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BFH zur AdV einer Grundsteuerwertfeststellung im sogenannten Bundesmodell

Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) sind bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis ei­nes niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festge­stellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist.

AO § 181 Abs. 1 Satz 1, § 182 Abs. 1 Satz 1
BewG §§ 218 ff., §§ 252 ff., § 266 Abs. 1
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, § 69 Abs. 2 und 3
GrStG § 36 Abs. 1

BFH-Beschluss vom 27.5.2024 ‑ II B 79/23 (AdV) (veröffentlicht am 13.6.2024)

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2023 ‑ 4 V 1429/23 = SIS 23 19 88

A. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind jeweils zur Hälfte Eigentümer des Grundbesitzes in Y, Y-Straße 123, Gemarkung Y, Flur 456, Flurstück 789/10. Der Bodenrichtwert für das 1053 qm große und mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück betrug zum 01.01.2022  300 € pro qm.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts vom 10.09.2022 ga­ben die Antragsteller als Art des Grundstücks "Einfamilienhaus" an, das erst­mals 1977 bezugsfertig gewesen sei und über eine Wohnung mit einer Wohn­fläche von 178 qm verfüge.

Mit Bescheid vom 30.12.2022 stellte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Grundsteuerwert der wirtschaftlichen Einheit zum 01.01.2022 auf 318.800 € fest. Diesen Betrag ermittelte das FA gemäß § 250 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 252 Satz 1, § 230 des Bewertungsgesetzes (BewG) aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks und des ab­gezinsten Bodenwerts.

Bei der Bestimmung des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks nach § 253 Abs. 1 BewG setzte es als monatliche Nettokaltmiete gemäß Anlage 39 zum BewG den für Einfamilienhäuser mit Baujahr zwischen 1949 und 1978 und einer Wohnfläche von 100 qm und mehr geltenden Wert von 6,05 € pro qm an und nahm hiervon gemäß § 254 BewG i.V.m. Anlage 39 zum BewG ei­nen Abschlag in Höhe von 10 % aufgrund der Mietniveaustufe 2 vor. Die Rest­nutzungsdauer des im Jahr 1977 errichteten Gebäudes ermittelte das FA ge­mäß § 253 Abs. 2 Satz 3 BewG i.V.m. Anlage 38 zum BewG mit 35 Jahren. Hieraus ergab sich ein Reinertrag des Grundstücks gemäß §§ 253, 254 BewG i.V.m. Anlage 39 zum BewG in Höhe von 8.998,38 € (= 5,44 € pro qm x 178 qm x 12 zuzüglich der jährlichen Garagenmiete von 378 € und abzüglich Bewirtschaftungskosten in Höhe von 25 %) und ein kapitalisierter Reinertrag des Grundstücks gemäß § 253 BewG i.V.m. Anlage 37 zum BewG in Höhe von 208.312,50 € (= 8.998,38 € x 23,15).

Bei der Bestimmung des Bodenwerts legte das FA gemäß § 257 Abs. 1 Satz 1, § 247 BewG den erklärten Bodenrichtwert sowie gemäß § 257 Abs. 1 Satz 2 BewG i.V.m. Anlage 36 zum BewG einen Umrechnungskoeffizienten in Höhe von 0,83 für Grundstücke mit einer Größe von größer gleich 1050 qm zugrun­de. Ausgehend von einem Liegenschaftszins von 2,5 % für Einfamilienhäuser gemäß § 256 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG ermittelte es den abgezinsten Boden­wert mit 110.489,82 €, indem es gemäß § 257 Abs. 2 BewG den Bodenwert in Höhe von 262.197 € (= 1053 qm x 300 € pro qm x 0,83) mit dem Abzinsungs­faktor gemäß Anlage 41 zum BewG in Höhe von 0,4214 multiplizierte.

Gegen den Bescheid vom 30.12.2022 legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Den Antrag auf AdV lehnte das FA am 27.01.2023 ab. Den gegen die Ablehnung der AdV eingeleg­ten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2023 als unbe­gründet zurück, da der festgestellte Grundsteuerwert und der Grundsteuer­messbetrag zutreffend nach den gesetzlichen Regelungen ermittelt worden seien. Bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke handele es sich um eine typi­sierte Bewertung, die keine objektindividuelle Verkehrswertermittlung darstel­le.

Die Antragsteller stellten daraufhin einen Antrag auf AdV beim Finanzgericht (FG), den sie unter anderem damit begründeten, dass sich ihr Grundstück auf­grund der Bebauung in zweiter Reihe und der Erschließung durch einen Pri­vat­weg sowie der Hanglage nur eingeschränkt für eine Bebauung nutzen lasse. Dem festgestellten Grundsteuerwert liege daher ein zu hoher Bodenrichtwert zugrunde.

Das FG hat mit Beschluss vom 23.11.2023 ‑ 4 V 1429/23 die Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Die Gründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2024, 135 mitgeteilt.

Gegen die vom FG gewährte AdV wendet sich das FA mit seiner Beschwerde.

Das FA beantragt, den Beschluss des FG vom 23.11.2023 ‑ 4 V 1429/23 auf­zuheben und den Antrag der Antragsteller auf AdV abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde des FA als unbegründet zurück­zuweisen.

B. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Be­schwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den angefochtenen Feststel­lungsbescheid über den Grundsteuerwert von der Vollziehung ausgesetzt.

I. Zutreffend ist das FG von der Zulässigkeit des AdV-Antrags der Antragsteller ausgegangen.

1. Zu Recht hat das FG insbesondere entschieden, dass der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet ist, da der Rechtsstreit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit betrifft, die der Ge­setzgebung des Bundes und der Verwaltung durch die Landesfinanzbehörden unterliegt.

a) Der vorliegende Streit über die Feststellung des Grundsteuerwerts betrifft eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. hierzu Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 33 Rz 19). Dies gilt auch, soweit sich die von den Antragstellern erhobenen Einwände auf den für das streitgegenständliche Grundstück ermittelten Bodenrichtwert beziehen. Denn die Antragsteller wenden sich nicht isoliert gegen den Bodenrichtwert als sol­chen, sondern begehren die AdV des gegen sie ergangenen Wertfeststellungs­bescheids, in den der Bodenrichtwert lediglich als eine Feststellungsgrundlage Eingang gefunden hat. Dem Rechtsstreit liegt daher, wie das FG zu Recht aus­geführt hat, bereits in formell-rechtlicher Hinsicht ein in einer Abgabenangele­genheit ergangener Bescheid zugrunde.

Für die Eröffnung des Finanzrechtswegs spielt es keine Rolle, ob die erhobenen Einwendungen gegen den Wertfeststellungsbescheid und dessen Feststellungs­grundlagen im Ergebnis durchgreifen oder nicht. Das gilt auch für die vom FG in diesem Zusammenhang geprüfte Frage, ob und wenn ja welche Einwendun­gen gegen die vom Gutachterausschuss festgestellten Bodenrichtwerte im fi­nanzgerichtlichen Verfahren erhoben werden können. Denn dies betrifft nicht die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern ist eine Frage der Begründetheit des AdV-Antrags oder der Anfechtungsklage.

b) Die streitige Abgabenangelegenheit unterfällt auch der Gesetzgebung des Bundes im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Dem Bund steht nach Art. 105 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) die konkurrierende Gesetzgebungs­kom­petenz für die Grundsteuer zu, ohne dass dies an die weiteren Vorausset­zun­gen des Art. 72 Abs. 2 GG geknüpft ist (vgl. BTDrucks 19/11084, S. 6).

Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG ist durch das Gesetz zur Änderung des Grund­ge­setzes (Art. 72, 105 und 125b) vom 15.11.2019 (BGBl I 2019, 1546) mit Wir­kung zum 21.11.2019 und damit noch vor Inkrafttreten des Grundsteuer-Re­formgeset­zes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) eingefügt worden. Uner­heblich ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Gesetzgeber für die Neu­regelungen des Grundsteuer-Reformgesetzes in der Begründung zum Ge­setz­entwurf auch auf die Gesetz­gebungskompetenz aus Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG gestützt hat, weil seiner Ansicht nach mit dem Gesetzentwurf fort­geltendes Bundesrecht lediglich fort­geschrieben werde und keine grund­legen­de Neu­kon­zeption des Grundsteuer­rechts beabsichtigt sei (vgl. BTDrucks 19/11085, S. 90).

Ebenso wenig steht es der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im vorlie­genden Fall entgegen, dass der Bund den Ländern in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG das Recht zur Abweichungsgesetzgebung eingeräumt hat. Dabei kann dahinstehen, ob § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO auch dann eingreift, wenn ein Land auf der Grundlage von Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG abweichende lan­desgesetzliche Regelungen geschaffen hat (vgl. hierzu Krumm in Tipke/Kruse, § 33 FGO Rz 19a und 19b, m.w.N.). Denn der rheinland-pfälzische Landesge­setzgeber hat von seiner Abweichungsbefugnis in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG keinen Gebrauch gemacht, sondern legt der Berechnung der Grundsteuer vielmehr das sogenannte Bundesmodell zugrunde.

c) Die streitige Abgabenangelegenheit unterfällt auch der Verwaltung durch die Landesfinanzbehörden im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Zwar hat der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG in § 5 Abs. 1 Halbsatz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) ge­regelt, dass die Verwaltung der Grundsteuer den Gemeinden obliegt. Dies gilt jedoch nach § 5 Abs. 1 Halbsatz 2 KAG nicht für die Festsetzung und Zerle­gung der Steuermessbeträge. Damit verbleibt es hinsichtlich der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags und der dieser vorgelagerten Feststellung des Grundsteuerwerts bei der Verwaltungskompetenz der Landesfinanzbehörden gemäß Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG.

2. Der Zulässigkeit des Antrags auf AdV steht auch nicht ein fehlendes Recht­schutzbedürfnis der Antragsteller entgegen.

Die Gewährung der AdV ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil der angefochtene Grundsteuerwertbescheid nach § 266 Abs. 1 BewG i.V.m. § 36 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes erst für die Grundsteuer des Jahres 2025 von Bedeutung ist. Einwendungen gegen den Grundsteuerwert können nur durch einen Rechtsbehelf gegen den Grundsteuerwertbescheid geltend ge­macht werden. Dies ergibt sich daraus, dass für das Feststellungsverfahren nach § 219 Abs. 1 BewG die Vorschriften über die Durchführung der Besteue­rung sinngemäß gelten (§ 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑, vgl. auch Krumm/Paeßens, BewG § 219 Rz 5). Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für an­dere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Fest­stellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Die Antragsteller können ihre Einwendungen, die sich auf die gesonderte Wertfeststellung beziehen, daher nicht im Rahmen eines Rechtsbe­helfs gegen den Grundsteuerbescheid als Folgebescheid geltend machen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 25.09.2018 ‑ II B 13/18, BFH/NV 2019, 25, Rz 8). Ein Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, kann im Folgeverfahren nicht einer hiervon abwei­chenden Beurteilung unterworfen werden (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2018 ‑ I R 47/16, BFHE 263, 393, BStBl II 2019, 419, Rz 14).

II. Der Antrag der Antragsteller auf AdV des Grundsteuerwertbescheids ist, wie vom FG erkannt, auch begründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise ausset­zen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßig­keit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Inte­ressen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungs­akts sind zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Be­scheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände, gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sach­verhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrig­keit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 ‑ III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, unter II.3.; vgl. auch BFH-Be­schlüsse vom 18.06.1997 ‑ II B 33/97, BFHE 182, 379, BStBl II 1997, 515, unter II.1., m.w.N. und vom 11.08.2014 ‑ II B 131/13, BFH/NV 2015, 5, Rz 10).

2. Der Senat hat einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Be­scheids vom 30.12.2022 in Bezug auf die Höhe des festgestellten Grundsteu­erwerts.

a) Die Zweifel ergeben sich daraus, dass dem Steuerpflichtigen bei verfas­sungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit einge­räumt werden muss, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrige­ren gemeinen Wert nachzuweisen.

aa) Der angefochtene Grundsteuerwertbescheid vom 30.12.2022 beruht auf den mit dem Grundsteuer-Reformgesetz im Siebenten Abschnitt des Bewer­tungsgesetzes neu eingefügten §§ 218 ff. BewG. Die Neuregelung der Bewer­tung für Zwecke der Grundsteuer war erforderlich, nachdem das Bundesver­fassungsgericht (BVerfG) mit seinem Urteil vom 10.04.2018 ‑ 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/24, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 (BVerfGE 148, 147) die Einheitsbewertung nach dem Ersten Abschnitt des Bewertungs­gesetzes für die Bemessung der Grundsteuer für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt und den Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 zum Erlass einer Neure­gelung aufge­for­dert hatte. Die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festge­stellten Regeln über die Einheitsbewertung durften nach der Entscheidung des BVerfG bis zu die­sem Zeitpunkt, nach Verkündung einer Neuregelung für wei­tere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024 weiter angewandt wer­den (sogenannte Fortgeltungsanordnung).

bb) Die vom Gesetzgeber erlassenen Neuregelungen enthalten aus Gründen der Automatisierung und Bewältigung der Neubewertung von über 36 Millionen wirtschaftlichen Einheiten auf einen einheitlichen Hauptfeststellungsstichtag eine Vielzahl von Typisierungen und Pauschalierungen (vgl. BTDrucks 19/11085). Das BVerfG hat dem Gesetzgeber bei der Wahl der Bemessungs­grundlage und bei der Ausgestaltung der Bewertungsregelungen einen weiten Gestaltungsspielraum zugestanden, solange sie geeignet sind, den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitäts- und gleichheitsgerecht abzubilden. Der Gesetzgeber ver­fügt gerade in Massenverfahren der vorliegenden Art über ei­nen großen Typi­sierungs‑ und Pauschalierungsspielraum (vgl. BVerfG-Urteil vom 10.04.2018 ‑ 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/24, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, BVerfGE 148, 147, Rz 168, m.w.N.).

cc) Bei der Neuregelung der Grundsteuer hat der Gesetzgeber allein an das Innehaben von Grundbesitz und die damit verbundene (abstrakte) Leistungs­kraft angeknüpft, ohne dass es auf die persönlichen Verhältnisse des Steuer­pflichtigen, die Ausdruck seiner subjektiven Leistungsfähigkeit sein können, ankommt. Belastungsgrund ist nach der gesetzgeberischen Vorstellung die durch den Grundbesitz vermittelte Möglichkeit einer ertragsbringenden Nut­zung, die sich im Sollertrag widerspiegelt und eine objektive Leistungsfähigkeit vermittelt (BTDrucks 19/11085, S. 84).

dd) Eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende und das daraus fol­gende Übermaßverbot beachtende Besteuerung ist wegen dieser Belastungs­grundentscheidung des Gesetzgebers daher grundsätzlich nur dann gewähr­leistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert und den Sollertrag mittels einer verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage bestimmt (vgl. auch BTDrucks 19/11085, S. 90). Soweit sich im Einzelfall ein Unterschied zwischen dem ge­mäß §§ 218 ff. BewG ermittelten Wert und dem gemeinen Wert ergibt, ist dies aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Wertermittlung des Bewer­tungsgesetzes, die notwendigerweise mit Ungenauigkeiten verbunden ist, grundsätzlich hin­zunehmen. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung aber nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billig­keitsmaßnahme abgewendet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2004 ‑ II R 22/02, BFH/NV 2004, 1519, unter II.3.a, m.w.N.). Das Übermaßverbot kann insbesondere dann verletzt sein, wenn sich der festge­stellte Wert als er­heblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Nach der bisherigen Se­natsrechtsprechung setzt dies regelmäßig voraus, dass der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.11.2022 ‑ II R 39/20, BFHE 279, 201, BStBl II 2024, 246, Rz 27 zu § 166 BewG).

ee) Der Senat hat zu verschiedenen typisierenden Bewertungsnormen ent­schieden, dass bei Ausschluss von Billigkeitsmaßnahmen in verfassungskon­former Auslegung der betreffenden Vorschriften der Nachweis eines niedrige­ren gemeinen Werts zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das grundgesetz­liche Übermaßverbot zuzulassen ist, wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 05.05.2004 ‑ II R 45/01, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036, unter II.4.; vom 02.07.2004 ‑ II R 22/02, BFH/NV 2004, 1519, unter II.3.a; vom 29.09.2004 ‑ II R 57/02, BFHE 207, 52, BStBl II 2004, 1041, unter II.; vom 08.06.2005 ‑ II R 8/03, BFH/NV 2005, 2170, unter II.2.; vom 17.05.2006 ‑ II R 58/02, BFH/NV 2006, 1804, unter II.2.; vom 22.01.2009 ‑ II R 9/07, BFH/NV 2009, 1096, unter II.2.b; vom 22.01.2009 ‑ II R 10/07, juris, unter II.2.b und vom 11.12.2013 ‑ II R 22/11, BFH/NV 2014, 1086, Rz 13, jeweils zu § 148 BewG; BFH-Urteile vom 30.01.2019 ‑ II R 9/16, BFHE 263, 267, BStBl II 2019, 599, Rz 19 ff. und vom 16.11.2022 ‑ II R 39/20, BFHE 279, 201, BStBl II 2024, 246, Rz 22, je­weils zu § 166 BewG; BFH-Urteil vom 17.06.2020 ‑ II R 43/17, BFHE 269, 364, BStBl II 2022, 13, Rz 21 zu § 97 BewG).

Besteht die Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Auslegung, sind die pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften nicht verfas­sungswidrig. Vielmehr ist dem Einwand möglicher verfassungswidriger Über­bewertungen durch Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich der Boden entzogen (BFH-Urteile vom 22.01.2009 ‑ II R 9/07, BFH/NV 2009, 1096, unter II.2.b und vom 08.06.2005 ‑ II R 8/03, BFH/NV 2005, 2170, unter II.2.).

b) Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen und zugleich ausreichenden summarischen Prüfung auf die Bewer­tung nach dem Siebenten Abschnitt des Bewertungsgesetzes, die eine abwei­chende Wertfeststellung aus Billigkeitsgründen nicht vorsieht (vgl. § 220 Satz 2 BewG), zu übertragen, sodass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßig­keit des angefochtenen Bescheids bestehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung im konkreten Einzelfall der Nach­weis eines niedrigeren gemeinen Werts in verfassungskonformer Auslegung der §§ 218 ff. BewG im Hauptsacheverfahren gelingt.

aa) Die Antragsteller haben konkrete Umstände des Einzelfalls vorgetragen, die den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für die ge­samte wirtschaftliche Einheit mit der erforderlichen Abweichung zu dem im typisierten Verfahren festgestellten Grundsteuerwert im Hauptsacheverfahren möglich erscheinen lassen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 23.10.2002 ‑ II B 153/01, BFHE 200, 393, BStBl II 2003, 118, unter II.3.).

bb) Nach ihren Ausführungen ist das Grundstück aufgrund der Bebauung in zweiter Reihe und der Grundstückserschließung lediglich über einen Privatweg nur eingeschränkt für eine Bebauung nutzbar. Die Hanglage des Grundstücks erschwere die Erschließung für Zwecke der Bebauung zusätzlich und führe au­ßerdem dazu, dass der größte Teil des Grundstücks nicht für eine Bebauung genutzt werden könne. Hierdurch unterscheide sich das Grundstück wesentlich von anderen Grundstücken im Umfeld, bei denen eine derartige Problematik nicht vorhanden sei.

Diese von den Antragstellern vorgetragenen Besonderheiten hinsichtlich ihrer Grundstückssituation lassen eine erhebliche Herabsetzung des tatsächlichen Bodenwerts im Verhältnis zu dem vom FA in Ansatz gebrachten durchschnittli­chen Bodenrichtwert möglich erscheinen. Es kann deshalb nicht ausgeschlos­sen werden, dass die Wertermittlung unter Zugrundelegung eines tatsächlich geminderten Bodenwerts zu einer deutlichen Diskrepanz zu dem mit dem durchschnittlichen Bodenrichtwert ermittelten Grundsteuerwert führt.

cc) Vor diesem Hintergrund erscheint es bei summarischer Prüfung im Streit­fall zumindest möglich, dass der im angefochtenen Grundsteuerwertbescheid nach dem typisierten Bewertungsverfahren festgestellte Wert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit abweicht und ein entspre­chender Nachweis dieser Abweichung ‑‑beispielsweise durch ein Sachverstän­digengutachten‑‑ geführt werden kann.

3. Da nach den oben dargestellten Grundsätzen bereits ernstliche Zweifel an der einfach-rechtlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbe­scheids im konkreten Einzelfall bestehen, war nicht mehr zu prüfen, ob die AdV auch wegen der vom FG geäußerten weiteren verfassungsrechtlichen Zweifel an der Gültigkeit der dem Bescheid zugrunde liegenden Bewertungs­vorschriften zu gewähren ist.

Das gilt insbesondere, soweit das FG ein strukturelles Vollzugsdefizit mit der Begründung bejaht hat, es sei nicht gewährleistet, dass die Gutachteraus­schüsse bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte sämtliche wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale berücksichtigen würden. Denn da die Antragsteller die Möglichkeit haben, den Nachweis eines tatsächlich geminderten Bodenwerts und damit eines geringeren gemeinen Werts der gesamten wirtschaftlichen Einheit zu führen, ist die Frage, ob im Bereich der Bodenrichtwertermittlung in tatsächlicher Hinsicht ein Vollzugsdefizit besteht, für das vorliegende Verfahren nicht weiter entscheidungserheblich.

Ebenfalls offenbleiben kann, ob verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer gleichheitsgerechten Bewertung bestehen, weil nach der Ansicht des FG im ty­pisierten Ertragswertverfahren der §§ 252 ff. BewG nur eine unzureichende Differenzierung nach der Lage der Gebäude und der Größe des Grundstücks erfolgt, denn die Antragsteller rügen vorliegend keine lage- oder größenbe­dingt unzutreffende Wertfeststellung, sondern machen vielmehr geltend, dass auf den vom FA ange­setzten Bodenwert aufgrund grundstücksbezogener Be­sonderheiten im Einzel­fall ein erheblicher Abschlag vorzunehmen sei. Ob die Nichtberücksichtigung lagebedingter Mietpreisunterschiede zu einer etwaigen Gleichheitswidrigkeit führt, ist daher auf der Grundlage des Vorbringens der Antragsteller, auf des­sen Prüfung der Senat im Aussetzungsverfahren grund­sätzlich beschränkt ist, nicht entscheidungserheblich. Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung des Senats zu der Frage, ob ein besonderes be­rech­tigtes Interesse der Antragstel­ler an der Gewährung vorläufigen Rechts­schutzes be­steht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes einzuräumen ist (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 18.01.2023 ‑ II B 53/22 (AdV), BFH/NV 2023, 382, Rz 9; vom 20.09.2022 ‑ II B 3/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1328, Rz 9 und vom 19.02.2018 ‑ II B 75/16, BFH/NV 2018, 706, Rz 33, m.w.N.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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  • "Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"

    Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt

  • "Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."

    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

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