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BFH: Verspätungszuschlag nach § 152 Abs. 2 AO

§ 152 Abs. 2 der Abgabenordnung verstößt nicht gegen die Unschuldsvermu­tung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

AO § 152 Abs. 2
EMRK Art. 6 Abs. 2

BFH-Beschluss vom 4.6.2024, VIII B 121/22 (veröffentlicht am 20.6.2024)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 20.7.2022, 4 K 212/20

Die Beschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Revisionszulas­sungsgründe (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) nicht vorlie­gen beziehungsweise nicht in der gebotenen Form geltend gemacht werden.

1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts stellt einen Spezialfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung dar. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Ein­zelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts auf­zustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Der Zulassungs­grund setzt ebenso wie die Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) eine klärungsbedürftige und klärbare, abstrakte Rechtsfrage voraus (vgl. Senatsbe­schluss vom 24.05.2022 ‑ VIII B 53/21, BFH/NV 2022, 804).

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechts­frage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Recht­sprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsi­cherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prü­fung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage aber nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (z.B. BFH-Beschluss vom 01.09.2010 ‑ IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27, m.w.N.).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werfen die Frage auf, ob § 152 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) in der gemäß Art. 97 § 8 des Einführungsge­setzes zur Abgabenordnung anwendbaren Fassung vom 12.12.2019 eine Strafnorm im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskon­vention (EMRK) ist und ‑‑bejahendenfalls‑‑ ob eine konventionskonforme Aus­legung von § 152 Abs. 2 AO erfordert, dass die Norm eine Entschuldigungs­mög­lichkeit beziehungsweise in der Rechtsfolge ein über­prüfbares Ermessen vorsieht.

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, sondern im Ergebnis so zu beantwor­ten, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat. § 152 Abs. 2 AO verstößt nicht gegen die Unschuldsvermutung in ihrer Gewährleistung durch Art. 6 Abs. 2 EMRK. § 152 Abs. 2 AO ist keine Norm mit Strafcharakter im Sinne dieser Vor­schrift.

a) Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklä­rung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Vorschrift gewährt im Grundsatz Ermessen. Abweichend von Abs. 1 ist gemäß § 152 Abs. 2 AO ein Verspätungszuschlag unter anderem festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt, beziehungsweise in den Fällen des § 149 Abs. 2 Satz 2 nicht binnen 19 Monaten nach Ablauf des Ka­lenderjahrs oder nicht binnen 19 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt abgegeben wurde. Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungs­zuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerab­zugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO). Der Verspätungszuschlag darf höchstens 25.000 € betragen (§ 152 Abs. 10 AO).

b) Die Kläger leiten aus der Unschuldsvermutung von Art. 6 Abs. 2 EMRK ab, dass § 152 Abs. 2 AO konventionskonform dahingehend auszulegen sei, dass die Norm eine Entschuldigungsmöglichkeit beziehungsweise in der Rechtsfolge ein überprüfbares Ermessen vorsehen müsse und daher ‑‑wie im Streitfall‑‑ ein Ermessensausfall vorliege, wenn das FG kein Ermessen ausübe. Soweit die Unschuldsvermutung durch Art. 6 Abs. 2 EMRK gewährleistet wird, steht sie einem Verständnis des § 152 Abs. 2 AO als Norm mit gebundener Rechtsfolge allerdings nicht entgegen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist im Streitfall grundsätzlich zu beachten (unter 1.a aa). Allerdings kann die verspätete Abgabe einer Steuer­er­klärung auch bei Zugrundelegung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vorgenommenen weiten Auslegung (unter 1.b cc) nicht als "Straftat" im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EMRK angesehen werden (unter 1.c).

aa) Die Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention gehen dem nationalen Gesetzesrecht nicht vor. Als völker­rechtliche Verträge stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzvereinbarungen im Range eines einfachen Bundesgesetzes. Dennoch hat die Europäische Men­schen­rechtskonvention mittelbar verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grund­geset­zes beeinflusst (vgl. BFH-Urteil vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17, BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438, Rz 37; Urteil des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 19.05.2023 ‑ 2 BvR 78/22, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2023, 2632, Rz 28 ff., m.w.N.).

Nach Art. 6 Abs. 2 EMRK gilt jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

bb) Der EGMR sieht den in Art. 6 Abs. 2 EMRK verwendeten Begriff der "Straf­tat" als autonom und daher nicht durch das innerstaatliche Recht der Vertrags­staaten determiniert an. Grund hierfür ist, dass die Reichweite der fundamen­talen Bestimmungen der Art. 6 und 7 EMRK dem freien Willen der Vertrags­staaten unterläge, wenn diese nach Belieben eine Verfehlung als nichtstraf­rechtlichen Verstoß definieren könnten (EGMR-Urteile vom 08.06.1976 ‑ 5100/71 ‑‑Engel u.a./Niederlande‑‑, Rz 81 und vom 21.02.1984 ‑ 8544/79 ‑‑Öztürk/Deutschland‑‑, NJW 1985, 1273, Rz 49; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17, BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438, Rz 39).

cc) Der EGMR legt den Begriff der "Straftat" sehr weit aus. Er hat dazu drei ‑‑auch als "Engel-Kriterien" bezeichnete‑‑ Merkmale entwickelt, anhand derer zu prüfen ist, ob eine Sanktion strafrechtlicher Natur ist (EGMR-Urteile vom 31.08.2021 ‑ 12951/18 ‑‑BRAGI GUÐMUNDUR KRISTJÁNSSON v. ICELAND‑‑, Rz 49; vom 08.06.1976 ‑ 5100/71 ‑‑Engel u.a./Niederlande‑‑, Rz 82 und vom 21.02.1984 ‑ 8544/79 ‑‑Öztürk/Deutschland‑‑, NJW 1985, 1273, Rz 48). Da­bei geht es um die Einordnung der maßgebenden Norm nach der Rechtstech­nik des betroffenen Staates (unter (1)), nach der Art der Zuwiderhandlung (unter (2)) sowie nach der Art und Schwere der angedrohten Sanktion (un­ter (3)).

(1) Das erste Kriterium der Einordnung nach der Rechtstechnik des nationalen Rechts hat nur "formellen und relativen Wert" (so EGMR-Urteil vom 08.06.1976 ‑ 5100/71 ‑‑Engel u.a./Niederlande‑‑, Rz 82); es ist in der bishe­rigen Rechtsprechung des EGMR nur insoweit von Bedeutung gewesen, als ei­ne Norm, die schon nach nationalem Recht dem Strafrecht angehört, stets auch strafrechtlicher Natur im Sinne der Europäischen Menschenrechtskon­vention ist. Im umgekehrten Fall ist die vom nationa­len Recht vorgenommene Einordnung hingegen nicht bindend (BFH-Urteil vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17, BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438, Rz 41).

(2) Die Art der Zuwiderhandlung spricht vor allem dann für einen strafrechtli­chen Charakter der sie sanktionierenden Norm, wenn die betreffende Tat ihrer Natur nach als strafbar angesehen wird (EGMR-Urteil vom 23.11.2006 ‑ 73053/01 ‑‑Jussila/Finnland‑‑, Rz 31). Dies beurteilt der EGMR anhand von Indizien.

Ein Indiz für eine Strafnorm im Sinne von Art. 6 Abs. 2 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR darin zu sehen, dass die Norm allgemein gilt und nicht nur für eine einzelne Personengruppe (EGMR-Urteile vom 21.02.1984 ‑ 8544/79 ‑‑Öztürk/Deutschland‑‑, NJW 1985, 1273, Rz 53 und vom 24.02.1994 ‑ 12547/86 ‑‑Bendenoun/Frankreich‑‑, Rz 47). In diesem Zusam­men­hang hat die Europäische Menschenrechtskonvention einen Steuerzu­schlag, dessen Anwendungsbereich sich auf umsatzsteuerpflichtige Unter­nehmer beschränkte, noch als hinreichend allgemein angesehen (EGMR-Urteil vom 23.11.2006 ‑ 73053/01 ‑‑Jussila/Finnland‑‑, Rz 38).

Des Weiteren spricht für den strafrechtlichen Charakter einer Norm, wenn sie nicht in erster Linie einen finanziellen Ausgleich für einen Schaden gewähren soll, sondern sowohl abschreckende (präventive) als auch bestrafende (repres­sive) Zwecke verfolgt, weil dies die üblichen Merkmale strafrechtlicher Sank­tionen sind (EGMR-Urteile vom 21.02.1984 ‑ 8544/79 ‑‑Öztürk/Deutschland‑‑, NJW 1985, 1273, Rz 53; vom 24.02.1994 ‑ 12547/86 ‑‑Bendenoun/Frankreich‑‑, Rz 44 und vom 23.07.2002 ‑ 34619/97 ‑‑Janosevic/Schweden‑‑, Rz 68).

(3) Das dritte "Engel-Kriterium" ist erfüllt, wenn die Tat eine Sanktion nach sich zieht, die aufgrund ihrer Art und Schwere in den strafrechtlichen Bereich fällt (EGMR-Urteil vom 23.11.2006 ‑ 73053/01 ‑‑Jussila/Finnland‑‑, Rz 31). Dabei ist weniger auf die im konkreten Einzelfall verhängte Sanktion abzustellen, sondern auf die im Gesetz angedrohte Höchstsanktion (EGMR-Urteil vom 19.02.2013 ‑ 4795/06 ‑‑Müller-Hartburg/Österreich‑‑, NJW 2014, 1791, Rz 46). Dabei zählen nach der Rechtsprechung des EGMR zum Straf­recht ‑‑unabhängig von ihrer Einordnung im nationalen Recht‑‑ zwingend alle Freiheitsentziehungen, die über unwesentliche Nachteile hinausgehen (EGMR-Urteil vom 08.06.1976 ‑ 5100/71 ‑‑Engel u.a./Niederlande‑‑, Rz 82); ebenso Geldzahlungen, die sehr hoch ausfallen und bei Nichtzahlung zu einer Ersatz­haft führen können (EGMR-Urteil vom 24.02.1994 ‑ 12547/86 ‑‑Bendenoun/Frankreich‑‑, Rz 47). In Ab­grenzung dazu hat der EGMR zu einem berufsgerichtlichen Disziplinarverfahren entschieden, in dem eine Geldbuße von maximal 36.000 € (im Jahr 1995) ver­hängt werden konnte, dass allein die Schwere dieser Sanktion sie noch nicht in den Bereich des Strafrechts bringt (EGMR-Urteil vom 19.02.2013 ‑ 4795/06 ‑‑Müller-Hartburg/Österreich‑‑, NJW 2014, 1791, Rz 47).

(4) Für die Zuordnung einer Norm zum Strafrecht im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EMRK genügt es, wenn entweder das zweite oder das dritte "Engel-Kriterium" erfüllt ist. Die "Engel-Kriterien" stehen grundsätzlich selbständig nebenei­nander. Wenn al­lerdings die Einzelbetrachtung der Kriterien noch keine eindeutigen Schlussfol­gerungen zulässt, kann auch eine kumulative Würdigung geboten sein (EGMR-Urteile vom 23.07.2002 ‑ 34619/97 ‑‑Janosevic/Schweden‑‑, Rz 67 und vom 23.11.2006 ‑ 73053/01 ‑‑Jussila/Finnland‑‑, Rz 31).

c) Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze ist das in § 152 Abs. 2 AO vorgese­hene Verspätungsgeld nicht dem Bereich des Strafrechts zuzurechnen. Zwar ist dafür die im deutschen Recht vorgenommene Einordnung als verwaltungs­rechtliche Geldleistung nicht ausschlaggebend (unter 1.c aa). Weder die Art der Zuwiderhandlung (unter 1.c bb) noch die Art und Schwere der Sanktion (unter 1.c cc) lassen aber ‑‑sowohl bei alternativer als auch bei kumulativer Prüfung‑‑ eine Zuordnung zum Strafrecht zu.

aa) § 152 AO ist, anders als die strafrechtliche Blankettnorm des § 370 AO, im deutschen Recht eindeutig keine Norm, die dem Strafrecht zuzurechnen ist. Die Zuordnung des Verspätungszuschlags nach nationalem Recht zum steuer­lichen Verfahrensrecht schließt die Annahme einer Norm mit Strafrechtscha­rakter allerdings nicht aus.

bb) Allein die Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung in­nerhalb der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist stellt aber keine "Tat" dar, die ihrer Natur nach als strafbar angesehen werden könnte.

Der Senat lässt offen, ob § 152 Abs. 2 AO nach dem Verständnis des EGMR nicht "jedermann" betrifft, sondern nur eine vorbestimmte Gruppe mit beson­derem Status. Einerseits sind (nur) diejenigen Steuerpflichtigen vom persönli­chen Anwendungsbereich der Norm erfasst, die verpflichtet sind, eine Steuer­erklärung innerhalb einer bestimmten Frist abzugeben. Es muss sich zudem um eine Steuererklärung handeln, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht. Dieser enge persönliche Anwen­dungsbereich könnte dafür sprechen, dass es sich um eine Sonderregelung handelt, die schon deshalb nicht zum Strafrecht gehört. Andererseits ist nicht nur eine große Anzahl von Steuerpflichtigen betroffen. Die Norm gilt daher all­gemein, nämlich für "jedermann", der die gesetzlichen Voraussetzungen er­füllt.

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung (vgl. hierzu EGMR-Urteil vom 23.11.2006 ‑ 73053/01 ‑‑Jussila/Finnland‑‑, Rz 31) gibt jedenfalls der eindeutige Normzweck des § 152 Abs. 2 AO den Ausschlag dafür, dass die Norm auch im Hinblick auf die Art des Verstoßes keinen strafrechtlichen Cha­rakter hat.

Der Verspätungszuschlag dient dazu, den rechtzeitigen Eingang der Steuerer­klärungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen (BTDrucks VI/1982, S. 129). Als Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist, hat der Verspätungszuschlag zwar repressiven und präventiven Charakter (BFH-Urteile vom 28.03.2007 ‑ IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450, Rz 9; vom 26.06.2002 ‑ IV R 63/00, BFHE 198, 399, BStBl II 2002, 679, unter 1. [Rz 10]). Der repressive Charakter von § 152 Abs. 2 AO, der in der Anknüp­fung an einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang (Unterlassen) zum Ausdruck kommt, ist aber nicht mit einem sozial-ethischen Unwerturteil ver­bunden; eine abschreckende, generalpräventive Wirkung ist nicht beabsichtigt. § 152 Abs. 2 AO hat damit nicht die vorrangige Funktion der Bestrafung von begangenem Unrecht. Vielmehr sanktioniert § 152 Abs. 2 AO lediglich eine (objektive) verfahrensrechtliche Pflichtverletzung im Hinblick auf die dadurch typischerweise bewirkte Verzögerung des Ablaufs im Verwaltungsverfahren.

Wie § 370 AO zeigt, ist die verspätete Abgabe einer Steuererklärung erst dann mit einem sozial-ethischen Unwerturteil verbunden, wenn sie zum einen un­richtige Angaben enthält und wenn zum anderen auch der subjektive Tatbe­stand der Strafnorm erfüllt ist. Beides setzt § 152 Abs. 2 AO nicht voraus.

cc) Auch die Art und Schwere der in § 152 Abs. 2 AO angedrohten Höchst­sanktion sprechen gegen eine Zuordnung zum Strafrecht. Typische strafrecht­liche Sanktionen wie die Freiheitsentziehung oder die Eintragung ins Strafre­gister (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17, BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438, Rz 51) sieht die Norm nicht vor. Die Höhe der ‑‑allein möglichen‑‑ finanziellen Sanktion lässt auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des EGMR einen strafrechtlichen Charakter nicht erkennen. Das gilt sowohl in Be­zug auf die im Gesetz angedrohte Höchstsanktion als auch in Bezug auf die im konkreten Einzelfall verhängte Sanktion.

Zwar hat der EGMR nationale pauschale Steuerzuschläge in Fällen falscher oder unterbliebener Angaben in Steuererklärungen in Einzelfällen dem Bereich des Strafrechts zugerechnet (vgl. die Nachweise in Rz 51 des BFH-Urteils vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17, BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438). Dabei handelte es sich jedoch insbesondere um der Höhe nach nicht begrenzte Zuschläge, die nicht mit der Höhe des Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 2 AO vergleichbar sind. Vor allem der Höchstbetrag für den Verspätungszuschlag von 25.000 € liegt noch innerhalb des Rahmens bis 36.000 €, den der EGMR im Jahr 1995 nicht als in den Bereich des Strafrechts fallend eingeordnet hat (vgl. Urteil vom 19.02.2013 ‑ 4795/06 ‑‑Müller-Hartburg/Österreich‑‑, NJW 2014, 1791, Rz 47).

Der im Streitfall festgesetzte Verspätungszuschlag beträgt circa 2 % der fest­gesetzten Steuer und 275 €. Sowohl der prozentuale Anteil als auch der abso­lute Betrag liegen deutlich unter denjenigen Steuerzuschlägen, bei denen der EGMR eine Strafnormqualität erkannt hat. Auch der Umstand, dass im Streit­fall der in § 152 Abs. 5 Satz 2 AO geregelte Mindestbetrag von 25 € zum An­satz gekommen ist, ändert nichts am fehlenden Strafnormcharakter. Zwar ist der Mindestbetrag nicht abhängig von der Höhe der Steuer, deren Festsetzung sich durch die nicht fristgerechte Abgabe der Erklärung mutmaßlich verzögert hat. Der Mindestbetrag dient der Vereinfachung. Gerade in Fällen objektiver Geringfügigkeit ist damit ein sozial-ethisches Unwerturteil erst recht nicht ver­bunden.

2. Die von den Klägern pauschal gerügte Verletzung von Art. 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfüllt nicht die Darlegungsanforde­rungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

3. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO, hier der Vermeidung einer Diver­genzentscheidung, zuzulassen.

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Die Revisionszulassung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entschei­dungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das BVerfG, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein an­deres oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Ent­scheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentschei­dung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Zur schlüssigen Darlegung ei­ner Divergenzrüge nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört unter anderem eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender abstrakter Rechtssätze aus dem ange­fochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzent­scheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen (BFH-Beschluss vom 29.11.2022 ‑ VIII B 141/21, BFH/NV 2023, 143, Rz 23).

b) Hieran fehlt es. Die Kläger haben auf Seite 10 folgende ihrer Beschwerde­begründung keine konkreten Entscheidungen beziehungsweise in diesen Ent­scheidungen aufgestellte Rechtssätze dargelegt und deren fehlende Überein­stimmung mit von ihnen dargestellten tragenden Rechtsgrundsätzen des an­gefochtenen FG-Urteils erläutert. Hierfür ist es nicht ausreichend, die bisheri­gen Entscheidungen des BFH zu Art. 6 EMRK aufzuführen (S. 3 f. der Be­schwerdebegründung). In Bezug auf das BFH-Urteil vom 20.02.2019 ‑ X R 32/17 (BFHE 264, 184, BStBl II 2019, 438) ist der Vortrag zur behaupte­ten Divergenz unschlüssig, weil die Kläger zum einen eine Abweichung des an­gegriffenen Urteils behaupten, aber andererseits ausführen, die Fälle seien nicht vergleichbar (S. 10 und S. 5 der Beschwerdebegründung).

4. Von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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