Newsletter des Finanzgerichts Hamburg 2/2022
Finanzgericht Hamburg 1.7.2022
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Besonders interessante Entscheidungen
- Vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen
- Die vorläufige Festsetzung von Erstattungszinsen für Zeiträume ab 2019 kann nicht ermessensfehlerfrei aufgehoben und die Entscheidung über die Zinsfestsetzung ausgesetzt werden nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO.
- Eine auf Aufhebung eines Vorläufigkeitsvermerks zur Festsetzung von Erstattungszinsen gerichtete Klage ist nicht deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig, weil eine Änderung des Zinsbescheides zuungunsten der Kläger ohnehin nicht erfolgen kann (so aber FG Münster, Urteil vom 14. September 2006, 3 K 4376/04 Erb, EFG 2007, 83), denn der Kläger ist bereits durch die sich aus der Vorläufigkeit ergebende Rechtsunsicherheit beschwert.
- Die Anordnung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Erstattungszinsen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat war ermessensfehlerhaft, weil bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung feststand, dass eine spätere Änderung der Steuerfestsetzung wegen § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausschied.
- Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bei Umzug ins Ausland
- Fasst der Steuerpflichtige den Entschluss, seine Wohnung im Inland aufzugeben und dauerhaft ins Ausland umzuziehen, wird der inländische Wohnsitz bis zum tatsächlichen Verlassen der Wohnung am Umzugstag beibehalten.
- Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland endet in diesem Fall in dem Moment, in dem der Steuerpflichtige am Umzugstag das Inland verlässt.
- Der Tag des Umzugs ins Ausland zählt noch zum Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht.
- Bei einer Nettolohnvereinbarung fließt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auszahlung eines sonstigen Bezuges grundsätzlich auch der Lohn in Form der vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer zu.
- Steuerfreie Vermietung von Zimmern an Prostituierte in sog. Steigen?
Eine steuerfreie Vermietungsleistung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn bei der Nutzungsüberlassung von Zimmern in einer sog. Steige an Prostituierte zusätzliche für die Ausübung der Prostitution wesentliche Leistungen erbracht werden, wie das Vorhalten von sog. Wirtschaftern, die für einen reibungslosen Betrieb in der Steige sorgen und die Möglichkeit eröffnet wird, auf einer bestimmten Fläche im öffentlichen Raum, die informell der Steige "zugewiesen" ist, exklusiv, d.h. unter Ausschluss "steigenfremder" Prostituierter, Freier zu akquirieren. Gleiches gilt, wenn statt des Straßenraumes ein sog. Kober für die Akquisition genutzt werden kann.
Urteil vom 17.5.2022 (2 K 9/20), vorläufig nicht rechtskräftig.
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