BFH: Vorsteuerabzug aus Mietereinbauten
- Ein Mieter, der in angemieteten Räumlichkeiten Ein- und Umbauten ("Mietereinbauten") im eigenen Namen vornehmen lässt, kann die ihm hierfür von Bauhandwerkern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Falle einer entgeltlichen Weiterlieferung an den Vermieter als Vorsteuer abziehen.
- Eine Weiterlieferung liegt jedenfalls dann vor, wenn er dem Vermieter nicht nur das zivilrechtliche Eigentum überträgt, sondern auch einen unmittelbar von diesem tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zuwendet.
UStG § 3 Abs. 1 und 4, § 4 Nr. 14 Buchst. a, § 4 Nr. 28, § 14c Abs. 2, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
MwStSystRL Art. 9 Abs. 1, Art. 168 Buchst. a
FGO § 127
BFH-Urteil vom 13.11.2019 - V R 5/18 (veröffentlicht am 9.1.2020)
Vorinstanz: Sächsisches FG vom 18.07.2017 - 5 K 880/15 = SIS 18 07 71
I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die Vorsteuern aus Rechnungen der von ihr beauftragten Baufirmen ("Praxenbauer") für Ein- und Umbauten in den angemieteten Praxisräumen beanspruchen kann.
Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR, die im Juli 2012 (Streitjahr) von zwei Augenärzten zum Zwecke der Erbringung ärztlicher Leistungen gegründet wurde. Mit Vertrag vom 12./16.07.2012 mietete die Klägerin von der CV-GmbH (Vermieterin und Eigentümerin) im Einkaufscenter von D Räumlichkeiten (ca. 669 qm) gegen eine monatliche Nettokaltmiete von ca. 5.300 € für die Dauer von 15 Jahren (mit der Option auf weitere zweimal fünf Jahre). Die Vermietung erfolgt "ausschließlich zum Betrieb einer augenärztlichen Tagesklinik inklusive eines auf der Fläche gemäß § 1.2 b) gelegenen Bereichs für ambulante Operationen" (§ 2 des Mietvertrags: Mietzweck).
Zum Aus- und Umbau der Räumlichkeiten gewährte der Vermieter einen Baukostenzuschuss in Höhe von 500.000 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer (§ 9 Abs. 1 des Mietvertrags). Diese Summe wurde an den Mieter - abhängig vom Baufortschritt - in fünf Teilbeträgen ausgezahlt. Die Parteien waren sich einig, dass der Mieter (Klägerin) die bezuschussten Ausbaumaßnahmen im Falle seines Auszuges im Mietgegenstand belässt und nicht wieder rückgängig machen muss. § 9 Abs. 3 des Mietvertrags regelt hierzu: "Der Mieter kann dafür keinerlei Entschädigung vom Vermieter beanspruchen, da die bezuschussten Ausbaumaßnahmen bereits mit Zahlung des Baukostenzuschusses abgegolten sind." Sollte das Mietverhältnis aus einem vom Mieter zu vertretenden Grund vor Ablauf der regulären Mietzeit (15 Jahre) beendet werden, zahlt der Mieter dem Vermieter den Baukostenzuschuss anteilig zurück, wobei für jedes nicht abgelaufene Mietjahr 6,67 % des Baukostenzuschusses zurückzuzahlen sind (§ 9 Abs. 4 des Mietvertrags).
Die Klägerin ließ die erforderlichen Ein- und Umbauten im eigenen Namen durch von ihr beauftragte Baufirmen ("Praxenbauer") durchführen. Die Baumaßnahmen umfassten u.a. Trockenbau- und Elektroarbeiten, nicht dagegen die Anschaffung von Untersuchungsgeräten und Behandlungsstühlen. Gleichzeitig rechnete die Klägerin gegenüber der CV-GmbH in fünf gleichlautenden Rechnungen über einen "Nettobetrag" in Höhe von insgesamt 500.000 € sowie separat ausgewiesener "MwSt" in Gesamthöhe von 95.000 € ab. Die Umbaumaßnahmen sowie die Zahlungen an die Klägerin erfolgten noch in 2012.
In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen August bis Dezember 2012 sowie in der Umsatzsteuer-Jahressteuererklärung des Streitjahres gab die Klägerin steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 499.999 € an und machte gleichzeitig die ihr von den Praxenbauern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Im Übrigen erzielte die Klägerin ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG).
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) davon aus, dass der An- und Verkauf der Mietereinbauten kein eigenständiger Unternehmensteil sei und damit - isoliert betrachtet - mangels Nachhaltigkeit auch keine Unternehmereigenschaft begründe. Es handele sich nur um Hilfsgeschäfte. Da die Klägerin die Mietereinbauten ausschließlich für steuerfreie Ausgangsumsätze verwende, sei der Verkauf der Mietereinbauten nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei und der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer schulde die Klägerin nach § 14c Abs. 2 UStG.
Gegen den geänderten Vorauszahlungsbescheid für Dezember 2012 sowie gegen den - von ihrer Jahressteuererklärung abweichenden - Jahressteuerbescheid 2012 vom 24.04.2014 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 26.05.2015). Die dagegen erhobene Klage (5 K 880/15) wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Der Klägerin stehe kein Vorsteuerabzug zu, weil sie mit der "Durchreichung der Praxiseinbauten" an die Vermieterin (CV-GmbH) keine steuerbare Leistung erbracht habe. Der Aus- und Umbau der Praxisräume gehöre nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu den vertraglichen Hauptpflichten der Vermieterin (Überlassung der Mietsache in vertragsgemäßem Zustand). Mietgegenstand sei gemäß § 2 des Vertrags nicht nur ein Rohbau, vielmehr seien Räume zum Betrieb einer augenärztlichen Tagesklinik überlassen worden. Zur Herstellung dieses Zustandes seien die von der Klägerin in Auftrag gegebenen, aber durch die Vermieterin finanzierten Umbaumaßnahmen erforderlich gewesen. Der Praxisumbau sei demnach Bestandteil der vertraglichen Hauptpflicht der Vermieterin. Die Umbauten habe die Vermieterin (CV-GmbH) "auf ihre Kosten" durch die Mieterin ausführen lassen, sodass lediglich Aufwendungen der Vermieterin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Hauptpflicht vorlägen. Mangels eines steuerbaren Umsatzes schulde die Klägerin die von ihr in Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, § 14c Abs. 2 UStG). Das FG verkenne die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug, indem es in der Weiterleitung der Praxiseinbauten durch die Klägerin an die CV-GmbH gegen die vereinbarte Geldzahlung keine steuerbare Ausgangsleistung sehe. Darüber hinaus habe es rechtsirrig einen unberechtigten Umsatzsteuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG bejaht.
Die Vornahme der Praxiseinbauten gegen Zahlung des Baukostenzuschusses stelle eine steuerbare Werklieferung an die CV-GmbH dar. Die Leistung der Klägerin bestehe darin, dass sie der CV-GmbH die Verfügungsmacht an den Praxiseinbauten gegen Entgelt verschafft habe. Mit der Weitergabe der Praxiseinbauten an die CV-GmbH wende sie, die Klägerin, dieser einen tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zu. Die Praxiseinbauten seien Gegenstand des Mietvertrags gewesen, sodass die CV-GmbH ihre vertragliche Hauptpflicht als Vermieterin erst habe erbringen können, nachdem die Praxiseinbauten vorgenommen worden waren. Davon gehe auch das FG aus, wenn es feststelle, dass es sich bei dem Baukostenzuschuss "um Aufwendungen der Vermieterin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Hauptpflicht zur Überlassung des Mietgegenstands in einem vertragsgemäßen Zustand" handele. Die mit dem Baukostenzuschuss erworbenen und weitervermieteten Praxiseinbauten stellten somit einen wirtschaftlichen Vorteil für die CV-GmbH dar. Darüber hinaus sei das Eigentum an den Einbauten als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes auf die CV-GmbH als Grundstückeigentümerin übergegangen.
Die Klägerin habe die Leistungen der sog. Praxenbauer auch für ihr Unternehmen bezogen. Zum Unternehmen gehörten auch Hilfsumsätze und damit die Weiterveräußerung der Praxiseinbauten an die CV-GmbH.
Zwischen dem Bezug der Lieferung der Praxenbauer und der Weiterlieferung der Einbauten an die CV-GmbH bestehe ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang. Die Einbauten seien allein zum Zweck der Weiterveräußerung erworben worden, sodass die Aufwendungen der Klägerin zu den Kostenelementen der Weiterlieferung an die CV-GmbH gehörten. Die Leistungen seien "durch die Kette" erbracht worden. Dagegen bestehe kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit den ärztlichen (umsatzsteuerfreien) Leistungen der Klägerin, weil die Aufwendungen für die Einbauten keinerlei Eingang in die Kalkulation der Ausgangsumsätze der augenärztlichen Praxisleistungen gefunden hätten.
Der Vorsteueranspruch sei nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, da die Einbauten umsatzsteuerbar und -pflichtig an die CV-GmbH geliefert worden seien. Dem stünden weder § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG noch § 4 Nr. 28 UStG entgegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 18.07.2015 - 5 K 880/15 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 24.04.2014 - geändert durch Bescheid vom 02.01.2019 - in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.05.2015 dahingehend zu ändern, dass Vorsteuern in Höhe von 94.898,57 € berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zweck des Unternehmens der Klägerin sei die Erbringung augenärztlicher Leistungen, der Ausbau von Praxisräumen gehöre nicht zu ihrer eigentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit; mangels einer nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit fehle es an einem steuerbaren Vorgang.
Die Aufwendungen für die von der Klägerin beauftragten Baumaßnahmen gehörten weder zu den Kostenelementen der Ausgangsumsätze an die Vermieterin (CV-GmbH) noch zu denen der augenärztlichen Leistungen, da die Aufwendungen durch die Zahlung des Baukostenzuschusses von der Vermieterin getragen worden seien.
Zudem sei der Vermieterin mit der Weitergabe der Praxiseinbauten kein tatsächlich genutzter wirtschaftlicher Vorteil zugewandt worden. Die Umbaumaßnahmen seien zwar von der Klägerin in Auftrag gegeben, sie sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Räume gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung herzurichten. Die vertraglichen Bestimmungen zielten lediglich auf eine effiziente Erledigung der Um- und Ausbaumaßnahmen ab, da die Mieterin so ohne aufwendige Absprachen mit der Vermieterin die Praxisräume nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Das FG habe zu Recht entschieden, dass die Praxiseinbauten keine Leistung an die Vermieterin darstellten. Es handele sich vielmehr um Aufwendungen der Vermieterin zur Erfüllung ihrer vertraglichen Hauptpflicht (Überlassung des Mietgegenstands in einem vertragsgemäßen Zustand). Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.11.2016 - V R 35/16 (BFH/NV 2017, 768) ergebe sich nichts anderes. Aufgrund der Finanzierung der Baumaßnahmen durch die Vermieterin fehle es vorliegend an der Zuwendung eines wirtschaftlichen Vorteils. Dementsprechend führten die Praxiseinbauten nicht zu einem steuerbaren Umsatz. Für die Beurteilung des begehrten Vorsteuerabzugs komme es nicht darauf an, ob Hilfsumsätze vorlägen.
Während des Revisionsverfahrens erging der Änderungsbescheid vom 02.01.2019, der auf den Ergebnissen einer Außenprüfung bei der Klägerin beruht und an die Stelle des angefochtenen Bescheids vom 24.04.2014 trat. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 28.01.2019 erklärt, dass sich der Streitstoff aufgrund dieses Bescheids nicht geändert habe.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 03.05.2018 (FA) und vom 08.06.2018 (Klägerin) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II. Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. An die Stelle des Umsatzsteuerbescheids 2012 vom 24.04.2014, über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 02.01.2019 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile vom 02.03.2011 - II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147; vom 03.06.2014 - II R 45/12, BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806; vom 22.07.2015 - II R 15/14, BFH/NV 2015, 1584, und vom 15.03.2017 - II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153).
2. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Urteile vom 12.01.2011 - II R 30/09, BFH/NV 2011, 755; in BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, und in BFH/NV 2015, 1584) nichts geändert hat, wie sich aus der Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 28.01.2019 ergibt.
III. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Umsatzsteuer 2012 antragsgemäß herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klägerin hat - entgegen der Ansicht des FG - einen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Praxenbauer und sie schuldet die in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer auch nicht nach § 14c Abs. 2 UStG.
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
a) Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Nr. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Dabei muss der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz vorliegen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 06.06.2019 - V R 18/18, Deutsches Steuerrecht 2019, 2142, unter II.3.b, Rz 26). Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einem einzelnen Ausgangsumsatz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, der steuerpflichtig ist, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen dieses Ausgangsumsatzes (BFH-Urteil vom 09.02.2012 - V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, unter II.1.a aa, Rz 22).
b) Werklieferungen sind Lieferungen, bei denen der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei Stoffe verwendet, die er selbst beschafft, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG). Ein Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten vornimmt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet (BFH-Urteile vom 15.09.1983 - V R 154/75, juris, zu Einbauten, und vom 24.11.1992 - V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, zur Gebäudeerrichtung), führt grundsätzlich eine Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG aus (BFH-Urteile in BFH/NV 2017, 768, unter II.1.a, sowie vom 22.08.2013 - V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 37). Das gilt jedenfalls dann, wenn er dem Vermieter nicht nur das zivilrechtliche Eigentum überträgt, sondern auch einen unmittelbar vom Vermieter tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zuwendet (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 768, Leitsatz).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie hat mit der Weitergabe der Mietereinbauten eine steuerbare und - weil sie nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 634) - eine steuerpflichtige Werklieferung an die CV-GmbH gegen Entgelt erbracht.
a) Bei den hier vorliegenden Mieterein- oder -umbauten liegt eine sofortige Verschaffung der Verfügungsmacht in Gestalt der Weiterlieferung des Mieters an den Eigentümer (Vermieter) vor, wenn letzterer Wert und Substanz der Einbauten erlangt. Dies ist dann zu bejahen, wenn der Mieter schon bei Beginn des Nutzungsverhältnisses auf sein Wegnahmerecht (§ 539 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) verzichtet, weil der Eigentümer ihm die Herstellungskosten erstattet oder diese mit dem Miet- oder Pachtzins verrechnet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 634; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 834; Stadie, UStG, 3. Aufl., § 3 Rz 44; Hahn in Weymüller, UStG, § 3 Rz 81.3.; Leonard in Bunjes, 18. Aufl., § 3 Rz 64; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.07.1986, BStBl I 1986, 432, unter C.II., sowie H. Beispiele 1 "Übergang des zivilrechtlichen Eigentums und sofortige Verschaffung der Verfügungsmacht").
b) Im Streitfall sind die Einbauten zum wesentlichen Bestandteil des Gebäudes geworden und damit in das Eigentum der CV-GmbH als Vermieterin übergegangen (§§ 946, 94 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus haben die Beteiligten nach § 9 des Mietvertrags vereinbart, dass die Klägerin (Mieter) die bezuschussten Ein- und Ausbauten im Falle eines Auszugs im Mietgegenstand belässt und dafür keinerlei Entschädigung vom Vermieter verlangen kann, da diese Aus- und Umbauten bereits mit der Zahlung des Baukostenzuschusses in Höhe von 500.000 € abgegolten sind. Soweit das Vorliegen einer Werklieferung nach dem Senatsurteil in BFH/NV 2017, 768 (darüber hinaus) erfordert, dass ein unmittelbar vom Vermieter tatsächlich genutzter wirtschaftlicher Vorteil zugewendet wird, liegt dieser wirtschaftliche Vorteil hier in der Herstellung der Vermietbarkeit der Räumlichkeiten für die Vermieterin. Diese war erst nach Vornahme der Praxiseinbauten zur vertragsgemäßen Überlassung des Mietgegenstands in der Lage, da sie nach §§ 1, 2 des Mietvertrags Räumlichkeiten schuldet, die zum Betrieb einer augenärztlichen Tagesklinik geeignet sind.
3. Die Einwendungen des FA, wonach die Weiterlieferung der Praxiseinbauten nicht nachhaltig erfolgt sei und es außerdem an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz fehle, stehen dem Vorsteueranspruch der Klägerin nicht entgegen.
a) Der Umsatzsteuer unterliegen die Umsätze, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt. In den Rahmen seines Unternehmens fallen nicht nur die Grundgeschäfte, die den eigentlichen Gegenstand der geschäftlichen Betätigung bilden, sondern auch die Hilfsgeschäfte und Nebengeschäfte, ohne dass es insoweit auf die nachhaltige Ausführung dieser Geschäfte ankommt (BFH-Urteil vom 20.09.1990 - V R 92/85, BFHE 162, 493, unter II.1.b). Es genügt ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Haupttätigkeit (BFH-Urteil vom 13.09.1988 - V R 230/83, BFH/NV 1989, 135); dies gilt auch dann, wenn sich die Haupttätigkeit auf steuerfreie Umsätze bezieht. Dies entspricht der Rechtslage im Unionsrecht. Danach schließt der Umstand, dass der Umsatz einer bereits mehrwertsteuerpflichtigen Person nicht der Haupttätigkeit dieser Person entspricht und von dieser nur punktuell durchgeführt wurde, es nicht aus, dass diese Person in Bezug auf diesen Umsatz im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL gehandelt hat (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Paulo Nascimento Consulting vom 17.10.2019 - C-692/17, EU:C:2019:867, Rz 28).
Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob es sich bei der Weiterleitung der Mietereinbauten um ein Hilfs- oder Nebengeschäft handelt, da die Ein- und Umbauten im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin stehen und somit in den Rahmen ihres Unternehmens fallen.
b) Wie das FG auf S. 7 seines Urteils zu Recht festgestellt hat, liegt der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen einem einzelnen Ausgangsumsatz (Weiterlieferung der Einbauten an die Vermieterin) und den Eingangsumsätzen (Lieferung der Einbauten durch die Praxenbauer) vor. Soweit die Einbauten für die Tätigkeit als Augenärzte erforderlich waren und verwendet werden, handelt es sich um einen lediglich mittelbaren Zusammenhang mit der freiberuflich-steuerfreien Tätigkeit, auf den es für den Vorsteuerabzug jedoch nicht entscheidend ankommt (BFH-Urteile vom 13.01.2011 - V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 19, sowie vom 09.12.2010 - V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53, Rz 10).
c) Der Vorsteuerabzug der Klägerin scheitert auch nicht an § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Danach ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für solche Lieferungen, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden. Zu den steuerfreien Umsätzen gehören nach § 4 Nr. 28 UStG auch die Lieferungen von Gegenständen, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach Nr. 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Im Streitfall liegt keine Verwendung der Mieteinbauten für steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG vor, sondern für die steuerpflichtige Werklieferung an die CV-GmbH.
Der Anwendung von § 4 Nr. 28 UStG steht im Übrigen entgegen, dass die Klägerin die weitergelieferten Einbauten nicht zuvor für eine Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet hat, denn die Weiterlieferung erfolgte bereits vor Aufnahme der heilberuflichen Tätigkeit. Der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfasst nur solche Leistungen, die der Feststellung und Behandlung von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen. Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs gilt auch dann, wenn der Erwerb und der anschließende Verkauf von Mietereinbauten zu den Vorbereitungshandlungen für den Beginn der unternehmerischen Tätigkeit gehört, um danach umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erzielen zu können.
4. Das Urteil des FG verletzt § 15 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 und Abs. 4 UStG, da es zu Unrecht eine Werklieferung der Klägerin an die CV-GmbH und damit einen Vorsteueranspruch verneint hat. Das Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif i.S. einer Klagestattgabe.
a) Die Klägerin hat die Eingangsleistungen der Praxenbauer für ihr Unternehmen bezogen und steuerbar und steuerpflichtig an die CV-GmbH weiterveräußert. Sie ist daher insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt.
b) Eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG setzt einen unberechtigten Steuerausweis voraus. Hieran fehlt es im Streitfall, da die Klägerin die in den Rechnungen an die CV-GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer aus der steuerpflichtigen Weiterlieferung gesetzlich (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) schuldet.
c) Soweit die Klägerin nach § 9 Abs. 4 des Mietvertrags im Falle des von ihr zu vertretenden vorzeitigen Auszugs verpflichtet ist, dem Vermieter den Baukostenzuschuss anteilig zurückzuzahlen, kann der Senat offen lassen, ob dann wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage ein Steuerbetrag zu berichtigen ist. Denn es ist weder vom FG festgestellt noch für den Senat ersichtlich, dass die Klägerin das Mietverhältnis bereits im Streitjahr beendet und eine Rückzahlung des Baukostenzuschusses geleistet hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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