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BFH: Verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Korrektur des Zinslaufs in einer Zinsberechnung

  1. Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Ände­rungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Rege­lungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden.
  2. Die Entscheidung über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend BMF-Schreiben vom 15.8.2014, BStBl I 2014, 1174 = SIS 14 21 80, unter 2.b).

AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 233a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 5, § 239 Abs. 1 Satz 1
EStG § 7g Abs. 3 Satz 4

BFH-Urteil vom 13.12.2022, VIII R 16/19 (veröffentlicht am 23.3.2023)

Vorinstanz: FG Köln vom 27.3.2019, 3 K 1602/18 = SIS 20 08 21

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2007 und 2008, die auf höheren Steuerfestsetzungen infolge der Rückgängigmachung des Betriebsausgabenabzugs für in Anspruch genom­mene Investitionsabzugsbeträge beruhen, mit einem Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a der Abgabenordnung (AO) zu berechnen sind und ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) eine Änderung der ergangenen Zinsfestsetzungen be­anspruchen können.

Mit Datum vom 06.05.2013 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanz­amt ‑‑FA‑‑) nach einer Außenprüfung gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte und die Vorbehalte der Nachprüfung aufhebende Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Der höheren Festsetzung der Einkommensteuer lag neben an­deren Sachverhalten in beiden Streitjahren u.a. die gewinnerhöhende Rück­gängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen gemäß § 7g Abs. 3 des Ein­kommensteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung (EStG) zugrunde.

Die Bescheide vom 06.05.2013 enthielten jeweils auch Festsetzungen zu Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO. Zur Einkommensteuer 2007 wurden Zinsen in Höhe von 6.158 € und zur Einkommensteuer 2008 in Höhe von 1.519 € festgesetzt. Der Zinsberechnung für das Streitjahr 2007 legte das FA einen Unterschiedsbetrag zulasten der Kläger in Höhe von 24.150 € zugrunde, den es für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013 verzinste. Für das Streitjahr 2008 betrug der Unterschiedsbetrag zulasten der Kläger 6.900 € und wurde für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 10.05.2013 verzinst.

Die Kläger erhoben am 10.06.2013 Einspruch gegen die "Bescheide über Ein­kommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer" für die Streitjahre.

Mit Schreiben vom 30.12.2013 beantragten die Kläger beim FA "im Rahmen des Einspruchsverfahrens die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 hinsichtlich der bisherigen Verzinsung aufgrund der Nichtinanspruch­nahme des Investitionsabzugsbetrages". Die Rückgängigmachung der Investi­tionsabzugsbeträge in den geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 06.05.2013 sei jeweils ein rückwirkendes Ereignis. Der Zinslauf für den hierauf entfallenden Unterschiedsbetrag beginne gemäß § 233a Abs. 2a AO jeweils erst 15 Monate nach Eintritt des rückwirkenden Ereignisses und nicht gemäß § 233a Abs. 2 AO 15 Monate nach Ablauf der Streitjahre 2007 (am 01.04.2009) und 2008 (am 01.04.2010), in denen die Steuer entstanden sei.

Das FA sah im Schreiben vom 10.06.2013 nur Einsprüche gegen die Festset­zungen zur Einkommensteuer, zum Solidaritätszuschlag und zur Kirchensteuer und erst im Schreiben vom 30.12.2013 Einsprüche gegen die Zinsfestsetzun­gen der Streitjahre. Es verwarf die Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen mit Einspruchsentscheidung vom 20.10.2014 als unzulässig, da die Ein­spruchsfrist abgelaufen war. Eine Wiedereinsetzung der Kläger in die versäum­te Einspruchsfrist lehnte es ab. Die Kläger erhoben anschließend weder gegen die Zinsfestsetzungen vom 06.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung noch isoliert gegen die Einspruchsentscheidung Klage.

Ein weiteres Schreiben der Kläger an das FA vom 07.11.2014 behandelte das FA als Antrag der Kläger, die bestandskräftig gewordenen Zinsfestsetzungen vom 06.05.2013 so zu ändern, dass der Zinsberechnung für den auf die Rück­gängigmachung der Investitionsabzugsbeträge entfallenden Teil-Unterschieds­betrag jeweils ein Zinsbeginn 15 Monate nach dem Erlass der geänderten Ein­kommensteuerbescheide vom 06.05.2013 zugrunde gelegt werde. Das FA ent­schied über dieses Änderungsbegehren zunächst nicht.

Im Rahmen eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens erließ das FA unter dem 13.04.2018 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in de­nen es höhere Fahrtkosten als Betriebsausgaben des Klägers bei den Einkünf­ten aus selbständiger Arbeit berücksichtigte und die Einkommensteuer ent­sprechend niedriger festsetzte.

Auch die Zinsen wurden in den Bescheiden vom 13.04.2018 daraufhin neu festgesetzt. Sie beliefen sich nunmehr für das Streitjahr 2007 auf 5.876 € und für das Streitjahr 2008 auf 1.447 €. Dies beruhte für das Streitjahr 2007 auf einer Minderung der Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 10.05.2013 für einen Unterschiedsbetrag in Höhe von 1.150 €. In der Zinsberechnung für das Streitjahr 2008 berücksichtigte das FA Erstattungszin­sen (71,50 €) und auf der Grundlage eines Unterschiedsbetrags zugunsten der Kläger von 550 € eine Minderung der Nachzahlungszinsen für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 26.02.2015 in Höhe von 159,50 €.

Mit Bescheid vom 26.04.2018 lehnte das FA die in den Schreiben vom 30.12.2013 und 07.11.2014 gestellten und in dem Schreiben vom 18.04.2018 be­kräftigten Anträge der Kläger auf Änderung und Herabsetzung der Zinsfestset­zungen für die Streitjahre ab. Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.04.2018 erhobenen Einspruch wies es als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die anschließend erhobene Klage aus den in Ent­scheidungen der Finanzgerichte 2020, 565 mitgeteilten Gründen ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

Sie beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Köln vom 27.03.2019 ‑
3 K 1602/18 aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26.04.2018 und der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018 die am 13.04.2018 festge­setzten Zinsen, die auf die rückgängig gemachten Investitionsabzugsbeträge für 2007 und 2008 entfallen, für 2007 um 2.133 € und für 2008 um 333 € zu mindern.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das FA die Änderung der Zinsbescheide vom 13.04.2018 zugunsten der Kläger zu Recht abgelehnt hat. Eine verfahrensrechtliche Änderungsvorschrift, aus der die Kläger einen ent­sprechenden Anspruch herleiten können, ist nicht gegeben.

1. Gemäß § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Unterschiedsbeträge bei der festge­setzten Einkommensteuer i.S. des § 233a Abs. 3 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstan­den ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 AO). Soweit die Steuer­festsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalender­jahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten oder der Verlust entstan­den ist (§ 233a Abs. 2a AO). Bei Anwendung des § 233a Abs. 2a AO ist der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslauf­beginn aufzuteilen; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO).

Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung der Frage, ob für die Ermittlung der Nachzahlungszinsen Teil-Unterschiedsbeträge zu bilden und die Zinsen mit einem Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a i.V.m. Abs. 7 Satz 1 AO zu berechnen sind, soweit die festgesetzte Einkommensteuer der Streitjahre auf der Rück­gängigmachung der Investitionsabzugsbeträge als rückwirkendem Ereignis beruht (s. dazu BFH-Urteil vom 11.07.2013 ‑ IV R 9/12, BFHE 242, 14, BStBl II 2014, 609, Rz 20 bis 30). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809) die Anwendung der Regelung in § 233a Abs. 2a AO für den Streitfall ausschließen würde. Selbst wenn die Zinsen materiell-rechtlich ‑‑wie von den Klägern begehrt‑‑ zum Teil unter Berücksichtigung eines späteren Zinsbeginns gemäß § 233a Abs. 2a AO zu berechnen wären, können die Kläger verfahrensrechtlich keine solche Neuberechnung der Zinsen und entsprechende Änderung der Zinsbescheide vom 13.04.2018 verlangen (s. nachfolgend II.2. bis II.4.).

2. Die von den Klägern begehrte Änderung der Zinsbescheide vom 13.04.2018 lässt sich nicht auf § 233a Abs. 5 Satz 1 AO stützen. Diese Vorschrift verlangt zwar die Anpassung eines bestehenden Zinsbescheids an eine geänderte Steu­erfestsetzung. Sie betrifft aber lediglich die Höhe der Zinsen und ermöglicht es nicht, einen (vermeintlich) unzutreffenden Zinslauf zu korrigieren, der der Be­rechnung bereits festgesetzter Nachzahlungszinsen zugrunde liegt.

a) Gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO ist eine Zinsfestsetzung zu än­dern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Diese Vorschrift trägt verfahrensrechtlich der Abhängigkeit der Zinsen (als steuerlicher Nebenleistung) von der Steuer (als der den Zinsen zugrunde liegenden Hauptforderung) Rechnung und regelt ‑‑als lex specialis zu den §§ 172 ff. AO‑‑ abschließend die Folgen, die eine Änderung der Steuer­festsetzung für die Zinsfestsetzung hat (BFH-Urteile vom 18.05.2005 ‑ VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735, unter II.2., und vom 16.01.2019 ‑ X R 30/17, BFHE 263, 310, BStBl II 2019, 362, Rz 18; BFH-Be­schluss vom 17.07.2019 ‑ X B 21/19, BFH/NV 2019, 1217, Rz 21). Sie ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nachgebildet, denn die Einkommensteuerfestset­zung entfaltet hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Steuer als Grundlagen­bescheid Bindungswirkung für die Zinsfestsetzung als Folgebescheid (BFH-Be­schluss vom 14.07.2008 ‑ VIII B 176/07, BFHE 222, 36, BStBl II 2009, 117, unter II.1.c bb [Rz 26]). Das FA hat danach in den Bescheiden vom 13.04.2018 die vorherigen Zinsfestsetzungen zu Recht gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO geändert, da sich die Höhe der festgesetzten Einkom­mensteuer in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre vom 13.04.2018 geändert hat.

b) Ein nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergehender Zinsbescheid setzt den Zins­betrag jeweils neu fest (BeckOK AO/Oosterkamp, 22. Ed. [01.10.2022], AO § 233a Rz 34.3). § 233a Abs. 5 Sätze 2 bis 4 AO regeln als gegenüber § 233a Abs. 3 AO speziellere Vorschriften die Maßstäbe für die im Änderungsbescheid neu vorzunehmende Zinsberechnung und ‑festsetzung (BFH-Beschluss vom 30.08.2010 ‑ VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825, Rz 7). Maßgebend für die än­dernde Zinsberechnung ist gemäß § 233a Abs. 5 Sätze 2 bis 4 AO der Unter­schiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Un­terschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen. Im Übrigen gilt § 233a Abs. 3 Sätze 3 und 4 AO entsprechend.

c) Das FG hat zu Recht ausgeführt, dass bei der Neufestsetzung der Zin­sen aufgrund der Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 AO ein gemäß § 233a Abs. 2a AO geänderter Zinslauf aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses nicht berücksichtigt werden kann.

aa) § 233a Abs. 5 AO eröffnet nur die Möglichkeit zur Korrektur früherer Feh­ler, die die Höhe der festgesetzten Steuer (hier: der Einkommensteuern für 2007 und 2008) als Bemessungsgrundlage der Zinsberechnung betreffen. Werden in einem Einkommensteueränderungsbescheid Mehr- oder Minder­steuern festgesetzt, ohne dass zugleich in einem geänderten Zinsbescheid die erforderlichen zinsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden, dürfen Mehr- oder Minderzinsen, deren Festsetzung bislang versäumt wurde, bei einer spä­teren Änderung der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen der neuen Zins­festsetzung nachträglich erfasst werden (BFH-Beschluss in BFHE 222, 36, BStBl II 2009, 117, unter II.1.c bb [Rz 27] und unter II.1.c cc; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 233a AO Rz 194). Bei der Zinsfestset­zung in einem Änderungsbescheid können ferner im Rahmen der gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 AO angeordneten Hinzurechnung der "festzusetzenden Zinsen" Zinsbeträge, die unbeschadet ihrer tatsächlichen Festsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften hätten festgesetzt werden müssen, nachträglich berücksichtigt werden (BFH-Beschluss vom 11.12.2012 ‑ III B 91/12, BFH/NV 2013, 509, Rz 7).

bb) Berechnungsfehler, die ‑‑wie hier geltend gemacht‑‑ ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen jedoch außer­halb des Anwendungsbereichs der Anpassungspflicht gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Sie können nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Änderungsvorschriften in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden (ebenso Heuermann in HHSp, § 233a AO Rz 186; BeckOK AO/Oosterkamp, a.a.O., § 233a, Rz 35, 36; Koenig/Koenig, Abgaben­ordnung, 4. Aufl., § 233a Rz 73; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO Rz 53; Kögel in Gosch, AO § 233a Rz 136; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 233a, Nr. 45; s.a. BFH-Urteil vom 23.07.2019 ‑ IX R 25/18, BFH/NV 2020, 1, Rz 29, 30).

3. Eine Änderung der Berechnung der Zinsen unter Ansatz eines geänderten Zinsbeginns gemäß § 233a Abs. 2a AO kommt danach nur auf der Grundlage der allgemeinen Korrekturvorschriften gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 129, 172 ff. AO in Betracht. Deren Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Es besteht keine Pflicht des FA aus § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, die Zinsfestsetzungen für die Streitjahre vom 13.04.2018 in­soweit zu ändern. Auch wenn auf der Grundlage des BFH-Urteils in BFHE 242, 14, BStBl II 2014, 609 den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre u.a. die gewinnerhöhende Rückgängigmachung der Investitionsabzugsbeträge zugrunde liegt und auch wenn diese materiell-rechtlich rückwirkenden Ereig­nisse bei der Zinsberechnung (bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Rege­lung in § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG im Streitfall) je­weils mit einem abweichenden Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a Satz 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen wären (s. oben II.1.), sind die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre keine Grundlagenbescheide und die Zinsbescheide der Streitjahre insoweit keine Folgebescheide.

aa) Zwar kann ein Einkommensteuerbescheid auch hinsichtlich seiner unselb­ständigen Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2 AO) als Grundlagenbescheid für einen Folgebescheid Bindungswirkung entfalten, wenn diese Bindungswir­kung ausdrücklich (gesetzlich) angeordnet worden ist (BFH-Urteil vom 18.09.2012 ‑ VIII R 9/09, BFHE 238, 512, BStBl II 2013, 149, Rz 25). An ei­ner solchen gesetzlich angeordneten Bindungswirkung fehlt es im Verhältnis von Einkommensteuer- und Zinsbescheiden jedoch für den Umstand, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung eine Besteuerungsgrundlage wegen eines rückwirkenden Ereignisses i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berücksichtigt wurde. Die Entscheidung über die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ausschließlich und ohne Bindung an die Einkom­mensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend Schreiben des Bundesministeri­ums der Finanzen vom 15.08.2014, BStBl I 2014, 1174, unter 2.b).

bb) Von der fehlenden Bindungswirkung der Einkommensteuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung und einer deshalb nicht bestehenden Anpassungspflicht des FA gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist im Kern auch das FG in seinen Ausführungen auf Seiten 10 ff. des angefochtenen Urteils ausgegangen. Zwar hat es diese Frage nur im Rahmen der abgelehnten Verpflichtung des FA, die Zinsbescheide vom 13.04.2018 gemäß § 233a Abs. 5 AO zu ändern, erörtert und eine Anpassungspflicht des FA gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO selbst nicht geprüft. Selbst wenn der Senat das FG-Ur­teil wegen der fehlenden Prüfung dieser Änderungsnorm als rechtsfehlerhaft beurteilen würde, wäre die Entscheidung des FG aber jedenfalls im Ergebnis richtig und die Revision der Kläger gemäß § 126 Abs. 4 FGO als unbegründet zurückzuweisen, da keine Anpassungspflicht des FA hinsichtlich der Zinsbe­scheide aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO besteht. Ob der Senat sich den sonstigen Erwägungen des FG zur Begründung seiner Entscheidung anschlie­ßen könnte, bedarf aus diesem Grund ebenfalls keiner weiteren Vertiefung.

b) Schließlich ist dem FG auch darin zuzustimmen, dass die Kläger keine Än­derung der Zinsbescheide vom 13.04.2018 gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 129 Satz 1 AO verlangen können.

aa) Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 AO sind einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbare mechanische Versehen wie bei­spielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Dagegen schlie­ßen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts, die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14.01.2020 ‑ VIII R 4/17, BFHE 268, 2, BStBl II 2020, 433, Rz 16; vom 10.03.2020 ‑ IX R 29/18, BFHE 268, 407, BStBl II 2020, 698, Rz 17.

bb) Letzteres ist hier der Fall. Die Feststellung des FG, das FA habe bei Erlass der Zinsbescheide vom 06.05.2013 und vom 13.04.2018 wegen seiner Rechts­auffassung die Regelung zum besonderen Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a AO bewusst nicht angewendet, ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Die bewusste Nichtanwendung einer Rechtsnorm durch das FA begründet keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit.

c) Auch eine Änderung der Zinsfestsetzungen vom 13.04.2018 gemäß § 177 Abs. 2 AO hat das FG zutreffend abgelehnt. Da die Zinsen in den Bescheiden vom 06.05.2013 bestandskräftig festgesetzt worden waren und die Zinsen in den Bescheiden vom 13.04.2018 zugunsten der Kläger herabgesetzt wurden, besteht mangels eines Änderungsrahmens für eine saldierende Fehlerkorrektur zugunsten der Kläger kein Raum.

4. Der mit der Revision vorgebrachte Einwand der Kläger, das FG habe rechts­fehlerhaft nicht geprüft, ob das FA ihnen die Wiedereinsetzung in die versäum­te Einspruchsfrist gegen die am 06.05.2013 ergangenen Zinsfestsetzungen hätte gewähren müssen, greift nicht durch. Für das FG bestand keine Veran­lassung, diese Frage zu prüfen.

a) Die Auslegung des Einspruchs als vorprozessualer Rechtsbehelf ist Gegen­stand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist, soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH kann die Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob das FG die anerkannten Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Allerdings ist revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar, ob der Einspruch überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hie­ran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Richtet sich der Einspruch zunächst ausdrücklich nur gegen einzel­ne miteinander verbundene Verwaltungsakte und wird er nach Ablauf der Ein­spruchsfrist erweitert, steht der Anfechtung dieses Bescheids die Bestands­kraft entgegen (BFH-Urteil vom 29.10.2019 ‑ IX R 4/19, BFHE 266, 126, BStBl II 2020, 368, Rz 17, 18, m.w.N.).

b) Es ist nach diesen Vorgaben nicht zu beanstanden, dass das FG wie das FA das Schreiben der Kläger an das FA vom 10.06.2013 nur als Einsprüche gegen die Steuerfestsetzungen vom 06.05.2013 und nicht auch als Einsprüche gegen die mit diesen Festsetzungen verbundenen Zinsfestsetzungen beurteilt hat. Die Zinsfestsetzungen wurden in dem Schreiben der Kläger vom 10.06.2013 nicht erwähnt. Es war nicht auslegungsbedürftig, sodass kein Raum für eine ander­weitige Auslegung durch den Senat besteht. Erst das folgende Schreiben der Kläger an das FA vom 30.12.2013 beinhaltete Einsprüche gegen die Zinsfest­setzungen für die Streitjahre vom 06.05.2013. Diese wurden aber erst nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben und mit der Einspruchsentscheidung des FA vom 20.10.2014 gemäß § 358 Satz 2 i.V.m. § 355 AO als unzulässig verwor­fen.

c) Das FG musste entgegen der Auffassung der Kläger nicht prüfen, ob den Klägern die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gegen die Zins­bescheide vom 06.05.2013 zu gewähren ist. Die Kläger haben die Einspruchs­entscheidung vom 20.10.2014, in der das FA die Gewährung der Wiedereinset­zung abgelehnt hat, weder zusammen mit den Zinsbescheiden (§ 44 Abs. 2 FGO) noch isoliert mit der Klage angefochten. Diese Einspruchsentscheidung ist formell unanfechtbar geworden und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem es allein um die Ablehnung einer Änderung der Zinsbe­scheide für die Streitjahre vom 13.04.2018 durch den Bescheid vom 26.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2018 geht.

d) Da die Kläger die Zinsbescheide vom 06.05.2013 nicht rechtzeitig mit einem Einspruch angefochten hatten, wurden diese Zinsbescheide mit Ablauf der Ein­spruchsfrist formell unanfechtbar (BFH-Beschluss in BFH/NV 2019, 1217, Rz 16, 17).

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

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  • Notiz-Funktion
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    Notiz-Funktion in der SIS-Datenbank!

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  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

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