AO § 218 Abs. 2, § 240 Abs. 1 Satz 1
EStG § 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 22.4.2021, 12 K 1420/20 AO = SIS 21 09 54
I. Mit geändertem Bescheid vom 07.05.2018 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) quartalsweise zu leistende Vorauszahlungen "für 2017" in Höhe von 0 € (1. bis 3. Quartal) beziehungsweise 6.837 € Einkommensteuer und 376 € Solidaritätszuschlag (4. Quartal) sowie "ab 2018 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. Sept., 10. Dez." in Höhe von 1.665 € Einkommensteuer und 91 € Solidaritätszuschlag je Quartal fest.
Diesen Vorauszahlungsbescheid setzte das FA mit Verfügung vom 10.12.2018 hinsichtlich des 1. bis 4. Quartals 2018 teilweise von der Vollziehung aus; es verblieben nicht ausgesetzte Beträge von 1.391 € je Quartal. Die Kläger zahlten jeweils in Höhe der nicht ausgesetzten Beträge fristgerecht.
Eine weitere Zahlung in derselben Höhe (1.391 €) leisteten die Kläger am 06.02.2019. Da das FA von einer Nichtaussetzung der für das Jahr 2019 geschuldeten Beträge ausging, ergab sich ‑‑aus seiner Sicht‑‑ ein noch offener Differenzbetrag bei der Einkommensteuer in Höhe von 274 € (1.665 € ./. 1.391 €) sowie in Höhe von 91 € beim Solidaritätszuschlag. Diese Beträge wurden mit Mahnung nach dem Stand vom 26.04.2019 angefordert, der Gesamtbetrag von 365 € am 15.05.2019 von den Klägern beglichen.
Hieraus resultierten ‑‑ausgehend von einer Fälligkeit der Vorauszahlungen "1. Vj. 2019" am 10.03.2019‑‑ Säumniszuschläge zur Einkommensteuer in Höhe von 7,50 € und zum Solidaritätszuschlag in Höhe von 1,50 €, die in eine auf den 05.06.2019 datierende Rückstandsaufstellung zur Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 04.06.2019 Eingang fanden.
In ihrem Schreiben vom 09.09.2019 beanstandeten die Kläger, in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 04.06.2019 seien Säumniszuschläge mit mehreren unterschiedlichen Beträgen enthalten; deren Rechtsgrundlage und Höhe sei nicht verständlich.
Aufgrund dieses als Antrag gewerteten Schreibens erließ das FA unter dem 14.10.2019 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer-Vorauszahlung 1. Quartal 2019, gegen den die Kläger Einspruch unter anderem wegen nicht nachvollziehbarer Daten einlegten, die das FA nachfolgend erläuterte.
In der zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 wurde die Abrechnung insoweit geändert, als eine offenbare Unrichtigkeit ‑‑ein Rechenfehler ohne Auswirkung auf das Ergebnis‑‑ berichtigt wurde.
Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher die Kläger einen seinerzeit gegebenen Zahlungsrückstand bestritten und geltend machten, die Höhe der Säumniszuschläge sei verfassungswidrig, wies das Finanzgericht (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1962). Die Kläger hätten die Vorauszahlung für das 1. Quartal des Jahres 2019 nicht vollständig zum gesetzlich geregelten Fälligkeitstag entrichtet. Entgegen dem Vorbringen der Kläger habe das FA mit der Verfügung vom 10.12.2018 nur die Vorauszahlungen des Jahres 2018, nicht aber die des Jahres 2019 von der Vollziehung ausgesetzt. Im Übrigen bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 240 AO.
Mit ihrer Revision bringen die Kläger vor, der Bescheid vom 07.05.2018 könne lediglich Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer des Jahres 2018 festgesetzt haben. Denn § 37 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lasse den Erlass eines Vorauszahlungsbescheids jeweils nur für das laufende Jahr zu. Da ein am 10.03.2019 fälliger Vorauszahlungsanspruch nicht bestanden habe, hätten insoweit keine Säumniszuschläge ausgelöst werden können. Dementsprechend habe auch das FA selbst in dem beim FG anhängigen Klageverfahren 3 K 2408/19 E davon gesprochen, dass der zwischenzeitlich ergangene Jahressteuerbescheid für 2018 den angefochtenen Vorauszahlungsbescheid "ESt‑VZ 2018 in der Fassung vom 7.5.2018" ersetzt habe.
Das FG habe die rechtlichen Vorgaben des § 37 EStG sowie den sich aus dem Klageverfahren 3 K 2408/19 E ergebenden Begleitumstand bei seiner Auslegung unberücksichtigt gelassen.
Hieraus ergäben sich ‑‑auch wegen der Nichtbeiziehung der Gerichtsakten zu dem Klageverfahren‑‑ entscheidungserhebliche Verfahrensmängel. Eine Zurückverweisung an das FG sei gleichwohl nicht erforderlich, da das Revisionsgericht den Inhalt des in Rede stehenden Vorauszahlungsbescheids selbst beurteilen könne.
Ferner schuldeten die Kläger deshalb keine Säumniszuschläge, da § 240 AO wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot verfassungswidrig und nichtig sei. Die Zinshöhe in § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 6 % pro anno sei ‑‑bezogen auf die üblichen Marktzinsen‑‑ völlig realitätsfern bemessen; dies gelte für die Höhe der Säumniszuschläge von 12 % pro anno ‑‑auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung als "Druckmittel"‑‑ in gleicher Weise.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil und den Abrechnungsbescheid vom 14.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es hält die Entscheidung des FG für zutreffend. Nach § 37 EStG würden die festgesetzten Vora uszahlungen auch für alle künftigen Veranlagungszeiträume gelten, solange sie nicht angepasst würden. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Vorauszahlungen zwingend jährlich mittels eines eigenständigen Bescheids anzupassen seien. In dem von den Klägern genannten Klageverfahren 3 K 2408/19 E habe der Jahressteuerbescheid für 2018 den Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 lediglich hinsichtlich des Jahres 2018 ersetzt; für alle künftigen Jahre ‑‑hier das Jahr 2019‑‑ sei der Vorauszahlungsbescheid unberührt geblieben.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Abrechnungsbescheid vom 14.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.05.2020 rechtmäßig ist.
Über Grund und Höhe von Säumniszuschlägen ist im Verfahren gegen einen entsprechenden Abrechnungsbescheid zu entscheiden (dazu unten 1.). Entgegen der Auffassung der Kläger dürfen Vorauszahlungsbescheide nicht nur für das laufende Steuerjahr, sondern auch für Folgejahre erlassen werden (unten 2.). Vorliegend hat das FA im Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 auch eine Vorauszahlung für das 1. Quartal 2019 festgesetzt (unten 3.). Gegen die gesetzliche Regelung über die Höhe der Säumniszuschläge bestehen auch für Zeiträume ab 2019 keine verfassungsrechtlichen Bedenken (unten 4.). Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge durch das FA im konkreten Fall ist nicht zu beanstanden (unten 5.).
1. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO).
Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 AO sind Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen nach § 240 AO genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des § 218 Abs. 1 AO betreffen, entscheidet nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid.
Einwendungen gegen den Ansatz von Säumniszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach sind mit einem Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 AO) geltend zu machen. Hierunter fallen auch gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des gesetzlichen Zuschlagsatzes gemäß § 240 AO erhobene Einwendungen, denn es handelt sich insoweit um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der einfach-rechtlichen Grundlagen des Entstehens von Säumniszuschlägen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 09.10.2020 ‑ VIII B 162/19, BFH/NV 2021, 289, Rz 6).
2. Entgegen der Auffassung der Kläger dürfen Vorauszahlungsbescheide nicht nur für das laufende Steuerjahr, sondern auch für Folgejahre erlassen werden.
a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird (§ 37 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Einkommensteuer-Vorauszahlung entsteht jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahres begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht (§ 37 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das Finanzamt setzt die Vorauszahlungen durch Vorauszahlungsbescheid fest. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§ 36 Abs. 2 Nr. 2) bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Das Finanzamt kann bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 15. Kalendermonats die Vorauszahlungen an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (...) (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 1 bis 3 EStG).
b) § 37 Abs. 1 EStG regelt Fälligkeit und Entstehung der Vorauszahlungsschuld, § 37 Abs. 3 EStG ihre Festsetzung und Anpassung.
Die Festsetzung von Vorauszahlungen dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens (vgl. BFH-Urteil vom 22.03.2011 ‑ VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, Rz 32) und soll eine (annähernde) Gleichstellung der Bezieher von Gewinneinkünften mit denjenigen Steuerpflichtigen bewirken, die ihre Steuer durch Steuerabzug (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) vorauszahlen (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2006 ‑ III R 4/05, BFHE 215, 217, BStBl II 2007, 637, unter II.2.c aa; BFH-Beschluss vom 29.04.1992 ‑ VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752, unter 3.b).
Der Gesetzgeber hat sich bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Das geltende Vorauszahlungssystem ist nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Das gilt zunächst für die im System angelegte und vom Gesetzgeber gewollte Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit. Ihr steht zum einen der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden außerdem durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG grundsätzlich vermieden. Diese vom Gesetzgeber bewusst gewählte Typisierung ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung des berechtigten öffentlichen Interesses an einer Verstetigung der Steuereinnahmen gerechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.2011 ‑ VIII R 11/09, BFHE 235, 470, BStBl II 2012, 329, Rz 18 f.).
c) Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen in § 37 EStG ergibt sich nicht, dass die durch einen Bescheid festzusetzenden Vorauszahlungen allein ein einziges Kalenderjahr betreffen dürften.
Gesetzliche Vorgabe ist allein, dass sich die Höhe der Festsetzung an der voraussichtlich anfallenden Einkommensteuer orientiert, also grundsätzlich an der Einkommensteuerschuld, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge "bei der letzten Veranlagung" ergeben hat.
Die "letzte Veranlagung" bleibt daher solange Bemessungsgrundlage für die Festsetzung von Vorauszahlungen, bis die Einkommensteuer durch einen neuen Bescheid oder eine Rechtsbehelfsentscheidung geändert oder die Einkommensteuer für ein nachfolgendes Kalenderjahr festgesetzt wird (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl., § 37 Rz 15).
Schon nach der Konzeption des Gesetzes kommt somit in Betracht, dass die Ergebnisse nur einer Veranlagung die Grundlage für die Festsetzung gleichbleibender Vorauszahlungen für mehr als ein Kalenderjahr darstellen.
Dies spricht für die rechtliche Möglichkeit der Finanzbehörden, Vorauszahlungen über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus festsetzen zu können.
Diese Vorgehensweise erscheint aufgrund praktischer Erwägungen als naheliegend, wenn bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheids aufgrund der Umstände des Einzelfalls ‑‑beispielsweise angesichts einer häufigen Nichtabgabe der Steuererklärungen‑‑ zweifelhaft ist, ob es überhaupt zu einer weiteren (neueren) Veranlagung, die die Ergebnisse der "letzten Veranlagung" inhaltlich ersetzen würde, kommen wird.
Aber auch unabhängig davon sieht es der Senat als sachlich gerechtfertigt an, wenn die Finanzverwaltung ‑‑in Übereinstimmung mit dem Normzweck der Verstetigung des Steueraufkommens‑‑ eine Vorauszahlungsfestsetzung über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus vornehmen kann.
Denn dies dient der Verwaltungsvereinfachung. Andernfalls müssten jährlich inhaltsgleiche Bescheide ergehen, solange keine neue Veranlagung durchgeführt wurde (vgl. A. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 37 EStG Rz 25; ebenfalls für die Zulässigkeit der finanzbehördlichen Praxis: Brandis/Heuermann/Ettlich, § 37 EStG Rz 88; Hildesheim in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 37 Rz 36; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 37 EStG Rz 66; a.A.: Stolterfoht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rz D 5). Zugleich werden hierdurch auch die Interessen des Steuerpflichtigen an Rechtssicherheit und Planbarkeit gewahrt.
3. Die Vorinstanz hat ‑‑wenngleich ohne gesonderte Befassung mit diesem Gesichtspunkt‑‑ ihrer Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass in dem Bescheid vom 07.05.2018 eine Einkommensteuer-Vorauszahlung auch für das 1. Quartal 2019 (Einkommensteuer: 1.665 €; Solidaritätszuschlag: 91 €) festgesetzt worden ist.
a) Der Senat ist selbst zur Auslegung des Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheids berechtigt und verpflichtet. Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das Tatsachengericht gebunden. Es handelt sich nicht um eine Tat‑, sondern um eine Rechtsfrage. Dasselbe gilt für die Frage, welchen Inhalt der Verwaltungsakt hat (vgl. Senatsurteil vom 01.10.2015 ‑ X R 32/13, BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139, Rz 33; BFH-Urteil vom 11.07.2006 ‑ VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, unter II.3.b aa).
b) Das oben genannte Auslegungsergebnis ergibt sich insbesondere aus dem eindeutigen Wortlaut des Festsetzungsteils des Vorauszahlungsbescheids vom 07.05.2018. Während die Festsetzung der Vorauszahlungen betreffend das Jahr 2017 "für 2017" getroffen wird, wird dieser Ausdruck hinsichtlich des Jahres 2018 nicht verwendet. Es wird keine Regelung (nur) "für 2018", sondern eine Festsetzung "ab 2018", also die für ab dem Jahr 2018 beginnenden Zeiträume/Kalenderjahre, mithin auch für die Folgejahre (2019 ff.) getroffen. Außerdem erfolgt die Festsetzung ab 2018 "jeweils zum 10. März". Die Verwendung des Wortes "jeweils" hat aber nur dann einen eigenständigen Sinngehalt, wenn es für mehr als nur einen einzigen "10. März", also unter anderem auch für den 10.03.2019 gilt. Danach wurde ‑‑wie das FG zutreffend erkannt hat‑‑ vorliegend auch eine zum 10.03.2019 zu zahlende Vorauszahlung festgesetzt.
c) Aus dem Erläuterungsteil des Bescheids ergibt sich kein Hinweis auf einen hiervon abweichenden Regelungsgehalt.
d) Soweit die Kläger meinen, bei der Auslegung sei auch zu berücksichtigen, dass das FA im Rahmen des beim FG unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 E anhängigen Klageverfahrens nach Ergehen des Jahreseinkommensteuerbescheids für 2018 den ursprünglich streitgegenständlichen Vorauszahlungsbescheid als "ESt‑VZ 2018 in der Fassung vom 7.5.2018" bezeichnet habe, ist dieses Vorbringen unbeachtlich.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Auslegung eines Verwaltungsakts entscheidend, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen ‑‑nach seinem "objektiven Verständnishorizont"‑‑ den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Somit kommt es nicht allein darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Maßgebend sind auch nicht die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zutage tretenden Umstände (vgl. BFH-Urteil vom 11.07.2006 ‑ VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, unter II.3.b aa, m.w.N.).
Da es nach dem Vorstehenden allein auf den Erklärungsgehalt nach dem objektiven Empfängerhorizont der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheids vom 07.05.2018 ankommt, ist es in rechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung, inwieweit das FA später dem Bescheid einen hiervon abweichenden Aussagegehalt beigemessen haben sollte.
bb) Im Übrigen wäre ‑‑die Richtigkeit der Angaben der Kläger hier einmal unterstellt‑‑ allein die vom FA im Rahmen des beim FG unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 E anhängigen Klageverfahrens verwendete Bezeichnung des Vorauszahlungsbescheids kein durchgreifender Hinweis darauf, dass das FA selbst mit dem Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 eine Regelung nur für den Einkommensteuer-Vorauszahlungszeitraum 2018 hätte treffen wollen.
(1) Nach der BFH-Rechtsprechung verliert ein Vorauszahlungsbescheid durch den Jahressteuerbescheid seine Wirksamkeit, da der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid in seinen Regelungsgehalt aufnimmt. Der Einkommensteuerbescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Steuerzahlungen, so dass sich der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid nach § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt hat. Der Einkommensteuerbescheid ist daher die alleinige Grundlage für die Verwirklichung der Steuerschulden (vgl. BFH-Urteil vom 22.03.2011 ‑ VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, Rz 17). Wird ein Vorauszahlungsbescheid während eines gegen diesen anhängigen Verfahrens durch den Jahresbescheid ersetzt, wird Letzterer gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens (vgl. Senatsurteil vom 26.11.2008 ‑ X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.3.a).
(2) Hiernach hat der Jahreseinkommensteuerbescheid für 2018 zwar den in Rede stehenden Vorauszahlungsbescheid hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2018 "erledigt" und in seinen Regelungsgehalt aufgenommen, nicht aber ‑‑wie das FA zu Recht hervorhebt‑‑ bezüglich der weiteren im Bescheid vom 07.05.2018 enthaltenen Vorauszahlungs-Festsetzungen unter anderem für das 1. Quartal des Jahres 2019.
Die insoweit angefallenen Säumniszuschläge können daher von dem Ergehen des Jahreseinkommensteuerbescheids für 2018 nicht berührt sein.
e) Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig von den dargestellten Wirkungen eines Jahressteuerbescheids die Rechtswirkungen erhalten bleiben, welche der Vorauszahlungsbescheid als solcher in der Vergangenheit ausgelöst hat. Zu diesen formellen Rechtswirkungen des Vorauszahlungsbescheids, die in der Vergangenheit eingetreten sind und von der späteren Festsetzung der Jahressteuer unberührt bleiben, gehören nicht nur auf den Vollstreckungstitel des Vorauszahlungsbescheids in der Vergangenheit gestützte Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch die Fälligkeit von Vorauszahlungsansprüchen und die Säumnis (vgl. BFH-Beschluss vom 22.08.1995 ‑ VII B 107/95, BFHE 178, 532, BStBl II 1995, 916, unter 1.a).
Soweit vorliegend ein Jahressteuerbescheid für 2019 ergangen sein sollte, bliebe daher der Vorauszahlungsbescheid vom 07.05.2018 Grundlage der verwirkten Säumniszuschläge (vgl. Avvento in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 37 Rz 28; HHR/A. Schmidt, § 37 EStG Rz 29).
f) Vor diesem Hintergrund können auch die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem beim FG unter dem Aktenzeichen 3 K 2408/19 E anhängigen Klageverfahren nicht vorliegen beziehungsweise entscheidungserheblich sein.
4. Gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Der VII. Senat des BFH hat mit Urteilen vom 23.08.2022 ‑ VII R 21/21 (BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304, Rz 38 ff.) und vom 15.11.2022 ‑ VII R 55/20 (BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621, Rz 19 ff.) für Zeiträume vor dem 01.01.2019 entschieden, dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Höhe des Säumniszuschlags keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Insbesondere lassen sich den genannten Urteilen zufolge weder die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 08.07.2021 ‑ 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BGBl I 2021, 4303) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung von Steuernachforderungen und ‑erstattungen nach §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist, auf den Säumniszuschlag übertragen, noch verstößt die Höhe des Säumniszuschlags gegen das Übermaßverbot und verletzt daher auch nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG.
b) Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung und nimmt wegen der Einzelheiten darauf Bezug. Zwar betreffen die genannten Entscheidungen des VII. Senats Zeiträume vor dem 01.01.2019. Die tragenden Gründe der vom VII. Senat vorgenommenen ‑‑eigenständigen‑‑ verfassungsrechtlichen Prüfung gelten aber gleichermaßen für Zeiträume nach dem 31.12.2018.
Die genannten Entscheidungen des VII. Senats sind am 09.02.2023 (BFH-Urteil vom 23.08.2022 ‑ VII R 21/21, BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304) und am 30.03.2023 (BFH-Urteil vom 15.11.2022 ‑ VII R 55/20, BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621) veröffentlicht worden. Die vom III., V. und VIII. Senat in Verfahren der Aussetzung der Vollziehung geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge (BFH-Beschlüsse vom 23.05.2022 ‑ V B 4/22 (AdV), BFHE 276, 535; vom 11.11.2022 ‑ VIII B 64/22 (AdV), BFHE 278, 36 und vom 28.12.2022 ‑ III B 48/22 (AdV), BFH/NV 2023, 970) sind nach Auffassung des beschließenden Senats durch die ‑‑im Hauptsacheverfahren ergangenen‑‑ Entscheidungen des VII. Senats überholt.
5. Gegen die Berechnung der Säumniszuschläge durch das FA nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung (vgl. § 240 AO) haben die Kläger keine Einwände erhoben, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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