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BMF: Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug bei Forschungseinrichtungen; Änderung des Abschnitts 2.10 UStAE

Bundesministerium der Finanzen 27. Januar 2023, III C 2 - S 7104/19/10005 :003 (DOK 2023/0087496)

I.

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die Finanzämter den Umfang der unternehmerischen Betätigung und den damit zusammenhängenden Vorsteuerabzug der Forschungseinrichtungen unterschiedlich beurteilten. Um zukünftig den bundeseinheitlichen Vollzug des Umsatzsteuergesetzes sicherzustellen, wird der UStAE um spezielle Regelungen zur Abgrenzung des unternehmerischen vom nichtunternehmerischen Bereich der Forschungseinrichtungen ergänzt.

II.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 27. Januar 2023 -III C 2 – S 7270/20/10002 :001 (2022/1206977), BStBl I S. xxx, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. In der Inhaltübersicht wird die Angabe „2.10. Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug bei Vereinen, Forschungsbetrieben und ähnlichen Einrichtungen“ durch die Angabe „2.10. Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug bei Vereinen, Forschungseinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen“ ersetzt.

2. Abschnitt 2.10 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

2.10. Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug bei Vereinen, Forschungseinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen

b) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 3 wird das Wort „Forschungsbetriebe“ durch das Wort „Forschungseinrichtungen“ ersetzt.

bb) Nach Satz 3 wird folgender Satz 4 eingefügt:

4Zur Unternehmereigenschaft von Forschungseinrichtungen vgl. Absätze 10 und 11.

cc) Der bisherige Satz 4 wird neuer Satz 5 und wie folgt gefasst:

5Vereinnahmen Vereine oder ähnliche Einrichtungen neben echten Mitgliederbeiträgen und Zuschüssen auch Entgelte für Lieferungen oder sonstige Leistungen, sind sie nur insoweit Unternehmer, als ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, nachhaltig entgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen zu bewirken.“

dd) Die bisherigen Sätze 5 bis 11 werden die neuen Sätze 6 bis 12.

c) Absatz 9 Beispiele 6 bis 9 werden gestrichen.

d) Nach Absatz 9 werden die Zwischenüberschrift „Forschungseinrichtungen“ und folgende Absätze 10 und 11 angefügt:

Forschungseinrichtungen

(10) 1Forschungseinrichtungen sind Einheiten, die Forschungsprojekte oder Forschungsprogramme durchführen. 2Abhängig von ihrer Organisation können Forschungseinrichtungen rechtlich selbständige Unternehmer oder unselbständiger Teil des unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereichs einer anderen rechtlich selbständigen Einrichtung sein. 3Zum unternehmerischen Bereich bei Forschungseinrichtungen gehören die Eigenforschung, die Auftragsforschung sowie der weitere Technologietransfer, soweit beabsichtigt ist, die Forschungsergebnisse nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu verwenden. 4Auch die Grundlagenforschung ist dem unternehmerischen Bereich zuzurechnen, wenn sie dazu dient, die unternehmerische Verkaufstätigkeit zu steigern und die Marktposition zu stärken. 5Etwas anderes gilt, wenn Grundlagenforschung in abgrenzbaren Teilbereichen ohne nachhaltige Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird; in diesen Fällen sind die betroffenen Teilbereiche dem nichtunternehmerischen Bereich des Unternehmers zuzuordnen. 6Als abgrenzbare Teilbereiche können organisatorische Einheiten, wie z. B. Institute angesehen werden. 7Dem nichtunternehmerischen Bereich zuzurechnen ist die Erbringung eigenständiger Leistungen, die keine Forschungstätigkeiten sind und ihren Grund im Gesellschaftsvertrag, in der Satzung oder der Zugehörigkeit zu Forschungsorganisationen haben, sofern bei diesen Leistungen von vornherein nicht die Absicht besteht, sie gegen Entgelt zu vermarkten. 8Zum nichtunternehmerischen Bereich gehören regelmäßig die reine Lehre (insbesondere Lehrbeauftragungen und Betreuung von Studierenden), die Ausbildung über den betrieblichen Bedarf hinaus, die Öffentlichkeitsarbeit mit Breitenwirkung (z. B. Tage der offenen Tür, Besucherprogramme, Schülerlabore) sowie die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems. 9Verbietet die Satzung einer Forschungseinrichtung die entgeltliche Verwertung von Forschungsergebnissen, sind diese ebenfalls dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen.

Beispiel 1:

1Die Forschungstätigkeit einer Forschungseinrichtung wird vorwiegend durch echte Zuschüsse der öffentlichen Hand finanziert. 2Außerdem erzielt die Forschungseinrichtung Einnahmen aus der Verwertung der Ergebnisse ihrer Forschungstätigkeit durch Vergabe von Lizenzen an ihren Erfindungen.
3Die Vergabe von Lizenzen gegen Entgelt ist eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. 4Diese Tätigkeit übt die Forschungseinrichtung unternehmerisch aus. 5Die vorausgegangene Forschungstätigkeit steht mit der Lizenzvergabe in unmittelbarem Zusammenhang. 6Sie stellt die Vorbereitungshandlung für die unternehmerische Verwertung der Erfindungen dar und kann daher nicht aus dem unternehmerischen Bereich ausgeschieden werden. 7Auf das Verhältnis der echten Zuschüsse zu den Lizenzeinnahmen kommt es bei dieser Beurteilung nicht an. 8Unter den Voraussetzungen des § 15 UStG ist die Forschungseinrichtung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt. 9Außerdem hat sie für ihre Leistungen Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis zu erteilen. 10Dies gilt nicht, soweit die Forschungseinrichtung in einem abgrenzbaren Teilbereich die Forschung ohne die Absicht betreibt, Einnahmen zu erzielen.

Beispiel 2:

1Eine Forschungseinrichtung untersucht Möglichkeiten einer Verwaltungsvereinfachung im Bereich der Steuerverwaltung. 2Es besteht keine Absicht, die Forschungsergebnisse gegen Entgelt zu vermarkten. 3Die Forschungseinrichtung verwendet eine Datenverarbeitungsanlage. 4Die Kapazität der Anlage ist mit den eigenen Arbeiten nur zu 80 % ausgelastet. 5Um die Kapazität der Anlage voll auszunutzen, überlässt sie die Anlage an einen Unternehmer gegen Entgelt zur Benutzung. 6Die Einnahmen der Forschungseinrichtung bestehen außer dem Benutzungsentgelt nur in Zuschüssen der öffentlichen Hand.
7Die entgeltliche Überlassung der Datenverarbeitungsanlage ist eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. 8Insoweit ist die Forschungseinrichtung Unternehmer. 9Die Leistung unterliegt der Umsatzsteuer. 10Die Unternehmereigenschaft erstreckt sich nicht auf die unentgeltliche Forschungstätigkeit. 11Für die Überlassung der Datenverarbeitungsanlage sind von der Forschungseinrichtung Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Steuer zu erteilen. 12Die Vorsteuern für die Anschaffung und Nutzung der Datenverarbeitungsanlage sind nur im Umfang der Verwendung für die unternehmerische Tätigkeit abzugsfähig (vgl. Abschnitt 15.2b Abs. 2), eine darüber hinausgehende Zuordnung zum Unternehmen ist in Fällen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit i. e. S. nicht möglich (vgl. Abschnitt 15.2c Abs. 2). 13Außerdem können die der entgeltlichen Überlassung der Datenverarbeitungsanlage zuzurechnenden Vorsteuerbeträge, insbesondere in dem Bereich der Verwaltungsgemeinkosten, abgezogen werden. 14Bei Anwendung einer Vereinfachungsregelung der Absätze 6 und 7 kann die Forschungseinrichtung die Vorsteuern für die Verwaltungsgemeinkosten sowie die durch die Anschaffung und Nutzung der Datenverarbeitungsanlage angefallenen Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Nettoeinnahmen aus der Überlassung der Anlage an den Unternehmer zu den öffentlichen Zuschüssen auf den unternehmerischen und den nichtunternehmerischen Bereich aufteilen.

Beispiel 3:

1Eine Forschungseinrichtung untersucht wirtschafts- und steuerrechtliche Grundsatzfragen. 2Zu den Aufgaben der Forschungseinrichtung gehört auch die Erstellung von Gutachten auf diesem Gebiet gegen Entgelt. 3Die Einnahmen der Forschungseinrichtung setzen sich aus echten Zuschüssen der öffentlichen Hand und aus Vergütungen, die für die Gutachten von den Auftraggebern gezahlt worden sind, zusammen.
4Die Erstellung von Gutachten ist eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. 5Die Forschungseinrichtung übt diese Tätigkeit als Unternehmer aus. 6In der Regel wird davon auszugehen sein, dass die Auftraggeber Gutachten bei der Forschungseinrichtung bestellen, weil sie annehmen, dass diese auf Grund ihrer Forschungstätigkeit über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet verfügt. 7Die Auftraggeber erwarten, dass die von der Forschungseinrichtung gewonnenen Erkenntnisse in dem Gutachten verwertet werden. 8Die Forschungstätigkeit steht hiernach mit der Tätigkeit als Gutachter in engem Zusammenhang. 9Sie ist daher in den unternehmerischen Bereich einzubeziehen. 10Vorsteuerabzug und gesonderter Steuerausweis wie im Beispiel 1.

Beispiel 4:

1Eine Forschungseinrichtung untersucht Erzeugnisse, die im Rahmen einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit veräußert werden sollen, auf Beschaffenheit und Einsatzfähigkeit und entwickelt neue Stoffe. 2Die Entwicklungsarbeiten setzen eine gewisse Grundlagenforschung voraus, die durch echte Zuschüsse der öffentlichen Hand gefördert wird. 3Die Forschungseinrichtung ist verpflichtet, die Erkenntnisse, die sie im Rahmen des durch öffentliche Mittel geförderten Forschungsvorhabens gewinnt, der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
4Die Forschungseinrichtung übt mit ihren Lieferungen und sonstigen Leistungen eine unternehmerische Tätigkeit aus. 5Auch die Grundlagenforschung soll dazu dienen, die Verkaufstätigkeit zu steigern und die Marktposition zu festigen. 6Obwohl es insoweit an einem Leistungsaustausch fehlt, steht die Grundlagenforschung in unmittelbarem Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit. 7Die Grundlagenforschung wird daher im Rahmen des Unternehmens ausgeübt. 8Vorsteuerabzug und gesonderter Steuerausweis wie im Beispiel 1.

Beispiel 5:

1Eine Forschungseinrichtung wird vorwiegend durch echte Zuschüsse der öffentlichen Hand finanziert. 2Aufgabe der Forschungseinrichtung ist es, medizinische Forschung auf dem Gebiet der Infektionsbiologie sowie deren praktischer Umsetzung zu betreiben (Grundlagenforschung). 3Die gewonnenen Erkenntnisse werden der Allgemeinheit zugänglich gemacht. 4Darüber hinaus untersucht die Forschungseinrichtung im Auftrag der Industrie Wirkstoffe gegen Viren und Bakterien (Auftragsforschung).
5Lösung wie Beispiel 4.

(11) 1Der unternehmerische Bereich ist bei Forschungseinrichtungen oftmals nur schwierig von deren nichtunternehmerischem Bereich abzugrenzen. 2Zur Vereinfachung kann für die Ermittlung des Prozentsatzes der nicht für das Unternehmen bezogenen Vorsteuern folgendes Berechnungsschema herangezogen werden:

Schritt 1:

Kosten der Gesamtleistung
./. Kosten für Forschung und experimentelle Entwicklung, soweit unternehmerisch (inklusive zurechenbarer allgemeiner Aufwendungen)
./. Kosten des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und der Vermögensverwaltung inklusive zurechenbarer allgemeiner Aufwendungen
= Kosten des nichtunternehmerischen Bereichs

Schritt 2:

Kosten des nichtunternehmerischen Bereichs x 100
:
Kosten der Gesamtleistung
= Prozentsatz der nicht
für das Unternehmen
bezogenen Vorsteuern

3Bei Anwendung des Berechnungsschemas sind nur die vorsteuerbelasteten Kosten zu berücksichtigen. 4Die Kosten der Gesamtleistung können den Werten der Kosten- und Leistungsrechnung der Forschungseinrichtung entnommen werden. 5Als allgemeine Aufwendungen gelten Kosten für den Betrieb und Erhalt der allgemeinen Infrastruktur (z. B. Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Facility Management), der Unternehmensleitung (z. B. Vorstand, Stäbe), der Verwaltung (z. B. Finanzwesen, Controlling, Einkauf) und allgemeine innerbetriebliche Dienstleistungen (z. B. Werkschutz). 6Die unter den übrigen Voraussetzungen abziehbaren Vorsteuern unterliegen einer weiteren Aufteilung, sofern die Forschungseinrichtung die bezogenen Leistungen auch zur Ausführung von Umsätzen verwendet, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 bis 4 UStG ausgeschlossen ist.

III.

Die Regelungen dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

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