BMF: Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise
Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG
Bundesministerium der Finanzen 14. Juli 2021, IV B 5 - S 1341/19/10017 :001 (DOK 2021/0770780)
Nach der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten folgende Grundsätze für die internationale Einkunftsabgrenzung nach dem Maßstab des Fremdvergleichs in den Regelungen des innerstaatlichen Rechts und der Doppelbesteuerungsabkommen:
Kapitel I Grundsätze der Einkünftekorrektur | 1.1 – 1.23 |
A. Regelungen zur Einkünftekorrektur und Konkurrenzverhältnis | 1.1 – 1.6 |
B. Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung | 1.7 – 1.8 |
C. Nahestehende Personen (§ 1 Absatz 2 AStG) | 1.9 – 1.15 |
D. Geschäftsbeziehung (§ 1 Absatz 4 AStG) | 1.16 – 1.23 |
Kapitel II Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für die Prüfung der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen | 2.1 – 2.6 |
Kapitel III Leitlinien | 3.1 – 3.102 |
A. Fremdvergleichsgrundsatz | 3.1 – 3.8 |
B. Verrechnungspreismethoden und Bewertungstechniken | 3.9 – 3.17 |
C. Vergleichbarkeitsanalyse | 3.18 – 3.44 |
C.1 Grundsatz | 3.18 – 3.22 |
C.2 Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen | 3.23 – 3.24 |
C.3 Vorteilsausgleich | 3.25 – 3.28 |
C.4 Bandbreitenbetrachtung | 3.29 – 3.30 |
C.5 Verluste | 3.31 – 3.37 |
C.6 Zeitpunkt des Fremdvergleichs | 3.38 – 3.44 |
D. Verwaltungsansätze zur Vermeidung und Beilegung von Verrechnungspreiskonflikten | 3.45 |
E. Dokumentation | 3.46 |
F. Immaterielle Werte | 3.47 – 3.61 |
F.1 Grundsatz | 3.47 – 3.52 |
F.2 DEMPE-Funktionen | 3.53 – 3.54 |
F.3 Nutzung von Unternehmenskennzeichen und Marken | 3.55 – 3.61 |
G. Warenlieferungen und Dienstleistungen | 3.62 – 3.80 |
G.1 Warenlieferungen | 3.62 – 3.63 |
G.2 Dienstleistungen | 3.64 – 3.79 |
G.2.1 Grundsatz | 3.64 – 3.73 |
G.2.2 Routinedienstleistungen mit geringer Wertschöpfung | 3.74 – 3.77 |
G.2.3 Konzernumlagen | 3.78 – 3.79 |
G.3 Arbeitnehmerentsendungen | 3.80 |
H. Kostenumlagen | 3.81 – 3.86 |
I. Funktionsverlagerung | 3.87 |
J. Finanzierungsbeziehungen | 3.88 – 3.102 |
J.1 Allgemein | 3.88 – 3.95 |
J.2 Vergütung für eine erhöhte Kreditwürdigkeit | 3.96 – 3.97 |
J.3 Cash Pool als Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe | 3.98 – 3.100 |
J.4 Sonstige Finanzierungsinstrumente und Eigenversicherer | 3.101 – 3.102 |
Kapitel IV Weitere allgemeine Grundsätze | 4.1 – 4.8 |
A. Erstkorrektur | 4.1 – 4.2 |
B. Behandlung von Ausgleichszahlungen | 4.3 – 4.5 |
C. Gegenberichtigung | 4.6 |
D. Zoll | 4.7 – 4.8 |
Kapitel V Glossar | 5.1 |
Kapitel VI Aufhebung von BMF-Schreiben und Anwendungsvorschrift | 6.1 – 6.3 |
Kapitel I Grundsätze der Einkünftekorrektur
A. Regelungen zur Einkünftekorrektur und Konkurrenzverhältnis
1.1 Bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland eines Steuerpflichtigen zu ihm nahestehenden Personen ist zu prüfen, ob die darauf beruhenden Einkünfte unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelt worden sind. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften sind dabei die Regelungen zur
- Einlage (§ 4 Absatz 1 Satz 8 Einkommensteuergesetz – EStG) und
- Entnahme (§ 4 Absatz 1 Satz 2 ff. EStG)
zu berücksichtigen. Bei Körperschaften können die Regelungen zur
- verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Absatz 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz – KStG) und
- verdeckten Einlage (§ 8 Absatz 3 Satz 3 ff. KStG)
Anwendung finden.
Unabhängig von der Rechtsform des Steuerpflichtigen ist zusätzlich § 1 Außensteuergesetz (AStG) zu beachten, um die zutreffenden inländischen Einkünfte zu ermitteln.
1.2 In Betriebsstättensachverhalten sind § 1 Absatz 5 AStG sowie die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) zu beachten. Danach werden Betriebsstätten für Zwecke des Fremdvergleichsgrundsatzes weitgehend wie eigenständige und unabhängige Unternehmen behandelt. Auf die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) vom 22. Dezember 2016, BStBl I 2017 S. 182, sowie auf das BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2019 – IV B 5 - S 1341/19/10010 :003, BStBl I 2020 S. 84 zu Betriebsstätten ohne Personalfunktion wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
1.3 Die Einkünftekorrekturvorschriften sind grundsätzlich voneinander unabhängig und nebeneinander anwendbar. Aus der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG ergibt sich kein Wahlrecht für die Anwendung des § 1 AStG oder einer daneben anwendbaren anderen Einkünftekorrekturnorm. § 1 AStG ist ergänzend (vergleiche insbesondere Rn. 1.4) oder in besonderen Fällen anstelle der anderen Korrekturnormen anzuwenden, soweit durch diese Korrekturnormen die Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns nicht sichergestellt wird. Die Höhe des zutreffenden Inlandsgewinns ist in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Korrekturen und Gegenkorrekturen zu ermitteln, wobei die Auswirkungen auf die Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG außer Betracht zu lassen sind. Ist danach die Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns bereits durch die Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage sichergestellt, erübrigt sich die Anwendung des § 1 AStG. Sofern sich Korrektur und Gegenkorrektur (Vorteilsverbrauch) im Inland kompensieren, ist ausschließlich § 1 AStG anzuwenden und die Anwendung der anderen Korrekturnormen – auch auf Gesellschafterebene – wird suspendiert. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein aus einer Korrektur nach § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG resultierender Vorteilsverbrauch wiederum im Inland zu berücksichtigen wäre, da sich die verdeckte Gewinnausschüttung und der sich daraus ergebende Vorteilsverbrauch insoweit neutralisieren (vgl. BFH vom 27. November 2019, I R 40/19 [ehem. I R 14/16], BFH/NV 2020 S. 1307).
1.4 Sollten sich im Einzelfall nur der Höhe nach weitergehende Rechtsfolgen aus der Anwendung des § 1 AStG ergeben, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen (§ 1 Absatz 1 Satz 4 AStG).
Beispiel (verdeckte Gewinnausschüttung): Die M-AG (Sitz im Ausland) liefert an ihre Tochtergesellschaft, die T-AG (Sitz im Inland), Waren zu einem Preis von zehn Millionen Euro. Festgestellt wird eine Bandbreite fremdüblicher Preise für diese Waren von fünf Millionen Euro bis sieben Millionen Euro. Der gemeine Wert soll sieben Millionen Euro betragen. Sämtliche Waren wurden sofort weiterveräußert, weitergehende innerbilanzielle Anpassungen sind daher nicht veranlasst. Im Rahmen der Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt nun eine Einkünftekorrektur auf den gemeinen Wert (hier sieben Millionen Euro), sodass eine Einkünftekorrektur in Höhe von drei Millionen Euro bei der T-AG nach § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG vorzunehmen ist. Da der von der Steuerpflichtigen angesetzte Wert außerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt und die Steuerpflichtige keinen anderen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Wert glaubhaft gemacht hat, erfolgt eine weitergehende Berichtigung nach § 1 AStG auf den Median (§ 1 Absatz 3a Satz 4 AStG); hier annahmegemäß sechs Millionen Euro. Die weitergehende Berichtigung nach § 1 AStG beträgt damit eine Million Euro.
Beispiel (verdeckte Entnahme): Die M-AG (Sitz im Ausland) liefert an ihre Tochterpersonengesellschaft, die T-GmbH & Co KG (Verwaltungssitz im Inland), Waren zu einem Preis von zehn Millionen Euro. Festgestellt wird eine Bandbreite fremdüblicher Preise für diese Waren von fünf Millionen Euro bis sieben Millionen Euro. Der Teilwert soll sieben Millionen Euro betragen. Sämtliche Waren wurden sofort weiterveräußert, weitergehende innerbilanzielle Anpassungen sind daher nicht veranlasst. Im Rahmen der Regelungen zur verdeckten Entnahme erfolgt nun eine Einkünftekorrektur auf den Teilwert (hier sieben Millionen Euro), sodass eine Einkünftekorrektur in Höhe von drei Millionen Euro bei der T-GmbH & Co KG nach § 4 Absatz 1 Satz 2 EStG vorzunehmen ist. Da der von der Steuerpflichtigen angesetzte Wert außerhalb der fremdüblichen Bandbreite liegt und die Steuerpflichtige keinen anderen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Wert glaubhaft gemacht hat, erfolgt eine weitergehende Berichtigung nach § 1 AStG auf den Median (§ 1 Absatz 3a Satz 4 AStG); hier annahmegemäß sechs Millionen Euro. Die weitergehende Berichtigung nach § 1 AStG beträgt damit eine Million Euro.
Weitere Beispiele zur Anwendungskonkurrenz dem Grunde nach:
Beispiel (Nutzungsvorteil): Die M-AG (Sitz im Inland) ist Alleingesellschafterin sowohl der T1 GmbH (Sitz im Inland) als auch der T2 s.r.o. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Tschechien. Die T1 GmbH gewährt der T2 s.r.o. ein zinsloses Darlehen. Der angemessene Zins beträgt zehn Millionen Euro p. a.
Ungeachtet von Artikel 9 DBA-Tschechien ist das Einkommen der T1 GmbH nach § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG außerbilanziell um zehn Millionen Euro zu erhöhen. Als Folge dieser verdeckten Gewinnausschüttung erzielt die M-AG sonstige Bezüge im Sinne der § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG, § 8 Absatz 1 KStG in Höhe von zehn Millionen Euro, die innerhalb der Bilanz grundsätzlich als Ertrag zu erfassen sind. Da dem aber in gleicher Höhe auf der Aufwandsseite ein Vorteilsverbrauch gegenübersteht, ändert sich die Steuerbilanz nicht. Mangels Einlagefähigkeit des Vermögensvorteils erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der T2 s.r.o. nicht. Außerhalb der Bilanz ist das Einkommen der M-AG um die steuerfreien Bezüge nach § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG und unter Berücksichtigung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Absatz 5 KStG um insgesamt -9,5 Millionen Euro zu korrigieren.
Aufgrund von Artikel 9 DBA-Tschechien hat die Gegenberichtigung bei der T2 s.r.o. als Vorteilsempfängerin und nicht bei der M-AG zu erfolgen. Insofern hat nun § 1 AStG gegenüber § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG Vorrang, so dass es insgesamt nur noch zu einer außerbilanziellen Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG in Höhe von zehn Millionen Euro bei der T1 GmbH kommt.
Beispiel (einlagefähiges Wirtschaftsgut): Die M-AG (Sitz im Inland) ist Alleingesellschafterin sowohl der T1 GmbH (Sitz im Inland) als auch der T2 s.r.o. mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Tschechien. Die T1 GmbH überträgt der T2 s.r.o. unentgeltlich ein Wirtschaftsgut. Der gemeine Wert entspricht dem Fremdvergleichspreis und beträgt zehn Millionen Euro.
Ungeachtet von Artikel 9 DBA-Tschechien ist das Einkommen der T1 GmbH nach § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG außerbilanziell um zehn Millionen Euro zu erhöhen. Als Folge dieser verdeckten Gewinnausschüttung erzielt die M-AG sonstige Bezüge im Sinne der § 20 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 EStG, § 8 Absatz 1 KStG in Höhe von zehn Millionen Euro, die innerhalb der Bilanz grundsätzlich als Ertrag zu erfassen sind. Außerhalb der Bilanz ist das Einkommen der M-AG um die steuerfreien Bezüge nach § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG und unter Berücksichtigung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben gemäß § 8b Absatz 5 KStG um insgesamt -9,5 Millionen Euro zu korrigieren. Da es sich um einen einlagefähigen Vermögensvorteil handelt, liegt eine verdeckte Einlage vor und es erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der T2 s.r.o. entsprechend. Ein Vorteilsverbrauch ist somit nicht als Aufwand bei der M-AG zu erfassen. Bei der T2 s.r.o. liegt eine verdeckte Einlage in Höhe von zehn Millionen Euro vor, die – wäre sie mit ihrem Einkommen im Inland steuerpflichtig – bei der Einkommensermittlung nach § 8 Absatz 3 Satz 3 KStG abzuziehen und dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG zuzuführen wäre.
Aufgrund von Artikel 9 DBA-Tschechien hat die Gegenberichtigung bei der T2 s.r.o. als Vorteilsempfängerin zu erfolgen. Da bei ihr eine verdeckte Einlage vorliegt, findet nur § 8 Absatz 3 Satz 2 KStG Anwendung. Zu einer weitergehenden außerbilanziellen Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG kommt es somit nicht.
1.5 Der Fremdvergleichsgrundsatz ist in jedem von Deutschland abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) enthalten (entsprechend Artikel 9 Absatz 1 OECD-/UN-Musterabkommen [MA]). Die Artikel 9 Absatz 1 OECD-/UN-MA nachgebildeten Artikel im jeweiligen DBA erlauben damit eine Berichtigung der Einkünfte auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes. Rechtsgrundlage für die Berichtigung der Einkünfte sind die Regelungen zur Einkünftekorrektur des nationalen deutschen Steuerrechts. § 1 AStG setzt den internationalen Fremdvergleichsgrundsatz um (vgl. BT-Drs. VI/2883, 23 ff.). Dabei bezieht sich die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch auf den Grund und die weiteren Bedingungen einer Geschäftsbeziehung und nicht allein auf die Korrektur eines Verrechnungspreises.
1.6 Die Regelungen zur Einkünftekorrektur des nationalen deutschen Steuerrechts bleiben dabei auch in den Fällen der Interessenverflechtung anwendbar, die in den DBA nicht genannt sind. Die Anwendung wird auch diesbezüglich nicht durch ein DBA gesperrt.
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