Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:
Inhaltsverzeichnis
Tz. | Inhalt | Rz. |
1 | Umsatzsteuersatzsenkung | |
1.1 | Befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Gaslieferungen über das Erdgasnetz und Wärme über ein Wärmenetz | 1 |
1.2 | Anwendungsregelung für Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (§ 27 Abs. 1 UStG) | 2 - 4 |
2 | Auswirkungen der befristeten Absenkung der Umsatzsteuersätze | |
2.1 | Anwendungsbereich | 5 - 9 |
2.2 | Anwendungszeitraum | 10 |
3 | Vereinfachungsregelungen | |
3.1 | Abrechnung auf Grundlage des Gastages | 11 |
3.2 | Abrechnung von Gas- und Wärmelieferungen | 12-16 |
3.3 | Gewährung von Jahresboni, Jahresrückvergütungen und dergleichen | 17-18 |
3.4 | Zu hoher Umsatzsteuerausweis in der Unternehmerkette | 19 |
4 | Wiederanwendung des Regelsteuersatzes zum 1. April 2024 | 20 |
1 Umsatzsteuersatzsenkung
1.1 Befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes für Gaslieferungen über das Erdgasnetz und Wärme über ein Wärmenetz
[1] Durch das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz (BGBl 2022 I S. 1743) wird der Umsatzsteuersatz für Gaslieferungen über das Erdgasnetz und die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz befristet vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt. Die Änderung tritt am 1. Oktober 2022 in Kraft.
1.2 Anwendungsregelung für Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (§ 27 Abs. 1 UStG)
[2] Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Änderungen des Umsatzsteuergesetzes auf Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe anzuwenden, die ab dem In-Kraft-Treten der jeweiligen Änderungsvorschrift ausgeführt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 UStG). Werden statt einer Gesamtleistung Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 2 und 3 UStG) erbracht, kommt es für die Anwendung einer Änderungsvorschrift (z. B. der Absenkung und Anhebung der Umsatzsteuersätze) nicht auf den Zeitpunkt der Gesamtleistung, sondern darauf an, wann die einzelnen Teilleistungen ausgeführt werden.
[3] Änderungen des Umsatzsteuergesetzes sind nach § 27 Abs. 1 Satz 2 UStG auf die ab dem In-Kraft-Treten der jeweiligen Änderungsvorschrift ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen auch insoweit anzuwenden, als die Umsatzsteuer dafür - z. B. bei Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen, Vorschüssen - in den Fällen der Istversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4, Buchstabe b oder § 13b Abs. 4 Satz 2 UStG bereits vor dem In-Kraft-Treten der betreffenden Änderungsvorschrift entstanden ist. Die Steuerberechnung ist in diesen Fällen erst in dem Voranmeldungszeitraum zu berichtigen, in dem die Leistung ausgeführt wird (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UStG).
[4] Gas- und Wärmelieferungen sind erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. Die während des Ablesezeitraums geleisteten Abschlagszahlungen führen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Vereinnahmung zum Entstehen der Steuer (Abschnitt 13.1 Abs. 2 Sätze 4 und 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass – UStAE –).
Die unter den Rzn. 2 und 3 genannten Grundsätze haben zur Folge, dass der Gas- oder Wärmeverbrauch eines Kunden auch dann in vollem Umfang dem Steuersatz unterliegt, der am Ende des Ablesezeitraums gilt, wenn zu Beginn dieses Zeitraums noch ein anderer Steuersatz gegolten hat.
2 Auswirkungen der befristeten Absenkung der Umsatzsteuersätze
2.1 Anwendungsbereich
[5] Der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz. Nicht entscheidend ist dabei, um welche Art von Gas es sich handelt (z. B. Biogas oder Erdgas). Ebenso erfasst sind Lieferungen von Gas, das vom leistenden Unternehmer per Tanklastwagen zum Leistungsempfänger für die Wärmeerzeugung transportiert wird. Ermäßigt besteuert wird auch die Einspeisung von Gas in das Erdgasnetz.
[6] Als Lieferung von „Gas über das Erdgasnetz“ gilt auch das Legen eines Gas-Hausanschlusses. Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 4. Februar 2021 (BStBl I S. 312) - zu Hauswasseranschlüssen gelten für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 entsprechend. Ebenso umfasst die Steuersatzermäßigung die Mehr-/Mindermengen-Abrechnung von Gas auf Ebene des Ausspeisenetzbetreibers sowohl im Verhältnis zum Transportkunden als auch im Verhältnis zum Marktgebietsverantwortlichen.
[7] Selbstständige sonstige Leistungen, die nicht Teil einer Gaslieferung sind, unterliegen dem Regelsteuersatz.
[8] Die Einfuhr von Gas über das Erdgasnetz bleibt unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG weiterhin steuerfrei. Bei Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz unter den Bedingungen von § 3g Abs. 1 oder Abs. 2 UStG liegt weder ein innergemeinschaftliches Verbringen noch ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor (vgl. Abschn. 3g.1 Abs. 6 Satz 3 ff UStAE).
[9] Der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt auch für die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz. Begünstigt ist damit die Lieferung von Wärme aus einer Wärmeerzeugungsanlage.
2.2 Anwendungszeitraum
[10] Der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt für Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Wärme über ein Wärmenetz, die vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 bewirkt werden (vgl. Rzn. 2 bis 4).
3 Vereinfachungsregelungen
3.1 Abrechnung auf Grundlage des Gastages
[11] Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer Abrechnungen zum 1. Oktober 2022 6 Uhr und zum 1. April 2024 6 Uhr so behandelt, als wäre die Abrechnung am Vortag um 24 Uhr erfolgt. Ein Unternehmer kann diese Vereinfachungsregelung in Bezug auf den jeweiligen Kunden nur einheitlich anwenden.
3.2 Abrechnung von Gas- und Wärmelieferungen
[12] Die Lieferungen von Gas oder Wärme durch Versorgungsunternehmen an Kunden werden nach Ablesezeiträumen (z. B. vierteljährlich oder jährlich) abgerechnet. Sofern die Ablesezeiträume zu einem Zeitpunkt nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. April 2024 enden, sind grundsätzlich die Lieferungen des gesamten Ablesezeitraums dem ab 1. Oktober 2022 geltenden Umsatzsteuersatz von 7 Prozent zu unterwerfen. Sofern Ablesezeiträume nach dem 31. März 2024 enden, sind grundsätzlich die Lieferungen des gesamten Ablesezeitraums dem Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zu unterwerfen. Werden nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. April 2024 ausgeführte Lieferungen gesondert abgerechnet, gelten die Sätze 2 und 3 für die verkürzten Abrechnungszeiträume entsprechend. Umsatzsteuerrechtlich bestehen keine Bedenken dagegen, diese gesonderten Abrechnungen bei Kunden in der Weise vorzunehmen, dass die Ergebnisse der Ablesezeiträume, die regulär nach dem 30. September 2022 und/oder vor dem 1. April 2024 enden, im Verhältnis der Tage vor und ab dem 1. Oktober 2022 aufgeteilt werden. Für Ablesezeiträume, die regulär nach dem 31. März 2024 enden, können die gesonderten Abrechnungen im Verhältnis der Tage vor und ab dem 1. April 2024 vorgenommen werden. Ist der Ablesezeitraum länger als drei Monate, hat das Versorgungsunternehmen bei der Aufteilung grundsätzlich eine Gewichtung vorzunehmen, damit die Verbrauchsunterschiede in den Zeiträumen vor und ab dem Stichtag entsprechend berücksichtigt werden.
Soweit wesentliche Verbrauchsunterschiede nicht bestehen, kann auf die Gewichtung verzichtet werden. Es bestehen keine Bedenken, wenn hinsichtlich eines Kunden teilweise Abrechnungszeiträume nach Satz 5 und teilweise Abrechnungszeiträume nach Satz 6 abgerechnet werden.
[13] Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten können die Finanzämter auf Antrag ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren für solche Versorgungsunternehmen zulassen, die bei ihren Kunden ein manuelles direktes Inkassoverfahren anwenden. Sofern in diesem Inkassoverfahren bei Kunden mit gleichen Ablesezeiträumen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgelesen wird und sich die Ablesezeiträume unterschiedlich um den 1. Oktober 2022 verteilen, kann zum Ausgleich der unterschiedlichen Ablesezeitpunkte für die letzte Ablesung vor dem 1. Oktober 2022 ein mittlerer Ablesezeitpunkt gebildet werden.
[14] Die Rechnungen an die Kunden sind anhand der nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelten Ergebnissen auszustellen. Spätere Entgeltberichtigungen sowie Änderungen der nach den vorstehenden Grundsätzen vorgenommenen Aufteilung der Lieferungen sind umsatzsteuerlich entsprechend zu berücksichtigen.
[15] Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird es nicht beanstandet, wenn Rechnungen über Abschlagszahlungen, die nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. April 2024 fällig werden, nicht berichtigt werden, sofern dementsprechend Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent abgeführt und erst in der Endabrechnung nach den vorstehenden Grundsätzen zutreffend abgerechnet wird. In diesem Fall wird es auch nicht beanstandet, wenn vorsteuerabzugsberechtigte Kunden aus den Abschlagsrechnungen einen Vorsteuerabzug auf der Grundlage von 19 Prozent geltend machen und der Vorsteuerabzug für die gesamte Leistung erst auf der Grundlage der vorstehenden Endabrechnung auf den zulässigen Wert korrigiert wird.
[16] Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass in Rechnungen, die vor dem 1. Oktober 2022 über die vor diesem Zeitpunkt vereinnahmten Teilentgelte für nach dem 30. September 2022 erbrachte steuerpflichtige Leistungen oder Teilleistungen ausgestellt werden, die Umsatzsteuer nach den nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. April 2024 geltenden Umsatzsteuersatz von 7 Prozent ausgewiesen wird. Die ausgewiesene Umsatzsteuer wird vom Unternehmer geschuldet. Der Leistungsempfänger kann den angegebenen Umsatzsteuerbetrag unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehen, nachdem die Rechnung vorliegt und soweit der Rechnungsbetrag gezahlt worden ist. Eine Berichtigung der Berechnung der vor dem 1. Oktober 2022 entstandenen Umsatzsteuer (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UStG) scheidet in diesen Fällen aus.
Ebenso wird es bei Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG nicht beanstandet, wenn eine vor dem 1. Oktober 2022 vereinnahmte Abschlagszahlung für eine nach dem 30. September 2022 ausgeführte Leistung dem Umsatzsteuersatz von 7 Prozent unterworfen wird.
3.3 Gewährung von Jahresboni, Jahresrückvergütungen und dergleichen
[17] Die Absenkung des Umsatzsteuersatzes zum 1. Oktober 2022 ist bei der Berichtigung der Steuer- und Vorsteuerbeträge nach § 17 Abs. 1 UStG ebenfalls zu berücksichtigen, wenn die Entgelte für die in einem Jahreszeitraum ausgeführten Leistungen gemeinsam (z. B. durch Jahresrückvergütungen, Jahresboni, Treuerabatte und dergleichen) gemindert werden und dieser Jahreszeitraum vor dem 1. Oktober 2022 begonnen hat und nach dem 30. September 2022 endet (z. B. vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022). Soweit die gemeinsamen Entgeltminderungen für die bis zum 30. September 2022 ausgeführten Umsätze gewährt werden, ist folglich bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zugrunde zu legen. Auf den Anteil der gemeinsamen Entgeltminderungen, der auf die Umsätze nach dem 30. September 2022 (z. B. vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2022) entfällt, ist auch für die Steuer- und Vorsteuerberichtigung der Umsatzsteuersatz 7 Prozent anzuwenden. Der Unternehmer hat nach § 17 Abs. 4 UStG den betreffenden Leistungsempfängern einen Beleg zu erteilen, aus dem hervorgeht, wie sich die gemeinsamen Entgeltminderungen auf die Umsätze in den beiden Zeiträumen entsprechend der anzuwendenden Steuersätze verteilen. Zur Vereinfachung kann bei der Aufteilung der gemeinsamen Entgeltminderungen wie folgt verfahren werden:
Der Leistungsempfänger hat bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs von der Aufteilung der gemeinsamen Entgeltminderungen auf die verschiedenen Steuersätze auszugehen, die der Unternehmer vorgenommen und in dem nach § 17 Abs. 4 UStG zu erteilenden Beleg angegeben hat.
[18] Es ist außerdem nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmer von einer Aufteilung der gemeinsamen Entgeltminderungen absieht und der Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ausnahmslos den allgemeinen Steuersatz von 19 Prozent zugrunde legt. Der Leistungsempfänger muss dann bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG entsprechend verfahren.
3.4 Zu hoher Umsatzsteuerausweis in der Unternehmerkette
[19] Hat der leistende Unternehmer für eine nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. November 2022 an einen anderen Unternehmer erbrachte Leistung in der Rechnung den Regelsteuersatz ausgewiesen und diesen Steuerbetrag abgeführt, wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn der Unternehmer in den Rechnungen den Umsatzsteuerausweis nicht berichtigt. Einem zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger wird aus Gründen der Praktikabilität aus einer Rechnung mit einem derartigen Steuerausweis, der i. S. von § 14c Abs. 1 UStG unrichtig ist, auch für die nach dem 30. September 2022 und vor dem 1. November 2022 seitens eines Unternehmers erbrachte Leistung ein Vorsteuerabzug auf Grundlage des ausgewiesenen Steuersatzes gewährt. Für Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldet, gilt dies entsprechend für die vom Leistungsempfänger berechnete Steuer.
4 Wiederanwendung des Regelsteuersatzes zum 1. April 2024
[20] Die vorgenannten Regelungen gelten für die Wiederanwendung des Regelsteuersatzes von 19 Prozent zum 1. April 2024 entsprechend.
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