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BFH: Keine Heilung der sachlichen Unzuständigkeit durch Einspruchsentscheidung der sachlich und örtlich zuständigen Behörde

  1. Wird ein Erlassantrag von einer sachlich unzuständigen Behörde abgelehnt, ist die Klage auch dann gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO gegen diese Ausgangs­behörde zu richten, wenn die Einspruchsentscheidung von der für die Aus­gangsentscheidung sachlich und örtlich zuständigen Behörde getroffen wird.
  2. Der Heilungstatbestand des § 126 AO erfasst nicht den Mangel der fehlen­den sachlichen Zuständigkeit.
  3. Die rechtswidrige Ablehnung des Erlasses einer Kindergeldrückforderung durch eine sachlich unzuständige Behörde wird nicht dadurch rechtmäßig, dass die für die Prüfung des Erlasses sachlich und örtlich zuständige Familienkasse den Einspruch gegen den Ausgangsbescheid als unbegründet zurückweist.
  4. Stellt die Einspruchsbehörde im Rahmen der gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO durchzuführenden umfassenden Prüfung der Erlassablehnung fest, dass die Ausgangsbehörde sachlich unzuständig war, hat sie deren Ausgangsbescheid aufzuheben und durch einen neuen Ausgangsbescheid erstmals selbst über den Erlassantrag zu entscheiden. Im Falle der Erlassablehnung steht dem An­tragsteller dagegen der Einspruch offen.

FGO § 44 Abs. 2, § 63 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1
AO § 19 Abs. 1 Satz 1, § 126, § 127, § 128, § 367 Abs. 2 Satz 1

BFH-Urteil vom 19.1.2023, III R 2/22 (veröffentlicht am 6.4.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 21.12.2021, 1 K 2235/18 Kg,AO = SIS 22 01 67

I. Streitig ist der Erlass einer Kindergeldrückforderung.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt aufgrund eines Abzwei­gungsbescheids vom 08.05.2014 laufend Kindergeld für sich selbst. Im Oktober 2014 beendete sie ihre Ausbildung vorzeitig, wovon die zuständige Familienkasse Nordrhein-Westfalen (NRW) Nord erst im Jahr 2016 Kenntnis erlangte. Die Familienkasse NRW Nord hob deshalb gegenüber dem Vater der Klägerin die Kindergeldfestsetzung auf und forderte mit Bescheid vom 08.12.2016 von der Klägerin als Abzweigungsempfängerin das für den Zeitraum November 2014 bis einschließlich Juli 2016 gezahlte Kindergeld zurück. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Die Durchführung des Rückforderungsverfahrens übernahm die Beklagte und Revisionsklägerin (Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse ‑‑Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse‑‑).

Am 15.11.2017 beantragte die Klägerin den Erlass dieser Rückforderung. Zur Begründung gab sie an, dass sie während des Rückforderungszeitraums Leis­tungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen habe, bei denen die Kindergeldzahlungen in vollem Umfang angerechnet worden seien. Mit Be­scheid vom 21.02.2018 erließ die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse eine Teilforderung in Höhe von 184 € und lehnte den Erlassantrag im Übrigen unter Hinweis auf die Verletzung der Mitwirkungs­pflicht der Klägerin ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Fami­lienkasse NRW Nord mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2018, bekanntgegeben mit Schreiben vom 21.06.2018, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie an, die Klägerin habe die vorzeitige Beendi­gung ihrer Ausbildung trotz entsprechender Hinweise der Familienkasse NRW Nord nicht mitgeteilt. Hierdurch sei die Rückforderung verursacht worden. Eine sachliche Unbilligkeit sei wegen der Verletzung der Mitwirkungspflicht zu verneinen. Aus demselben Grund sei die Klägerin auch persönlich nicht erlasswürdig.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als die Klägerin die Auf­hebung des Ablehnungsbescheids vom 21.02.2018 und der Einspruchsent­scheidung vom 17.05.2018 begehrte. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Verpflichtung der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Famili­enkasse zum Ausspruch des begehrten Erlasses beantragte, wies das FG die Klage als unbegründet ab.

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

Die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse bean­tragt,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben wur­de, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu bean­standender Weise davon ausgegangen, dass sich die Klage gegen die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse richtet (dazu unter 1.). Ferner ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Ablehnung des Erlasses durch eine sachlich unzuständige Behörde ausgesprochen wurde (dazu unter 2.) und dass dieser Mangel nicht aufgrund der nachfolgenden Ein­spruchsentscheidung geheilt wurde oder unbeachtlich ist (dazu unter 3.).

1. Die Klage richtet sich infolge rechtsschutzgewährender Auslegung gegen die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse.

a) Nach § 63 Abs. 1 FGO ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO) oder die den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abge­lehnt hat (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Dabei bedeutet die Bezugnahme auf den "ursprünglichen" Verwaltungsakt, dass nur die Ausgangsbehörde und nicht et­wa die Rechtsmittelbehörde beteiligt sein soll. Daher ist sie und nicht die Fami­lienkasse NRW Nord als Rechtsmittelbehörde beteiligt (Senats­urteil vom 25.02.2021 ‑ III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 13 ff.; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 63 FGO Rz 20, 24 f.).

b) Es liegt auch kein Fall des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO vor. Diese Vorschrift erfor­dert einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit (z.B. durch Wohnsitzwechsel) vor Erlass der Einspruchsentscheidung (Schallmoser in HHSp, § 63 FGO Rz 36). Zwar hat es der Bundesfinanzhof (BFH) für möglich gehalten, die Vor­schrift auch für den Fall analog anzuwenden, dass die örtliche Zuständigkeit bereits vor Erlass des Ausgangsbescheids auf eine andere Behörde übergegan­gen und die Einspruchsentscheidung von der örtlich zuständigen Behörde ge­troffen worden ist (BFH-Beschluss vom 28.01.2002 ‑ VII B 83/01, BFH/NV 2002, 934, unter II.1.a). Insofern kann der erkennende Senat dahingestellt lassen, ob er sich dem anschließen könnte. Denn diese Sachverhaltskon­stellation lag im Streitfall nicht vor. Bei der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse trat vor Erlass des Ausgangsbescheids kein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit ein. Vielmehr hat diese als von Beginn an sachlich unzuständige Behörde entschieden (z.B. Senatsurteil vom 07.07.2021 ‑ III R 21/18, BFH/NV 2021, 1457, Rz 19). Damit war keine der in § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO geforderten Voraussetzungen gegeben. Die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse war nicht die ursprüng­lich zuständige Behörde, es trat keine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit ein und es kam zu keiner Zuständigkeitsveränderung zwischen dem Erlass des Ausgangsbescheids und dem Erlass der Einspruchsentscheidung.

Die Klage richtete sich ‑‑entgegen der Auffassung der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse‑‑ auch nicht deshalb gegen die Familienkasse NRW Nord, weil die durch letztere erlassene Einspruchsentscheidung zu einer Heilung des Zuständigkeitsmangels geführt hat. Denn eine solche Heilung trat nicht ein (dazu unter 3.).

Überdies erscheint es für die Klägerin auch nicht als zumutbar, dass sie bereits bei der Erhebung der Klage das Ergebnis der erst im Rahmen der Begründetheit der Klage vorzunehmenden Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Aus­gangsbescheids vorwegnehmen und aufgrund einer mehrfach analogen An­wendung des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO den richtigen Beklagten bestimmen muss. Daher bleibt es bei der gesetzlichen Grundregel des § 63 Abs. 1 Nr. 2 FGO, wonach die Klage gegen die Behörde zu richten ist, die den beantragten Ver­waltungsakt abgelehnt hat.

2. Das FG hat den Bescheid vom 21.02.2018, durch den der beantragte Erlass von der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse ab­gelehnt wurde, zu Recht aufgehoben, weil dieser rechtswidrig ist und die Klä­gerin in ihren Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 FGO). Denn dieser Bescheid wur­de von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass die Konzentration der Auf­gaben des Erhebungsverfahrens ‑‑insbesondere der Erlass und die Stundung von Kindergeldrückforderungen‑‑ bei der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse und der Familienkasse NRW Nord rechtswidrig ist (Senatsurteile in BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712; vom 25.02.2021 ‑ III R 28/20, BFH/NV 2021, 1100, und in BFH/NV 2021, 1457). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

3. Zu Recht ist das FG weiter davon ausgegangen, dass der Mangel der sachli­chen Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Fa­milienkasse nicht durch die nachfolgende Einspruchsentscheidung der Famili­enkasse NRW Nord geheilt wird und dass auch diese Ein­spruchsentscheidung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 FGO).

a) Eine Heilung des Mangels der fehlenden sachlichen Zuständigkeit der Agen­tur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse ergibt sich nicht aus § 126 der Abgabenordnung (AO). § 126 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 AO enthält ei­nen Katalog von Verfahrens- und Formvorschriften, deren Verletzung einer Heilung durch Nachholung des unterbliebenen Verfahrensschritts oder der nicht beachteten Formanforderung zugänglich ist. Da der Katalog nicht nur beispielhaft formuliert wurde und die Vorschrift Ausnahmecharakter hat, ist die Aufzählung als abschließend zu betrachten (von Wedelstädt in Gosch, AO § 126 Rz 1, 5; Rozek in HHSp, § 126 AO Rz 16; Seer in Tipke/Kruse, § 126 AO Rz 3; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 29.09.1982 ‑ 8 C 138/81, BVerwGE 66, 178, zum Fall des nachträglichen Zu­wachses der Verwaltungskompetenz).

b) Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit wurde auch nicht durch die Gesamtüberprüfung des Streitfalls im Einspruchsverfahren geheilt.

aa) Nach § 44 Abs. 2 FGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Obwohl diese Regelung nur die Anfechtungsklage nennt, ist sie nach ständiger Recht­sprechung und Praxis des BFH auch auf die Verpflichtungsklage anzuwenden, wenn diese die Anfechtung eines ablehnenden Verwaltungsakts in sich aufge­nommen hat (BFH-Urteil vom 10.05.1983 ‑ VII R 130/81, juris, unter II.1.a, m.w.N.; z.B. Senatsurteil vom 23.10.2019 ‑ III R 14/18, BFHE 266, 526, BStBl II 2020, 785, Rz 8; ebenso Steinhauff in HHSp, § 44 FGO Rz 311; Krumm in Tipke/Kruse, § 44 FGO Rz 24). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor, da die Verpflichtungsklage auch die Anfechtung der Ablehnung des Erlasses mit­umfasst.

bb) Der Gesetzgeber geht daher nicht davon aus, dass die Einspruchsent­scheidung an die Stelle des Ausgangsbescheids tritt. Vielmehr bleibt der Aus­gangsbescheid Verfahrensgegenstand und es sind nur die Änderungen zu be­rücksichtigen, die der Ausgangsbescheid durch die Einspruchsentscheidung erfahren hat. Obwohl es sich formal weiter um zwei Verwaltungsakte handelt, bilden der Ausgangsbescheid und die Einspruchsentscheidung einen Verbund (BFH-Beschluss vom 29.06.1999 ‑ VII B 303/98, BFH/NV 1999, 1585, unter 1.) und eine Verfahrenseinheit (BFH-Urteil vom 19.05.1998 ‑ I R 44/97, BFH/NV 1999, 314, unter II.1.).

cc) Zur "Gestalt" des Verwaltungsakts i.S. des § 44 Abs. 2 FGO gehören der Verfügungssatz und die tragenden Gründe (von Beckerath in Gosch, FGO § 44 Rz 172). Da sich die nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO durchzuführende Prüfung auch auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörde er­streckt (Senatsurteil vom 19.01.2017 ‑ III R 31/15, BFHE 256, 502, BStBl II 2017, 642, Rz 20), kann auch ein Mangel der sachlichen Zuständigkeit im Ein­spruchsverfahren korrigiert werden. Eine Korrektur muss jedoch auch tatsäch­lich durchgeführt werden. Diese erfolgt dadurch, dass die Einspruchsbehörde den Bescheid der sachlich unzuständigen Ausgangsbehörde aufhebt und erst­mals selbst entscheidet. Diese Entscheidung hat jedenfalls dann, wenn es sich ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ um eine Ermessensentscheidung handelt, in Form eines Ausgangsbescheids zu erfolgen, damit dem Betroffenen (bzw. im Streit­fall der Klägerin als Abzweigungsempfängerin) der volle außergerichtliche Rechtsschutz mit einer Prüfung durch zwei Stellen der Verwaltung erhalten bleibt.

dd) Soweit sich die Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Famili­enkasse zur Begründung ihrer Auffassung auf Stimmen aus der Rechtspre­chung (Urteile des FG Berlin-Brandenburg vom 17.06.2020 ‑ 7 K 14045/18, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2020, 1284; des FG Münster vom 03.12.2020 ‑ 3 K 2344/20, EFG 2021, 337; des FG Düsseldorf vom 14.06.2021 ‑ 9 K 2976/20 AO, juris, und vom 28.09.2021 ‑ 9 K 465/21 AO, Anwalt/Anwältin im Sozialrecht 2021, 273) und der Literatur (Wackerbeck in HHSp, § 16 AO Rz 55; Schmieszek in Gosch, AO § 16 Rz 17) beruft, vermag der Senat hieraus keine für diese Auffassung sprechenden Argumente abzulei­ten.

Soweit das FG Berlin-Brandenburg von einer Zuständigkeit der Einspruchsbe­hörde aufgrund der entsprechenden Vorstandsbeschlüsse der Bundesagentur für Arbeit ausgeht, widerspricht dies bereits dem Senatsurteil in BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 41. Dass die Einspruchsbehörde nach § 367 Abs. 2 AO eine umfassende Prüfung vorzunehmen hat, ist zwar zutreffend, hilft aber nicht für den Fall, dass die Einspruchsbehörde dieser Verpflichtung ‑‑wie im Streitfall in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörde‑‑ nicht entsprochen hat. Dass Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden können, ist ohne Belang, da die sachliche Zuständigkeit zum einen nicht im Ermessen der Behörde liegt und zum anderen von einer "Nachholung" ohnehin nicht ausgegangen werden könnte, wenn sich die Ein­spruchsbehörde mit der Frage der sachlichen Zuständigkeit der Ausgangsbe­hörde gar nicht befasst.

Die Ablehnung einer Heilung beinhaltet in einem Fall wie dem vorliegenden auch keinen bloßen Formalismus, sondern folgt aus dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung. Für den von einer solchen Entscheidung betroffenen Kläger muss aus der Entscheidung der für den Einspruch zuständigen Behörde hervorgehen, wogegen er sein Rechtsschutzbegehren richten soll. Kommt die Ein­spruchsbehörde aufgrund ihrer umfassenden Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Ausgangsbehörde sachlich unzuständig war, hebt sie den Ausgangsbe­scheid auf, erlässt selbst einen Ausgangsbescheid und belehrt den Betroffenen über die ihm dagegen zustehende Einspruchsmöglichkeit. Geht die Einspruchs­behörde dagegen von einer bestehenden sachlichen Zuständigkeit der Aus­gangsbehörde aus und prüft sie deshalb deren Sachentscheidung, kann sich der Betroffene darauf beschränken, die Ausgangsbehörde zu verklagen, und die Klage ‑‑mithilfe der Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit‑‑ nur auf eine Aufhebung des Ablehnungsbescheids richten. Folgte man dagegen der Auffassung der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familien­kasse, dass auch eine "zufällige" sachliche Zuständigkeit der Einspruchsbehör­de ohne weitere Erläuterung in den Gründen der Einspruchsentscheidung zu einer Heilung führen kann, wird für den Betroffenen zum einen nicht klar, ge­gen welche Behörde er Rechtsschutz begehren soll. Zum anderen läuft er ‑‑wie das erstinstanzliche Urteil im Streitfall zeigt‑‑ Gefahr, wegen des zu weit gefassten Rechtsschutzziels einen Teil der Kosten auferlegt zu bekommen, ob-wohl die Ursache für die Zuständigkeitsunklarheit und die fehlende Möglichkeit des FG, über die eigentliche Sache entscheiden zu können, von der Verwaltung gesetzt wurde.

ee) Übertragen auf die Verhältnisse des Streitfalls bedeutet dies, dass die Fa­milienkasse NRW Nord den Mangel der sachlichen Zuständig­keit durch die Einspruchsentscheidung nicht geheilt hat. Die Familienkasse NRW Nord hat den Ablehnungsbescheid der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse vom 21.02.2018 weder aufgehoben noch erstmals selbst einen Ausgangsbescheid erlassen. Sie hat den Ausgangsbescheid nur auf seine materielle Rechtmäßigkeit hin überprüft und ihn dann in vollem Umfang als rechtmäßig bestätigt.

Bestätigt die Einspruchsentscheidung den ursprünglichen Verwaltungsakt, so bleibt es bei der "ursprünglichen Gestalt", dem ursprünglichen Inhalt des Aus­gangsbescheids (Krumm in Tipke/Kruse, § 44 FGO Rz 24). Die Einspruchsent­scheidung vom 17.05.2018 bedeutet deshalb nicht, dass die Familienkasse NRW Nord selbst den von der Klägerin begehrten Erlass abge­lehnt hat. Indem sie durch die Zurückweisung des Einspruchs den Ausgangs­bescheid der Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkas­se gebilligt hat, hat sie die Entscheidung nicht zu ihrer eigenen gemacht (vgl. BVerwG-Urteil vom 16.07.1968 ‑ I C 81.67, BVerwGE 30, 138; Verwaltungs­gerichtshof ‑‑VGH‑‑ Baden-Württemberg vom 18.12.2012 ‑ 10 S 2058/11, Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg 2013, 301, Rz 30). Insoweit kommt auch keine nach § 128 Abs. 1 AO mögliche Umdeutung der Ein­spruchsentscheidung in eine "eigene Ablehnung des Erlasses" in Betracht, da die Einspruchsbehörde dann zusätzlich auch den Ausgangsbescheid hätte auf­heben müssen (vgl. Beschluss des Bayerischen VGH vom 22.05.2012 ‑ 11 BV 11.964, juris, Rz 3). Die von der Ausgangsbehörde zu Unrecht (mut­maßlich) aus Nr. 2.4. des Vorstandsbeschlusses Nr. 15/2016 vom 14.04.2016 (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit Nr. 5/2016) abgeleitete sachliche Zuständigkeit wurde daher nicht korrigiert, sodass der Ausgangs­bescheid auch in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig blieb.

4. Schließlich hat der Senat in den Urteilen in BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712 und in BFH/NV 2021, 1100 bereits entschieden, dass auch § 127 AO einer Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsakts, der von der ‑‑sachlich unzu­ständigen‑‑ Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service Familienkasse im Erhebungsverfahren getroffen wurde, nicht entgegensteht und es sich bei der Entscheidung über einen Erlass zudem um eine Ermessensentscheidung handelt, auf die § 127 AO grundsätzlich keine Anwendung findet.

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat ergänzend darauf hin, dass nach seiner Auffassung die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse für die Ent­scheidung über den Erlass einer gegenüber einem Abzweigungsempfänger gel­tend gemachten Rückforderung an den Wohnort des Kindergeldberechtigten anknüpft, dessen Kindergeld abgezweigt wird. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohn­sitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen. Dem Betroffenen steht im Fall der Steuervergütung Kinder­geld (§ 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes) der Kindergeldberechtigte gleich. Die örtliche Gesamtzuständigkeit der Wohnsitzfamilienkasse (s. dazu Senatsurteil in BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 23) umfasst daher Erhe­bungsfragen auch dann, wenn Dritte, wie z.B. der Abzweigungsempfänger, be­troffen sind. Auf den Wohnort des Abzweigungsempfängers kommt es daher nicht an.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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