSystRL schulden würden, entstünden (bei isolierter Betrachtung dieses Vorgangs) negative Umsatzsteuerbeträge, die in der Rechtsprechung des BFH für möglich gehalten werden (zur teilweise so bezeichneten "negativen Umsatzsteuerschuld" und deren verfahrensrechtlichen Auswirkungen auch auf das Erhebungsverfahren, s. BFH-Beschluss vom 05.02.1976 - V B 73/75, BFHE 118, 149, BStBl II 1976, 435; BFH-Urteile vom 17.12.1981 - V R 81/81, BFHE 134, 402, BStBl II 1982, 149; vom 17.04.2008 - V R 41/06, BFHE 221, 498, BStBl II 2009, 2, unter II.1.b dd, Rz 21; vom 24.11.2011 - V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 26; vom 11.12.2013 - XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 21; vom 19.12.2013 - V R 5/12, BFHE 244, 494, BStBl II 2016, 585, Rz 18; kritisch dazu Stadie, UStG, 3. Aufl., § 16 Rz 27 ff.). Eine Festsetzung von negativer Umsatzsteuer zugunsten des Rechnungsausstellers widerspräche indes dem Zweck von § 14c Abs. 2 UStG, Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. zum Gesetzeszweck BFH-Urteile vom 12.10.2016 - XI R 43/14, BFHE 255, 474, BFH/NV 2017, 408, Rz 36; vom 27.09.2018 - V R 32/16, BFHE 262, 492, BFH/NV 2019, 367, Rz 19). Dies zeigt, dass auch ein nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG, Art. 203 MwStSystRL vom Rechnungsaussteller "geschuldeter" Betrag positiv sein muss. § 14c UStG begründet eine Steuerschuld, wenn ein Umsatz mit einem höheren Steuerbetrag abgerechnet wird, als das Umsatzsteuergesetz für den Umsatz fordert (Meurer in Birkenfeld/Wäger, a.a.O., § 168 Rz 1).
cc) Ob in Fällen der Gutschrift i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG etwas anderes gelten könnte, wenn mit dem Minuszeichen zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer die Zahlung des genannten Umsatzsteuerbetrages schuldet, so dass insoweit vom leistenden Unternehmer ein positiver Betrag offen ausgewiesen sein könnte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn daraus könnte sich allenfalls eine Steuerschuldnerschaft des (ihr nicht widersprechenden) Empfängers der Gutschrift ergeben (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23.01.2013 - XI R 25/11, BFHE 239, 547, BStBl II 2013, 417, Rz 26; s. aber auch BFH-Urteile vom 12.01.2006 - V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.2., Rz 26; vom 13.03.2008 - V R 70/06, BFHE 221, 429, BStBl II 2008, 997, unter II.1.b bb, Rz 23, zur Nichtanwendbarkeit des § 14c UStG auf die ursprüngliche, nicht berichtigte Rechnung).
3. Die Sache ist spruchreif i.S. der Abweisung der Klage.
a) Hat X aus den "Belastungen" betreffend das Jahr 2006 keine Umsatzsteuer nach § 14c UStG geschuldet, muss das FA einer Berichtigung der "Belastungen" nicht zustimmen, weil kein Anwendungsfall des § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG vorliegt. Die Ablehnung ist deshalb zu Recht erfolgt.
b) Auf die Frage, ob bei anderer Sichtweise davon auszugehen wäre, dass X in den Jahren 2006 und 2007 Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geschuldet hätte, weil X an Y Werbeleistungen erbracht hat und in den "Belastungen" "nur" Entgelt und Steuerbetrag für die erbrachten Werbeleistungen zu hoch angegeben wären, so dass ebenfalls kein Anwendungsfall der § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG vorläge und die Ablehnung zu Recht erfolgt wäre, kommt es deshalb nicht mehr an (vgl. zur Berichtigung in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG Senatsurteil in BFHE 261, 451, DStR 2018, 1663, m.w.N.; zum Vorliegen eines unrichtigen Steuerausweises bei unzutreffender Einbeziehung von Boni eines Dritten s. BFH-Urteil vom 16.10.2013 - XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 60 und 61; s.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 14c Rz 139, 147; Meurer in Birkenfeld/ Wäger, a.a.O., § 168 Rz 461).
c) Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf im Streitfall, ob die Gefährdung des Steueraufkommens i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG auch dann durch eine Versagung des Vorsteuerabzugs "endgültig" (vgl. dazu EuGH-Urteil Rusedespred vom 11.04.2013 - C-138/12, EU:C:2013:233, UR 2013, 432, Rz 33) beseitigt ist, wenn zwar der Leistungsempfänger die gezogene Vorsteuer nach Ergehen eines Umsatzsteuer-Änderungsbescheids an das für ihn zuständige FA zurückgezahlt hat, er aber entweder auf Basis der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 30.06.2015 - VII R 30/14, BFHE 250, 34, BFH/NV 2015, 1611, Rz 22 ff.; vom 30.06.2015 - VII R 42/14, juris = SIS 15 30 59, Rz 23 ff.) eine Billigkeitsmaßnahme bezüglich seines Vorsteuerabzugs beantragt oder wegen der Insolvenz des Unternehmers auf Basis der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile Reemtsma Cigarettenfabriken vom 15.03.2007 - C-35/05, EU:C:2007:167, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 515; Farkas vom 26.04.2017 - C-564/15, EU:C:2017:302, UR 2017, 438, Rz 53, 54 und 56; Kollroß vom 31.05.2018 - C-660/16 und C-661/16, EU:C:2018:372, UR 2018, 519, Rz 66; PORR Epitesi Kft. vom 11.04.2019 - C-691/17, EU:C:2019:327, DStR 2019, 924, Rz 42; einen solchen Anspruch verneinend Meurer in Birkenfeld/Wäger, a.a.O., § 168 Rz 68) gegen den Fiskus einen Direktanspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuer geltend macht, der sich vom Anspruch auf Vorsteuerabzug unterscheidet (vgl. EuGH-Urteil PORR Epitesi Kft., EU:C:2019:327, DStR 2019, 924, Rz 45), so dass möglicherweise deshalb einer Berichtigung des Steuerbetrages nicht zugestimmt werden müsste (vgl. EuGH-Urteil PORR Epitesi Kft., EU:C:2019:327, DStR 2019, 924, Rz 47). Auch auf die Frage, ob der gute Glaube insoweit von Bedeutung ist (vgl. EuGH-Urteile Genius Holding vom 13.12.1989 - C-342/87, EU:C:1989:635, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 632, Rz 18; Schmeink & Cofreth und Strobel vom 19.09.2000 - C-454/98, EU:C:2000:469, BFH/NV 2001, Beilage 1, 33, Rz 61 und 62; Stadeco vom 18.06.2009 - C-566/07, EU:C:2009:380, BFH/NV 2009, 1371, Rz 36 und 48) und Y gutgläubig war, kommt es nicht an.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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