Am 19.1.2023 veröffentlichte Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Niedersächsisches Finanzgericht, Newsletter 1/2023 vom 19. Januar 2023
Wichtiger Hinweis für Steuerberaterinnen und Steuerberater: Seit dem 1. Januar 2023 sind Steuerberaterinnen und Steuerberater verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen an Finanzgericht über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (bESt) einzureichen, wenn ihnen dieses zur Verfügung steht (s. § 52d Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung). Insbesondere die Klageerhebung auf anderem Weg (etwa per Fax oder per Briefpost) führt zur Unzulässigkeit der Klage.
Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zur Durchführung eines ärztlich verordneten Funktionstrainings (Wassergymnastik) keine außergewöhnlichen Belastungen
Der 9. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hatte sich im Urteil vom 14. Dezember 2022 (9 K 17/21) mit der Frage zu befassen, inwieweit Aufwendungen für die Durchführung von Funktionstraining (ärztlich verordnete Wassergymnastik) in einem Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurde einer behinderten Klägerin (GdB 30) zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, zur funktionalen Verbesserung und zur Schmerzreduktion ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Die zuständige Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining. Nachdem die Klägerin die Wassergymnastikkurse zunächst in einem Verein durchgeführt hatte, entschied sie sich schließlich, die Kurse in einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Fitnessstudio zu absolvieren. Das Funktionstraining wurde hier von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. Voraussetzung dafür war jedoch, dass sich die Klägerin als Mitglied im Fitnessstudio anmelden und den (reduzierten) Beitrag für das auf die Teilnahme an den verordneten Kursen zugeschnittene Modul („Wellness und Spa“) bezahlen musste. Neben der Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining beinhaltete der Beitrag auch noch die Saunabenutzung und weitere Aqua-Fitnesskurse. Das Fitnessstudio stellte der Klägerin auch noch den wöchentlichen Beitrag für den Reha-Verein, der das Funktionstraining durchführte, in Rechnung.
Vergeblich machte die Klägerin ihre Gesamtkosten (Fitnessstudiobeitrag, Reha Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) als Teil ihrer Heilbehandlungskosten im Sinne von § 33 EStG geltend.
Das Niedersächsischen Finanzgerichts gab der Klage nur zum Teil statt. Es vertritt die Auffassung, dass die Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge für ein für die Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining zugeschnittenes Grundmodul (im Streitfall: „Wellness und Spa“) jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG darstellen, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (im Streitfall: Saunanutzung; Aqua Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist. Gegen die Zwangsläufigkeit spricht danach insbesondere, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen zu können. Allein die räumliche Nähe des Fitnessstudios zum Wohnort, die Einsparung von Park- und Fahrtkosten sowie die größere zeitliche Flexibilität hinsichtlich der Durchführung und Nachholung der Kurse könnten die Zwangsläufigkeit der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio nicht begründen.
Das Finanzgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob etwas Anderes gelten könne, wenn dem Steuerpflichtigen zur Durchführung der ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung steht.
Erfolg hatte die Klage jedoch hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der zwangsläufig angefallenen Beiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurses in einem Fitnessstudio durchführt. Diese zählen nach Überzeugung des Finanzgerichts zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Heilbehandlungskosten. Zum Abzug zuzulassen waren nach Auffassung des 9. Senats zudem die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Durchführung der ärztlich verordneten Kurse anfallen. Diese teilten das Schicksal der Kurskosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten (im Streitfall: Übernahme der Kurskosten durch die Krankenkasse) und stellten daher ebenfalls außergewöhnliche Belastungen dar.
Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Sofern die Revision auch eingelegt wird, erhält der BFH aufgrund der großen Breitenwirkung der Problematik Gelegenheit, höchstrichterlich zu klären, ob und ggf. inwieweit bei medizinischer Indikation der Behandlung die Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio – gerade auch in den Fällen, in denen wie im Streitfall mindestens ein auf die Behandlung zugeschnittenes Grundmodul für die Ableistung der Kurse gebucht werden muss – außergewöhnliche Belastungen sein können.---
Körperschaftssteuerrechtliche Zulässigkeit einer sog. Einheits-GmbH & Co. KG; Europarechtskonformität der sog. Bruttomethode nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG
Mit Urteil vom 22. September 2022 (1 K 17/20) hatte der 1. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts über mehrere Fragestellungen im Zusammenhang mit der körperschaftsteuerlichen Organschaft zu entscheiden. Anlass der Entscheidung war das Begehren des Klägers, die Gewinnausschüttungen einer ausländischen Kapitalgesellschaft an eine Organgesellschaft bei der Organträgerin steuerfrei zu stellen. Im Entscheidungsfall bestand die Besonderheit, dass der Gewinnabführungsvertrag zwischen einer Einheits-GmbH & Co. KG als Organträgerin und ihrer Komplementär-GmbH als Organgesellschaft vereinbart war.
Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Zwar lägen die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft im Streitfall vor. So könne eine Komplementär-GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile von der KG gehalten würden (sog. Einheits-GmbH & Co. KG), Organgesellschaft sein. Dies gelte zumindest für den Fall, dass die Komplementär-GmbH ihrerseits nicht am Vermögen der KG beteiligt sei.
Die weitere Frage, ob die Gewinnausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaft an die Organgesellschaft bei der Organträgerin freizustellen seien, sei hingegen zu verneinen. Das Einkommen der Organgesellschaft sei nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG der Organträgerin zuzurechnen. Bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft bleibe gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG die grundsätzliche Steuerbefreiung von Gewinnausschüttungen an Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 1 KStG außer Betracht. Die Organträgerin könne sich als Personengesellschaft auch nicht auf die in der Mutter-Tochter-Richtlinie angeordnete Steuerfreistellung von Gewinnausschüttungen berufen. Das sog. Schachtelprivileg sei allein Kapitalgesellschaften vorbehalten.
Das Finanzgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (Az. des BFH: IV R 29/22).
Weitere Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts
Az. 5 V 96/22 – Beschluss vom 17.11.2022
Zur Anwendung von § 25 UStG für im Drittland ansässige Unternehmer
Die Rechtmäßigkeit der Nichtanwendung der Sonderregelung für die Besteuerung von Reiseleistungen (§ 25 UStG) für im Drittland ansässige Unternehmer ist ernstlich zweifelhaft (entgegen Abschn. 25.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
rechtskräftig
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Az. 5 V 97/22 – Beschluss vom 17.11.2022
Zur Anwendung von § 25 UStG für im Drittland ansässige Unternehmer
Die Rechtmäßigkeit der Nichtanwendung der Sonderregelung für die Besteuerung von Reiseleistungen (§ 25 UStG) für im Drittland ansässige Unternehmer ist ernstlich zweifelhaft (entgegen Abschn. 25.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
rechtskräftig
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Az. 7 K 11215/18 – Urteil vom 25.02.2022
Berücksichtigung von Umwandlungsverlusten
Der Antrag auf Buchwertübertragung nach § 3 Abs. 2 UmwStG kann auch konkludent gestellt werden.
Die Abgabe einer Übertragungsbilanz ist keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Antrags nach § 3 Abs. 2 UmwStG.
Revision eingelegt – BFH-Az.: IV R 8/22
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Az. 9 K 146/21 – Urteil vom 04.05.2022
Zur Besteuerung von Altersrenten aus den Niederlanden
Die von der Soziale Verzekeringsbank gezahlte niederländische Grundrente kann als andere Leistung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG mit dem Besteuerungsanteil zu besteuern sein, da die Soziale Verzekeringsbank nach ihrer Art und Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen mit der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist und die Grundrente die Merkmale einer Basisversorgung erfüllt.
Auch die Leistungen aus einer niederländischen betrieblichen Altersversorgung können, wenn sie im Einzelfall die Voraussetzungen einer Basisversorgung erfüllen, nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit dem Besteuerungsanteil zu besteuern sein.
Besteht nach dem DBA mit den Niederlanden für beide Staaten ein Besteuerungsrecht, ist die in den Niederlanden für den Veranlagungszeitraum tatsächlich gezahlte Steuer nur bei Nachweis durch Vorlage von Urkunden auf die deutsche Steuer anzurechnen.
rechtskräftig
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Az. 12 K 93/18 – Urteil vom 13.04.2021
Hinzuschätzung anhand durchschnittlicher Tagesumsätze
Bei Verwendung einer objektiv manipulierbaren elektronischen Registrierkasse besteht eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach; Hinzuschätzung der Höhe nach anhand eines durchschnittlichen Tagesumsatzes sowie durchschnittlicher Gästezahlen als grobe, aber (noch) geeignete Schätzungsmethode.
Revision eingelegt, BFH-AZ.: X R 3/22
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Az. 15 K 202/19 – Beschluss vom 28.12.2022
Hinausweisung eines Insolvenzverwalters aus dem Prozess zwischen Finanzamt und Anfechtungsgegner
1. Die rechtzeitige Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundbesitz des Anfechtungsgegners hindert den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Hauptschuldners an einer Geltendmachung des Einzelanfechtungsanspruchs zugunsten der Masse. § 16 Abs. 2 AnfG ist auch in Fällen anwendbar, in denen das FA seinen im Wege eines Duldungsbescheids geltend gemachten Anfechtungsanspruch durch die Bestellung einer Sicherungshypothek am sonstigen Vermögen des Anfechtungsgegners absichert.
2. Berühmt sich der Insolvenzverwalter des Hauptschuldners bei dieser Sachlage einer Prozessführungsbefugnis im Verfahren zwischen dem Adressaten des Duldungsbescheids und dem Finanzamt, ist er durch Beschluss aus dem Prozess zu weisen.
Rechtsanwalt A als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn B wird aus dem Prozess gewiesen.
rechtskräftig