BFH: Ermäßigter Steuersatz für Techno- und House-Konzerte
- Eintrittserlöse für Musikaufführungen unterschiedlicher Stilrichtungen (v.a. Tech-House, Elektro House, Techno) durch renommierte DJs sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG steuersatzermäßigt, wenn diese Aufführungen den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen.
- Umsätze aus der Veräußerung von Eintrittskarten für ortsgebundene Veranstaltungen unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 2.8.2018, V R 6/16, BFHE 262 S. 272, BStBl 2019 II S. 293 = SIS 18 15 75).
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a, Buchst. d
UStDV § 30
MwStSystRL Art. 98 Abs. 1, Abs. 2, Anh. III Kat. 7
BFH-Urteil vom 10.6.2020, V R 16/17 (veröffentlicht am 29.10.2020)
Vorinstanz: Sächsisches FG vom 6.6.2016, 5 K 1811/12 = SIS 17 11 69
I.
Streitig ist, ob die Eintrittserlöse aus Musikveranstaltungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den Streitjahren (2007 und 2008) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Die Klägerin ist eine GbR, deren Zweck vor allem in der Organisation und Veranstaltung von Musik-Events besteht. Sie führte in mehreren Räumen ("floors") eines stillgelegten Gebäudeareals verschiedene Musikveranstaltungen durch. Hierbei wurde von Discjockeys (DJs) Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Electro, Rave, Trance, Black-R'n'B & Hiphop, 80ies & 90ies Video Disco, Chillout-Ibiza) dargeboten. Daneben veranstaltete sie auch Partys und Open-Air-Discos. Die Veranstaltungen begannen üblicherweise um 23 Uhr (Einlassbeginn). Der Eintritt kostete 5 € oder 6 € und war nur von Männern zu entrichten, Frauen hatten freien Zugang. Für die jeweilige Veranstaltung engagierte die Klägerin neben lokal und regional tätigen DJs einen, vereinzelt auch mehrere national und international in der Szene durch eigene Musikentwicklungen oder -produktionen, Tonträger-Veröffentlichungen und Tonträgerverkäufe sowie teilweise aus den Musikcharts bekannte und renommierte DJs. Diese "renommierten" DJs traten im "…" auf, der ca. 65 % der angemieteten Gesamtfläche ausmachte. Die drei bis vier Nebenfloors konnten bis zu 200 Besucher fassen.
Die Klägerin warb für ihre Veranstaltungen u.a. im Internet und mittels Werbeflyern. Auf der Vorderseite der Werbeflyer waren die jeweiligen Veranstaltungen nach Ort, Datum und Uhrzeit bezeichnet sowie "zumeist junge Frauen, regelmäßig leicht bekleidet" abgebildet. Auf der Rückseite waren das jeweilige "line up", d.h. die einzelnen "floors" mit den jeweiligen DJs aufgeführt. Im Rahmen der Veranstaltungen verkaufte die Klägerin gesondert berechnete Getränke, deren Erlös den aus dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich überstieg.
Nachdem die Klägerin ihre Umsätze zunächst vollumfänglich dem Regelsteuersatz unterworfen hatte, reichte sie am 03.06.2010 berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und beantragte für die Umsätze aus Eintrittsgeldern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte diesen Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2012 zurück.
Die anschließende Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 06.06.2016 - 5 K 1811/12 als unbegründet zurück. Die streitgegenständlichen Umsätze seien weder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a noch nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) steuersatzermäßigt.
Der überwiegende Teil der DJs führe bei den Veranstaltungen zwar Musikstücke im Sinne des --nach dem Senatsurteil vom 18.08.2005 - V R 50/04 (BFHE 211, 557, BStBl II 2006, 101)-- maßgebenden Konzertbegriffs auf, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes scheitere aber daran, dass diese Konzerte bei einer Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien nicht den eigentlichen Zweck der jeweiligen Veranstaltung ausmachten. Die Auftritte der DJs gäben der Veranstaltung nicht das Gepräge.
So spreche die Regelmäßigkeit der Veranstaltung (wöchentlich/monatlich) dafür, dass der Party- oder Tanzcharakter überwiege. Eine Gesamtschau der Indizien ergebe, dass die Aufführung von Musik eher Mittel zum Zweck als der eigentliche Zweck gewesen sei, und dass andere Zwecke (gemeinsames Feiern, Partymachen, geselliges Beisammensein, Trinken, Tanzen, Anbahnen und Unterhalten sozialer Kontakte, Sich-Vergnügen musikalisch Gleichgesinnter und ähnliche disco- und tanzpartytypische Elemente) im Vordergrund gestanden, jedenfalls aber der Musikaufführung und dem Musikerlebnis zumindest gleichwertig gegenübergestanden hätten.
Nach der Selbstbeschreibung des Veranstaltungsorts durch die Klägerin werde das Element des Feierns und Partymachens in den Vordergrund gestellt. Die Anlage und Konzeption des Veranstaltungsorts mit seinen mehreren Floors einschließlich der Chill-Out-Lounge und der Außenterrasse ähnelten eher einer gehobenen Diskothek mit mehreren Tanzflächen als einem Ort, an dem typischerweise Konzerte oder konzertähnliche Veranstaltungen durchgeführt werden. Für eine moderne Form der Tanzveranstaltung spreche auch die Preisgestaltung, denn die Preisermäßigung sei eher typisch für eine Tanzveranstaltung oder Diskothek als für Konzertveranstaltungen. Dies gelte insbesondere für den freien Eintritt von Frauen. Der damit verfolgte Zweck lasse darauf schließen, dass für männliche Besucher das Anbahnen sozialer Kontakte wesentlicher Grund für den Besuch der Veranstaltung sei und nicht die Musikdarbietung. Auch sei zu berücksichtigen, dass wegen der niedrigen Eintrittspreise selbst bei vergleichsweise bekannten DJs aus Sicht der Klägerin eher die Erzielung von Erlösen aus dem Verkauf von Getränken im Vordergrund gestanden habe. Die Live-Übertragung der Veranstaltung im Radio spreche zwar für die musikalische Qualität der übertragenen Darbietungen der "renommierten" DJs, sage aber wenig darüber aus, was für die Besucher der Veranstaltung im Vordergrund gestanden habe. Auch wenn der Auftritt renommierter DJs ein gewichtiges Indiz dafür sei, dass diese Besucher anziehen könnten, bleibe ungewiss, ob das Erleben der Auftritte das maßgebliche Motiv eines wesentlichen Teils der Besucher gewesen war.
Die Erlöse aus der Veräußerung von Eintrittskarten unterlägen auch nicht dem ermäßigten Steuersatz für Schausteller nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Es handele sich um eine nicht begünstigte ortsfeste Dauerveranstaltung.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen sowie formellen Rechts und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
Die Versagung des ermäßigten Steuersatzes verstoße gegen § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG. Die Klägerin gewähre die Eintrittsberechtigung zu einer kulturellen Veranstaltung. Die bekannten DJs seien Hauptakteure und Anziehungspunkt der Veranstaltung gewesen und auf sie als "Hauptact" zugeschnitten worden. Wie bei Popkonzerten üblich seien Nachwuchs-DJs quasi als Vorband vor den Hauptacts aufgetreten. Die Musik der bekannten DJs sei im "…" gespielt worden, der von ca. 90 % der Gäste besucht werde. Gemessen an der Gesamtzeit der Veranstaltungen hätten die Hauptacts mit 2,5 bis 3 Stunden den wesentlichen Teil der Veranstaltung eingenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG vom 06.06.2016 - 5 K 1811/12 aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt,
die Revision gegen das Urteil des FG als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA verteidigt die Vorentscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass die Klägerin nur deshalb zu einem anderen Ergebnis als das FG gelange, weil sie die Auftritte der prominenten DJs isoliert betrachte. Entscheidungserheblich sei jedoch, ob nach gesamtschauender Würdigung die Auftritte der DJs der Veranstaltung das Gepräge geben. Dabei sei insbesondere auf die Erwartungshaltung des durchschnittlichen Besuchers abzustellen. Diese werde geprägt durch die Werbung, die Art und Weise der zu erwartenden Darbietung und der sonstigen Umstände. Im Streitfall würden keine Konzerte, sondern Tanz- und Partyveranstaltungen beworben. Auch würden die prominenten DJs auf den Werbeflyern nicht vordergründig dargestellt, sie dominierten die Werbung für die jeweilige Veranstaltung weder in Wort noch im Bild.
Die Voraussetzungen der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG lägen ebenfalls nicht vor. Es komme nicht darauf an, ob die DJs ihre Auftritte in eigener Regie selbst veranstalteten, da die Darbietungen der DJs ihrerseits bereits dem Grunde nach nicht mit denen der Schausteller vergleichbar seien und die Klägerin weder Volksfeste, Jahrmärkte, Schützenfeste noch ähnliche Veranstaltungen organisiere.
Mit ihren Schriftsätzen vom 26.10.2017 (Klägerin) und vom 21.09.2017 (FA) haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und --wegen fehlender Spruchreife-- zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht vorliegen. Die Würdigung, wonach die musikalischen Darbietungen der DJs nicht im Vordergrund der Veranstaltung stünden und deswegen auch die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ausscheide, ist jedoch lückenhaft, da sie das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausschöpft.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie für die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.
Unionsrechtliche Grundlage dieser Steuerermäßigung ist Art. 98 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwenden. Dabei kann nach Anhang III Kategorie 7 der MwStSystRL ein ermäßigter Steuersatz zugunsten der Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen eingeführt werden.
a) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG definiert weder den Begriff "Konzert" noch den der "Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler". Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind unter Konzerten i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Aufführende können einzelne oder mehrere Personen sein (BFH-Urteil vom 26.04.1995 - XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519, Rz 11). Hierzu gehören auch Pop- und Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts dargebotenen Musik zu tanzen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.05.2003 - 6 K 1712/01, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 1275). Außerdem kann für "Mischformen" von Theateraufführungen und Konzerten die Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden, wenn eine Vorführung entweder als theaterähnlich oder als konzertähnlich einzustufen ist und eine persönlich geistige Schöpfung in der für einen Urheberrechtsschutz geforderten geistigen Höhe darstellt (Senatsurteil vom 09.10.2003 - V R 86/01, BFH/NV 2004, 984). Nach dem Senatsurteil in BFHE 211, 557, BStBl II 2006, 101 ist der Konzertbegriff im Hinblick auf die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Musik und dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz weit auszulegen. Für die Musikrichtungen "Techno" und "House" sind daher als "Instrumente" i.S. der o.g. Begriffsbestimmung auch Plattenteller, Mischpulte und CD-Player u.Ä. anzusehen, mit denen die Musik im Rahmen eines Konzerts dargeboten wird, wenn sie (wie konventionelle Instrumente) zum Vortrag des Musikstücks --und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers-- genutzt werden (Senatsurteil in BFHE 211, 557, BStBl II 2006, 101, Rz 18).
Weitere Voraussetzung für die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ist, dass die begünstigte Veranstaltung oder Vorführung ("Konzert") den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht (Senatsurteil in BFHE 211, 557, BStBl II 2006, 101, Rz 16 sowie BFH-Urteil in BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519). Daher müssen Leistungen anderer Art, die in Verbindung mit diesen Veranstaltungen erbracht werden, von so untergeordneter Bedeutung sein, dass dadurch der Charakter der Veranstaltung als Konzert nicht beeinträchtigt wird (Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Rz 391; Bosche in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 144 Rz 144; Klezath in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Rz 32).
Für die Beurteilung, ob die hier streitige Vorführung den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht, ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Rahmen einer Gesamtbetrachtung maßgeblich (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union Město Žamberk vom 21.02.2013 - C-18/12, EU:C:2013:95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 360, Rz 30 und 33, sowie Pro Med Logistik und Pongratz vom 27.02.2014 - C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, HFR 2014, 470, Rz 57; Senatsurteil vom 22.11.2018 - V R 29/17, BFHE 263, 85, Rz 17).
b) Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass zur Feststellung des dominierenden Zwecks der Veranstaltung eine Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ("Besuchers") vorzunehmen ist. Die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung ist jedoch lückenhaft, sodass es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung fehlt.
aa) Ob die musikalischen Darbietungen der DJs die Veranstaltung prägen, ist grundsätzlich Tatfrage und als solche vom FG zu beurteilen. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (z.B. BFH-Urteile vom 09.05.2017 - IX R 1/16, BFHE 259, 36, BStBl II 2018, 94, Rz 17; vom 02.12.2004 - III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, und vom 20.06.2012 - X R 20/11, BFH/NV 2012, 1778).
bb) Aus der maßgeblichen Perspektive des Durchschnittsverbrauchers (Durchschnittsbesuchers) ist die Regelmäßigkeit der Veranstaltung hier ein ungeeignetes Abgrenzungskriterium. Tritt ein renommierter Künstler (hier: DJ) mit seinem Repertoire auf, verliert die Veranstaltung für den Durchschnittsbesucher nicht dadurch ihr vorzugsbezogenes Gepräge, dass er dies mehrfach oder in regelmäßigen Abständen tut.
Darüber hinaus besagt das Verhältnis der Umsätze (Eintrittskarten und Getränke) im Regelfall nichts darüber, ob es sich bei der Veranstaltung dem Charakter nach um ein Tanzvergnügen oder ein Konzert handelt. Hinsichtlich des vom FG berücksichtigten Umsatzverhältnisses ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Charakter der Veranstaltung als Konzert oder Tanzveranstaltung ausnahmsweise in Abhängigkeit von der "Trinkfreude" der Besucher ändern könnte. Insoweit fehlen zudem Feststellungen des FG hinsichtlich der konkreten Umsatzhöhe aus dem Verkauf von Eintrittskarten und dem Getränkeverkauf. Das FG hat sich auf die Feststellung beschränkt, dass der Erlös aus dem Verkauf von Getränken den aus dem Verkauf von Eintrittskarten "erheblich" überstieg.
Die Selbstbeschreibung des Veranstaltungsorts durch die Klägerin als Partylocation schließt es aus Sicht des Durchschnittsbesuchers nicht aus, dass dort auch Konzerte veranstaltet werden, sofern die Räumlichkeiten geeignet sind, die musikalischen Darbietungen der jeweiligen DJs jedenfalls akustisch wahrzunehmen. In die Würdigung der Beweisanzeichen einzubeziehen ist dabei insbesondere, dass die renommierten DJs im "…" auftreten, der 65 % der Gesamtfläche ausmacht. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, ob der "…" einer Konzerthalle gleicht oder ähnelt und ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, wonach ca. 90 % der Besucher den Musikvorführungen im "…" folgten.
Die Werbung des Veranstalters für die musikalischen Darbietungen hat das FG nur insoweit in seine Würdigung einbezogen, als auf der einen Seite des Werbeflyers zumeist "leicht bekleidete Frauen" erscheinen, nicht aber, dass diese Werbeflyer auf der anderen Seite auch den Ort, das Datum und die Uhrzeit der jeweiligen Veranstaltung angaben sowie den Namen des jeweils auftretenden DJs aufführten.
Schließlich hat das FG nicht nachvollziehbar dargelegt, wie es zu der Folgerung kommt, dass das Erleben des jeweiligen DJ-Auftritts als maßgebliches Motiv eines wesentlichen Teils der Besucher ungewiss sei, obwohl es die Auftritte der renommierten DJs für geeignet hält, Besucher anzuziehen und darüber hinaus auch festgestellt hat, dass die Auftritte dieser DJs zwischen 1 Uhr und 4 Uhr stattfanden, ca. 2,5 bis 3 Stunden dauerten und mit dem Ende des Auftritts auch das Veranstaltungsende eingeläutet wurde.
2. Das FG hat dagegen zu Recht entschieden, dass die Umsatzerlöse aus der Veräußerung von Eintrittskarten nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG unterliegen. Denn die Klägerin hat ihre Leistungen nicht als Schausteller i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erbracht.
a) Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt sich die Steuer für "die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze". Bei den Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller handelt es sich gemäß § 30 UStDV um "Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen".
b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 02.08.2018 - V R 6/16 , BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293) erfasst § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nur die Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht aber auch ortsgebundene Schaustellerunternehmen. Die Steuersatzermäßigung erfordert daher, dass der jeweilige Umsatz auf einer nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung des Steuerpflichtigen beruht und u.a. Musikaufführungen oder ähnliche Veranstaltungen umfasst. Daran fehlt es im Streitfall, da die von der Klägerin veranstalteten Konzerte in gemieteten Räumen und damit ortsfest stattfinden. Unerheblich ist, ob die von der Klägerin engagierten Künstler selbst von Ort zu Ort ziehen, da es im Streitfall um die Beurteilung der Umsätze der Klägerin geht und nicht um diejenigen der jeweiligen Künstler.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird daher zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur Vervollständigung des Gesamtbildes der Verhältnisse an das FG zurückverwiesen. Das FG hat im zweiten Rechtsgang die fehlenden Feststellungen zur Ausgestaltung des "…" und deren (geschätzte) Besucherzahl sowie ggf. zum Verhältnis der Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten und aus dem Getränkeverkauf nachzuholen und sodann im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu darüber zu befinden, ob die Auftritte der DJs nach der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers (Durchschnittsbesuchers) den jeweiligen Veranstaltungen das Gepräge geben.
4. Wegen der Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung ist über den von der Klägerin gerügten Verfahrensverstoß nicht zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2016 – II R 18/15, BFH/NV 2016, 1565, Rz 17).
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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